Johann Gottfried Herder
Adrastea
Johann Gottfried Herder

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3. Gedanken (Pensées), Maximen.

Was uns vom höchsten Alterthum übrig geblieben ist, sind unter Andern sinnreiche Sprüche, Lehren, Maximen. Fast alle morgenländische Völker besitzen einen Schatz derselben, Ebräer, Araber, Perser, Sinesen; bei den meisten von ihnen sind sie sogar, nebst Sagen und Märchen, der Grund ihrer Nationalweisheit und Dichtkunst worden.Vgl. Herder's Werke, VI. S. 151 ff., 160 ff. – D. Den Griechen fehlte es daran nicht; von den Sprüchen ihrer sogenannten Weisen an ging ihre elegische und lyrische Dichtkunst beinahe davon aus, und je mehr sich das Drama verfeinte, desto reicher ward's an scharfsinnigen und moralischen Sentenzen, wie die Schauspiele Euripides' und die Reste der jüngern Komödie zeigen. Ihnen folgten die Römer; die neuere Beredsamkeit und Poesie ward daran noch reicher. Welche Menge Concetti besitzen die Italiener! Die RefranesMelodische Sentenzen. – H. der Spanier wurden häufige Themata ihrer Gesänge; das älteste Silbenmaß der Redondillas bildete sich an ihnen. Viele dieser Sprüche wurden Weisheit des Volks, Sprichwörter; den gröbern oder verfeinten Genius einer Nation erkennt man aus ihnen.

Auch der französischen fehlte es hieran nicht; die Pensées und Maximes indessen, die unter Ludwig XIV. eine eigne Gattung von Schriften wurden, waren von einer andern Art. Indem man allenthalben scharfsinnig oder fein sich auszudrücken strebte und mit dem Wenigsten das Meiste, das Stärkste aufs Gelindeste sagen wollte, so bekam natürlicherweise der Ausdruck eine epigrammatische Kürze und Rundung oder eine Spitze, pointe. Man befliß sich einer gewissen Nachlässigkeit in hingeworfenen Gedanken, denen man eine schöne Naivetät beimaß. Andre strebten zum Hohen hinauf, Andre theilten den Lichtstrahl und ließen ihn anmuthig schimmern, wozu die metaphysische Präcision der Sprache viel beitrug. Kurz, sinnreiche Gedanken wurden zur Mode; Pater Bouhours sammelte dergleichen aus Alten und Neuern, sogar aus den Vätern der Kirche.Pensées ingénieuses des Anciens et des Modernes, recueillies par le Père Bonhoms. Paris 1692. – H.

Vor Andern waren es Pascal's und Rochefoucault's Gedanken, die gleichsam eine eigne Rubrik classischer Literatur bestimmten. Pascal's Gedanken waren hingeworfene Skizzen, größtentheils über die Religion, von denen man nicht recht weiß, wozu er sie brauchen wollte. Sie stellen den Menschen an ein Unendliches, an einen Abgrund zu beiden Seiten, den Pascal immer auch neben sich sah; da denn natürlich sein Ebenmaß schwindet. Die großen Contraste sammt dem Gewicht, das auf sie gelegt wird, geben nothwendig erhabne, starke, große Gedanken, bei denen uns oft schwindelt. Und Pascal drückt sie so majestätisch ernst, so schmucklos einfach aus! Unstreitig ist er der erhabenste der Prosaisten Frankreichs.

Aufs Maß der Dinge zurückgeführt, kann man sich indeß schwerlich bergen, daß manche dieser Contraste grotesk und übertrieben sind. Als Mitwesen der Schöpfung hat sich der Mensch nicht mit dem Unendlichen, sondern mit der Endlichkeit zu berechnen, wo ihm dann in Allem sein Maß, sein Zweck, seine Bestimmung gnugsam vorliegen; das Weitere hat die Vorsehung hinter einen Vorhang gestellt, den nur Glaube, Liebe und Hoffnung durchdringen mögen, nicht messend, sondern ahnend. Angst, Furcht und Schauder, die den kranken Pascal erfüllten, bringen uns hiebei nicht weiter. Auch sind in seinen Gedanken die jüdischen Schriften und das jüdische Volk sonderbar beäugt, so daß man wahrnimmt, der mathematische Kopf, der die Cykloide fand, fand deshalb nicht auch die Cykloide des Ganges der Religion und Menschheit. Seine vortrefflichen Gedanken haben in Manchem also einen vorsichtig prüfenden Leser oder einen einschränkenden Commentar nöthig, an denen es ihnen, die wenigen Anmerkungen Voltaire's ausgenommen, vielleicht noch fehlt. Den Pascal noch höher zu spannen, als er sich selbst spannt, ist eine vergebliche, vielleicht schädliche Arbeit.

