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Im Krokodilhaus war Generalreinigung. Rechts und links von der Bambusbrücke, die quer durch die große, glasgedeckte Krokodilhalle lief und den Raum für die Zuschauer bildete, waren die beiden Krokodilbecken. Kaimane und Krokodile, besonders durch die Form der Köpfe unterschieden (beim Kaiman sehr viel schmaler), schwammen da in allen Größen umher. Dazwischen mehrere große Arten von Wasserschildkröten, die in ihrer originellen Weise furchtlos zwischen den zähnestarrenden Rachen umherpaddelten.
In dem wohl zehn Meter hohen Raum umfing den Besucher Tropenluft. Bis unter das Glasdach der Halle wuchsen Gummibäume, Bambus und andere tropische Vegetation. Ein Gewirr von Lianen fiel herab und bildete dichte Vorhänge. Plötzlich erscholl aus der Höhe ein hartes, doch nicht unangenehmes Geräusch. »Tak – tak – tak«, viele Male hintereinander, als wenn ein kleiner Holzhammer auf ein Brettchen schlägt. Aus einer anderen Richtung wurde dem Laut Antwort. Wer die Urheber der Geräusche nicht kannte, war wohl kaum imstande, sie zu erraten. Zwei männliche Laubfrösche machten die Musik. Man hatte etwa dreißig der hübschen grünen Tierchen in der Halle ausgesetzt, doch zu sehen waren sie nicht. Allzu gut ging ihr Bild im Grün der Pflanzen unter.
Der Mann, der in Hemdsärmeln, aufgekrempelten Hosen und Holzpantinen in dem Bassin stand, dessen Wasser jetzt abgelassen war, ging mit dem starken Strahl des Wasserschlauches über den rauhen Boden, um ihn zu säubern. In der linken Hand hielt er einen Bambusknüppel, dessen unteres Ende mit starkem Draht umwickelt war. Der Wärter brauchte diese primitive Waffe im allgemeinen nicht, doch wenn wirklich einmal eins der Krokodile zudringlich wurde, dann genügte ein kräftiger Schlag mit dem Knüppel über das aufgerissene Maul, um das Tier zur Ordnung zu rufen. So gewandt und schnell sich Krokodile im Wasser bewegen, auf dem Lande sind sie unbeholfen.
Wenn die Paarungszeit kam, gab es wütende Beißereien unter den Männchen, große Narben zeugten davon. Lange konnte es niemand in der Krokodilhalle aushalten, es sei denn der an diese Urwaldluft gewöhnte Wärter. Doch war ja auch außerhalb der Hallen so viel eigenartig Reizvolles.
Neben den vielen giftlosen, halbgiftigen und giftigen Schlangen gab es unter den Echsen sehr abwegige, durch die Bildung ganz wunderlicher Formen überraschende Tiere. Eine etwa zwanzig Zentimeter lange Echse war auf Kopf, Hals, Körper und Schwanz mit vielen Stacheln bedeckt, die schräg abstanden, einen Schutz gegen ihre Feinde bildend. Eine andere erinnerte in der Form des Leibes und der Schuppen ganz auffallend an einen Tannenzapfen. Die Augen waren verschwindend klein, und Schwanz und Kopf in der Form so ähnlich, daß man genau hinsehen mußte, wenn man wissen wollte, was vorn oder hinten war.
Braun saß eines Tages vor einem der Basilisken und zeichnete. Das Tier war etwa einen halben Meter lang, und die Natur hatte ihm viel Zierat in der Form von ganz ornamental wirkenden Auswüchsen, von Schuppenbildung und Färbung mitgegeben. Braun brauchte sich nicht zu beeilen, er konnte mit aller Sorgfalt auf die reizvollen Einzelheiten eingehen, denn der Basilisk saß wie die Nachbildung eines Tieres da, er rührte über zwei Stunden kein Glied. Schließlich war die Arbeit vollendet, und der Maler wollte gerade zusammenpacken, als ihn ein Herr ansprach.
