Jeremias Gotthelf
Uli der Pächter
Jeremias Gotthelf

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einundzwanzigstes Kapitel

Wie Uli mit Menschen rechnet und Gott sucht

Ihre Lage war allerdings trüb und bedenklich. Wenn Uli seine frühern Ersparnisse einzog, so konnte er den Bodenbauer bezahlen und was er sonst noch schuldig war. Sein so sauer Erworbenes war also zugesetzt; vor ihm war ein Jahr ohne Ernte, wo er genötigt war, einen Teil des Brotes zu kaufen. Sein Freund, der Müller, hatte ihm so viel Korn abgeschwatzt, daß sein Speicher fast leer war. Woher das Saatkorn nehmen? Brot kaufen müssen bei einem Haufen Gesinde, ist übel. Er hatte nichts als Heu und Kartoffeln, beides reichlich und gut. Mit Milch und Butter konnte er etwas Weniges machen, aber es gab kaum die Hauskosten, noch viel weniger die Dienstenlöhne; wenn man Brot sparen muß, muß man mit etwas anderm nachhelfen.

Aus dem Stalle konnte er etwas ziehen. Jetzt sah er ein, wie gut es gewesen, daß Vreneli für Vorräte gesorgt, welche größer waren, als er glaubte. Hanf und Flachs hatte man reichlich zum Spinnen, und vielleicht war vom erhaltenen Garn etwas zu erübrigen zum Verkauf. Dazu endlich hatte er noch die Rechnungen mit Müller und Wirt, welche nicht erledigt waren, von denen Uli Bedeutendes erwartete. Wie Vreneli manchmal gesagt hatte: «Mach doch die Sache fertig, ich ließe mich nicht immer so abspeisen, du bist viel zu gut und wirst sehen, wie es dir geht,» wehrte es jetzt vom Rechnen ab und sagte: «Wart, das pressiert doch nicht so.» Die beiden Busenfreunde hatten in Ulis ganzer Krankheit nichts von sich hören lassen, und während seiner Genesung ließen sie sich nicht sehen. Sie mochten vielleicht das Wort Nervenfieber fürchten, jedenfalls aber fühlt ein Schuldner, welcher nicht gerne zahlt, kein entschiedenes Bedürfnis, sich einem Gläubiger unter Augen zu stellen, von dem er voraussetzen muß, er sei Geldes bedürftig. Vreneli fürchtete Ärger und Zorn für Uli, und ob jetzt eine Woche früher oder später, darauf kam es in Beziehung auf das Geld nicht viel an, wohl aber in Beziehung auf Ulis Gesundheit. Endlich sagte Uli: «Ich merke wohl, warum du mir das Rechnen mit den Beiden verhalten willst, aber sei ohne Sorge, ich kann es geduldig nehmen, wie es kommt. Sieh, ich habe da auch was verdient, ich sehe es je länger je besser ein. Wären sie die Freunde, wie sie sich immer gestellt, sie wären wohl schon gekommen und hätten ihre Hülfe angeboten. Warum stellte ich meinen Glauben auf sie und bildete mir ein, wie wunder gut sie es mit mir meinten? Merke wohl, woher es kömmt, und damit soll mich niemand mehr fangen, wie man mit Speck die Mäuse fängt. Es tat mir einerseits wohl, Freunde zu haben, Männer, von denen ich meinte, sie bedeuteten was und meinten es gut. Solche Freunde sind was, nicht nur wegen der Hülfe, sondern es tut einem wohl im Herzen, wenn man denken kann: es mag dir gehen, wie es will, so hast du Freunde, und rechte Männer. Ich muß es bekennen, an diesem Gedanken habe ich große Freude gehabt und oft gedacht: nicht jeder hat Freunde, so wie nicht bei jedem Menschen die Hunde bleiben. Aber wahr ists, ich lebte noch wöhler an ihren Worten; sie rühmten mir alles und lobten mich immer, da war nichts als Uli hinten und Uli vornen. Wenn man nichts gewesen, tut es einem so wohl, wenn man auf einmal so viel sein soll; man weiß manchmal nicht, geht man auf dem Kopf oder auf den Füßen, man kommt ordentlich in einen Schwindel, wo man sich dreimal größer sieht, als man ist, und in süße Träume, wo man meint, man sei wirklich im Schlaraffenland und die gebratenen Würste hingen bereits zunächst dem Maule. Jetzt, aus diesem Traume Gottlob erwacht, schäme ich mich, kann nicht begreifen, wie ich das nicht merkte, daß dieses eben die Speckbrocken waren, mit welchen man die Mäuse fängt, daß ich mich so ganz blindlings fangen ließ. Aber es dünkte mich, sie täten den Nagel auf den Kopf treffen, und weil ich ihnen dieses glaubte, glaubte ich ihnen alles andere, hielt sie für die glaubwürdigsten Männer auf der Welt. Ungefähr so wird es der Eva im Paradiese mit dem Teufel ergangen sein. Ward sie gestraft, werde ich billigerweise es auch. Wie ich merke, wird es vielen Menschen schon so gegangen sein. Ich sehe erst jetzt, wie gefährlich es ist mit dem Glauben, wie leicht man ihn am unrechten Orte anwendet. Habe daher nicht Kummer, ich muß es nehmen, wie es ist; mich dauert nur, daß auch du damit leiden mußt.»