Wie Pascal's Geist oft zu hoch fliegt und vor uns in den Wolken verschwindet, so krümmen sich Rochefoucault's Gedanken, obwol sehr sinnreich, fein und zierlich, in die Enge der von ihm gekannten Hofwelt, die seine Welt war. In ihr mag Alles aus verkappter Eigenliebe gedacht, gesagt, geheuchelt und gethan werden, wäre deshalb Eigenliebe das einzige Princip aller menschlichen Handlungsweise? Offenbar gehören wir der großen Natur zu, der wir in Trieben und Neigungen, selbst wider unsern Willen, uns nicht entziehen mögen; alles Isoliren schadet; wir sind und gehören dem Ganzen, aus dem wir kamen, in welches wir zurückkehren. Rochefoucault's und späterhin Helvetius' Philosophie, die Alles auf gröberen oder feineren Eigennutz gründet und dahin zurückführt, ist die kälteste unter der Sonne, die der fortstrebende Gang der Natur selbst widerlegt. Kann der entschlossenste Egoist es je dahin bringen, sich selbst allein zu leben? Vom feinsten Element bis zum höchsten Gedanken und Willen der Schöpfung muß zuletzt Alles Allem dienen. Eine Ausgabe von Rochefoucault's »Gedanken«, worin diese nicht pedantisch, sondern in seiner sinnreichen Manier contrastirt würden, wäre für den Verstand und das Herz der Menschheit eine Wohlthat.

Und von dieser Zeit an begann man in Frankreich aus jedem Hauptschriftsteller, wie man es nannte, den Geist, esprit, herauszuziehen,Esprit de Montaigne etc. – H. und so bekam man eine ungeheure Anzahl getrennter, scharfsinniger, witziger Gedanken. Von welchem berühmten Schriftsteller hätte Frankreich nicht einen Esprit? von inländischen und fremden? Sie stehen alle in Auszügen da, wie in Ariost's MondeOrlando furioso, Canto XXXIV. 83–87. – D. der abgeschiedne Verstand der Menschen in Gläsern.

Auch nach England, das damals mit Frankreich in großem Zusammenhange stand, ging diese Gedankenlese über, die jedoch auf der Insel mehreres Gewicht, oft ein Sterlinggehalt erhielt. Swift, der in seiner Jugend viel witzige Franzosen gelesen hatte, war in abgerissenen Originalgedanken einzig; sie haben alle seine eigne, oft bizarre Manier, es sind aber auch treffliche Goldstücke unter ihnen, mit denen wir uns dann und wann künftig bereichern werden. Pope sammelte Witz aus allerlei Schriften und preßte ihn in seine wohlklingenden Reime. Young's »Nachtgedanken« endlich sind das Non plus ultra. sinnreicher, witziger, erhabner, frommer Gedanken, glänzend wie das nächtliche Firmament; wer mag sie ordnen und zählen?


Da dergleichen Gedankenvorräthe, mit dem Jahrhunderte fortgehend, immer vermehrt worden sind, so ist die nächste Frage wol die: »Wie sind sie zu gebrauchen, daß wir nicht unter ihnen wie in Würz- und Blumengärten eines sanften Todes sterben?«

Man nennt eine bekannte Blume Pensée, eine andre Vergißmeinnicht; mehreren Sprachen ist also die Aehnlichkeit zwischen Gedanken und Blumen geläufig. Und wie sollte sie es nicht sein, da Gedanken wie Blumen blühn und verblühen, sich aber im Schooß der Natur unaufhörlich fortpflanzen? Der Lenz des menschlichen Lebens bringt die schönsten hervor, das Alter nimmt manche dahin, im Winter der Tage suchen wir unsre eignen Jugendgedanken oft vergebens. Eine Gattung solcher hingestreuten Gedanken könnte man also den Veilchen vergleichen; ihr Duft kündigt sie an, sie selbst verbergen sich bescheiden. Eine Reihe andrer, die das Gartenbeet erzogen, sind Ranunkeln, Narcissen, Tulipanen, dem Auge schön, aber geruchlos; andre dagegen Hyacinthen, Lilien, Rosen. Liebhaber oder Liebhaberinnen solcher Gedanken, die sie gereimt und prosaisch in ihre Denkbücher eintragen, mögen zum Unterschiede derselben die Blume, der ein Gedanke ähnlich ist, zur Verschönerung ihres Buchs beizeichnen.

