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Lord Sommers. »Einer der heiligen Menschen, die gleich einer Capelle in einem Palast unentweiht bleiben, wenn Tyrannei, Verderbniß und Thorheit sonst Alles befleckt hat. Alle Nachrichten von ihm aus dem Munde der Erzählung sowie aus den Geschichtschreibern und besten Schriftstellern seiner Zeit schildern ihn als den unbestochensten Rechtspfleger und den honnetsten Staatsmann, als einen Meister im Reden, einen Genius vom feinsten Geschmack, einen Patrioten von den edelsten und weitesten Entwürfen, als einen Mann, dessen Leben für Welt und Nachwelt Segen war. Er war zu gleicher Zeit Addison's Muster und Swift's Prüfstein; der Eine schrieb von ihm, der Andre für ihn. Soll er verglichen werden, so sei es weder mit Bacon, noch mit Clarendon; der große Kanzler Hôpital scheint Sommers zu gleichen sowol an Würde des Gemüths als an Eleganz des Verstandes.
»Die Zeitumstände, in denen er lebte, gaben Lord Sommers Gelegenheit, den Umfang seiner Fähigkeiten nicht nur, sondern auch den Patriotismus seines Herzens an den Tag zu legen; jene Gelegenheit suchten seine Fähigkeiten nicht auf, aber sein Herz nutzte und verfolgte sie anständig.Unter Wilhelm hatte er dessen beste Rathschläge entworfen, unterstützt, oft auch durchgeführt. Die scharfe Untersuchung gegen ihn endigte zu seinem größten Ruhme. – H. Nie erschien das treffliche Gleichgewicht der englischen Staatsverfassung in einem helleren Licht als in Ansehung seiner, da er von einem mißleiteten Unterhause mit einer Wuth, wie sie je die Freistaaten Griechenlands entehrt hat, angeschuldigt, dennoch volle Freiheit hatte, seine Unschuld zu retten und eine Unsträflichkeit zu enthüllen, die nie in einem so hellen Glanz erschienen wäre, hätte man ihr nicht gerichtlich Flecken angeworfen.
»Es war kein unrühmlicher Theil im Leben dieses großen Kanzlers, daß, von der Staatsverwaltung entfernt, er immer noch seine Arbeiten dem Dienst der Regierung und des Landes weihte. Damals, über alle kleinen Vorurtheile eines Amts erhoben (er hatte keins, als den Beruf eines Solon und Lykurgus), suchte er den Mängeln der Rechtspflege abzuhelfen; er entwarf die Vereinigung der Königreiche«Unter der Königin Anna ward diese Vereinigung ausgeführt. – H. u. s. w.
Edles Andenken!Horaz Walpole, Vol. I. 431 f. – H. Wenige seinesgleichen liefert die Geschichte des Jahrhunderts. Er berührte es auch nur, zuletzt unglücklich seines Verstandes beraubt, ein Mann der alten Zeit.
Joseph Addison. Weder als Dichter noch als Staatssecretär, am Wenigsten als Schauspieldichter geht er zur Pforte der Unsterblichkeit ein, wohl aber als lehrender Prosaschreiber. In seinem hellen, netten, sanft humoristischen Stil ward und ist er Englands Muster; noch Franklin hatte sich an ihm gebildet. Die Wochenblätter, an denen er mit Steele u. A. oder allein arbeitete, fanden einen so unerhörten Beifall, daß vom »Zuschauer« einige zwanzigtausend Blätter an einem Tage verkauft wurden; sie sind so oft aufgelegt und wieder aufgelegt, bewundert, nachgeahmt und wenigstens an Glück nie erreicht worden, daß ein Zauberknote vorhanden sein muß, der damals diesen Wochenschriften so hoch emporhalf. Er heißt (wenn wir das Wort aussprechen dürfen) die goldne Mittelmäßigkeit, die sich ganz in ihre Zeit zu schicken wußte.
Im höchsten Grad war Addison ein Mann seiner Zeit; bescheiden und dem Anschein nach unanmaßend, klar und verständlich, elegant und fein, endlich so populär-philosophisch, so moralisch! Die Königin selbst wollte, daß sein »Cato« ihr zugeeignet würde; beide Parteien, Whigs und Torys, die eben im heftigsten Streit lagen, wetteiferten im Lobpreisen des »Cato«. Auch erhielt Addison seinen Ruhm bis ans Ende; fast in Allem dem ungleich kräftigern Swift diametrisch entgegengesetzt, unähnlich. So viel kommt darauf an, im rechten Zeitmoment seinen Platz zu finden, ihn still einzunehmen, ihn umherschauend zu nützen und sich unvermerkt zu – bequemen.
