Jeremias Gotthelf
Uli der Pächter
Jeremias Gotthelf

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In der Glunggen ging es aber nicht so, in Kopf und Beinen hatte Vreneli ein ander Eingericht. Kaum hatten die Leute die Arbeit beendigt, Staub und Schweiß sich abgewaschen, erscholl der willkommene Ruf zum Essen. Dieser Ruf kommt nicht vom Himmel her noch ruft er in den Himmel, aber am Wohllaut desselben mag der arme Sterbliche abnehmen, wie herrlich und süß einmal der Ruf dorthin klingen wird. Diesmal zögerten die Leute nicht so unerträglich, wie es sonst der Fall ist, es war etwas, welches sie schneller in Bewegung setzte. Sie hatten alle ein gutes Vorurteil für Vreneli, es war allen lieb, ein solcher Verstand bei einer so Jungen sei selten, hieß es. Uli schien ihnen dagegen wohl streng und allzusehr den Meister zu machen. Sie meinten, einer, der selbst Knecht gewesen sei, sollte Verstand haben und begreifen, daß man sich nicht gerne zu Tode arbeite, das heißt nichts darnach frage, in einem Tage zu schaffen, woran man füglich zwei Tage trödeln könne. Es nahm sie nun aber doch sehr wunder, und darüber war die ganze Ernte durch gesprochen worden, wie Vreneli aufwarten und aufstellen werde: ob gehörig, daß man dabeisein könne, oder Speise und Trank apothekermäßig ihnen zugeteilt werden würden?

Als so rasch gerufen wurde, dachten sie: Von zweien ist eins; entweder geht es verdammt mager zu, oder verdammt brav hat Vreneli sich gestellt, denn fast die ganze Last lag ihm alleine ob. Die Neugierde, welches von den zweien der Fall sei, machte ihnen so rasche Beine. Sie kamen fast in die Stube wie Kinder ins Zimmer, wo zu Weihnachten ihnen beschert wird, bemerkten aber nichts Besonderes; es schien alles akkurat wie ehedem, so daß es ihnen ganz traulich und heimelig ward ums Herz und Einer zum Andern sagte: Er hätte geglaubt, das ändere hier, von wegen was einem recht und gut sei, das ändere, das Schlechte könne man behalten. Es sei aber nichts als billig, daß es einmal umgekehrt gehe. Das Beste und Schönste, was zu sehen war, war Vreneli, welches mit Freundlichkeit und Sicherheit alles ordnete, für jeden ein gutes Wort hatte, jeden mit dem Hauche der Heiterkeit berührte, welches ein wunderbar Ding ist, aber die allerbeste Würze, ohne welche das reichste Mahl nichts ist als eine schädliche, gefährliche Abfütterung. Uli war es eigen zumute, es war das erstemal, daß er so gleichsam präsidierte und als Gastgeber eine Gesellschaft bewirtete und mit selbsteigenen Speisen; wer es gewohnt ist, tut es mit einem eigenen Behagen und einem gewissen Selbstgefühl, welches wir nicht Stolz nennen möchten. Uli tat noch linkisch, das Behagen kam erst später, aber er zeigte Geschick dazu, die Leute waren mit ihm zufrieden. Sie freuten sich auch der alten Frau, welche mit einer großen Schüssel Fleisch erschien und dann zu ihnen sich setzte. Besonders erquickte ihr Anblick die alten Tagelöhner, welche seit Jahren auf dem Hofe gearbeitet und in gesunden und kranken Tagen ihre milde Hand erfahren hatten. Da war keiner, der ihr sein Glas nicht brachte, wollte, daß sie ihm Bescheid tue. Wenn sie jedem seinen Willen hätte tun wollen, so wäre sie nicht bloß zwei Zentner schwer geblieben, sondern so schwer geworden, daß wenigstens zweimal vierundzwanzig Stunden lang ihre Beine sie nicht mehr hätten tragen können.

Da kam in die Herrlichkeit hinein die Botschaft, die Base solle heimkommen, Joggeli lasse es sagen. Diese Botschaft machte ungefähr den Eindruck, wie wenn in eine prächtig dampfende Fleischsuppe, nach welcher alle Löffel sich ausstrecken, plötzlich eine Kröte plumpsen würde. Nach Joggeli war schon mehreremal gesandt worden, aber Joggeli liebte es, Pfeffer in die Milch zu rühren; hintendrein hätte er ihn wohl wieder herausgefischt, aber dies ist nicht allemal mehr möglich. Als die Base aufstehen wollte, kam Vreneli und sagte: «Nit, nit, Base, was denket Ihr doch. Ich will hinüber zum Vetter und ihm die Mucken ausklopfen. Was gilts, in wenig Minuten bin ich mit ihm da.»