Aber es giebt auch Cedern von Gedanken; ja, warum sollte man einige derselben den Elementen der Welt, dem Feuer, der Lebenslust, den Winden nicht vergleichen? Sie stärken und entzünden: glühende Funken, Samen der Erkenntniß. Fermente des Lebens. In einem Samenkorn liegt oft ein System, eine Wissenschaft, wie ein Baum mit allen seinen Zweigen; in andern weht ein Geist, ein Muth, der zu den dauerndsten Wirkungen aufruft. Große Maximen beleben noch mächtiger als Gedanken: sie verlassen uns nicht, als leitende Stimmen gehen sie vor uns. Ueberhaupt wirken große Gedanken mächtiger als blos schöne oder scharfsinnige Gedanken; es sei denn, daß diese eine neue Welt öffnen und eine ungesehene Reihe von Wahrheiten entfalten. Oft thun dies auch in der höchsten Einfalt naive Gedanken, oft selbst nur ein naiver Ausdruck. Wie eine Perle lag er in der Silbermuschel da; wohl dem Finder, wenn die Perle reif ist!

Denn was hilft aller Schmuck und Pomp der Gedanken, wenn ihnen Wahrheit fehlt? Ein Geist, der nach Witz und Scharfsinn hascht, wird bald als ein falscher Geist (fol esprit) unausstehlich. Unverrückt geht die stille Wahrheit ihren Gang fort, den falschen Witz, so sehr er auch blendete, abzustreifen; längst vor Ende des Jahrhunderts waren in Frankreich manche zu Anfange desselben vielbeklatschte Einfälle und Wendungen zum Spott worden; die Schreibart hatte einen gesetzteren Ernst angenommen, zu dem sich jene alten Hofspielereien nicht mehr fügten. Vollends Zeiten und Anlässe, da man über Leben und Tod, über das Schicksal der Nation sprach, sie waren für Wort- und Gedankenspiele fast zu schwer, zu ernsthaft. Werden die Zeiten wiederkehren, da in der französischen Akademie jeder Eintretende gesetzmäßig dem Hofe und dem Cardinal Wortblumen streuen mußte? die Zeiten, da selbst in der Akademie der Wissenschaften d'Alembert bei jeder seiner Pointen im Lesen innehielt, damit geklatscht wurde? Wie dem auch sei, dem Charakter unsrer Sprache und Nation ist der falsche Glanz (faux brillant) des französischen Witzes fremde.

Durch Blumengärten von Pensées öfters müssig zu gehen, ist beinahe gefährlich; der Duft der würzreichen Blumen benebelt das Haupt und macht den geistigen nüchternen Sinn trunken. Keine Leserei fordert eine so strenge Diät als das Lesen abgerissener, hingestreuter Gedanken. Ueber jeden sollte man sich Rechenschaft geben: »Ist er wahr? und wiefern? wie kam der Denker auf ihn? und was hat er für Folgen?« Dies sich selbst kurz oder ausführlich, aber bestimmt zu bemerken, ist eine Conversation der Geister, eine Uebung, da wir selbst aus dem Falschen oder Halbwahren Wahrheit lernen. Manche Gedanken führen uns in dieser Geistesunterredung ungemein weit auf Wege und zu Materien, an die der Autor selbst nicht dachte; aus manchem Samenkorn, das ein Vogel hintrug, erwuchs mit der Zeit ein Wald von Bäumen, eine neue Schöpfung. Wie Diderot den Seneca durchgeht und controlirt, wie Macchiavell den Livius, andre Italiener den Tacitus ausgesponnen und commentirt haben, so dürfen wir mit einzelnen Pensées oder Thoughts berühmter Männer, die unserm Geist verwandt sind, umgehn. Oft muß man sie variiren, wie in spanischen Liedern die sogenannte Glossa den gegebenen Gedanken, die Letra, variirt, umkehrend, erweiternd. Für jugendliche Jahre ist dieser Geisterumgang eine treffliche Uebung; er wetzt das Urtheil und veranlaßt Gedanken. Wer wollte aber auch je ohne diesen Umgang leben? wer je für ihn alt werden?


Noch schärfer aber als Gedanken müssen Maximen geprüft werden; ihr Einfluß ist höchst wichtig. Wie sogar Mienen und Gesichtszüge sich beim Umgange unvermerkt mittheilen, so auch bei Lesung hochgeachteter oder geliebter Schriften die Haltung des Geistes und Herzens, in der der Autor schrieb, sein Charakter. Unvermerkt, auch wo man ihn verbergen wollte, blickt er durch; unvermerkt, selbst wenn wir gegen ihn auf der Hut sind, geht er in uns über. Dies ist die Salbung oder das Gift, mit dem berühmte Schriftsteller ohne ihr Wissen unwillkürlich auf ihre Zeit wirken. Eben auf diesem unmerklichen Uebergange (transpiration) beruht die innigste Sympathie wie die widrigste Antipathie zwischen Geistern und Geistern.

