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Aber weiter! Näher betrachtet, lebt iede modische Frau nur für ihr Vergnügen und die Vereinigung mit ihrem Manne verbindet sie zu keiner andern Pflicht als der, die Freuden mit ihm zu theilen, die man nur durch Mitheilung geniest. Sie ist zu zart, zu arbeiten: denn sie hat kaum Kräfte genug, den Müssiggang zu ertragen. Sol ihr kleiner Fus durch etwas anders als den Tanz ermüdet werden, und sich nicht blos in schönen Linien bewegen? Sol ihre weisse Hand, deren Reinigkeit so viele Handschuhe bewachten, ausser den Karten schmuzige Töpfe berühren, und ihre schöne Farbe der Pflicht aufopfern? Und wozu? Um die Güter des Mannes zu vermehren? sie braucht sie ia nicht einmal zu erhalten, sondern nur zu geniessen. Und wenn hätte sie Zeit, nüzliche Dinge zu thun? Sie hat ia kaum Zeit genug unnüzliche zu thun; der dem Schlafe halbentzogne Vormittag reicht mit Mühe hin, die Sorge für den Puz zu endigen, und oft hat sie den Tag nöthig, um sich für die Nacht anzukleiden. Die Pflichten des Ehebettes weichen billig den Pflichten des Nachttisches. wo sie sich in theure Thorheiten kleiden mus; wo ovidische Verwandlungen vorgehen; wo sie die bleichen Folgen der nächtlichen Wollüste mit neuen Verführungen übertünchet, und sich mit dem Schweise des Mannes schminkt, um wenigstens am Tage schön zu sein, wie die Blume, deren Reize sich mit der Sonne verbergen; wo sie über die ausgelegten Lok-Speisen dünne Neze zur Bestrikkung der Augen ausbreitet, wo sie nur die Reize in den Puz verhült, die ihre natürlichen sind, und die hingegen sehen läst, die die Ehrbarkeit nicht gerne sieht; und wo sie sich mit Wohlgerüchen salbt, weil sie durch ihre Schönheit weniger als durch die Ausdünstung derselben zu verführen glaubt, wie die Pokken mehr durch Ausdünstung als durch Inokulazion, d. h. durch sich selbst anstekken. Meine Frau (erlauben Sie diese scheinbare Unterbrechung meiner Schilderung) unterrichtete mich durch ihr eigen Beispiel von allen ienen Erfindungen. Ich Thor wolte nämlich nach den lezten Paroxysmen der Liebe mit ihr über die gewöhnlichen Ausgaben einig werden, weil ich glaube, daß für die Hände des Zufals kein Beutel zu vol ist, und daß selbst eine bestimte tägliche Verschwendung das Vermögen, wie ofne Geschwüre den Unterleib, vor dem Durchfalle bewahren. Allein wie wuste mein zweites Selbst meine Klugheit zu vernichten! Denn kurz, sie wolte sich der Welt durch unvermutheten Glanz ankündigen, und lies ihre ersten Verschwendungen ihre grösten sein, wie man in alten Zeiten die Bücher mit grossen, und goldnen Anfangsbuchstaben zierte; sie verwandelte mein Haus in den Sammelplaz aller modischen Helfershelfer, wo der Schneider hinter dem Galanteriehändler wandelt, und beider Mienen mit dem Bewustsein ihrer Unentbehrlichkeit triumphiren, wo der Harkräusler einen mit seiner Gegenwart belagert und oft mit Ahndung des mittäglichen Hungers auf die Endigung der morgendlichen Träume der Madame harret, wo die kleinen Bedürfnisse des Puzes die geschwinden Füsse aller Bedienten beschäftigen, und der lärmende Müssiggang den stillen Fleis verscheucht – –
Aber, um wieder aufs vorige zu kommen, Sie müssen nicht denken, daß blos die Jugend an ihrer scheinbaren Verschönerung arbeite. O die Thorheit überlebt die Schönheit, und nach dem Tode der Natur, wandelt in der Gestalt derselben das Gespenst der Kunst umher. Ich kenne eine ältliche Matrone, deren Erinnerung und Begierden weit jünger als ihr Körper sind, obgleich ihren Reizen die Hand der Zeit den Scheidebrief troz allem Geschnörkel der Kunst noch allemal lesbar genug geschrieben, und ob sie gleich in einer ägyptischen Geselschaft als eine lehrreiche Mumie gelten könte. Diese borgt von der Mode die Jugend, in welche sie ihr Alter kleidet, so