Addison ist Vater aller Versuchschreiber (Essay-writers) Englands und wird es bleiben. Den Durchschnitt der Gemeinverständlichkeit und allgefälligen Eleganz sowie das Maß der Perioden seiner Sprache, selbst der Blätter, der Einkleidungen, der Ueberredung hat er getroffen; hiemit stellte er seiner Nation gleichsam einen ModiusDer Scheffel ist das Sinnbild der Fruchtbarkeit auf dem Haupte der Ceres. – D. der Gedanken und der Wahrheit auf ihr Gemeinhaupt, den sie als Krone noch trägt, und sie wird ihn tragen.
Es bedarf keiner Deduction, warum weder in Deutschland noch irgend sonst in Europa Wochenblätter das Glück machten, dessen sich Steele und Addison, außer ihnen aber auch sonst kein Brite in solchem Maß, erfreuten. Wenn zu diesem Glück ihre Zeit, ihre Situation und das damals geltende Maß der Gedanken ohnstreitig das Meiste beitrug (Sprecher im Unterhause war Addison nie; sittlich-politer Sprecher an die Nation war er zur guten Stunde), so konnten die meisten Wochenschriften, die im Geschmack des »Zuschauers« außerhalb England erschienen, ein solches Glück nicht finden. Sie waren bald über, bald unter dem Publicum, an und für welches sie geschrieben sein sollten, oder gar, wie spätere in England selbst, außer seinem Kreise. Vollends wo es gar kein Publicum gab, was sollen da Wochenschriften? Man spricht zum Nemo; man spielt auf einem Instrument ohne Saiten.
Dennoch aber bleibe auch den deutschen Wochenblättern, vom Patrioten an bis zur letzten Intelligenz, das Verdienst, das ihnen gebührt. Kann man nicht, wie man will, so will man, wie man kann. Sela.
Was wir Deutsche von Addison wissen, that uns leider ein Nicht-Addison kund,Gottsched. Später ist durch einen bessern Uebersetzer, Benzler, der »Zuschauer« verkürzt zu uns gebracht; die Zeit moralischer Wochenschriften war aber vorüber. – H. seinen »Zuschauer« und seinen »Cato«. Der kalte »Cato« konnte unsre Nation nicht erwärmen. Ein paar Kirchengesänge von Addison sind unter uns allein noch lebendig.
Auch dadurch schuf sich dieser Mann des Publicums ein Verdienst, daß er Milton's »Verlornes Paradies« aus seiner Vergessenheit emporhob und durch Zergliederung der alten Percy-Romanze auf Gesänge dieser Art aufmerksam machte. Seine humoristischen Charaktere sind für uns, zum Theil für England selbst, erloschene Farben; Sokrates-Addison'sSo bezeichnete ihn Klopstock in der Ode an Bodmer (1750). – D. zarte Moral und Kritik dauert.
Mordaunt, Graf von Peterborough.
Swift in seiner Manier preist ihn also:
»Mordanto füllt der Fama Horn, Die Christwelt stellet ihn, erkorn Vor allen Helden, allen vorn.«Das ganze Gedicht steht in Herder's Werken, III. S. 371 f. – D. |
In Spanien, wo er als Feldherr commandirte, war er wunderbar glücklich; Voltaire in seinem Jahrhundert Ludwig's erzählt, wie er Barcelona einnahm und den Aufruhr des Volks stillte. Aus Pope's und Swift's Briefen ist sein Geist, seine Grazie, wie anderswoherSwift, Conduct of the Allies. – H. seine Feindschaft gegen Marlborough bekannt. »Er konnte,« sagt Pope, »weder leben noch sterben wie andre Menschen.« Hätten wir die drei Bände Denkwürdigkeiten, die er von seinem Leben selbst geschrieben,Nach Horaz Walpole hat er sie einer verwittweten Gräfin Suffolk gegeben. Käme dies Blatt Jemanden in die Hände, der ihre Ausgabe beförderte! – H. sie wären der unterhaltendste Roman, gewiß voll denkwürdiger Geschichte. In den letzten Jahren seines Lebens dachte er begreiflicherweise über den neuen Gang der Dinge mißvergnügt und pflanzte Bäume. Von zwei romantischen Leidenschaften seiner Jugend, »einem dummen Eifer für die Wahrheit und einer albernen Liebe fürs Vaterland,« glaubte er sich geheilt.Brief an Pope. – H.