Wenn wir aus der Gesellschaft zurückkehren, wundern wir uns oft, daß Menschen so denken und sprechen konnten! Ihre Urtheile frappirten uns; wir staunen ihre Denkart an, als ob sie aus dem Monde käme. Seine Maximen verbirgt man mehr und paradirt oft mit falschen, mit sogenannten Sentiments, die schon durch ihren erborgten Prunk als Lüge sich selbst verrathen. Wie man in der Gesellschaft Personen classificirt, so unterscheide man sie auch in Schriften. Die Haltung ihres Charakters nämlich, d. i. wohin das Resultat ihres Denkens, Dichtens und Trachtens gehe, ob es glücklich oder unglücklich mache, Menschen entzweie oder vereine. Ihr Musen und Grazien, bewahrt uns vor bösen Dämonen! Eine verderbliche Maxime, in unsern Verstand, in unser Herz aufgenommen, schadet mehr als hundert gelesene falsche Gedanken. Ueber diese findet sich der Verstand endlich zurecht, da jene das Herz vergiften und verpesten, zumal wenn sie uns schmeicheln. Ein guter Geist, wie unendlich mehr ist er werth als ein häßlich-schöner Geist, der uns verderbt und verführt!

Wollten wir wol, daß unsre näheren Freunde nach Rochefoucault's, nach Helvetius' Grundsätzen denken sollten, so unschuldig diese Grundsätze bei ihren Bekennern gewesen sein mögen? Wollten wir, daß Swift's Unzufriedenheit mit der Welt, seine harte und böse Laune in Die überginge, die wir wie uns selbst lieben? Eine feinere Verkehrung des Sinnes und der Moral, Stolz, Frechheit, eine vornehme Insolenz gehen ebenso unvermerkt über, zumal in Jahren der äffischen Jugend, die so gern von ihren Vergötterten Denkart, Stil, Geberden nachahmt und sich damit selbst vergöttert dünkt.

Ob der Himmel einem Zeitalter große Geister bescheren wolle, sei ihm überlassen; er gebe uns nur heilbringende Genien, gute Geister.

»Wenn mich«, sagt Diderot in seinem Ehrengedächtniß auf Richardson, »eine dringende Noth zwänge, mein Freund geriethe in Dürftigkeit, mein mittelmäßiges Vermögen reichte nicht hin, für die Erziehung meiner Kinder zu sorgen: dann werde ich meine Bücher verkaufen, aber Dich werde ich behalten, Dich behalten und neben einen Moses, Homer, Euripides und Sophokles stellen; Euch werde ich wechselsweise lesen.« So Diderot; ein Andrer wird sich andre Freunde wählen, Niemand aber als ein Mensch ohne Charakter wird charakterlose Schriften unter die Lieblinge seines Herzens zählen.


Endlich bei der Jagd fremder Gedanken lasset uns auf der Hut sein, daß wir unsre eignen darüber nicht verlieren. Wir Deutsche gehen mit Stammbüchern umher, die Sprüche und Maximen Andrer uns erbittend. So im Leben, so in der Literatur bei jedem Anlaß. In Collectaneen waren wir längst Meister; wie? und wir bedenken nicht, daß unsre eignen Seelenkräfte uns nicht immer zu Gebot stehen, daß die schönsten, die blühendsten Gedanken nur bei Gelegenheiten, in glücklichen Augenblicken, oft vielleicht gar lieber dort als hier, wie Boten der Liebe kommen und verschwinden? Die witzigsten, die sinnreichsten Ausländer erhaschten jede vorüberschwebende Blüthe ihres Geistes; Voltaire sprang vom Tisch auf, einen Einfall, der ihm schön dünkte, aufzuzeichnen; Andre ließen keine von einem denkenden Mann gehörte Meinung untergehen, wie so viele, so viele Ana zeigen!Seit den »Scaligerana« (1666). Vgl. Namur, »Bibliographie des ouvrages publiés sous le nom d'Ana«. Bruxelles 1839. – D. Fühlen wir nicht im Leben durch einen unerwarteten, oft bizarren Gedanken eines Dritten uns aufgeweckt und bisweilen auf Bahnen geleitet, auf welche wir einsam nie gerathen wären? Und wenn wir nach Jahren einen Ort, eine Gesellschaft besuchen, wandelt uns nicht bisweilen ein Staunen an, wie anders wir ehemals hier dachten und uns befanden? Also auch die Gedanken kommen und gehen; sie ziehen wie Zugvögel vorüber; späterhin glaubt man oft kaum, daß man ehedem so gedacht habe. Und da die ersten Gedanken oft, nicht aber immer, die besten sind, wie lieb werden uns in der Folge der Jahre alte Denkbücher unsrer selbst, Memoranda der Jugend! Sie bringen uns in die Zeit zurück, da uns der Weltgeist noch jugendlich neu anströmte; er, nur er ist die Fülle, die sich jedem Organ nach seiner Weise mittheilt, in den edelsten Menschenseelen Quell ihrer erhabensten, schönsten Gedanken. Auf also, unsre und Andrer denkwürdige Gedanken mit Pythagoras' GriffelMit Beziehung auf die sogenannten »Goldenen Sprüche des Pythagoras« von einem spätern Pythagoreer. – D. aufzuzeichnen! Kein Tag gehe ohne Linie vorüber!»Nulla dies sine linea.«. Man schrieb diesen Ausspruch dem Maler Apelles zu, nach Plin. N. H., XXXV. 36, 12. – D.


