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Zur Zeit, als die ganze Schimpansengruppe noch lebte, machte ein Ereignis weit über die Stadt hinaus von sich reden: die Niederkunft einer der Schimpansinnen. Es war das erste lebend geborene Schimpansenkind in einem Zoologischen Garten, und die Sensation war groß.
Vorträge wurden gehalten, Zeitungsberichte erschienen, und eine Flut von Wissenschaftlern und Künstlern und anderen, die für das seltene Ereignis Interesse hatten, staute sich vor der Wochenstube.
Es kamen hohe Herren von der Regierung, die Gesandtschaften aller Länder schickten Männer von Bedeutung, und alles, was in geistigen Berufen einen Namen hatte, war da.
Bei der Geburt eines Thronfolgers hätte kaum eine gewichtigere Versammlung erscheinen können.
Und doch war gerade die Dümmste der Schimpansinnen Mutter geworden, dieselbe, die bei dem Spiel den Rhythmus nicht begriffen hatte. Aber so bunt und vielfältig die menschliche Gesellschaft auch war, die sich vor dem Gitter drängte, eigenartiger und staunenswerter war die nun siebenköpfige Gruppe von großen, schwarzen Affen, um derentwillen sie alle gekommen waren.
Das Neugeborene, braunrosig mit schütterer, schwarzer Behaarung, war nur wenig zu sehen. Eine winzig kleine Hand, festgekrallt im Fell der Mutter, und eine zarte, krumme Rückenlinie waren alles, was sich erspähen ließ. Nur ganz selten sah zwischen dem Körper und dem Arm der Mutter das kleine Gesicht hervor.
Dann drängten jedesmal die Zuschauer energisch heran. Es war allerdings einiges zu sehen, das selbst dem Direktor neu und für die Beurteilung der Menschenaffen aufschlußreich war.
So zum Beispiel das Benehmen sämtlicher Schimpansen, wenn die Mutter mit dem Kleinen durch die Fallklappe in den Außenkäfig ging. Das Männchen sowohl wie die anderen Weibchen ließen die Mutter vorangehen, ja sie hielten ihr sogar mit ängstlicher Sorge die Eisenklappe hoch. Jeder grobe Spaß von Seiten des Mannes unterblieb der Mutter gegenüber. Auffallend war der Gegensatz zum Benehmen der Paviane in ähnlicher Lage.
Oft konnte man ein reizendes Bild wahrnehmen. Zwei oder drei Schimpansenweibchen saßen im engen Kreis um Mutter und Kind herum. Es war, als wenn sie freundliche Ratschläge erteilten und das unter Frauen unerschöpfliche Thema »Kind« gemütlich erörterten.
Dann, als der kleine Schimpansenjunge eine Reihe von Monaten alt war, kam die für alle Zoologieprofessoren große Überraschung. Die Schimpansenmutter lehrte ihr Kind laufen! Genau wie es die Menschenmütter tun.
Die Mutter rutschte in hockender Stellung rückwärts, hielt das Kleine mit den Händen und zwang es so, wenn auch sehr langsam, hinterherzulaufen. Das tun die niederen Affenarten nicht.
So entwickelte sich der Kleine recht gut, bis ihm ein Unfall zustieß.
Der Wärter war in den kleinen, durch ein Gitter abgeteilten Vorraum getreten und hatte den Korb mit Bananen und Apfelsinen abgestellt, bevor er die Früchte an die Schimpansen verteilte. Das vierhändige Kind war zutraulich durch die weitstehenden Stäbe des Gitters geklettert, angelockt durch die Früchte, und die Mutter hatte es an dem einen Beinchen gefaßt und zurückgerissen. Bei dieser Gelegenheit hatte das Kleine den Arm gebrochen. Hatte es nun auch innere Verletzungen davongetragen? Jedenfalls ging das kleine Geschöpf bald darauf ein.
Damit verlor der Zoo ein überaus interessantes Tier und die Besucher dieses großen Tierparks einen ihrer Lieblinge.