Im Leben sowol als in der Geschichte stoßen uns zuweilen Menschen auf, die aus einer andern Welt zu kommen, in eine andre Welt zu gehören scheinen; man nennt diese Seltenheiten der Natur romantische Charaktere. Sie lieben das Ungewöhnliche, und es gelingt ihnen; gemeine Zwecke, gemeine Mittel sind nicht die ihrigen. Entweder denken sie von diesen geringe oder denken an sie gar nicht; dagegen der Zweck, der ihnen im Sinn liegt, die Mittel, die sie ihn zu erreichen für die nächsten und natürlichsten halten, Andern oft auch nur Hirngedanken, Geschöpfe aus dem Monde scheinen.
Wie zu jeder, so muß auch zu dieser Menschengattung die Natur selbst die Anlage gemacht haben; gewöhnlich verräth schon ihre Bildung etwas Außerordentliches oder nicht Gemeines. Sowol schöne Gestalt als Unform kann dies Auszeichnende sein; in der Unform selbst aber ist das, was sie ankündigt, nicht gemein, nicht häßlich. Manche trieb sogar der Umstand, daß sie sich als Vernachlässigte von der Natur ansahen und auf dem gemeinen Wege fortzukommen sich nicht getrauten, zu Erweckung eines Talents in ihnen an, das sie ungewöhnlich auszeichnen sollte. Platte Menschen verspotteten sie oder versagten ihnen auf dem gemeinen Fahrwege verächtlich die Mitfahrt; sie mußten sich also nach einem eignen Wege umsehn, der auch nach Babylon führe.
Meistens also sind's Behandlungen der Menschen und des Schicksals, insonderheit frühe Eindrücke der Jugend, die Dem und Jenem einen eignen Schwung gaben. Die Bekanntschaft mit seltnen Charakteren, oft der Anblick eines Einzigen, der dem Jünglinge unauslöschlich blieb, ein Wort, das er sprach, eine Art, mit der er sich benahm, ein Zug, eine Geberde, sie spannen in der jungen Seele ein Gewebe an, das diese in der Stille fortwebte. Verborgen lief der Strom unter der Erde, bis er unversehens hervorbrach. Bei mancher Gedankenreihe, die unser ganzes Leben durchläuft, können wir uns kaum selbst vom ersten Moment oder der Wurzel ihres Daseins Rechenschaft geben. Viel zu unbeachtet ist die Wirkung der Mitlebenden auf zarte Gemüther. Wir finden Beispiele, daß Menschen lebenslang in der Weise und Art, ja kraft einer fremden Person handelten, ohne daß sie es wußten; welche sonderbare Besitzung nur in Krankheiten, in unvorgesehenen Zufällen, am Meisten im Alter an den Tag kommt; denn das Alter ist eine zweite, schwächere Kindheit.
Oft vertrat ein Buch die Stelle der lebendigen Bekanntschaft, wie man z. B. dem Homerischen Achilles die Heldenverrückung Alexander's, dem Lesen der Thaten Alexander's im Curtius die Stimmung Karl's XII. zu romantischen Kriegszügen beimißt und mehrere dergleichen angenehme Märchen oder Geschichten erzählt. Der Funke könnte indeß nicht zünden, wenn im Gemüth des Lesenden nicht schon der Zunder bereit läge und äußere Umstände nicht dazu kämen, ihn zu wecken, zu nähren. Meistens sind wir gegen alles Seltene sehr nachsehend; in uns oder in Andern muntern wir es, eben weil es uns neu ist und wir in ihm weder Anfang noch Ende absehen, oft gegen die Vernunft, auf. So finden denn romantische Charaktere im Anfange viel Zuschauer, Bewundrer, Aufmunterer u. s. w.
