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Huldigung an das Buch

Rede, gehalten bei Eröffnung der Internationalen Buchkunstausstellung zu Leipzig in der Aula der Universität am 28. Mai 1927.

Ausstellungen, wie die eben eröffnete hier in Leipzig, sind schöne Blüten kulturellen Lebens und kultureller Kraft. Es ist ein gutes Zeichen für das Wachstum und gesunde Werden in Stamm und Ästen des alten Baumes, der unter dem ehrwürdigen Namen des Deutschen Reiches uns seinen Schatten, seinen Schutz, seine Blüten und Früchte gibt. Hier wird das Buch geehrt. Indem man sich aber auf die Buchkunst beschränkt, meint man damit alles, was ein Buch an Materiellem enthält, Einband, Papier, Letter, Druck etc. und meint darüber hinaus die Form, mit der eigentlich schon ein Immaterielles gegeben ist. Und dieses, das Immaterielle, wird auch die Buchkunstausstellung nicht ausschalten. Ein Buch ist tot ohne seinen immateriellen Gehalt, ja, ein Buch ist kein Buch ohne diesen. Und so gelten meine wenigen Worte nicht nur dem materiellen, förmlichen Teil des Buches, sondern dem ganzen Buch, dem Buch an sich, das man in das Wappen der weltberühmten Buchstadt Leipzig einfügen sollte. Den Buchdruck, also das Buch, hat Luther eine höchste Wohltat Gottes genannt. Mitunter, wenn Schmähschriften ihn fast begruben, hat er wohl auch ein Fragezeichen hinter seine Behauptung gestellt. Aber dieses Fragezeichen lösche ich aus.

Das Geschenk des neuzeitlichen Buches ist, trotz allem, eine der größten Wohltaten Gottes.

Vielleicht dachte Luther nur, indem er die Buchdruckerkunst so nannte, an die ungeheure Vervielfältigungs- und Verbreitungsmöglichkeit der Heiligen Schrift. Und in der Tat, bei der Bibel, von deren Macht und unerschütterlicher Kraft man bei der heutigen Seelenschlaffheit nur noch den schwächsten Nachhall empfindet, mußte ihm die weiteste Verbreitung der Bibel allein schon mit einer allgemeinen Erleuchtung und Erlösung gleichbedeutend sein.

Wir aber kennen noch andere Bücher und sehen in ihrer Verbreitung und Erhaltung eine Steigerung der geistigen Seite des Menschentums. Wir haben aber nicht nur Magazine von Büchern, etwa wie solche von keimkräftigem Mumienweizen, sondern wir haben weite Felder, die alljährlich Frucht tragen. Ohne sie wären auch die alten Magazine nicht, oder ihr Inhalt wäre längst vermodert. Denn nur frisches und starkes Gegenwartsleben und Wachstum konserviert und erneuert das alte. Aber das Unkraut unter dem Weizen –? Es hat keine Zeit gegeben, wo es nicht war! Und man wird nicht einen Grad von Verblendung gutheißen, der auf den Weizen verzichtet, weil dieselben Bedingungen, die ihn zur Reife bringen, auch Nesseln, Ochsenzungen und Gänsedisteln wuchern machen.

Es gibt Bücherverächter und Bücherhasser.

Ich glaube, man findet sie nicht so sehr in den Kreisen der Arbeiter und Handwerker als in einer Schicht vom Mittelstand bis an die Grenze echter Bildungskreise. »Meine Frau ist ein Bücherwurm, ich kann machen, was ich will, aber jedes Vierteljahr kommen große Bücherrechnungen«, so sagte ein Mann, der etwa zweimalhunderttausend Schweizer Franken jährlich Einkünfte hat. – »Denken Sie«, sagte mir eine Offiziersdame, »ich habe einen Vetter, er wirft Hunderte von Mark auf Bücher hinaus. Einmal war er nicht anwesend, als ich in sein Zimmer kam. Da lag ein Buch auf dem Tische: Schopenhauer, ›Die Welt als Wille und Vorstellung‹! Nun sagen Sie, ist der Mensch nicht wahnsinnig?«

Die Bücherverfemungen, -verdammungen, -verbrennungen auf öffentlichen Plätzen gehen durch die Geschichte. Die meisten aller bedeutenden Bücher sind zuerst verboten worden. In Deutschland solche von Bauernfeld, Bettina von Arnim, Freytag, Glaßbrenner, Gutzkow, Heine, Hebbel, Lessing, Schiller, Grillparzer. Das Schicksal hat auch das Konversationslexikon von Brockhaus nicht verschont. Vor allem aber die Bibel selbst, die Heilige Schrift, ist in dieser Weise verboten und verfolgt worden. Besonders in den Zeiten der sogenannten Gegenreformation, als man ihre Besitzer von Haus und Hof jagte, einkerkerte, ja zu Tausenden in der Flamme des Scheiterhaufens einäscherte.

Um Bücher ist viel gelitten worden.

Aber wir wollen diesen jammervollen Kampf deutscher Vergangenheit nicht aufrühren. Ein rechtes Buch wird stets und immer Ausdruck der Geistesfreiheit sein. Wo jedoch der Geist geknechtet werden soll, fangen für ihn die Leiden an. Die Buchangst tritt auch in den Kämpfen unserer Tage wieder einmal hervor, nicht nur bei uns, sondern auch, abgesehen von Moskau und Spanien, wo man zum Beispiel die Bücher des wundervollen Unamuno erst jüngst auf offenem Markte verbrannte, überall. Ich habe Grund anzunehmen, daß Ähnliches auch bei uns von vielen barbarischen Bücherfeinden mit Genugtuung begrüßt werden würde, die vielleicht wünschen, daß die Bücher einmal ganz ausgerottet werden.

Unser Außenminister Dr. Stresemann hat sich in einer Rede gegen den Materialismus unserer Zeit gewandt, der die rein wirtschaftlichen Fragen, also schließlich und endlich die Brotfragen, für die allein wichtigen nimmt. Natürlich hat auch diese Buchkunstausstellung ihre wirtschaftlich wichtige Seite. Ihre besondere Schönheit liegt aber in der unlöslichen Verbindung des Ideellen und Materiellen, welche das Objekt, dem sie huldigt und das sie kultiviert, nämlich das Buch, verkörpert, so daß es dem Rufe nach harmonischer Ausbildung von Körper und Geist, als dem höchsten irdischen Ideale, auf ungezwungene Weise entgegenkommt.

Ich schließe mit dem Hinweis auf den friedlichen, beglückenden Teil der Mission des Buches, der es unbestritten zu einer allgemeinen Wohltat macht. Auf diesem Gebiet seines Wirkens, wo es zum Freunde und Kameraden aller Stände, Menschen und Lebensalter wird, besitzt es fast nur Freunde. Ich sehe den Mönch in seiner Klosterbibliothek, ich sehe den Kranken, dem ein Buch das Krankenzimmer zur Welt weitet, den schmökernden Knaben hinter der Hecke, der lesend zum Erwachsenen wird, den Verbannten, dessen Exil durch die Vertiefung in ein Buch aufgehoben wird, den verurteilten Sünder in der Kerkerzelle, dessen Seele sich durch ein Buch befreit, den Greis, der durch ein Buch seine Jugend wiedergewinnt, und so fort. Somit huldige ich hier dem Buche als dem nie versagenden Kameraden und Menschenfreunde und möchte, daß es mit mir alle Deutschen tun, indem sie sich als eine große Gemeinschaft von Freunden des Buches empfinden und bewähren.


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