            Blumen aus dem Garten eines Freundes.Die folgenden Sprüche sind von Knebel. Vgl. Knebel's Nachlaß, I. 91 ff., Nr. 13, 24, 34, 37, 38, 39, 40, 48, 50, 55, 56, 62, 64, 68, 70, 77, 106. Demnach sind die im »Archiv für Literaturgeschichte«, III. 269 ff. gegebenen 54 Sprüche sämmtlich von Knebel. – D.

Jeder Tag ist ein Leben, an jeglichem Abend begräbt ein
Weiser sich oder ein Thor, immer nachdem er gelebt.

 

Glücklich, wer, o Natur, Dich im Innersten liebet! und glücklich,
Glücklich, wem wieder Dein Bild tief aus dem Innersten wächst!

 

Lehr uns den frommen Weg, den rechten Weg der Erziehung,
Daß in uns herrsche der Mensch, wie in dem Thier der Instinct!

 

Ehre, Mensch, Dein Geschlecht! Die Götter ehren es selber;
Strafe des Hochverraths trifft den Verächter zuletzt.

 

Herz des Menschen, wie reich! und wie arm! Es strömet ein Tröpflein
Dir Glückseligkeit zu; Meere vermögen es nicht.

 

In die Wüste bin ich gegangen, mein Leiden zu lindern;
Aber trauriger gab mir mich die Wüste zurück.

 

Winter, Du hast unter Eis und Schnee die Erde gefesselt;
Willst Du auch fesseln das Herz unter Besorgniß und Gram?

 

Erde hat sich gehüllet in Flor von Silber; der Himmel
Sticket Strahlen darauf, hat ihn umwebet mit Gold.

 

Tritten des Wanderers über den Schnee sei ähnlich mein Leben!
Es bezeichne die Spur, aber beflecke sie nicht.

 

Sieh, es schmilzet der Scepter von Erz in den Händen des Winters!
Und er sinket vom Thron; Milde besiegt die Gewalt.

 

Himmlische Körper, die Ihr stets leuchtend wandelt, Ihr gebet
Euren Bewohnern Genuß, mir Harmonieen und Licht.

 

Wie sie sich freun! wie sie himmlischer führen den Tanz! wie sie schwören:
»Nichts ist todt der Natur, Alles ist Leben in ihr!«

 

Sonn' und Mond und Sterne, wie sie im liebenden Kreise
Um die Schwester sich drehn, bis sie vom Schlummer erwacht!

 

Kleine Spiele des Geistes, Ihr gleicht den Flocken des Schneees!
Führt Euch ein Augenblick her, nimmt Euch ein Augenblick weg!

 

Einen Tag der Gesellschaft geweiht, dem Leben des Umgangs –
Gab er, nahm er mir mehr? Dies nur bestimmt ihm den Werth.

 

Thorheit ist wieder vorbei; legt ab die Larve! Nun komme
Weisheit und süßes Geschäft, leichteren Stunden zur Zier.

 

Eine giftige Pflanze, Beleidigung, wächst auf der Erde;
Süße Vergebung hat uns heilend der Himmel gesandt.

 

Sei ein Mann, Dich zu ehren, und sei ein Mensch, Dich zu lieben!
Keine Größe besteht, außer auf Menschheit erbaut.

 

Was ist die schwereste Last der Erde? Die Schande. Was hebet
Leicht von der Erden empor? Ehre, die Wahrheit uns giebt.

 

Beuge tief Dein Knie dem Ursprung und Schöpfer der Wesen!
Gutes giebt er und nimmt's, er nur vollendet es gut.



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