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Ordnung der Dinge ist's, daß thörichte Uebertreibungen der Menschen gerade das Gegentheil dessen, was sie wollen, befördern. Je verächtlicher Ludwig den Holländern begegnete, desto näher drängten sich diese an ihren Statthalter, Wilhelm von Oranien; sie thaten für ihn mehr, als sie für einen König würden gethan haben. Mehrere deutsche Fürsten thaten ein Gleiches; das Schreckbild von einer Universalmonarchie Ludwig's in Europa, so nichtig es war, machte jenen kalten Kriegsmann, den persönlichen Feind des Universalmonarchen, gleichsam zum Schwer- und Hebepunkt der Sicherheit eines ganzen Welttheils. Vollends die Netze, in welche Ludwig das unglückliche Stuart'sche Haus schlang, der papistische Eifer, mit dem er Karl II., noch mehr den letzten König dieses Stammes, bis zum Unsinn reizte, in England die Römische Religion einzuführen, sie halfen Wilhelm, ehe Frankreich es sogar wußte, auf den englischen Thron. Fast ohne Schwertschlag gewann er drei Kronen, und England durch ihn fast mehr, als ihm die Magna Charta selbst gegeben hatte, eine Bestandheit der Verfassung, die es nur unter diesem kalten Ausländer gewinnen konnte.
Ein einziges Ereigniß in seiner Art war die Ueberfahrt Wilhelm's nach England. Die holländische Flotte verschonte der Sturm und traf die englische; ruhig stieg Wilhelm ans Land und zog langsam, fort und fort, nach London, indeß sich die Großen, der größte Theil des königlichen Heers, die Universitäten und Städte zu ihm fanden. Die den leidenden Gehorsam gepredigt hatte, die Geistlichkeit, war, wie billig, die letzte; ein Theil derselben, die Nonjurors, blieben aus mehr als papistischem Starrsinn bis an ihr Lebensende seine geschwornen Feinde. Und doch ihretwegen, zu Rettung der protestantischen Religion und der englischen Freiheit, war Wilhelm hinübergerufen, hinübergesegelt. Kalt erklärte er, daß, wenn er diesen Zweck erreicht habe, er auch zurücksegeln könne; ihm liege nichts an einer Krone. Trotz alles Andringens der Rufenden hatte er seinen Entschluß zu kommen nicht übereilt; er hatte den Punkt der Reife erwartet.
So war dann auch, als er auf dem Thron saß, eine seiner ersten Angelegenheiten, die englische Kirche nicht etwa nur vom ausländischen Papismus, sondern auch von der innern Spaltung zu befreien, die seit mehr als einem Jahrhundert die sogenannt hohe Kirche von ihren Brüdern, den Andersgesinnten (Dissenters, Presbyterianern und Andern), schied. Wenigstens gegenseitige Duldung zwischen allen Parteien nach so langen Verfolgungen gesetzmäßig zu gründen, war sein ernstes Bestreben; und hatte er hierin Unrecht? Lebten sie nicht alle auf einer Insel? Sie alle Engländer, alle Protestanten. Ihm, einem kalten Holländer, der an die ruhige Ansicht der verschiedensten Secten in Holland gewöhnt war, kamen die Religionskämpfe und -Krämpfe in England wie ein hitziges Fieber vor, dessen man sich entübrigen könnte. Und ob er gleich die hohe Kirche, die ihm nie traute, äußerst schonte, ihren Papismus hätte er, wo nicht abgestellt, so doch gern gemildert. Die Toleranzacte ging durch, die armen Socinianer ausgenommen; die Comprehensionsacte, nach welcher alle tolerirte Religionsverwandte, wenn sie den Eid gegen das Papstthum für Aufrechthaltung der Gesetze Englands abgelegt hätten, in eine Kirchen- und Staatsgemeinschaft aufgenommen würden, ging nicht durch. Ebenso wenig erreichten seine ferneren Bemühungen in Niedersetzung geistlicher Congregationen zu Einigung der Kirchen ihren Zweck. Die Congregationen schliefen; der König ward des Widerspruchs überdrüssig, übergab das ganze geistliche Feld eine Reihe von Jahren hin der mit ihm gekrönten Königin Maria, seiner Gemahlin, und ging seiner Kunst, dem Kriege, nach. Die letzten Jahre, ja fast seit seines Aufenthalts in England war er krank, einsam, verdrießlich. In Holland war er König gewesen; König in England war er Statthalter, dem man auch billige Dinge, sogar Gefälligkeiten versagte. Eine Verrätherei nach der andern gegen ihn kam an den Tag: er, der nichts für sich begehrte, blieb dem eingebornen Stolz der Briten ein Fremdling. Seine Gemahlin starb (1694), er einige Jahre ihr nach (1702), und die Torys schrieen: »Der Holländer, der Hund, der Hogen Mogen ist hin! Jetzt ist der Kirche geholfen.«