wie Leßing dem Tode stat des dürren Skelets, welches ihm alle Mahler geben, die Gestalt eines jungen schönen Genius gab. Buntfarbige Seide umrauschet ihr Gerippe, wie der wizige Sargmacher das Haus des Todes mit bunter Mahlerei verschönert. Auf ihren welken Lippen schwebt eine ewige Leichenpredigt auf ihre verstorbenen Reize, und ihre verwelkte Schönheit, die immer mit häslicher Mine hinter der geborgten Verschönerung hervorwinkt, spielet alle Rollen der blühenden; so sol, nach Montaigne, das eingesalzne Wildpret seine Zustände nach den Zuständen des lebendigen abwechseln lassen.Montaigne L. I. chap. 3. Ihre Wangen blühen roth und weis zum zweiten mal. Der dumme Bauer nur weissagt aus dem Herbste, in welchem die Bäume wie im Frühlinge blühen, ein übles Jahr. –
Der Man nun, der alle diejenigen bezahlet, die ihn mit ihren Zetteln erinnern, daß er eine Frau hat, der wie der Ägypter seinem vergötterten Affen oder Krokodil alle die Freuden opfert, die er entbehret, und Papyrus im Munde und Magen, seinen Gözen mit Lekerbissen mästet, der gegen die verschwendete Frucht seines Schweisses künftige Armuth eintauschet, und mit dem wahrscheinlichen Elende seiner Kinder, ihrer Mutter modische Spizen kaufet, ein solcher Man bleibt von seiner Frau nicht ganz unbelohnet. Denn sie läst ihn die Schwere ihres Fächers weniger fühlen, dessen Rechte er nun, zu lange der seinigen entwöhnet, und der Mode entgegenzuschwimmen, mit zu schwachen Flosfedern versehen, anerkennen mus. Das schwächere Geschlecht nämlich hat sich unseres Kopfes, unserer Hände und Füsse bemächtigt, zu stark für die leichte Behauptung unseres Herzens, das vielleicht durch die neuen Eroberungen verlohren gegangen, um ohne Zweifel die Gebräuche eines Landes nachzuahmen, wo die Frau nie den Namen eines Beherschers, sondern nur seine Gewalt, nie eine Krone, sondern nur Unterthanen besessen. Man mus sich die Ehe nicht, wie ich mir sonst, als ein Stükgen vorstellen, im welchem Diskant und Bas zusammenspielen, in welchem die rechte Hand (die Frau) den einen und die linke (der Man) den andern spielt; man mus nicht denken, daß das Herz sich unter den Kopf noch schmiege, und daß die Klugheit des leztern und die blinden aber guten Eigenschaften des erstern in die Harmonie sich noch bringen lassen, in welche der geschikte Violinist die Hare des Pferdes und die Gedärme des Schafes bringt. Der Man ist der Kopf der Frau nicht mehr; sie hat ihren eignen aufgesezt. Und das war, das ist auch so leicht! Die meisten Simsons verliehren im Schosse einer Delia ihre Hare und Amor bindet die Augen zu, um dem Hymen das Binden der Hände zu erleichtern. – Oder man hat Thorheiten, und an diesen kan man jeden wie gewisse Thiere an ihren Ohren festhalten! Wenn nur einmal die Schellen der Frau die Schellen des Mannes akkompagniren! – Die Leidenschaften, sagt Plato, sind die Pferde am menschlichen Wagen; o und wie leicht schwingt sich ein Weib auf den Kutschbok um spazieren zu fahren! – Eine andre Frau gehorcht vielleicht einmahl, um zehnmal befehlen zu können, überwältigt durch angenommene Schwächen und siegt durch eine scheinbare Flucht. Eine dritte löset den harten Mann in Thränen auf, wie den Zukker im Thee, und die Schönheit vertheidigt sich durch dasselbe Element, aus welchem sie gebohren wurde. Viele Wassertropfen siegen endlich über den Widerstand des Steines. Freilich folgt der Regen erst auf den Donner, und wenn die Fliege ihren Rüssel erst vergeblich an der zähen Feuchtigkeit versucht hat, so verdünnet sie dieselbe durch ihren Speichel. Und man hat Beispiele, daß das Eis eine Brükke, die seinen Anfällen widerstand, dann niederris, wenn es in seine vorige Flüßigkeit aufgelöst, in mächtigen Fluten daherstürmte. – Auch vermag ein Heer von Kehlen der Schwestern, Schwiegermütter