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Die Sendung des Dramatikers

Ansprache auf dem Bankett der Wiener Akademie der Wissenschaften, im März 1905.

Sie haben mir durch eine Reihe von Jahren die herzliche Gesinnung bewahrt. Ich bin dessen froh und danke Ihnen. Ich frage mich nicht, ob ich diese Gesinnung verdiene; denn das hieße soviel als meine Gastfreunde kritisieren. Aber ich bin mir bewußt, nur einer unter vielen zu sein, die das Gute erstreben und nach Maßgabe ihrer Kräfte verwirklichen. Sie wissen, daß ich kein Redner bin. Leute, die sich ein Urteil zuschreiben, sagen: auch kein Dramatiker! Nun, habe ich nicht die Vorzüge dieses hohen, in Betrachtung der Menschheit vielleicht objektivsten Berufs, so habe ich jedenfalls seine Schwächen, und eine der Schwächen ist das Unvermögen, aus der Polyphonie meines Geistes eine Stimme gesondert sprechen zu lassen, und wenn es auch meine eigene wäre! Wie es heute ist, war es ehemals: es meldeten sich in meinem Innern stets viele Stimmen zum Wort, und ich sah keine andere Möglichkeit, einigermaßen Ordnung zu schaffen, als vielstimmige Sätze: Dramen zu schreiben. Ich werde dies weiter tun müssen; denn es ist bis jetzt meine höchste geistige Lebens- und Ausdrucksform. Allein im Reden muß ich mich kurz fassen. Ich sehe den Staatsmann, den Gelehrten, den Künstler auf einem menschlich rein geselligen Boden vereint. Es liegt darin ein schönes Symbol, dessen Bedeutung in diesem Kreise ohne weiteres empfunden wird. Alles Streben auf Erden ist eine Art Dunkeladaptation. Wissenschaft und Kunst, die beiden Geschwister und wahrhaftigen Kinder der Kultur, besitzen in einer gesteigerten Form diese Fähigkeit, und über alles hinaus wohnt ihnen ein Gefühl des Erhabenen inne, eine Ahnung von überirdischem Licht oder überirdischer Harmonie, die – jetzt das Unzulängliche – einst doch Ereignis wird. Wie wir, von freundlichen und von furchtbaren Rätseln umgeben, doch sicher wandeln, möge uns das Vertrauen erhalten bleiben zu unbegreiflich herrlichen Zielen, wie es den Forscher und Künstler bei seiner Arbeit leitet, und möge es uns nicht nur in dieser gegenwärtigen Stunde verbinden. So erhebe ich mein Glas, erhebe es auf das Gedeihen der Wissenschaft und der Kunst, auf das Wohl meiner hohen Gastgeberin, der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, und auf das Wohl ihres allverehrten Herrn Präsidenten!


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