Personen, die uns im Leben begegnen sollen, können wir nicht wählen, wohl aber Bücher, die wir lesen; über sie sollte die allgemeine Vernunft und Vorsorge nicht schlummern. Unmöglich kann es der Menschheit gleichgiltig sein, an welchen Mißgestalten sich der Jüngling ergetze, die Jungfrau gefalle, an denen das Kind wie ins zarteste Wachs seine ersten unauslöschlichen Eindrücke sammle. An Ritterbüchern studirte sich der Ritter von Mancha Nächte und Tage durch zum Thoren;El se enfrascò tanto en su letùra que se le passavan las noches leyendo de claro en claro y los diàs de turbio en turbio. Don Quixote, I. 1. – H die Gemächte unsrer Zeit würden sonderbare Quodlibets schaffen, wenn nicht eins das andre kraftlos verdrängte. Auf Jahre hinaus die nie wiederkommende Jugend zu verunstalten, sind indeß die schlechtsten immer noch mächtig gnug. Wie mancher Unglücklichen verschoben schlechte Romane ihr Hirn! sie verdarben ihr unersetzlich den Genuß und Gebrauch ihres Lebens.
Vernunft ist das Einzige und Letzte, das auch über romanhafte Charaktere entscheidet. Liegt das Kleinod, das gesucht wird, ganz außer unsrer Welt, oder wäre es des Aufhebens kaum werth, wenn man es fände, wozu die tolle Mühe des Suchens? des Reitens auf dem Mondstrahl oder des Haschens nach dem Regenbogen? Mambrin's Helm,Im Don Quixote. – D. den Splitter vom heiligen Kreuz, die Thräne der Magdalene, was haben wir dran, wenn wir sie leibhaft erbeuten?
Oder gehört zum Funde des romantischen Kleinods ein Zusammentreffen so vieler und seltner Glückszufälle, daß nur ein Jungfernkind, ein dazu Geborner darauf ausgehen kann, so wünschen wir ihm Glück zur Reise. Er selbst mag wissen, wozu er da sei, und wem er sein Leben schenkt.
Bestände das Romantische aber gar nur im Außenwerk, im Zubereiten zur Reise, wie dies oft der Fall ist, in seltner Kleidung, in unruhigem Sehen alles Seltenen auf der Erde, des Aufgangs der Sonne in Lappland u. s. w.; bestände es in dem Spiel, da man alles Unterste oberwärts kehrt und das Gewöhnlichste neu, d. i. schief anfängt: so gehört viel Geduld oder Laune dazu, daß man dieses Spiels nicht selbst zuerst satt werde; Andre werden es bald.
Wir wissen, wie der sogenannte Roman entstanden ist: aus Zeiten der Barbarei nämlich, deren überspannte Unternehmungen und Tendenzen eine klügere Zeit aufnahm und zur Schau stellte. Die Geschichte der Romane zeigt, daß das Romanhafte selbst sich mit der Zeit mildern und vernünftiger werden mußte, wenn es nicht ausgezischt sein wollte; mit romantischen Charakteren ist es nicht anders. Das höchste Romanhafte endlich ist, was alle Zurüstung verbirgt und den Erfolg beinah ohne Mittel darlegt. Alsdann wird das Verwundern Bewunderung, in der die Vernunft selbst bewundert. Wo nicht, so ist und bleibt es eine Art Seiltänzerei, deren laute und bunte Ankündigung mit zu ihrem Etiquette gehört.
Wer liebt das Romantische vor Andern? Die Jugend. Kinder wollen und müssen ihre Kräfte üben; dazu bedürfen sie großgezeichnete, in die Augen stechende Vorbilder, etwas, was sie weckt, hebt, ermuntert. Hoffentlich aber werden sie nicht immer Kinder bleiben; eigne Uebung wird ihnen ein Gleichmaß geben. Auch das Geschlecht, das gern in einer ewigen Jugend lebt, liebt das Romantische, eben weil es das zartere Geschlecht ist. Es bedarf Rettung, Hilfe; wer mag ihm also verdenken, wenn es rettende Ritter gern sieht, ihnen viel zutraut und, wie Desdemona, gern von den Thaten Othello's hört. Eben der Thaten wegen ist es geneigt, den Schwarzen sogar zu lieben; wie oft aber ist auch, was das Shakespeare'sche Trauerspiel weiter zeigt, nur in gewöhnlichen Hausauftritten, darauf erfolgt! Ein Romantisches ohne Grund ist ohne Bestand; sein bleibender Grund ist nur einer, eine höhere Vernunft und Ordnung der Dinge, mithin das Wahre, das Edle. Fehlt dieses, so war es nur Ueberraschung, was wirkte, oder kindische Schwachheit, die glaubte. Zwei Enden einer Reihe traten auf einmal vor uns; uns fehlten die Mittelglieder. Jetzt stehen diese da, und das Mirakel ist ein gewöhnliches Regel-de-Tri-Exempel. Der ambrosische Thau, den der Ritter Astolf aus dem Monde holte,Bei Ariost, Orlando furioso, Canto XXXIV. 88. – D. träuft auch auf unsrer Erde von jeder balsamischen Staude.