Hatte Wilhelm für eine billigere Denkart in Religionssachen auf englische Squareheads wenig wirken können, so that doch das schon, daß er den aufgeklärten, gelehrten, billigen Tillotson, seinen Caplan, zum ersten Erzbischofe und Pair des Reichs machte, etwas. Die Stimme der Sancrofts verscholl ein Wenig, und fast wider Willen ward auch in der hohen Kirche die innere Ehrlichkeit etwas lauter. Grundsätze, wie Cranmer, Chillingworth u. A. längst vorher gehabt hatten, durften von Bischöfen selbst, Stillingfleet, Hoadly u. A., wenngleich mit fast allgemeinem Widerspruch ihres Standes, endlich wieder behauptet werden; dagegen jene papistischen Anmaßungen vom göttlichen Recht der Bischöfe, auf den Zehnten sogar, von den ihrer Person anklebenden, durch Weihung von der Apostel Zeiten auf sie herabgeerbten Geistesgaben (χαρίσμασι), die sie in Taufe, Firmelung, Sündevergeben, Excommunication u. s. w. Andern mittheilten oder entnahmen, Anmaßungen, über welche ein Jahrhundert hin mit Eifer gehalten war – wider Willen ihrer Bekenner scheuchte sie der Geist des gekommenen Jahrhunderts allmählich ins Reich der Schatten und Träume.
Als Schattengestalten indeß stehn (wer wollte es leugnen?) die alten Phantome in der englischen Kirche noch da, in unabänderliche, oft unerklärbare Worte festgestellt, in Kirchengeschmuck und Kirchengebräuche gehüllt, und was das Beste ist. mit Einkünften begabt. Als im Jahr 1699 der Bischof Burnet seine Erklärung der 39 Artikel der englischen Kirche herausgab, wurde sie im Jahr 1701 von der Convocation aus drei Ursachen verdammt, weil sie 1) »eine Verschiedenheit der Meinungen erlaube, zu deren Verhütung doch die Artikel aufgesetzt wären.« (Als ob der Zweck des Aussetzens einiger und dieser Artikel, in solchen Worten verfaßt, eine Verschiedenheit der Meinungen je verhütet hätte oder verhüten könnte!) 2) »Weil sie viele Stellen enthalte, die dem wahren Sinn der Artikel und andern angenommenen Lehren der Kirche zuwider wären.« (Einer der angesehensten Bischöfe, gewiß ein Mann von gesundem Urtheil und richtigem Verstande, hatte sie also in einem falschen Sinn angenommen und unterschrieben; wie vielen Andern mochte dies begegnet sein und begegnen! Bedurften sie also keiner Erklärung? Vor welchem Gericht läßt man eine Zusage auf unerklärte oder unerklärbare, oder gar in einem falschen Sinn angenommene Artikel zu?) 3) »Weil sich einige Dinge darunter befänden, die für die Kirche von gefährlichen Folgen, auch der Ehre der Reformation nachtheilig wären.« (Ein Bischof erklärte die Artikel so, und blieb in seinem Amt! Diese gefährlichen, ehrenrührigen Erklärungen wurden weder angezeigt, noch geahndet.) So sprach man im Jahr 1701, und im Jahr 1773 kam man noch nicht weiter. Schöne Reden im Parlement für und wider die Untertreibung der 39 Artikel wurden gehalten;Uebersetzt im »Britischen Theologischen Magazin«, Bd. 4. Die dadurch veranlaßten Schriften, The Confessional etc., sind bekannt. – H. dennoch blieben die heiligen Artikel, unerklärt oder unerklärbar, wie sie dastehn, auf ihrer Stelle. Man hatte unterschrieben, man unterschreibt und wird unterschreiben, so lange die englische Kirche, bei mitgetheilten Gaben des Geistes seit der Apostel Zeiten, währt.
