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Ganz in der Nähe des Zwingers für Hunde und Wölfe ist das Nilpferdhaus. Eines schönen Morgens saß da Jochen Braun und zeichnete einen der beiden riesigen Wasserdickhäuter. Nur der mächtige, klobige Kopf war von dem hin und her schwimmenden Tier zu sehen, hin und wieder ein von durchsichtig grünem Wasser umspülter Nacken. Von Zeit zu Zeit tauchte das Nilpferd ganz unter, doch man konnte es deutlich, wie unter bewegtem Glas, erkennen, da das Wasser erst vor einer Stunde frisch eingelassen worden war.
Jochens Arbeit schritt munter voran. Er hatte einen größeren Auftrag zu erfüllen, zu dem auch die Zeichnung eines schwimmenden Nilpferdes gehörte.
Vieles in der Technik des jungen Zeichners war besser geworden, er war dabei, zu lernen, daß ein Zeichner manches weglassen muß, um das Wesentliche klar zum Ausdruck bringen zu können. Auch hatte er begriffen, daß ein Tierzeichner mit wenigen Strichen die Bewegung festhalten soll, um die Einzelheiten auch dann zeichnen zu können, wenn das Tier die Stellung gewechselt hat. Er saß auf seinem Stühlchen und erwartete das Wiederauftauchen seines Modells.
Da kam es!
Mit fauchendem Prusten sprühte der Dampf aus den aufklappenden Nasenlöchern des die Luft ausstoßenden Tieres, und wieder schwamm der Hippopotamus gleichmäßig und doch fördernd in dem großen Bassin hin und her.
Doch ganz so ruhig wie sonst schien er Jochen heute nicht zu sein. Immer wieder ging er unter Wasser, um sehr schnell prustend wieder aufzutauchen.
Jetzt schwamm das Nilpferd zu der Treppe, die in flachen, breiten Stufen in das Wasser hinabführt. Dort stand das große, braune Tier mit den rosigen Tönen an Kinnbacken und Bauch und an den kurzen, dicken Beinen. Seine nasse Haut glänzte wie Bronze, und helle Lichter spielten darauf.
Mit gesenktem Kopf stand der Dickhäuter. Schräg stieg der lange, walzenförmige Rumpf an auf seinen kurzen, stämmigen Beinen. Regungslos verharrte das Geschöpf, dessen Anblick an vergangene Epochen gemahnt.
Auffallend war es, daß das Tier ohne die geringste Bewegung, das breite Maul auf eine der Treppenstufen gelegt, verhielt, es war, als ob das Nilpferd in sich hineinhorchte, als ob es sich auf etwas in seinem Inneren konzentrierte.
Dann drehte es um und versank wieder im Wasser.
Aufs neue schwamm es ruhelos umher. Jochen sah den gewaltigen, langen Körper unter Wasser dahingleiten, sah die Beine stetig rudern und wurde auf einmal gewahr, wie ein mächtiger Ruck durch den Leib des Nilpferdes ging.
Der unförmige Kopf tauchte auf, die winzig kleinen Öhrchen schnurrten in schneller Bewegung am Kopfe, und aus der Tiefe des mächtigen Tieres dröhnte dumpf ein Brüllen herauf. Wieder ging ein Beben, ein konvulsivisches Zucken über den Bauch des Tieres. Es warf das Hinterteil in die Höhe, der Kopf fuhr zum Grunde des Beckens und das breite Maul schob ein Stück auf den Fliesen entlang, mit denen der Boden belegt war. Jetzt kam der Kopf wieder nach oben, das Nilpferd warf sich auf die Seite und schlug mit den Hinterbeinen das schäumende Wasser. Darauf wandte es sich zur Treppe, und beinahe hastig platschte es die Stufen hinauf. Doch lief es nur einen Augenblick auf dem Trockenen. Es warf sich wieder herum und klatschte mit einem Aufbrausen des Wassers zurück ins Nasse. Abermals ging ein gewaltiger Ruck durch den Leib des Tieres, zum zweitenmal fuhr der Kopf auf den Boden des Bassins, und ein erneutes Krümmen und Anziehen des Bauches ließ das Wasser aufschäumen. Jetzt streckte sich der Körper während des Schwimmens, zog sich zusammen, streckte sich wieder. Dann in einem erneuten Zusammenziehen trübte sich das Wasser am Hinterteil, und Jochen Braun sah etwas wie eine dunkle Kugel von der Größe einer mittleren Melone von unten herauf an die Oberfläche schießen.
Das Nilpferd fuhr herum, machte sich mit dem Klumpen zu schaffen und bugsierte ihn an Land.
Dort stellte sich das merkwürdige Etwas als winziges Nilpferd heraus.
Es bewegte sich kräftig, befreite sich mit Hilfe der Mutter von den Resten der Haut, mit der es bei der Geburt umhüllt gewesen war, und lag nun mit erhobenem Kopf auf den feuchten Steinen der Treppe. Der Maler stürzte nun davon, um den Wärter zu holen. Er fand ihn nicht sogleich. Doch dann eilten beide zurück zu Mutter und Kind. Der kundige Tierpfleger machte nicht viel Federlesens, betrat rasch durch die breiten Gitterstäbe das Gehege und nahm das Kleine, während er zu der Mutter ein paar freundliche Worte sprach, in seine blaue Arbeitsschürze. Schnell trug er das blanke, kleine Ding ins Haus, rieb es mit Heu trocken und sauber und legte es, nachdem er auch Heu im Innenkäfig aufgeschüttet hatte, warm in eine Ecke.
Dann ließ er die Mama, die schon vor dem schweren Schiebetor stand und wartete, zu dem Kleinen hinein und schloß das Nilpferdhaus für das Publikum.
Die riesige Mutter legte sich vorsichtig neben ihr neues Kind, die Sonne warf helle Flecken in die Wochenstube, und ein paar Fliegen summten drüben an den hohen Scheiben, sonst Stille. Das Nilpferd strich zärtlich mit seinem schweren, borstigen Maul an dem Baby entlang und war glücklich.
Im Nebenkäfig stand der Nilpferdbulle. Er war noch größer als die Mutter nebenan. Seine kleinen Ohren waren nach vorn gerichtet, und seine Nasenlöcher weiteten sich.
Da drüben war irgend etwas Neues, was, wußte er noch nicht. Aber man würde ja sehen. Und schwer legte er sich auf die Seite. Eine Fliege umsummte seinen Kopf, seine Öhrchen schnurrten, dann schlief er ein.