Er interessierte sich sehr für die saubere Zeichnung, und schon nach ein paar Worten fand Braun, daß er und Herr von Waldeck dasselbe Interessengebiet hatten, die Tiere. Der Mecklenburger Adlige konnte sehr anschaulich erzählen. Er hatte in seiner Heimat ein Zuchtgut, auf dem er Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen züchtete. Daneben galten seine Bemühungen auch Hunden, und zwar dem Hannoverschen Schweißhund, dieser alten und schönen deutschen Rasse. Sein Sohn, gleichfalls passionierter Züchter, wie der Vater stolz bekannte, hatte eine groß angelegte Kaninchenzucht. Er bemühte sich, die Rassen »Chinchilla« und »Castor rex« zu vervollkommnen, beides Kaninchenarten, deren Pelz hohe Qualitäten hat. Doch Herr von Waldeck war noch nicht zu Ende mit der Aufzählung der Tierrassen, die bei ihm gezüchtet wurden.
Seine Frau und seine Tochter nämlich züchteten Geflügel: Favourolles, die schönen, behäbigen Barthühner, die aus Frankreich zu uns gekommen sind und durch ihre Farbtönungen so fein wirken; Schneeputen, von deren weißem Gefieder sieh der tiefschwarze Borstenbüschel in wirkungsvollem Kontrast abhebt, der den Putern vorn an der Brust hängt. Toulouser Gänse und Laufenten schwammen auf dem Teich des Gutes, und inmitten des Hofes stand ein eigenartiges Fachwerkgebäude, ein Taubenturm, in dem Lahoretauben gezüchtet wurden.
Braun meinte: »Diese Taubentürme sollen ja infolge der mangelnden Wärme nicht sehr günstig für die Aufzucht der Jungen sein.«
»Das stimmt auch im allgemeinen, aber meiner ist hundertfünfzig Jahre alt und ein Fachwerkbau, der nicht nur sehr malerisch aussieht, sondern auch massiv gebaut ist. Er stand schon, bevor das Gutshaus und die Wirtschaftsgebäude erbaut wurden, denn der Taubenturm war das einzige Gebäude, das von dem Brand verschont blieb, der den alten Gutshof niedergelegt hat.«
Braun war sehr interessiert. Er wollte wissen, wie die Absatzmöglichkeiten für die erzüchteten Tiere seien, und erfuhr, daß der »Tierhof« in Mecklenburg, Pommern und bis weit nach Brandenburg hinein gut eingeführt sei. Auch in Friesland fange der Name an bekannt zu werden. Im Laufe der Unterhaltung kam man dann auf den Schweißhund zu sprechen.
Diese wundervolle alte Rasse ist aus dem leider ausgestorbenen Leithund hervorgegangen, der den Jägern vergangener Jahrhunderte unentbehrlich war, weil er an der Spitze der Meute lief. Er war es, der die Spur des Wildes aufnahm und hielt.
Herr von Waldeck war in seinem Element, wenn er von Hunden sprach. »Aus Bracken und den Resten der Leithundrasse erzüchteten unsere Vorfahren den Hannoverschen Schweißhund. ›Dietrich aus dem Winkel‹ und Dietzel sowie andere Altmeister unter den Jagdschriftstellern berichten Erstaunliches über die Leistungen der Schweißhunde zur damaligen Zeit. Im Gegensatz zu allen anderen Jagdhundrassen konnten diese Hunde die Fährte eines Hirsches halten, selbst wenn das Stück nicht angeschweißt, also gesund war!
Ob auch die Fährte noch so oft die Spur anderer Hirsche kreuzte, der ferme Schweißhund hielt sie. Das ist eine kaum glaubliche Leistung, doch stimmen die damaligen Jagdschriftsteller in diesem Punkt zu sehr überein, als daß man ihnen nicht glauben sollte. Es dauerte allerdings Jahre, bis ein Hund dieser Rasse vollendet in seinem Beruf war.
Auch heute noch gehört ein erfahrener Mann dazu, einen Schweißhund abzurichten. Mit Schlägen ist wenig oder gar nichts zu schaffen. Geduld und Feingefühl für die Anlagen des einzelnen Hundes und viel Liebe sind nötig.
Als der Mecklenburger sich verabschiedete, versprach er, zu gegebener Zeit einmal von sich hören zu lassen, möglicherweise hätte er dann einen kleinen Auftrag für den Maler. »Oder sind Sie so mit Arbeit überlastet, daß Sie keine Aufträge mehr annehmen?«
Braun winkte mit einem etwas bitteren Lächeln ab, und die beiden trennten sich.