»No Bishop, no King«,»Nicht Bischof, nicht König mehr«. – H. sagte der kleingeistige Jakob I., der lieber Bischof als König hätte sein mögen, sehr falsch. »No King, no Bishop«, könnte man sicherer sagen, wenn sich nicht auch unter Königen ein sehr verändertes Bischofthum denken ließe. Nicht etwa nur gehen die Wünsche der Dissenters, einer so zahlreichen Summe schätzbarer Menschen, dahin; nicht etwa die Wünsche allein der pfründelosen armdienenden Geistlichkeit, sondern die Lage der Sache fordert, die Stimme des Jahrhunderts ruft; man unterdrücke sie, so lange man mag und kann.
Beinah jede Geschichte der Reformation in dem und jenem Lande hat Gräuel und Aergernisse, die sie dem Geist der Zeit und den Sitten der Länder nach fast haben mußten; keine aber ist so ganz ein Flecke in der neuern Christenthumsgeschichte als die englische. Manche ihrer Beschreibungen mußten vergessen werden, bis Burnet sie (daher auch sein Werk so viel Aufnahme fand) in einem nur erträglichen Licht darstellte. Gaben des Geistes, deren sich, durch Tradition der Weihe herabgekommen, die englische Kirche rühmt, dazu Liebesgaben (χαρίσματα) waren es ohne Zweifel, von welchen angetrieben Heinrich VIII., Beschützer des katholischen Glaubens, der gegen Luther so heftig schrieb und sich der Sache des Papsts so ernst annahm, auf einmal sich selbst zum Papst und Haupt der Kirche in England machte, »kraft welches er alle geistliche Sachen hören und entscheiden, Irrthümer, Ketzereien und Mißbräuche abschaffen, überhaupt aber alle solche Dinge, zu deren Ausführung ein kirchliches Ansehen erfordert würde, ausführen wollte«. Das Parlement bestätigte diese Vorzüge und knüpfte sie an die Krone von England. Der Eid der Oberherrschaft (Supremacy), in welchem man bekennen mußte, »daß der König unmittelbar unter dem allmächtigen Gott das höchste Haupt der englischen Kirche sei«,Immediatly under Almighty God to be the chief and supreme Head of the Church of England. – H. ward eingeführt und mit der Schlußformel: »So wahr mir Gott und alle Heilige helfen!« besiegelt. Elisabeth wurde statt des obersten Haupts der oberste Gouverneur der Kirche;Supreme Governour of the Church of England. – H. schwören mußte Jedermann, »alle Jurisdiction, Freiheiten und Vorzüge, sie möchten sein, welche sie wollten, die dem Könige eingeräumt oder mit der Reichskrone verbunden worden, aus allen Kräften zu beschützen und zu vertheidigen.