«Bist immer die gleiche Hexe,» sagte die Base und lachte herzlich, und ein alter Tagelöhner sagte: «Frau, nicht für ungut, aber dem Alten wäre zu gönnen gewesen, Ihr wäret vor ein paar Jahren gestorben und er hätte Vreneli geheiratet. Wohl, die hätte ihn tanzen lassen, bis er gelernt hätte nach Gott schreien und es ihm verleidet wäre, andere Leute zu plagen und ihnen die Freude zu verderben.» Es war wirklich sonderbar, wie Joggeli Vreneli so wenig leiden mochte und doch durch niemand so regiert werden konnte wie durch Vreneli.

Es ging wirklich lange nicht zehn Minuten, so hatte das Fraueli den Alten knurrend und brummend auf den Beinen. «Warte,» sagte er, als er zur Türe des Stöckleins aus war, und ging in den Keller, welcher unter demselben war, kam mit einer großen Strohflasche herauf, welche mehrere Maß faßte, gab sie Vreneli und sagte: «Nimm die und schenke mir davon ein, habt heute Schmarotzer genug, möchte nicht auch noch euch in den Kosten sein.» «O Vetter,» sagte Vreneli, unwillkürlich oft von Mutwillen gestachelt, «das laßt euch nicht kümmern; der Hof mag das alles ertragen, und Vetter Joggeli kann einen Pächter erhalten, welcher alles auszurichten vermag, was einem stolzen Bauernorte wohl ansteht. Wenn der Pachtzins verfallen ist und das Geld ist nicht da, so vermag Vetter Joggeli zu warten oder gar zu schenken. Indessen, den Wein nehme ich doch gerne und mit gar großem Danke, allweg ist er viel besser als der unsere und es hat mir Kummer gemacht, wir könnten dem Vetter nicht recht aufwarten. Uli hat zwar angewendet und meint, er habe recht guten Wein, aber aufwarten könnten wir Euch doch nicht so recht damit, Johannes hat Euch allzusehr verwöhnt.» «Du hast immer das gleiche Schlangenmaul,» sagte Joggeli. «Aber warte du nur, dir wird es schwer werden, wenn du abweinen mußt, was du gelacht hast, und vergehen werden dir deine Flausen vor der letzten Weihnacht.» «Nehmts nicht für ungut, Vetter,» sagte Vreneli, «weiß wohl, daß die Flausen vergehen werden, aber vertreiben soll man sie nicht, so wenig als die Muttermäler, sonst gehen Haut und Knochen damit weg. Aber kommt, alle verlangen nach Euch, alle fragen, wo der Bauer sei, ob krank oder sonst nicht recht im Strumpf, daß man ihn nicht sehe?» Was Joggeli hinter Vreneli her brummte, verstand es nicht, machte die Türe auf und sagte: «Seht, da hab ich ihn!» Nun entstand Lärm und Lachen, sehr fröhlich wurde Joggeli empfangen und von allen Seiten begrüßt und mit Gläsern bestürmt, daß er fast nicht wußte, wo wehren. Anfangs wußte er nicht recht, wie er das Lachen deuten solle, als aber alle so freundlich blieben und ihn als eine Respektsperson bewillkommneten, da ward ihm auch wohl; er fühlte sich als der Glunggenbauer, ließ sich obenansetzen und hart nötigen, bis er nach Speise griff, und wenig war, was er aß; er ließ es bei jedem Bissen durchblicken, daß er sie doch nicht in zu große Kosten bringen möchte.

