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14. Kapitel

In dem Maße, wie der Zoo seine Tierbestände auffüllte, wurde es vor den Käfigen, auf den Promenaden und den Anlagen unter den schönen, alten Bäumen immer lebendiger. Menschen aller Art promenierten dort, und an schönen Sommertagen erfüllten die Scharen von Männern, Frauen und Kindern den Garten von den frühen Morgenstunden an bis in die Nacht. Schon um sieben Uhr wandelten an manchen Tagen Herren und Damen, mit weißen Henkelgläsern in der Hand, nach den Klängen des Frühkonzerts durch die morgendlichen Anlagen. Leute, die aus diesen oder jenen Gründen keine Reise in ein Bad unternehmen wollten, machten hier, ehe sie ihren Geschäften nachgingen, ihre Kur.

Auch die Maler nutzten solch herrlichen Morgen gern aus. Im Adlergehege stand einer in grüner Lodenjoppe und malte den Seeadler, den größten einheimischen Raubvogel. Die zarten Tönungen des fahlbraunen Gefieders und die Kraft des königlichen Vogels waren gut von dem noch jungen Mann erfaßt worden. Nichts von der falschen Pose, mit der der Adler so oft dargestellt wird, war in der Arbeit. Der eine dolchbewehrte Fang hing lässig über den Ast, auf dem der Vogel saß, herab, aufgeplustert und behaglich blockte der mächtige Räuber dort oben. Doch gerade in dem Mangel an jeglicher »Herrscherhaltung« lag die unbekümmerte Stärke des Raubvogels.

Der Maler war in seine Arbeit vertieft. Palette und Pinsel in den Händen, trat er hin und wieder von seiner Arbeit zurück, verglich den Vogel mit seiner Arbeit, um dann wieder hier oder da einen Ton aufzusetzen. Da kam etwas den Kiesweg entlang. Von dem Schilftümpel, der am Schweinegehege liegt, kam eine nette kleine Wildente gegangen. Mitten auf dem Kiesweg, der doch für die Zoobesucher gemacht war, ging sie. Hinter ihr, in dichtgedrängter, kleiner Schar, ihre Kinder. Sie waren höchstens einen Tag alt und wurden von der Mutter zu einem der größeren Teiche geleitet. In dem kleinen, mit alten Kopfweiden umstandenen Pfuhl, da hatte die Mutter wohl Deckung für ihr Brutnest gehabt, jedoch für die umherschwärmenden Kleinen wäre der Ort gefährlich gewesen, weil gerade hier viele Ratten lebten. Der Maler hätte am liebsten seine Arbeit unterbrochen und schnell eine Skizze von der reizenden Szene gemacht, doch das Material dazu hatte er nicht bei sich. Die Entenmutter mit ihrer dichtgeschlossenen Kinderschar hielt sich auch gar nicht auf, sie bog um die nächste Ecke. Überall standen Menschen an ihrem Wege und sahen gerührt auf die kleine Mutter, die unter so fremden Verhältnissen zielbewußt und treu ihre Kleinen geleitete. Sie war ja keine im Zoo gehaltene Ente, sondern eine unserer einheimischen Stockenten, die frei im Zoo lebte, so wie in allen großen Städten in den Parkanlagen das Niederwild zu Hause ist. Wildtauben, sowohl die Ringel- als auch die Turteltaube, Stockenten und Kaninchen, ja in einzelnen Fällen sogar der Haubentaucher und der Hase. Hier wird keine Jagd ausgeübt, und so werden diese Tiere ganz vertraut. Wohlbehalten langte die Entenmama mit ihren Kindern an dem Teich an, zu dem sie wollte.

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Sie wurden von der Mutter zum Teiche geleitet

Noch andere Tiere liefen an diesem schönen Morgen durch den Zoo. Jassu, die große indische Elefantenkuh, machte ihren Morgenspaziergang. Im Nacken saß ihr ein junger Wärter und leitete sie mit den Füßen, durch Druck hinter die Ohren. An ihrer Seite lief ein anderer Wärter mit dem Ankus (Eisenspitze mit Widerhaken) in der Hand. Auf seinen breiten Sohlen lief das mächtige Tier unhörbar dahin. Das Publikum trat beinahe ehrfürchtig zur Seite. Der eine oder der andere steckte auch wohl etwas in die immer während des Laufens nach rechts und nach links gleitende Rüsselhand. Gerade wollte der Dickhäuter am Wirtschaftshof vorbei, als aus der Toreinfahrt ein Gespann mit zwei Pferden herauskam. Die großen Ohren der Elefantin stellten sich nach vorn, und aus ihrem Rüssel drang ein tiefes Gurgeln. Die Pferde legten die Ohren an und schnoben. Ihre Hufe dröhnten auf dem Pflaster, als die Tiere voll unruhiger Angst auf der Stelle traten.

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Dort drinnen hinter dem schweren Gitter wandert ein Koloß ...

Schnell klang das Gurgeln des Elefanten gereizter, und es sah ganz so aus, als wollte der Riese angreifen. Nur mit Mühe und harten Stößen des Ankus gelang es den beiden Männern, die Elefantin zum Umkehren zu bringen, während der Kutscher des Pferdewagens seine Tiere zurückriß. So wurde ein Unheil verhütet, das tragisch hätte ausgehen können. Denn wenn ein Elefant erst in Raserei geraten ist und er sich außerhalb seines Geheges befindet, so gelingt es nur in den seltensten Fällen, ihn mit Stricken zu fesseln. Da hilft dann oft nur die Kugel aus einer schweren Büchse, und auch das Geschoß muß gut sitzen, wenn das Unglück nicht noch größer werden soll.

Für diesen Morgen brachten die Wärter ihre Schutzbefohlene schnell wieder ins Gewahrsam.


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