« Der weibliche Gouverneur wußte sich mit der Gewalt, den h. Geist bischöflich ein- und auszukleiden,To infrock and to unfrock. Worte der Elisabeth selbst. – H. nicht wenig. Unter Jakob I. gedieh der englischen Kirche, was ihr nach eingezognen und verschenkten Gütern übrig geblieben war, ziemlich; der König selbst war ein Pontifex, ein großer Schriftgelehrter. Desto heftiger wurden die Kriege mit den Andersgesinnten, die Streitigkeiten über das göttliche Recht der Bischöfe, die Gnadengaben der Einweihung u. s. w., bis die fürchterlichen Unruhen sich erhoben, unter denen Karl I. sein Leben verlor, Jakob II. endlich, bei einer Lakaienseele, auch in Lakaientracht das Reich verließ. Auf dem Thron indeß hatte dieser papistische, so wie sein Bruder, der libertinische Kopf der englischen Kirche, sich große Dinge angemaßt; sie hatten die Statthalterschaft über die anglicanischen und schottischen Gaben des Geistes schrecklich verwaltet. Wie man es für eine besondre Schickung gehalten, daß Josephus, der Jude, die Geschichte seines Volks zu seiner Zeit erzählt hat, so ist's ein besonderes Geschenk, daß Burnet, der Bischof, uns die lange Geschichte seines Lebens in Schottland, England, Holland u. s. w. breit und vielseitig, mit der Glaubwürdigkeit einer guten ehrlichen Frau erzählt.Burnet's history of his own time. 1724. 1734 Übersetzt Hamburg 1724. 1735 – H. »Der Bischof verordnete in seinem letzten Willen, daß diese Geschichte nicht eher als sechs Jahr nach seinem Tode, und zwar getreu gedruckt würde, ohne das Geringste hinzuzufügen, zu unterdrücken und zu verändern.« Die Urschrift wurde öffentlich dargelegt und gezeigt. Man erstaunt, wenn man die Gräuel und Bübereien der royal, noble and spiritual knaves liest. Wie viel edle Menschen litten unter ihnen und ertrugen das Joch geduldig! Eine Kirche, durch solche Mittel auf solchen Grund erbaut, kann schwerlich anders als durch gleiche Mittel auf ihrem unsichern Grunde erhalten werden, bis sie ihr Ende findet. So treffliche Männer diese Kirche an Gelehrsamkeit, an Gottesfurcht, Würde und Liebeswerken dann und jetzt gehabt, so viel Gutes sie hie und da der Menschheit thut und gethan hat, sogar daß sie dies Gute durch Missionen an die Enden der Welt verbreiten wollen: ein Heinrich-Elisabethischer Papismus, zuerst nach Willkür eingerichtet, sodann allmählich an die Gesetze des Reichs geflickt, nicht geordnet, sollte er der Wahrheit, aus der er nicht entsprungen ist, sollte er der Nation gleichdauern?
1. Ist Kirche (ecclesia), was sie nach dem apostolischen Glaubensbekenntnis sein will, eine allgemeine Versammlung, in der eine Gemeinschaft zwischen Heiligen obwaltet, so kann weder im Vatican noch im St. James ihr Haupt wohnen, da keiner von beiden diese allgemeine unsichtbare Versammlung kennt, diese auch keinen von beiden zu ihrem Haupte gewählt hat. Sich selbst dazu creiren, ist eben, wie wenn ein Jemand die Uranuswelt (Georgium sidus) unter die Titel seiner Besitzthümer zählte. Beschützen muß der Glaube sich selbst durch Ueberzeugung; ein Glaube, der vom Vatican oder von St. James aus beschützt werden muß, ist nicht der apostolische Glaube.