An einem schönen Abend machte Uli sich endlich auf zu dem Müller; weit war es nicht, aber müde ward er doch. Als er zur Mühle kam, wollte ihn lange niemand sehen, dann lange niemand wissen, wo der Müller sei, dann niemand Zeit haben, ihn aufzusuchen, und als endlich jemand sich dazu herabließ, verging eine mörderliche Zeit, bis der Müller sich zeigte. Das sind immer schlimme Zeichen und lassen eben auf den zärtlichsten Empfang nicht schließen.

Endlich erschien der Müller. «Lebst auch noch?» sagte er. «Es hielt dich hart, wollte kommen und sehen, wie es dir gehe, es wollte sich aber nie schicken, daneben hätte ich doch nichts helfen können.» «Du hast recht,» sagte Uli, «da mußte ein Anderer herbei; aber was ich sagen wollte, schickt es sich dir etwa, mit mir zu rechnen? Es wäre mir sehr angenehm. Es plagte mich die Zeit über oft, daß ich meine Sache nicht im Reinen hatte; wenn ich hätte sterben sollen, wer hätte die Sache auseinandermachen sollen, an das sollte man immer denken.» «Du hast recht,» sagte der Müller, «es ist auch gut für die Überlebenden. Wie aufrichtig man ist, so sollte man am Ende doch betrogen haben; besonders ist immer alles auf den Müllern, wenn die einmal was eingeben, so soll es falsch und erlogen sein. Es ist akkurat, als ob alle Leute die Wahrheit redeten und nur sie lügen könnten.»

So begehrte der Müller in einem fort auf, und Uli mußte denken: «Hat der etwa schon auf meinen Tod hin eine Eingabe gemacht gehabt in mein Beneficium Inventarii oder Vermögensliquidation, und erscheine ich ihm jetzt so gleichsam als ein Gespenst oder wie ein alter Papa aus dem Grabe erblustigen Söhnen?» «Hast das Hausbuch bei dir?» fragte der Müller. «Den Kalender habe ich,» sagte Uli. «Hast denn kein Hausbuch?» fragte der Müller. «Ich denke,» sagte Uli, «der Kalender werde einstweilen wohl genug sein.» Er hatte eine ganz andere Antwort auf der Zunge, allein während seinem Prozessieren hatte er doch was gelernt, das teure Lehrgeld war nicht umsonst ausgegeben, wie es übrigens oft genug der Fall ist; er hatte uneinläßlich antworten lernen, dies ist keine unbequeme Redeweise. «So gib an, was sollte ich dir schuldig sein?» sagte der Müller. «Wenn du dann fertig bist, so will auch ich dir deine Sünden ablesen, es wird dann bald ausgerechnet sein.»