Die Leute hatten tapfer gearbeitet, aßen nun auch tapfer und nicht mit der angebornen Gemächlichkeit, nicht viel anders als das Klappern der Löffel und Teller ward gehört. Doch nicht lange, so kam ihnen die Besonnenheit; sie gedachten, daß sie die ganze Nacht zum Essen hätten, und je langsamer sie es täten, desto mehr möchten sie und desto länger könnten sie. Da begann das Reden, und zwischendurch scholl Gelächter. Die Jüngern wechselten Witze, trieben Neckereien, die Alten erzählten die Heldentaten ihrer Jugend: wie Viele sie geprügelt und wie manchen Bauer, der gemeint, er sehe das Gras wachsen und höre die Flöhe husten, sie angeschmiert, und was der Dinge mehr waren. Dann schwatzten auch die Honoratioren unter einander, doch so laut wie drüben ging es nicht her. Lange machte hier Joggeli den Hauptredner und erzählte eine Menge Geschichten, wie es Pächtern ergangen, ungesinnt Seuchen ihnen die Ställe geleert, Hagel die Ernte zerschlagen, daß ihnen nichts übrig geblieben sei, als in den Wald zu gehen und sich zu hängen an den ersten besten Baum. Er erzählte von andern, welche den Pachtherren bestohlen, die Milch von der Kuh, welche sie ihm futtern sollten, nicht halb gegeben, alles auf das Allerschlechteste ausgerichtet, hinterrücks Holz aus dem Walde verkauft, bis ihnen endlich der Bauer über die Schelmerei gekommen und sie mit Schimpf und Schande weggejagt, und wie sie Bettelleute geworden und ihr Brot vor den Türen hätten suchen müssen, da ihnen niemand mehr eine Pacht habe anvertrauen wollen. So erzählte Joggeli, legte ein Gedächtnis an den Tag wie eine Heuscheuer, bis ihm endlich seine Frau sagte: «Jetzt schweig mir bald mit deinen Lausgeschichten, du könntest einen zu fürchten machen, daß sie einem im Traum vorkämen.» Vreneli aber, welches dem Vetter, seit er in der Stube war, auch nicht eine witzige Antwort gegeben hatte, sondern die artige Wirtin machte, als ob es in einer sechshunderttalerigen Pension gewesen, sagte: «Laßt den Vetter reden, Base, ich habe ihn lange nicht so kurzweilig gesehen, ich könnte ihm zuhören bis am Morgen, es schläferte mich nicht.» Jä, so hatte es Joggeli nicht gemeint, an Vrenelis Kurzweil war ihm wenig gelegen; er brach daher mit seinen Höllengeschichten ab und machte sich zu den ältern Tagelöhnern. Hier hörte er eine Zeitlang zu, gab selbst Einiges zum Besten, freilich keine Heldentaten, denn von einem Helden hatte Joggeli kein Haar an sich, aber pfiffige Streiche: wie er sich aus der Patsche gezogen und Andere hineingestoßen. Er erregte viel Gelächter, daß selbst die Jüngern ihre Ohren ihm zuwandten, denn Fuchsenstreiche sind leider eine beliebte Speise für alte und junge Ohren von je gewesen und werden es bleiben, leider.

«Ach ja,» sagte er endlich, «selbe Zeit war eine lustige Zeit, da hatte man noch Zeit hie und da zu einem lustigen Lumpenstücklein und meinte nicht, es müsse alles in einem Tage erhastet und erjagt sein.» Er erinnere sich noch an die Zeit, in welcher man mit der Sichel das Korn geschnitten; langsam sei es gegangen, aber lustig. Schnitter und Schnitterinnen seien aus dem Berglande gekommen scharenweise wie Rinderstaren im Herbst. Ganze Haufen hätte ein einziger Bauer angestellt und doch so drei bis fünf Wochen zu ernten gehabt. Da sei man nicht so müde geworden wie jetzt, wo man am Abend kein Glied mehr rühren möge. Er wisse, daß man oft nach dem Feierabend noch bis gegen Mitternacht getanzt hätte im Grase oder in der Tenne. Unter der Schar sei immer einer gewesen, der ein Tänzlein hätte pfeifen können auf dem Blatte oder sonst, und nicht selten hätten die Schnitter neben der Sense eine Geige mitgebracht oder eine Zither. «Jetzt ists mit Pfeifen und Tanzen aus und es kommt noch die Zeit, wo man in einem Tage alles macht. Ja ja, die Leute werden alle Tage gescheuter und abgerichteter auf ihren Nutzen. Wann habt ihr angefangen, und seid schon fertig?» frug Joggeli mit einem andächtigen Seufzer. Auf erhaltene Antwort sagte er: «Das ist nie erhört worden, und wenn man das früher jemanden gesagt hätte, er hätte gesagt, es fehle einem im Kopfe. Aber Uli ist auch ein Ungeheuer zum Arbeiten, es geht ihm von der Hand, ich habe noch niemand so gesehen. Wenn ihr es von ihm lernet, so kömmt es euch in alle Wege kommod.» Nun schlug er Ulis Ruhm auf dieser Saite in allen möglichen Variationen an, bis ihm die Base, welcher es katzangst dabei ward, rief, sie möchte ihn was fragen. Ob es nicht Zeit wäre heimzugehen, meinte sie, es sei über Mitternacht? Als Joggeli nicht Lust bezeigte (wahrscheinlich hatte er wieder was Neues, Interessantes im Kopfe), warf sie so hin: Man könne nie wissen, aber es gebe schlechte Leute in der Welt und zwar immer mehr; wenn die merkten, daß der Stock leer und alles hier sei, so könne sie die Lust ankommen, nachzusehen, ob sie drinnen nicht was fänden, welches ihnen anständig sei. Jä wohl, das wirkte und machte Joggeli Beine. Wenn sie es erzwungen haben wolle, so sei es ihm am Ende gleich. Obgleich nun Uli und Vreneli einredeten und von seiner Flasche mit Wein sprachen, welche noch nicht halb leer sei usw., so hatte er doch kein Bleiben mehr; die Alte hatte ihm den schwachen Punkt berührt, sie kannte den so gut wie ein Husar den Fleck an seinem Pferde, wo man es nicht anrühren darf, wenn es nicht hinten und vornen ausschlagen soll.