2. Aber Glieder der allgemeinen Kirche sammeln sich hier und dort; mithin wird hier und dort eine korinthische, eine römische Kirche. Jede unterscheidet sich in Sprache und Formeln, in Lehrart und Gebräuchen; unterscheide sich jede! Predigte nicht Paulus zu Athen anders als zu Jerusalem? Sind seine Briefe nach Kleinasien von denen nach Griechenland und Rom nicht verschieden? Jede Nation hat ihre eigne Kirchensprache und muß sie haben; eine fremde, ihr aufgezwungene ist ihr unverständlich und unanwendbar. Zu Rom begreift man die Anordnungen der Römischen Kirche ort- und zeitmäßig leicht, da man solche in Stockholm und Pecking schwerlich begreift. Und so diene denn ihrem Gott die anglicanische und die gallicanische, die spanische und germanische Kirche, jede in ihren Worten und Zeichen. Er versteht alle Sprachen; des alten Mönchslatein und dessen, was aus ihm geformt ist, bedarf er nicht; so wie Nationen, die keine Mönche sind, es auch nicht bedürfen.
3. »Wenn nun aber Presbyterianer, sogar Quacker, Wiedertäufer u. s. w. sich in der heiligen Kirche St. Alban's sammeln?« Desto besser! Verstehen sie die Sprache St. Alban's und sind Eins mit ihr, so werden sie nach St. Alban's, wo nicht, nach ihrer Weise dem Herrn dienen. Eine befehlende oder, wie man sie lästernd nennt, eine herrschende Kirche ist ein vorschreiender Ton in einem schadhaften Orgelwerk, der immer vor- und mitheult. Die Dominante in der Musik ist dadurch Dominante, daß sie andre Töne hält und trägt. Eine dominante Religion ist die erleuchtetste, die wohltätigste, die Allen dient, die Alle lieben; jedes Pfaffenthum, das drückt und wegstößt, ist Despotismus. Verfolgt es sogar, so ist der anmaßende Knecht das Schlechteste, was man werden kann – im Namen Gottes Ankläger, Zeuge, Richter, Büttel und Henker.
4. »Wenn aber meine Mitbrüder nicht auf die rechte Art dem Herrn dienen?« So laß sie ihm links dienen. Will er anders bedient sein, der gütige Herr wird es sie wissen lassen; Du zeige ihnen, wie Du ihm rechts dienst. Vielleicht nehmen sie Deine Weise an; wo nicht, so laß ihnen die ihre. Sie sollen und wollen in ihrer Weise dem Herrn dienen.
5. »Wenn sie sich aber sogar im Lehrbegriff irrten?« So erkläre ihnen diesen, und sie werden Deine bessern Begriffe annehmen; wo nicht, laß ihnen die ihren. Von seinen Worten und Begriffen ist doch wol jeder Mensch so gut ein Herr als von seinen Augen und Ohren. Diese verstümmeln, die Zunge ihm ausschneiden kannst Du, nicht aber dem Ohr gebieten, daß es nach Deiner Weise höre, der Zunge gebieten, daß sie ohn' Ueberzeugung auf Deine Weise aus dem Herzen rede. Ohn' Herz und Ueberzeugung aber was sind gesprochene Worte?
6. »Bediente aber der Staat sich statt unsrer der fremden Glaubensgenossen?« Zu Geschäften des Staats? Das überlaß ihm auf seine Gefahr; in wahren, vielseitig nützlichen Einsichten ist der Staat der Kirche, der Laienstand dem Klerus leider vorangeeilt. Er wird sich z. B. einer Secte nicht bedienen, die sich den Betrug, die Heuchelei oder andre Niederträchtigkeiten als Religion erlaubt. Er wird sich einer Secte nicht bedienen, die ihr Haupt in LassaIn Tibet, wo der Dalai-Lama seinen Sitz hat. – D. hat und von dort aus ihre Ueberzeugung holt. Und gewiß wird er eine Secte nur wie im Hospital unter gehöriger Krankenaufsicht dulden, die sich für die allein wahre und seligmachende hält, die ein Monopolium der Weihe hat, einen Freibrief der Vergebung der Sünde u. s. w. Nenne sich diese die englische oder die römische Kirche, sie ist Papismus. Gegen alle Monopolisten sind wir auf der Hut. Da ihre Hand gegen Jedermann ist, so hält und halte sich auch jede Hand gegen sie wachsam.
