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Das Publikum des Zoo war ständig wechselnd, vielfältig nach Beruf und Aussehen, und neben der Flut von immer neuen Menschentypen, wie den durch alte Nationaltrachten auffallenden Bauern entlegener Gegenden oder einer in fremdländischem Gewand auftretenden Inderin oder Japanerin, waren einzelne Besucher Jahre hindurch immer wieder zu bemerken. Darunter vor allem die ganz besonderen Tierfreunde.
Diese Tierfreunde liebten die Tiere nicht einfach so, wie es die anderen Menschen taten. Nein, sie hatten ganz besondere Beziehungen zu unseren stummen Brüdern, wie ein östlicher Weiser die Tiere genannt hat.
Als die Mantelpaviane schon einige Zeit den Affenfelsen bewohnten, konnte man ein junges Mädchen beobachten, das sich ein ganzes System der Fütterung aufgebaut hatte. Rund um den Affenfelsen lief ein tiefer, breiter Graben, dessen Boden nach außen hin abschüssig war und der von einer Betonmauer eingefaßt wurde. Über diese Mauer lehnten sich die Menschen und sahen hinunter auf die Paviane, die heraufguckten oder sich aufstellten, um einen Leckerbissen zu erbetteln.
Das junge Mädchen wollte nun in Anbetracht ihres besonderen Verständnisses für die Bedürfnisse der Hamadryasse rohe Eier an sie verfüttern. Die Eier einfach auf den Betonboden des Grabens hinunterwerfen, das ging nicht, denn dann wären, sie entzweigegangen und auseinandergespritzt.
Da hatte sich nun die junge Dame aus einem Stock, einer Schnur und einem Körbchen einen Apparat gebaut, mit dem sie die Eier wie in einem Fahrstuhl hinunterließ. So kam also das erste Ei wie ein Bote aus einer besseren Welt herniedergeschwebt, und ein Pavianmann langte es aus dem Körbchen.
Er beroch das weiße Ding und klackte es an die Erde. Mit spitzer Zunge leckte er an dem auseinandergelaufenen Ei, aber er mochte es nicht. Andere Affen kamen, schnupperten an dem Ei, es leckte auch mal einer daran, aber sie fraßen es nicht.
Mehrere Zoobesucher sahen dem Beginnen zu und schüttelten ihre Häupter.
Das junge Mädchen aber, unverdrossen fortfahrend in ihrem barmherzigen Werk, ergriff ein zweites Hühnerei und senkte auch dieses hinab. Erfolg hatte sie nicht. Aber sie gab es dennoch nicht auf. Mit einem trotzigen Zug um den Mund langte sie das dritte Ei aus der Tüte. Da meinte ein junger Mann neben ihr, er wüßte einen Tip, wie sie die Eier ohne Körbchen und Schnur loswerden könnte. »Versuchen Sie es doch mal mit 'nem armen Kind«, meinte er, und die Umstehenden gaben ihm recht.
Ein anderer Pächter des liebevollen Verständnisses für die Tiere stand im Papageienhaus dicht an das Gitter eines Graupapageien gelehnt. Er sprach leise auf ihn ein, sein Gesicht dicht am Kopf des Vogels. Er schien die ganze Welt vergessen zu haben, so ganz ging seine Seele in der des Tieres auf. Und während er dem Papagei Dinge zuflüsterte, die nur ihm selbst verständlich waren, irrten seine Augen in den Winkeln nach allen Seiten, ob er auch gesehen würde.
Dann gab es im Zoo noch eine Spezialistin der Tierliebe: die Katzenmutter.
Damen, die die Katzen mehr oder minder lieben, gibt es überall, auch solche, die diese Liebe in lächerlicher Weise übertreiben.
Die Katzenmutter im Zoo lief mit leidendem Gesicht in den Anlagen des Parkes und in den Häusern herum und rief: »Mies, Mies, Mies.«
Nicht, daß sie fortwährend gerufen hätte, das hätte man ihr wohl verwehrt. Sie kannte die Stellen, an denen sich ihre Lieblinge aufhielten. Unter ihnen war nur eine herrenlose Katze, alle anderen gehörten zum Zoo und wurden von den Wärtern zur Vertilgung von Mäusen und Ratten gehalten. Diese Katzen wurden regelmäßig gefüttert, doch das konnte die Dame mit dem Katzenherzen, soll heißen mit dem Herzen für Katzen, nicht glauben. Sie brachte ihnen allerlei Gutes. Fleisch und Fisch, durchaus nicht immer nur Abfälle, einen Thermos mit wohltemperierter Milch nebst Tellerchen, damit die süßen Katzenmäulchen zierlich daraus schlecken konnten, und vor allem brachte sie den armen, vernachlässigten Kätzchen ihre eigene große, verständnisvolle Liebe. Sie hatte einmal Gustav Messing einen ihrer eigenen Leisetreter während einer Reise in Verwahrung gegeben
»Peterchen ist so anschmiegsam wie ein Kind, und so folgsam und sanft.« Das waren die Worte der Katzenmama, als sie von ihrem Liebling und seinem Pfleger Abschied nahm.
Doch noch am selben Tage schlug Peterchen seinem Betreuer, als der ihm Futter in den geräumigen Drahtkäfig stellen wollte, fünf Krallen in die Hand.
Dieser Zwischenfall trug nicht zum guten Einvernehmen zwischen Gustav und Peter bei.
In der Nacht befreite sich der Kater und riß das Lieblingskaninchen des Wärters, das frei umherlief.
Zwischen dem Augenblick, in dem Messing am nächsten Morgen den Tod seines »Muckchens« entdeckte, und dem Moment, in dem der Kater das Luftholen vergaß, wie Gustav sich ausdrückte, lagen höchstens fünf Minuten. Später tauchten dem Wärter allerdings Bedenken auf, denn es war ihm zweifelhaft, wie er Peters »Mutter« vom Ableben ihres lieben Kleinen in Kenntnis setzen sollte. Vorerst jedoch schrieb Messing der Dame einen beruhigenden Brief, der etwa folgenden Wortlaut hatte:
Geehrte Dame!
Teile Ihnen mit, daß mir Ihr Peterchen viel Freude macht. Nachmittags, wenn ich mit den hauptsächlichsten Arbeiten fertig bin, öffne ich sein Gefängnis, damit das Tier um mich ist. Peter bekommt jeden Tag seine leicht angewärmte Milch und ein viertel Pfund Schabefleisch. Alle drei Tage gibt es einen Bückling, damit ihm das ewige Fleisch nicht über wird. Kann man ja verstehen!
Ich freue mich schon, wenn ich Ihnen den Kater in bestem Zustand wieder übergeben kann.
Mit Katzenzüchtergruß!
Ihr G. Messing.
Als dann die Dame kam und untröstlich über den verlorengegangenen Kater war, mußte sie hören, daß ihr Peter sich offenbar sehr nach ihr gegrämt hätte und gestern entflohen sei. Damit mußte sich die Katzenmama zufriedengeben, tat es auch bald, denn sie hatte ja viele Kätzchen, denen sie Mutter sein durfte.