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46. Kapitel

In diesem Sommer bot der Zoo eine großartige Attraktion, die Indienschau.

Auf einem bisher nicht freigegebenen Gelände waren Stallungen, strohgedeckte Hütten und andere dem Zweck dienende Baulichkeiten erstanden.

Der Sonntag der Eröffnung war ein Ereignis. Einer der Brüder Hagenbeck war der Schöpfer der Schau. Inder der verschiedensten Rassen, Kasten und Berufe zeigten ihre Trachten, ihre Hantierungen und ihre Tänze.

Hühner, Ziegen, Schafe und kleine Rinder liefen umher, und vor allem das königlichste Tier Indiens, der Elefant, war in dreizehn Exemplaren vertreten. Es waren bis auf zwei noch ganz junge, unausgewachsene Tiere, lauter Weibchen.

Von allem, was in dieser so hochinteressanten Schau zu sehen war, konnte nichts so eigenartig und fesselnd sein, wie die Zusammenarbeit der Mahouts und ihrer Elefanten.

Den Ankus (Haken) brauchten die braunen Männer mit dem Turban nur sehr selten, sie kamen ohne Gewaltmittel besser aus. Der indische Mahout nennt sich den Diener seines Elefanten. Das ist bezeichnend.

Tausendfältig sind die Erzählungen der Mahouts über das größte Wunder Indiens, den Elefanten. Der Mann spricht mit dem Dickhäuter wie mit einem nahen, erprobten Freund, er schätzt ihn so hoch wie seine Frau und sein Kino.

Es ist nicht selten, daß ein Mahout den Elefanten leitet, den schon sein Großvater betreut hat. Da ist es dann schwer zu sagen, wer des anderen Inneres eingehender erforscht hat, der Elefant oder der Mensch. Beide kennen die Fähigkeiten und die Stimmungen des anderen genau, und man versteht oft nicht, womit der Mahout dem Elefanten seine Wünsche begreiflich gemacht hat.

Gelassen, mit erhabener Ruhe arbeitet der graue Riese. In seinem Nacken sitzt der gebrechliche Zwerg, der mit einem Druck des Fußes, mit einem Wort und, nur äußerst selten, mit dem Stoß des Ankus seinem Willen Nachdruck gibt.

In der Indienschau des Zoo war es besonders das größte und schönste Tier, das erstaunliches Gefühl bei der Zusammenarbeit mit dem Mahout zeigte. Dieses Elefantenweibchen führte dem Publikum nicht nur die Arbeit mit Baumstämmen vor, es zeigte auch eine Reihe von Kunststücken.

»Jassu« trug den Mann auf dem zum Sitz zusammengerollten Rüssel spazieren, sie stieg mit allen Anzeichen peinlicher Vorsicht über ihn hinweg, und schließlich nahm sie den Kopf des Mahouts in ihr Maul und hob den Mann, der die Füße an den Leib zog, hoch.

Bei diesem Anblick ging jedesmal ein Gruseln durch die Menge, denn allen Zuschauern war es bewußt, daß sich die mächtigen Kiefer nur etwas stärker zusammenzupressen brauchten, um den Kopf des Mannes wie eine Eierschale bersten zu lassen.

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Die Elefantin hebt ihren Mahout am Kopf hoch

Viel fesselnder als die artistische Leistung war bei dieser Gelegenheit der Gesichtsausdruck und das Benehmen der Elefantin. Es war ihr deutlich anzumerken, daß ihr die ganze Übung gräßlich schien. Mit unendlicher Vorsicht faßte sie den Kopf ihres Meisters, die Runzeln um ihre kleinen Augen kniffen sich besorgt und ängstlich zusammen, und die Ohren legten sich eng an den mächtigen Schädel. Es lag viel Liebe und Zartheit im Gesichtsausdruck des mächtigen Tieres.

Nun ein kurzer Zuruf des Mahouts, und erleichtert setzte Jassu den Mann auf die Füße und gab den Kopf frei. Später dann, wenn der Dickhäuter wieder in der Reihe der übrigen Elefanten unter dem langen Schuppen stand und mit dem Rüssel gemächlich eine Handvoll Heu nach der anderen aus dem vor ihm liegenden Bündel langte, da lag ausgestreckt auf seinem Rücken der Mahout. Die Arme ruhten verschränkt auf den Stirnhöckern des Tieres, der schmale Kopf des Mannes auf den Händen. Der Inder summte eine monotone Melodie. Seine tiefdunklen Augen waren auf die vorbeiziehenden Menschen gerichtet, als suchten sie Verstehen für diese Fremden. Doch waren die schwarzen Lichter nicht traurig, sondern ernst. Arglos wie Antilopenaugen blickten sie und sehr wissend. Mensch und Tier schienen umwoben von ihrer indischen Heimat, obwohl sie in so weiter Ferne lag.

Der Mahout lag auf dem großen Rücken seines Tieres, und bei jeder Bewegung des Elefanten schaukelte der Mann, als läge er sommerlich träumend in einem Boot. Auch auf einem der anderen Elefanten lag ein Mahout, er schlief.

Vertrauensvoll ruhte er mit gelösten Gliedern auf dem Tier, das sein Ernährer, Freund und ständiger Gefährte war.


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