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Gruß an die Steiermark

Ansprache nach einer Vorlesung in Graz am 5. Dezember 1929.

Diesem meinem kurzen Besuch in Graz, Hauptstadt der schönen Steiermark, ist vor mehr als drei Jahrzehnten ein noch kürzerer vorangegangen. Es war eine tiefe, vernebelte Winternacht, die ich hier zugebracht habe, ohne von den wunderbaren Reizen der Stadt etwas zu empfinden. Bevor es Tag wurde, ging ich wieder davon. Was ich heut auf meiner Autofahrt von Wien von dem Lande gesehen habe, ergänzt und klärt meine vorgefaßte Meinung. Aber wenn ich noch einige Jahre das Leben behalte, will ich noch mehr sehen und viel sehen von diesem deutschen Lande, das sich so weit nach Süden erstreckt und das mich auf meiner kurzen Fahrt überall so urheimatlich angemutet hat.

Ja, ich bin hier überall, wie ich bereits in diesen flüchtigen Stunden gefühlt habe, und auch in Ihrer Stadt wie zu Haus. Es liegt an den Typen der Männer, Frauen und Kinder, die ich gesehen habe. Es liegt an der Art, wie sie reden, lachen und sich bewegen. Gewisse Gebiete in Schlesien, denen ich zugehöre, geben die gleichen Eindrücke. Ich spreche dabei von den bodenständigen Landleuten. Aber aus irgendeinem Grunde, und weil sie mehr Sonne bekommen, besitzen die Steiermärker ein größeres Kapital von Lebenslust und von innerer Heiterkeit. Ich glaube mich hierin nicht zu täuschen. Und es kommt mich eine zugleich dankbare und schmerzliche Rührung an: nämlich die dankbare insofern, als ich hier einen Stamm meines Volkes sehe, der glücklicher ist, die schmerzliche, weil der, dem meine Vorfahren angehört haben, nicht so glücklich ist. Es sind da allerlei seltsame, vielleicht mystische Dinge, die bei dieser späten Begegnung mit Ihrem Lande, und gerade durch die späte Begegnung mit ihm, in mir leise zu rumoren beginnen.

Ich erfahre, Karl von Holtei hat hier gern gelebt. Sicherlich hat auch hier Verwandtes Verwandtes angezogen. Dabei hat er hier, Schlesier wie ich, wohl auch eine Ergänzung und Erfüllung seines Wesens gesucht.

Die Einfahrt in Ihre Stadt, der Mur entlang, hat mich erregt. Man sieht bunte Marktbuden, es ist Nikolaustag. Es war mir, als müßte ich aussteigen. Es war mir, als müßte ich früher Erlebtes nochmals erleben, als müßte ich Erinnerungen aufsuchen, zum Grazer Kinde werden und meine eigene verwandte Jugend gleichsam zum Besseren korrigieren.

Selbst das schlesische Schrifttum in seinen besten Emanationen tritt selten unter das volle Sonnenlicht. Eine bodenständige Erscheinung von ähnlicher Heiterkeit und lebensfroher Vielfalt wie Peter Rosegger ist bei uns unmöglich. Dieser Gedanke hat sich mir nie so unmittelbar wie heut aufgedrängt.

Das sind flüchtige, aber vielleicht doch grundlegende Impressionen. Es wird mich bereichern, ihnen nachzugehen. Vor allem aber: ich werde fortan ein irrationales Heimweh nach dieser Steiermark und diesem Graz mit mir tragen. Und zwar nicht wie etwas unliebsam Neues, Quälendes, sondern wie einen Besitz, dessen problematische Wesensart mich tiefer als bisher in das Wesen des Deutschtums hinabführen kann.

Ich breche ab. Aber ich konnte mir nicht versagen, von dem seltsamen Anhangen an Ihre Landesart, dem ich heut unterlegen bin, kurz zu berichten.

Es bleibt mir übrig, Ihnen zu danken. Seit einer Reihe von Jahren erwiesen Sie mir die Ehre und Freundlichkeit, mich hierher einzuladen. Heut erfahre ich Ihre volle und herzliche Gastfreundschaft. Alle Ihre gütigen Worte bleiben in meinem Herzen eingeschrieben. In der Ohnmacht meiner Vereinzelung habe ich nur Wünsche zur Erwiderung. Aber solche Wünsche hege und fühle ich, und so darf ich sie aussprechen: Es lebe und blühe Graz! Es lebe und blühe die Steiermark! Es lebe die deutsche Kultur und ihr südlichster Hort, die hohe Universität dieser Stadt!


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