und Freundinnen sehr viel, und der mänliche Arm erliegt der Menge weiblicher Zungen, wie manchmal ein Schwarm stechender Bienen den Bären vom Honig abtreibt. Eine starke Stimme zerschreit ein Basglas. – Nichts zähmet den Man leichter als die öftere Wiederholung der Anmerkung, daß er sein Glük, seine Ehre, sein Amt den Verdiensten schuldig ist, die seine – Ehehälfte besizt. Und dan gleicht überhaupt die ganze Ehe dem umgekehrten Traumbilde des Nebukadnezars d. h. das Haupt ist von Thon, und die Füsse von Gold, oder dem Teufel, dessen Kopf vom Ochsen und dessen Füsse vom Pferde borgen. Und wenn endlich der Man zum Wachs herabgesunken, das jeder warmen Betastung nachgiebt, wenn er der Zeit die Selbstbeherschung abgetreten – und überhaupt der Festigkeit ermangelt, durch die irgend eine Beschaffenheit der Sele dauernde Farbe erhält, so wie das Eisen im Blute die Farben der Völker verursachet, so ists um die Rechte seines Geschlechts gethan und er das Spiel eines weiblichen Reizes und der Sklave einer geschminkten Wange! – Die meisten Schönen regieren also von der Dumheit Gnaden und ihr lispelnder Befehl verstärkt sich nur in Midas Ohren so. – Doch hat sich meine Muskeln- und Flechsenmaschine noch nicht an die Beweglichkeit gewöhnet, die für die Veränderlichkeit der Befehle schöner Minen so nothwendig ist, und gleicht noch nicht einer Windmühle, die jeder Wind einer weiblichen Lunge nach seiner Laune dreht. –
Obgleich ferner eine modische Frau nur in so fern Mutter ihrer Kinder ist, als sie Vergnügen hat, es zu sein; obgleich der Müssiggang ihr keine Zeit für die Verbesserung des Kopfes und Herzens derselben übrig läst: so stiehlt die mütterliche Pflicht, der Faulheit doch noch einige Minuten, worinnen sie das Mädgen in die Geheimnisse der Lebensart einweihet, es die Geographie der Reize lehrt und mit dem Fächer exerziren läst, worinnen sie den Rükken und das Knie des Jungen an das Komplimentenjoch und ihn an die Tugend gewöhnet, unter sein Geschlecht zu fallen. Kaum brauch' ich noch zu erinnern, daß sie vor der Langenweile zu den Geselschaften flüchtet, in welche sie nicht selten ihren Arbeitsbeutel bringt, um entweder durch denselben an die Versäumung ihrer Pflicht erinnert zu werden, oder an kleinen Arbeiten die Länge der verschwendeten Zeit zu berechnen – Geselschaften, wo sie gleich der Bienenkönigin, als Königin und Geliebte gilt und wo die Schönen immer wie Kinder vorauslaufen dürfen; wo der Kopf des Mannes das Echo schöner Lippen ist, und die Langeweile sich von der luftigen Höflichkeit nähret; wo halbe Komplimente den buntfärbigen Kreis durchwandern, eh' man mit dem wichtigen Geschäfte, sich an eine Tafel zu sezen, zu Ende komt, wie der glänzende Käfer um das runde Gericht, das ihm der Magen eines grossen Thieres, ein besserer Koch als ein französischer, aufgetischt, herumsumset, eh' er sich in seine Speise vergräbt; wo Lust den Ekel, wie Wärme die Maden ausbrütet, und die meisten Vergnügungen mehr glänzend als schmakhaft sind, mehr begehrt als genossen werden; wo die Verläumdung, wenn die Geschichte eines müßigen Lebens keine Unterhaltung für die müßige Stunde mehr darbietet, böse Gerüchte erntet und säet, und mit ihrer Zunge, wie die Schnake mit der ihrigen, zugleich saugt und sticht; wo unzwekmäsige Satire über denjenigen Gegenstand des verbissenen Lachens siegt, der seine Stärke nicht auf der Zunge, wie das Krokodil im Schwanze hat, wo man die Schamlosigkeit, die ihre Ohren an galanten Zoten weidet, hinter den Fächer verbirgt, wo man den Stolz eines schönen Gesichts durch Lob zu diktatorischen Aussprüchen besticht, wie die Scythen ihre Stutten aufbliesen, um mehr Milch zu bekommen, und aus einer weissen Haut den Wiz, wie aus einem schwarzen Kazenfell die Funken, durch Streicheln herauslokket.