7. »Wenn aber eine Kirche erbaut wäre, die auch die Pforten der Hölle nicht überwältigen sollen, und wir diese Kirche wären?« Allein und ausschließend? Verhüte der Himmel! Wir die einzigen Rechtschaffenen auf der Erde. »Und unser Klerus diese Kirche vorstellte?« Er repräsentirte sie? Rechtschaffenheit und Wahrheit würden repräsentirt? und durch den Klerus? »Wenn er es wäre, der uns Laien und sich selbst unverrückt durch Auflegung der Hände die Geistesgaben mittheilt?« – »Davon,« sagte der ehrliche Bischof Hoadley, »davon habe ich bei meiner Ordination nichts gespürt, habe sie auch während meines Amts Keinem wissentlich mitgetheilt.«
Wenn ein Wort unter den Menschen Haß, Verfolgung, Verwirrung und Stillstand der Gedanken, albernen Stolz, Leichtsinn und freche Stupidität hervorgebracht hat, ist es das mißtönende Wort church, Kirche. Gäbe es einen unförmlichern Gedanken als den sichtbaren Kopf einer unsichtbaren Geistes- und Herzensgesellschaft?
8. »Aber nicht der unsichtbaren, der sichtbaren Kirche soll er der Kopf sein!« Worin? In Cerimonien? Im Knieen vorm Altar beim Lord's supper?Abendmahl des Herrn. Ueber dies Knieen sind in England die bittersten Streitigkeiten geführt worden. – H. Unwürdige Streitigkeiten und Trennungen, da viel Nichtknieende über des Herren Abendmahl ungleich wahrer und edler dachten als die knieende Heerde. Wie tief stand eine Kirche, die über dergleichen Dinge stritt und verfolgte!
9. »Aber im Lehrbegriff.« Hat irgend eine protestantische Kirche weniger einen Lehrbegriff als die der 39 Artikel? Da behauptet dieser gelehrte Bischof den unbedingten, jener noch gelehrtere Bischöfliche den bedingten Rathschluß Gottes; dieser die lebengebende Kraft der sacramentlichen Elemente, wenn jener leugnet, daß eine gewisse Gnade und Kraft irgend damit verbunden sei. Dieser Athanasische Bischof macht aus der Dreieinigkeit drei Götter; jenem sind's drei Beziehungen, drei Verhältnisse, drei Namen. Jenem ist die Zurechnung der Sünde Adam's, die Gnugthuung, die Gnadenmittel u. s. w. das, dem andern dies, wenn nur Worte, Gebräuche, Bekenntnisse, Einkünfte, vorzüglich aber die Miracles and Prophecy's, die Demoniak's und spiritual Gifts bleiben.Wunder, Prophezeiungen, Besessene und Gaben des Geistes. – H. Da ist ein gelehrter Bischöflicher, der behauptet, daß die Seele mit dem Körper sterbe, aber auch mit ihm aufgeweckt werde; ein andrer, daß vermöge der herabgepflanzten Gaben des Geistes die Kirchengebräuche selbst die Macht der Immortalisation haben, ohne welche kirchliche Gaben und Gebräuche die Menschenseelen sterblich bleiben müßten u. s. w. Wie kann überhaupt eine Kirche sich eines festgesetzten Lehrbegriffs rühmen, die auf 39 Artikel unerklärt und ohne Nachtheil der anglicanischen Kirche und Reformation unerklärlich gebaut ist? Hat irgend ein Staat auf der Erde mit Gelübden kaufmännischer gespielt?