Wir wollen dem Verlauf dieser Rechnung nicht folgen, das Ding wäre zu lang und langweilig. Wir wollen bloß sagen, daß der Müller sich offenbar auf Ulis Tod eingerichtet zu haben schien, wenigstens dem Hausbuch nach, welches er in Händen hatte; denn vielleicht hatte er mehr als eins, eins für die Lebendigen und eins für die Toten. Bei jedem Ansatz von Uli gab es Anstoß, bald wegen dem Preise und bald wegen der Zahl der Säcke, und als erst der Müller seine Gegenrechnung ablas, gab es der Anstände bei jedem Wort und nicht bloß über Maß und Preis, sondern ob die Sache wirklich geliefert worden oder nicht. Es war da Geld angesetzt für Mehl, Spreuer, Kleien, Abschlagszahlungen dazu und weiß Gott was alles, von dem Uli entweder gar nichts wußte oder aber überzeugt war, daß er dasselbe frei in den Kauf gedungen oder daß es von Mehl kam, welches er hatte mahlen lassen, der Müller Kleien und Spreuer von Rechts wegen ihm schuldig war. Aber man gehe und mache eine dreijährige Rechnung auseinander und dazu aus Büchern, welche ein Uli und ein Müller führten! Uli sah mit Schrecken, daß der Müller, dessen Rechnung nach, ihm viel weniger schuldig war, als er gedacht, auch wenn Ulis Rechnung für Verkauftes als gültig angenommen wurde. Des Müllers Gegenrechnung war gar greulich. Es dünkte Uli doch stark, zu jedem A, welches der Müller vorsagte, B nachzusagen, aber was sollte er machen? Mit seinem Buch konnte er vor dem Richter nicht viel ausrichten; ob das des Müllers besser sei, wußte er nicht, prozedieren wollte er nicht, seinem Kopf traute er nicht, und bei dem vielen Wechsel seines Gesindes während dem ganzen Verlaufe der Rechnung wußte er nicht, ob nicht das Eine oder das Andere etwas auf des Meisters Namen genommen oder nicht. Man sollte immer, wenn man das Gesinde wechselt und offene Rechnungen sind irgendwo, wo Knechte und Mägde zu- und abgehen, bringen oder holen, diese beim Wechsel abschließen oder untersuchen, es gibt da manchmal fatale Entdeckungen. Uli kam das Aufschieben in Sinn, was gewöhnlich der beste Ausweg scheint, wenn man in Verlegenheit ist. Er solle es ihm auf ein Papier machen, was er zu fordern habe, sagte Uli; er wolle es der Frau zeigen und mit seinen Leuten reden, ob sie um dieses und jenes wüßten. Zudem könne man den Karrer bescheiden, welcher früher bei dem Müller gewesen und jetzt beim Sternenmüller sei, der habe das meiste Korn gefaßt und werde wohl noch im Kopfe haben wieviel, es sei der vernünftigste Mensch, der ihm je vorgekommen; zudem werde er dies Jahr viel aus der Mühle bedürfen und dem Müller noch schuldig werden, so daß es ihm im Grunde nicht so pressiere mit der Rechnung. Das alles leuchtete dem Müller schlecht ein. Er kannte Vreneli, wußte also im voraus, was es sagen würde; mit seinem Karrer war er in großem Unfrieden auseinandergekommen, auch diente derselbe bei seinem ärgsten Feind, er wußte also im voraus, was er von diesem zu erwarten hatte; zudem machte er mit Uli nicht ungern fertig, er gab ihm nicht gerne mehr was aus seiner Mühle, er war überzeugt, Uli sei zugrunde gerichtet, wer an ihn zu fordern habe, verliere. Vor allem aus aber wollte er eine richterliche Untersuchung seiner Rechnung bei Ulis Lebzeit nicht und am allerwenigsten eine Abtretung dieser Rechnung an Joggeli, wo deren Bereinigung wahrscheinlich dem Baumwollenhändler übertragen worden wäre; den kannte der Müller und haßte ihn.

