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In einem so großen Tierpark ist das Leben vielfältig, es ist, als ob er ein Schnittpunkt vieler Lebenswege sei. Ganz abgesehen von dem tausendfachen Schicksal, das dort hinter den Gittern waltet, sind die, die vor den Gehegen wandeln, die Menschen, nicht minder interessant als die Tiere.
Da, vor dem Musikpavillon, sitzen fünf alte Herren in der Morgensonne. Sie tragen steife schwarze Hüte auf ihren grauen und weißhaarigen Köpfen. Seit Jahren treffen sich die Alten jeden Morgen im Zoo, unterhalten sich über neuangekommene oder neugeborene Tiere und über das, was die Wärter ihnen erzählt haben. Der eine oder andere macht seine Überlegenheit geltend, insofern er über Dinge zu berichten weiß, die nicht jedermann erfährt. Einer von den alten Herren winkt dann gewöhnlich mit einer lässigen Bewegung der Hand ab. Er hält nichts von dem, was die Wärter so erzählen, auch von den anderen Alten hält er nichts. Diese und andere Dinge waren früher anders, besser. Er sitzt auch nicht aus freundschaftlichen Gefühlen mit diesen »alten Menschen« hier, wie er sie nennt, sondern mehr, um sich über sie zu ärgern, und wenn sie auch alle noch so artig in der Sonne sitzen, zum Ärgern ist schließlich immer Grund vorhanden, wenn man nur will.
Zum Beispiel jetzt: Da kommt wieder dieser alte, lange Mensch angeschlurrt, der Johannsen. Der hat ihn mal »den Bitterling« genannt, das vergißt er ihm nie! Herr Johannsen lüftet lächelnd die Glocke: »Morjen, die olle Mannschaft.« Ekelhaft, denkt der »Bitterling«, muß er denn immer Flausen machen, schließlich hat der Mann doch mal was vorgestellt. Und so klingt sein Gruß mehr wie ein Knurren. Aber Johannsen, hochgewachsen und knorrig, wenn auch etwas krumm, hält sich heute nicht lange auf. Eine große Tüte mit Gemüseabfällen und trockenem Obst im Arm, zieht er weiter. Wenn man ein so junges Herz hat, dann ist es schon schlimm genug, daß man einundsiebzig Jahre alt ist. Herr Johannsen fütterte lieber die Tiere. Viele kannten ihn schon. Die Hirsche streckten ihr feines Geäse durch die Gitterstäbe, und ihr Lecker arbeitete flink, um die Kohlreste in Empfang zu nehmen. Auch ein starker Rothirsch, ein Vierzehnender, sah den Alten und kam sofort angetrollt, um seine Morgengabe in Empfang zu nehmen.
Die Hunde, Nilpferde, Antilopen und vor allem die Elefanten wurden bedacht, denn die Tüte war groß. Ganz unten auf dem Boden lag ein großer Kotelettknochen, an dem auch noch einiges Fett war. Den bekam die gefleckte Hyäne. Das als grausam und blutdürstig verschriene Tier hatte kaum den alten Herrn auftauchen sehen, als es auch schon in die Knie ging, den Kopf zur Seite drehte und ein gedämpftes Heulen hören ließ. Zwei alte Damen standen gerade davor, und ein Gruseln überlief sie, als sie das schauerliche Gebaren des »Untieres« sahen.
Als dann der alte Herr über die Barriere kletterte und das Biest mit der bloßen Hand am Rücken und Hals, ja sogar an dem gräßlichen Kopf kraulte, da hätten sie am liebsten den Leichtsinnigen zurückgerissen. Doch Herr Johannsen gab seinem Freund Nolte jetzt den Knochen und wanderte weiter. Er sah hinüber zu der Kirchturmuhr. Wahrhaftig, es war neun Uhr geworden, da mußte er ja an den Heimweg denken. Aber vorher nahm er noch das Papageienhaus mit. Gleich vorn an der Ecke saß sein Freund, der Nasenkakadu. Der alte Herr tat so, als sähe er ihn nicht. Doch da protestierte der kleine Kerl mit dem weißrosa Federkleid und dem weit übergewachsenen Oberschnabel, von dem diese Art ihren Namen hat.
»Komm mal her, komm mal her, Quatschkopf!« Der Vogel neigte zum Jähzorn, denn jetzt, als er sich vernachlässigt fühlte, trat er schnell von einem Bein auf das andere, stellte die kleine Holle auf und mischte unter seine Worte wütendes Krächzen.
Doch sein Freund ließ sich erweichen, er spendierte ihm ein paar Erdnüsse. Auch der große herrliche Hyazinthara bekam welche. Sein wunderschönes, einfarbig blaues Kleid erfreute den langjährigen Zoobesucher immer aufs neue.
Aber nun war es wohl Zeit. Herr Johannsen sprach noch ein paar Worte zu dem Graupapageien, dann verließ er das Vogelhaus und bald darauf den Zoo.