Aber in diesen Geselschaften thut eine Frau noch mehr: denn ihr Man, der sie nur mit ihren natürlichen Reizen geniest, kauft ihr die, mit denen sie seine Freunde geniessen sollen, und lässet sich seine unverdiente Schande mehr kosten als mancher sich seine unverdiente Ehre. Daher die lange Dauer jener Geselschaften; die Fischer fischen zu Nachts am liebsten. Sie, mein Freund, müssen nicht an eine Treue glauben, die nur in den Gesezen existirt, die sie gebieten, und in den Geschichtsbüchern, die sie erdichten. Die Vorwelt nahm vielleicht mit Einem Gerichte und einer Ehehälfte vorlieb; aber wer jezt mit sechs Schüsseln und Einem Gatten? Wem ekelt nicht wie den Kindern Israels vor dem alle Morgen aufgewärmten Manna? und wen lüstet nicht nach Wachteln? Auch ists zu verzeihen, wenn der muntere Stuzer dem schwerfälligen Manne den Rang abläuft, wenn das Herz einer Frau, gleich dem Herz der Fische, das Zwergfell zu seiner Basis macht, und nur seine Spize gegen den Kopf hinkehret. Denn eine solche Untreue reichte nur sonst hin – sonst, da blos eine Frau ihre Andacht mit dem Priester theilte, und sich von ihm das sinlich erklären lies, was er immer in Hebraismen verbietet; sonst, da sie blos krank wurde, um von einem jungen Doktor geheilt zu werden, um ihre Treue an ihrer Krankheit sterben zu lassen, um ihr Krankenbette zum Todenbette ihrer Ehre zu machen – und vielleicht auch noch jezt hier und da wo ein Dichter durch einen im Monde versilberten Thränenregen, wie Jupiter durch einen goldnen Regen, widerspenstige Reize unterjocht. Aber mit so einer Untreue komt man jezt nicht weit genug. Warum das rauben, was man billig fordern kan? und wie überflüßig ist das Brecheisen des Diebs, der Feder des Rechtsgelehrten? Kurz die Mode rechnet die Hörner eines Mannes zu seiner Frisur und höchstens verschleiert man eine Untreue so wie den Busen. Aber sie sollen die jezige Wollust durch folgendes Gemählde einer Witwe, die ich kenne, kennen lernen. In ihrer Ehe, die nicht lange dauerte, war sie unfruchtbar, und hatte kein Kind ausser ihren Man. Doch zeigten sich nach seinem Tode die Pfänder von der Stärke seiner Lenden, und seine Witwe ehrte sein Gedächtnis durch die, denen er das Leben gab, da er keines mehr hatte – so treibt der Kokosbaum nach dem Verluste seines Gipfels mehrere Äste und Früchte. Ich mus hiebei anmerken, daß blos der Zufal ihrer vorgeblichen Unfruchtbarkeit diesen Streich spielte. Denn sie liebt nur die Wollust und hasset die Früchte derselben. Wenn man die süsse Hülle der Pflaume genossen, speiet man den harten Kern heraus. Daß sie ihre Reize durch die Farbe des Todes schminkte, und durch den schwarzen Flor den Busen zum weissem Ziele zu machen wuste, das durch seine schwarzen Grenzen die Augen der Schüzen auf sich zieht, ist natürlich. Immer rollen ferner ihre Augen nach mänlichen Reizen herum, immer röthet ihr heisses Blut ihre Wangen mit Begierde, immer sucht sie Opfer ihrer Schande auszuwittern, und mit verborgenen schönen Strikken weis sie einen ausgespähten Raub in ihre Arme zu ziehen. Nicht selten opfert sie ihren Stand ihrer Lust auf, und kühlet niedrige Begierden in niedrigen Mitteln ab, wie man mit schlechten Regenwürmern entzündete Glieder heilt. Die Spöttereien des Gerüchts sind ihr Stiche gewisser Insekten, die mehr kizeln als schmerzen; auch verstekt sie hinter ihren Reichthum ihre Schande, wie die Mädgen der Völker in Achem, die Beweise ihres Geschlechts mit einem silbernen Bleche verdekken. Jezt sättigt sie ihre Wünsche blos mit dem Anschauen derer Silhouetten ihrer verstorbenen Anbeter, die unter dem Spiegel ihrer Toilette hängen – so reihet der Bauer die Köpfe getödeter Sperlinge an einem Faden auf, und hänget sie an die Wand.