Der Müller sagte daher, sie seien jetzt bei einander, das Gestürm wegen Rechnen sei ihm zuwider, und wenn sie nicht übereinkommen könnten, wer es denn solle? Übrigens habe er geglaubt, er habe es mit einem braven Manne zu tun, und nicht daran gedacht, daß hintendrein müsse gezankt sein, sonst hätte er die Sache längst ins Reine gebracht; daneben könne Uli machen, was er wolle, aber das wolle er ihm sagen, er, Müller, sei dann nicht das Mannli, mit welchem Uli den saubern Kuhhandel gehabt. Wenn er dort gewonnen habe, so solle er ja nicht denken, es gehe immer so. Das war fast zu viel für Uli, er dankte Vreneli im Herzen, daß es ihn so lange hingehalten, die Unverschämtheit des Müllers war doch gar zu groß. Uli war es noch nicht klar, wie viele Menschen, und zwar kleine und große, den Mangel an Recht durch Frechheit ersetzen. Er mußte gewaltig sich zusammennehmen, um nicht abzubrechen, sondern einzutreten in ein Markten, welches doch endlich nach manchem harten Worte und mit bedeutendem Schaden für Uli zum Ziele führte. Der Müller warf das Geld, welches er noch schuldig blieb, hin fast wie einem Hund ein Stück Brot und sagte, da solle er das ungerechte Geld nehmen, wenn er das Herz habe. Wenn er aber künftig Mehl oder was sonst nötig habe, so sei es ihm lieber, er nehme es an einem andern Orte. Mehr als der Verlust schmerzte Uli der Vorwurf, er sei der Betrüger, der ungerechte Forderer und daß der Müller dabei auf seinen Kuhhandel sich stützte, und zwar nicht ganz mit Unrecht. Er fühlte jetzt, was ein gut Gewissen wert sei und daß der geringste Makel daran sei, was eine Spalte in einem Bogen. Wenn nun der Makel im Gewissen auch zum Makel am Namen werden sollte, wenn es an jedem Markttage und bei jedem Handel heißen sollte, er sei ein ungerechter Mann und begehre die Leute zu betrügen, so war er ja für sein ganzes Leben unglücklich, gleichsam gebrandmarkt; das fühlte er so recht lebendig, und es ward ihm himmelangst dabei, denn welch armer Tropf war er, wenn er den ehrlichen Namen verloren hatte, der war sein Vermögen, seine beste Bürgschaft, da er von Anderer Vertrauen leben mußte. Hatte er den nicht mehr, so war ihm der Weg zum ehrlichen Fortkommen versperrt, er mußte künftig vom Betrug oder vom Betteln leben. Da erkannte er, wie eine einzige Handlung, unbedacht und leichtsinnig vollbracht, als unbedeutend geachtet, entscheidend für ein ganzes Leben werden kann.

Tief gedemütigt und niedergeschlagen kam Uli heim. Nun wäre das für manche Frau ein wahres Herrenfressen gewesen. «Siehst, ich habe es dir gesagt, es gehe so, habe gewarnt, habe gemeint, ehrlich währe am längsten, aber du hast mir nicht geglaubt, hast gemeint, ich sei nur so ein Weib und du viel gescheiter; siehst, jetzt erfährst, wer recht hat. Jetzt denkst: hätte ich nur geglaubt, aber jetzt ists zu spät, kannst lange jammern! Ein andermal denk daran! Ich hätte jetzt gute Lust, nie mehr was zu sagen und meinen Rat für mich zu behalten.» Doch Vreneli war nicht von dieser Rasse; es tröstete, er solle es nicht so schwer nehmen, das Lehrgeld sei nicht so groß; der Müller werde sich hüten, viel von der Sache zu reden, es sei nicht das erstemal, daß er es so mache, und er wisse wohl, daß man ihn kenne. Gut sei es, daß die Sache abgemacht sei, so wisse man doch jetzt, woran man mit ihm sei, wenn es nur mit dem Wirte auch in Ordnung wäre. Uli hätte gute Lust gehabt, Vreneli zum Wirte zu senden, aber Vreneli wollte nicht gehen. Wenn es nicht sein müsse, so bleibe es lieber einige hundert Schritte von dem weg, sagte es; der werde es aber nicht so machen wie der Müller, der werde mit guten Worten zahlen wollen, denn man sage, das Geld sei rar bei ihm, wenn ihm ein Taler eingehe, so seien Zehne da und möchten ihn.

