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Ansprache beim Bankett des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller und des PEN-Clubs Berlin zum siebzigsten Geburtstag am 17. November 1932.
Ich bin unter Ihnen im Vaterland des Geistes, wie mein Freund Siegmund Feldmann mir heute mittag sagte. Ich bin aber auch unter Ihnen als unter Kollegen und Freunden, und so lassen Sie mich zu Ihnen reden, das wenige, was zu reden ist. Es ist ein und dasselbe Thema, das ich in diesem Jahre oftmals zu variieren hatte. Es ist ein schönes musikalisches Thema, dessen Melodik wesentlich das Herz zu bestreiten hat: es heißt Dank, Dank, Dank!
Betrachten Sie solchen Dank mit diesen Worten als von Herzen erstattet, meine Damen und Herren, und erlauben Sie mir, von dem Rechte des Kollegen, des Kameraden, Ihres Mitbürgers im Vaterlande des Geistes, Gebrauch zu machen und Ihre Aufmerksamkeit einige Minuten für etwas Autobiographie in Anspruch zu nehmen.
Als ich den Beruf eines Landwirtes, siebzehnjährig, mit einem anderen Beruf zu tauschen erwog, sagte ich zu mir: Vorbei! Vorbei! Der Augenblick ist versäumt, dazu bist du inzwischen zu alt geworden! Als ich mit vierzig Jahren ein Stück mit dem Titel »Kaiser Karls Geisel« schrieb, geschah es, weil ich mich einen Greis dünkte und von den gefährlichen Emotionen der Liebe, ja von dem Leben selbst damit Abschied zu nehmen gedachte. Zum letzten Male bin ich in einer Dichtung, die »Indipohdi« heißt, sozusagen aus der Welt gegangen; als Testament wollte ich sie zurücklassen. Fritz Mauthner, diesem Kreis noch immer ganz gegenwärtig, schrieb mir damals besorgt aus dem Droste-Häuschen am Bodensee, ob ich denn diesen Abschied von Kunst und Leben ernst meine. Ja, in der Tat, ich meinte ihn ernst, und dennoch bin ich noch heute am Leben.
So rätselhaft aufbehalten, nolens volens weitergeführt von Mächten, die hier zuständig sind, stehe ich heute unter Ihnen, unter lauter Geburtstagstischen, die Sie, meine lieben Kollegen und Ritter vom Geist, mir gedeckt haben. Und die Tatsache heißt: ich bin siebzig Jahr!
Und nun, wo das Abschiednehmen unerbittlich näher rückt, habe ich eigentlich keine Abschiedsgefühle. Ich danke dem Schicksal und sehe einen Sinn darin, daß es mir diese hohen und versöhnlichen Lebensstunden aufbehalten hat. Ich genieße sie sozusagen aus Seelensgrunde, ohne Skepsis, ohne Entwertung des Daseins als einer vergänglichen Illusion, sondern mit beiden Füßen fest auf der Erde: so seltsam werden die Menschen geführt, so rätselhaft geht die Kurve des Lebens ...
Weshalb ich Ihnen das erzähle? Weil ich der Lebensbejahung das Wort reden möchte – »Freude, schöner Götterfunken«! –, die zugleich als Lebensmut und Lebenskraft zu verstehen ist. Und ich fordere Sie auf, auf alle Soldaten, die mit uns in der Armee des Geistes kameradschaftlich geschritten, tapfer ihren Mann gestanden haben und gefallen sind, und auf alle, die noch heute tapfer mit uns schreiten, Ihr Glas zu leeren. Lassen Sie es uns tun mit dem Gedanken an den Spruch: Freudig arbeiten und nicht verzweifeln!