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Rede, gehalten an Walter Leistikows Bahre am 30.Juli 1908.
Die tieftrauernden Freunde Walter Leistikows haben mich für würdig erachtet, dem Schmerz Ausdruck zu geben, der uns alle vor dieser Bahre bewegt. Aber der Größe des Schmerzes entspricht nur selten sein Ausdrucksvermögen, und was mich betrifft: ich darf mich der Einsicht nicht verschließen, daß ich zu denen gehöre, die echter Schmerz nicht beredter macht. Ich verliere an Walter Leistikow einen Freund. Einen Freund verlieren heißt ein Stück Welt verlieren. Diejenigen unter uns, die erfahren haben, was Freundschaft ist, werden wissen, bis zu welchem Grade sich das Leben durch Freundschaft bereichern kann und wie sehr es mit dem Verlust von Freunden verarmt. Was jemand als Freund gewesen ist und was ihm Freunde waren, das macht einen Teil seines edelsten Wertes aus. Wer wollte nicht wünschen, daß der letzte Liebesdienst dieser Erde ihm durch Freunde geleistet werde? Und deshalb stehe ich hier, weil es nicht angeht, sich einem solchen Liebesdienst zu entziehen, und spreche mit lauten Worten vor vielen, was ich sonst nur im geheimen Zwiegespräch mit dem toten Freunde verhandeln würde. Aber eigentlich sage ich das Beste auch in dieser schweren Stunde nur ihm insgeheim, und zwar liegt dies Beste unterhalb meiner Worte. Möchte auch in uns allen das am stärksten klingen, was unterhalb aller Worte ist! Wir sind diesem Toten nicht so fern, wie es scheint, und eigentlich ist in einem tieferen Sinne kein Band zerrissen. Das schwere Gewölk, in dem wir stehen, vereinigt uns: es ist das gleiche große Menschenschicksal, dem wir alle verfallen sind, das gleiche große Todesmysterium, das meiner Meinung nach eine Ergänzung des Lebens ist und dem wir alle entgegenreifen. Ich bin mir bewußt, unergründliche Dinge zu streifen, aber es ist mir nicht anders zumute, als ob die Foltertragik dieses in seinen letzten Jahren so schweren Erdenschicksals in der erhabenen Tragik des Todes wohltätig ausgelöscht worden wäre. Nicht nur wir, die wir dem alten Walter nahestanden, haben erkennen müssen, wie auserlesen als Mensch und Freund er gewesen ist. Die Frucht seines Wirkens gehört dem gebildeten Teil unserer Nation. Wenn es erlaubt ist, im Gleichnis zu reden, so möchte ich sagen, daß seine Künstlerseele etwa dem ruhigen Spiegel eines märkischen Sees glich, der die ganze Melancholie unserer märkischen Heimat widerspiegelt. Die Liebe gerade zu dieser Natur drückt den schlichten und ernsten Grundgehalt der Persönlichkeit unseres toten Freundes aus: ein Grundgehalt, der ihn zu Werken befähigte, die wir kennen und die ein edler Besitz unseres Volkes geworden sind. Solange Berlin, die gefährliche Riesenstadt, sich nicht selbst vergißt, wird es auch des Mannes nicht vergessen, der die düstere Kraft, Anmut und Monotonie seines breiten Wälder- und Seengürtels wie kein anderer geliebt und den Sinnen erschlossen hat. Mitten im Kampfe stehend, und vielfach im lauten Kriegsgeschrei, blieb die besondere Kunst Walter Leistikows unberührt. Sie war phrasenlos. Sie strömte, ähnlich der schlichten Daseinskraft der Natur, die abgeklärteste Ruhe aus. Äußere Kämpfe, innere Leidenschaften und Leiden des Meisters und Menschen drangen in ihr Gehege nicht, diesen stillen und weltfernen Garten, das Ursprungsgebiet aller großen Kunst, das auch ihr Boden gewesen ist. Und nun, du lieber, durchgeprobter Mensch, Künstler, Kamerad und Freund, lebe wohl! In einem anderen und doch verwandten Sinne wartet nun deiner ein weltferner Garten. Unsere Gedanken, unsere Herzen, unsere Liebe, unsere Dankbarkeit folgen dir auch in diesen weltfernen Garten der Stille nach.