Wie Vreneli sagte, so war es auch. «Will schon mit dir rechnen, warum nicht? Die Sache ist punktum aufgeschrieben und in der Ordnung, zähle darauf, aber Geld kann dir mein Seel keins geben, habe selbsten keins, und wo nichts ist, ist nichts, wie du weißt,» so sprach der Wirt. «Ich glaube, wenn es mir drei Tage lauter Taler durch den Rauchfang runterregnete, sie wären immer alle weg. So hungrig nach Geld habe ich mein Lebtag die Leute noch nie gesehen. Wenn ich von weitem jemand mit langen Schritten kommen sehe, so weiß ich schon, der wird auch Geld wollen, ich muß allemal lachen; nimm, wenn du findst, denke ich. Sie wissen wohl, daß nichts zu verlieren ist, bewahr, ich habe mehr als Sachen genug, aber es gibt Zeiten, wirst es auch schon erfahren haben, wo man beim besten Willen nicht zahlen kann. Da wird es den Leuten angst und sie kommen daher wie Tauben, wenn man Hanf gesäet hat, und wollen Geld für Sachen, welche ich beim Hagel nicht einmal mehr im Hause habe; aber denen will ich daran denken, die müssen warten bis zuletzt. Du aber sei nur ruhig; sobald ich Geld bekomme, mußt du es haben, und lieber, als daß du einen Kreuzer an mir verlieren solltest, wollte ich es zusammenbetteln, und sollte ich laufen müssen bis nach Konstantinopel. Einer, der seine Sache auch nur verdienen muß, soll an mir nie was verlieren, lieber wollte ich, so lange ich lebe, Hunger leiden und keinen Schoppen mehr trinken. Sieh, ich habe selbst viel Geld einzuziehen, aber es läuft nicht. Du glaubtest es nicht, wenn ich dir meine Schuldner nennen würde, aber sie können mir in diesem Augenblick nicht an die Hand gehen. Dann habe ich auch noch was verloren, es ist ein Nichts, das heißt es ist viel genug, aber es würde nichts machen, wenn es nicht alle Leute wüßten und nun alle daherkämen und Geld wollten. So könnte man dem Rothschild die Hosen umkehren, wenn er in einem Tage alles bezahlen sollte, was er schuldig ist. Hast du das Geld so sehr nötig, diesen Augenblick?» Ho, sagte Uli, wenn er es haben könnte, würde er es gerne nehmen. Indessen setzte er, durch die guten Worte des Wirts bestochen, hinzu: «So einige Wochen könnte ich im Falle der Not warten; der Lumpenhund, der Müller, hat mir einiges Geld geben müssen, ungern genug, aber wenn man Brot kaufen muß, so ist bald viel gebraucht.» «Es ist schlecht vom Müller, es dir so zu machen,» sagte der Wirt, «er ist nicht der Sauberste; es gelüstete mich manchmal, dir zu sagen, du solltest dich in acht nehmen, aber wenn ich dann sah, wie gut ihr zusammenhieltet, und weil er der Gevattersmann ist, so wollte ich nicht was Böses zwischen euch hineinmachen, daß es hinterher hieße, ich hätte euch gegeneinander aufgehetzt.» «Joggeli ist mißtrauisch, er hat schon Kummer, er müsse an mir verlieren. Wenn ich ihm zeigen könnte, daß ich noch einzuziehen hätte, so ließ er mich desto ruhiger», sagte Uli. «Weißt was,» sagte der Wirt, «komm ins Stübli, wir wollen sehen, wieviel ich dir schuldig bin; dann mache ich es dir aufs Papier, auf Stempelpapier, eine rechte Obligation, mein Seel, und verzinsbar zu vier Prozent, oder wenn du fünfe willst, so sage es. Die kannst du ihm zeigen, sie ist so gut als bar Geld, und sobald mir Geld eingeht und du es begehrst, so löse ich sie ein und gebe dir Geld.» Wenn es nicht anders sein könne, sagte Uli, so lasse er es sich gefallen, Geld wäre ihm freilich lieber gewesen.

Ihr Rechnung hatte nicht viel Stößiges, und wo was sich zeigte, gab alsbald der Wirt nach. «Du wirst recht haben,» sagte er, «nimm es nicht für ungut, aber wenn man in einem so großen Wesen ist, wie ich bin, und so viel im Kopf haben sollte, daß es mir manchmal ist, als fahre der Napoleon mit seiner Reiterei darin herum, so ist bald was vergessen oder bald was unrichtig aufgeschrieben. Nimm es nicht übel, daß ich in deiner Krankheit nicht zu dir kam, aber es hieß, du kämest nicht davon. Das hat mich zu sehr gedauert, als daß ich hätte kommen können, ich hätte deiner Frau nur angst gemacht. Es weiß kein Mensch, wie ich so ein lindes Herz habe, ich muß mich manchmal deretwegen schämen und darf es nicht zeigen, es kömmt gar zu lächerlich heraus für so einen großen Mann, wenn er plären muß wie ein Kind.»


 << zurück weiter >>