Das Sectestiften gehört zum Roman, sowie das Nachfolgen, das Halten an der Secte. Da jeder Quixote eines Sancho, jeder Mohammed eines Ali bedarf, so macht er diesen zuerst gläubig; daß sodann andre Jünger glaubend folgen, dafür bürgt der große Unterschied und die Abstufung menschlicher Seelenkräfte. Dem Rüstigen folgt der Träge, dem Unternehmenden der Feige, dem Anmaßenden der Bescheidene, der Zweifelnde dem kühnen Entscheider. Je mehr Romantisches diese Freicorpsstifter in ihrer Person und Lebensweise, in ihrem Vortrage oder System haben, desto anziehender wird ihre Sphäre. Zartschwache Seelen lassen sich gern führen und entführen; das Romantische ist der Kometenschweif, der sie durch die Lüfte trägt, oder der Al-Borak,Mohammed's. – D. auf dem sie die sieben Himmel durchwandern. Keiner neuen Secte hat es daher auch an Proselytinnen gefehlt, die in ihr bald Prophetinnen wurden; denn wunderbar mischen sich in einem zarten Gemüth Wahrheit und Wahn, Gegenwart und Hoffnung. Je mehr eine Secte mit der Zeit ihren romantischen Anstrich verlor, desto mehr erkaltete ihr Eifer, bis sie, wie andre, eine Art altmodellirter Gesellschaft ward, mit so viel oder so wenig Vernunft, als ihr Zweck oder ihr Modell zuließ.
Glauben sollte man also, daß einmal alles Romantische der Wahrheit allein huldigen müsse, huldigen werde. Je mehr falsche Schminke durch alle Jahrhunderte hin der Menschheit abgestrichen, je mehr Farbenkasten dem Illuminator scharf untersucht worden, desto eher, sollte man glauben, müsse Wahn und Betrug aufhören und das Außerordentliche, das Feenmäßige der Gottesordnung in der Natur sich fügen. Eben hiedurch gewönne das Seltne, das Erhabne, das Göttliche im Menschen die höchste Energie, Würde und Klarheit. Falscher Schimmer, Betrug und Verführung verschwänden; an die Seifenblasen der menschlichen Gesellschaft, an ihr Spülwasser voll Unrath dächte man gar nicht mehr, als seien sie romantische Charaktere.
Aber auch dem wahren romantischen Charakter hält Adrastea ein strenges Maß vor; eine Linie zieht sie und spricht: »Nicht weiter!« Dem göttlichen Achilles wird HermesVielmehr seine Mutter Thetis. Ilias, XXIV. 133 ff. – D. gesandt, daß er sich am Körper seines erschlagenen Feindes, der jetzt nur Mensch, Sohn und Bruder ist, nicht vergreife. Jeder romantisch-glückliche Mensch fühlt die Regel in sich: »Nicht über den Rubicon! Hier ist die Grenze!« Wohl thut es uns, wenn wir dies Gefühl in ihm anerkennen oder ahnen. Nie liebt man einen Helden mehr, als wenn er im Glück sich zu mäßigen weiß und es wohl gebraucht. Dann steigt uns mit ihm der Muth; die Nemesis in uns weissagt ihm eine glückliche Zukunft. Dem Ebenteurer, der davon nichts weiß, dem Alcibiades, der allen Hunden den Schwanz kürzt und alle Hermessäulen umwirft, damit Athen von ihm rede, so vielen andern PucksMit Beziehung auf Shakespeare's »Sommernachtstraum«. – D. der Geschichte, die am Mittage noch hin und her ritten, ohne zu ahnen einmal, daß ihre Feenstunde längst vorüber, ihnen können wir oft nicht einmal Lebewohl sagen; denn – sie verschwinden.
Sonderbar, wie auch bei Charakteren dieser Art am Ende des Menschenlebens Nemesis dasteht! Im Augenblick der Geburt und im Sarge sind unsre Gesichtszüge am Reinsten; so ordnen sich auch die Umstände des Hingangs. Der Mensch stirbt, wie er lebte (im höheren Sinne des Worts nämlich); so auch der Ebenteurer. Glücklich, wenn er nach vollführtem Werk früh dahin ist und anderswo ein anderes Ebenteuer anfängt; sonst wird ihm zuletzt das Leben etwas langweilig.