10. Denn wer soll diese Artikel mit Autorität erklären? Das Haupt der Kirche? Ob es wol durch Heinrich VIII. sich die Macht gegeben, »alle geistlichen Sachen zu hören und zu entscheiden, Irrthümer und Ketzereien abzuschaffen,« so hat es sich doch nachher gnädig der Macht »zu predigen und die Sacramente zu verwalten« begeben. Mithin wird es die Entscheidung darüber, was zu predigen sei und was die Sacramente sein mögen, niedergesetzten Congregationen Derer, die mit der Weihe Gaben des Geistes empfingen, überlassen; und was diese Congregationen wirken, davon ist das verflossene Jahrhundert Zeuge. Selbst das bewundernde Deutschland liest kaum mehr die langweiligen britischen Streitschriften, die, fast immer ohne Kenntniß des Erkenntnißgrundes, über Dinge und Undinge solcher Art geschrieben wurden. Ein sonderbarer Stillstand menschlicher Gedanken!
11. Kein Stillstand. Jedes Kind ist fortgeschritten und ruft: »Papismus! Papismus!« Und der Verständige sagt: »Werdet Männer der Nation, Ihr Bischöfe! jetzt seid Ihr Männer des Herkommens, eines altpapistischen Hofes.« Nicht auf King und crown und church bezieht sich Bischof (Aufseher), sondern auf Gemeine. Auch als Glieder des Staats macht Euch die Wahl eines Haupts ohne Glieder, d. i. eines Königes ohne Nation, in beiden Häusern nicht ehrwürdig, sondern verdächtig. Nur durch die Wahl des Hauptes mit seinen Gliedern werdet Ihr in Euren Stimmen frei; das Zutrauen der Nation, die auf Vorschläge des Haupts Euch wählte, ist Euer; so seid Ihr Nationalbischöfe, da Ihr sonst nur King's Bishops mit fortgepflanzten Geistesgaben wäret. Streitigkeiten über Rechte der Kirche und Eure Gnadengaben werden damit von selbst wegfallen, und zu den 39 Artikeln wird sich ohne fernere Discussionen der vierzigste von selbst fügen, daß man die 39 nicht mittelst angeweiheter Gaben, sondern mittelst des Verstandes verständig, d. i. nach geprüftem Einverständniß mit dem Wort Gottes und eigener Ueberzeugung annehme, sonst aber sie verwerfe. Sofort seid Ihr mit den Glaubensbrüdern Eurer Nation einig; auch sie, wenn sie vom Haupt und von den Gliedern der Nation gewählt sind, können vorstellen, was Ihr vorstellt, Glieder der Nation, nicht Papstthum einer Kirche.
Ein ehrlicher Mann, Dechant zu York, als ihm Heinrich VIII. ein Bischofthum aufzwingen wollte, schrieb angstvoll also:
»Dem gestrengen Herren Bellassis.
»Edler Herr Bellassis. Ich bitte Euch um Christi willen, wendet allen möglichen Fleiß und Mühe an, mir das Bischofthum vom Halse zu schaffen. Ich will niemals mit dieser Würde etwas zu thun haben, wenn ich es vermeiden kann. Setzt zu meinem unterschriebnen Namen, was Ihr wollt, nur nicht Bischof.
Euer
geringer Diener
Niklas Wotton.«
So dachten mehrere ehrliche Männer, die den Papismus der hohen Kirche, die kanonische Verfassung ihrer Gerichtshöfe und die gemeine Denkart des bischöflichen Standes kannten. Wake, nachmaliger Erzbischof zu Canterbury. wagte zu schreiben, »daß heutiges Tages nur das noch die Bischöfe vor dem Untergange bewahre, daß sie für sich keine Macht hätten, der Kirche zu schaden, und daß der König, der sie wohl kenne, viel zu gnädig sei, ihnen je diese Macht zu erlauben«. Nicht von der Gnade des Königes sollte diese Unschädlichkeit abhangen, so wie eine gnädige Unschädlichkeit der Bischöfe auch nicht weit reicht. Dem Lehrstande jeder Nation ist's unanständig, als ein Hintergebäude des Hofes, zunächst der Garderobe betrachtet zu werden und sich da auch wirklich, obgleich vor der Hand noch ziemlich wohl zu befinden. Was Wilhelm nicht thun konnte, wird die Zeit thun: sie, die große Statthalterin aller Stände, sie löst und bindet.