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Ein neuer Elefantenwärter war eingestellt worden. Er war groß und breitschultrig, hatte blonde Haare und kühle blaue Augen. Er sah sich die Elefanten an, machte sich mit jedem einzelnen bekannt und trat zuletzt vor das Gitter, hinter dem Hannibal stand.
Man hatte dem Wärter alles gesagt, was diesen Elefanten betraf. Der Mann hatte von dem wenn auch weit zurückliegenden Mord an dem damaligen Wärter gehört, den Angriff auf die Elefantenkuh hatte man ihm berichtet, und er selbst merkte auch gleich, daß dieser große, wunderbar gebaute Elefant mit dem majestätischen Kopf ein verdüstertes Gemüt hatte. Kein Wunder, das Tier war viele Jahre isoliert gehalten worden, und außerdem hatte es immer wieder unter dem Zahngeschwür zu leiden. Paul Hellwig sprach zu dem Riesen.
Von diesem Manne ging eine große Ruhe aus. Er war sehr beherrscht, und jeder empfand die Ausgeglichenheit seines Wesens.
Auch Hannibal spürte das. Er streckte dem Mann seinen Rüssel durch das Gitter entgegen, um eine Gabe bittend.
Hellwig gab ihm ein Stück Zucker, und Hannibal machte seinen Kratzfuß. Als der neue Wärter zu seinem Kollegen ging, meinte er: »Dieser Elefant ist nicht ausgesprochen böse, sondern nur verbittert. Er muß in der Jugend schlechte Erfahrungen gemacht haben, ich glaube, so etwa in vier Wochen werde ich zu ihm 'reingehen.«
»In diesem Fall werde ich die Kollegen bitten, schon jetzt für deinen Kranz zu sammeln, denn den Versuch überlebst du nicht. Ich bin selbst fünfzehn Jahre bei Hannibal, und er hat in all der Zeit immer wieder versucht, mich zu schnappen.«
Hellwig sagte nichts und ging an seine Arbeit. Doch jeden Tag stellte er sich vor den Elefanten hin und sprach mit ihm. Immer hatte er ein Stück Brot oder Zucker für den Riesen und gab es ihm, ohne erst lange damit zu geizen, wie es manche der Besucher taten.
Nach einer Woche trat er schon so weit an das Gitter, daß ihn der Elefant mit ausgestrecktem Rüssel hätte greifen können.
Aber Hannibal machte keinen Versuch. Er nahm nur ruhig das ihm Gebotene. Auf den freundlichen Zuspruch des Mannes wedelte er manchmal leicht mit den Ohren, und zuweilen drang dann ein leises Gurgeln aus der Riesenbrust herauf, das jedoch nicht böse klang.
So vergingen wieder ein paar Wochen, und der Wärter stand bei seinen morgendlichen Unterhaltungen mit dem Elefanten nicht mehr außerhalb des Gitters, sondern zwischen den Gitterstäben. Drüben am anderen Ende des weiten Hauses stand der Kollege und sah es mit Bangen.
Doch auch jetzt blieb der Dickhäuter brav. Und eines Morgens, mehrere Kollegen standen verborgen in der Nähe, war der große Augenblick gekommen. Hellwig betrat, nur mit dem Ankus, dem Führungseisen, in der Hand, den Käfig.
Die Männer, die zusahen, wie ihr unerschrockener Kollege zu dem gefürchteten Riesen hineinging, hielten den Atem an. Sie wußten, daß wenige Sekunden genügten, um Hellwig zerschmettert und zerstampft im Käfig liegen zu sehen. Doch es geschah nichts. Hellwig trat mit großer Ruhe an Hannibal heran und legte ihm die Hand auf den Rüssel. Der Elefant gurgelte leise.
Der Mann sprach mit ihm, trat an seine Seite und kraulte den Koloß hinterm Ohr. Dann faßte er mit der krummgebogenen Spitze des Ankus hinter den Vorderfuß und sagte »auf«.
Was niemand für möglich gehalten hätte, geschah. Hannibal winkelte das eine Vorderbein an, und der Mann stand im nächsten Augenblick auf dem Fußgelenk. Ein weiterer ermunternder Zuruf, und Hannibal faßte seinen Wärter sicher und doch zart und hob ihn sich elegant in den Nacken. Nun folgte er dem Druck der Füße hinter den Ohren und ließ sich lenken, indem er in dem geräumigen Käfig einherschritt.
Jetzt erfolgte wieder ein Kommando, der Elefant ließ sich auf die Knie nieder, und dann legte er sich in seiner ganzen Länge auf die Seite. Das war außerordentlich, denn zum Hinlegen sind nur die wirklich gut dressierten Elefanten zu bewegen, die fest in der Hand ihres Mahouts sind, wie der indische Elefantenbetreuer genannt wird.
Zwar war mit Hannibal früher gearbeitet worden, er kannte also das, was man von ihm verlangte. Nur daß er, der jede Autorität seit vielen Jahren ablehnte, sich diesem Mann unterordnete, das war verblüffend.