Nachdem Beide abgegangen, ward es einförmiger am Mahle, wenn auch lärmender mehrere Stunden lang. Zuweilen legte einer den Kopf auf die Arme und schlief; wachte er wieder auf, so trank er erst ein Glas Wein, dann begann er zu essen, als komme er neu zum Tisch. Andere gingen hinaus; was sie trieben, wissen wir nicht, aber kamen sie wieder, so aßen und tranken sie ebenfalls so, als hätten sie noch sehr wenig gehabt. Wenige blieben sitzen, als wären sie da fürs ganze Leben angenagelt; es waren die Veteranen, welche an fünfzig Sichelten sich die kaltblütige Ruhe erworben hatten, welche imstande ist, vierundzwanzig Stunden lang, wenn es sein muß, zu essen und zu trinken, ohne je zu viel zu kriegen. Aber furchtbar langweilig wurden sie und schienen nur darauf zu horchen, ob sich die verschluckte Masse nicht setzte, so daß sie einen Bissen hinunterschieben und einen Schluck nachtrinken könnten. Dazu kam nun allgemach der Tag herauf, und nicht leicht was Grausigeres gibt es, als wenn der Tag durch die Fenster kömmt, hinter welchen herabgebrannte Lichter glimmen, Tabaksqualm schwer über grauen, blassen Menschen mit gläsernen Augen liegt, über Menschen, welche essen, trinken, rauchen, reden, singen, aber alles in unsäglicher Schwerfälligkeit und Langsamkeit wie im Traume, zu nichts mehr tauglich sind, nicht einmal zum Aufstehen und zu Bette zu gehen. Ja das ist wüst, aber nicht bloß so einfach wüst, sondern gleichzeitig eine Geduldprobe; für den Wirt, und besonders wenn er bloß Pächter ist, kann kaum eine ärgere erdacht werden. Er muß also aushalten, vielleicht geht auch seine Frau ins Bett, da sie zur Zeit wieder auf dem Platz sein muß, um das Mittagsmahl zu bereiten, während der Mann schlafen kann, bis es auf dem Tische steht. Er ist müde von der Arbeit, schläfrig von kurzem Schlafe in vergangener Zeit, hat Wein getrunken, eine Nacht ganz durchwacht und sitzt da und sieht den Tag kommen, sehnt sich nach dem Bette, dorthin zieht es ihn mit Himmelsgewalt, aber da herum sitzen noch die Angenagelten und nageln auch ihn fest.

So wie der Tag kam, kam es Einen nach dem Andern an wie die Eulen: er suchte die Finsternis, nachdem er noch in sich geschafft hatte, was die Haut ertragen mochte; aber die alten verpichten Häute bleiben und der Wirt muß auch bleiben. Es sieht der Gastgeber, daß sie sich offenbar Gewalt antun, dazubleiben, zu essen, zu trinken, daß sie es ihm offenbar zum Trotz tun, nicht bloß um ihm so wenig als möglich übrig zu lassen, so viel als möglich abzuessen, sondern um ihn zu peinigen mit dem Dableiben, ihn zu versuchen, daß er ungeduldig wird, endlich in die Worte ausbricht: «Es dünket mich, ihr solltet einmal genug haben und euch ins Bett packen, das würde euch wohl anstehen, und schöner als dort seid ihr nirgends.» Dann hätten sie, was sie wollten, würden einige spitzige Worte sagen, gehen, aber dann während ihrer ganzen übrigen Lebenszeit an jeder Sichelten und sonst noch bei jedem Anlasse es rühmen, wie sie es einmal dem Meister gemacht, was er gesagt und was sie gesagt.

Das Aushalten in Ruhe und Würde hat etwas Ähnliches mit dem gelassenen Aushalten eines indianischen Häuptlings, welcher von einem feindlichen Stamme langsam dem Tode entgegengemartert wird, um schließlich skalpiert zu werden. Was dabei das Unerträglichste, ist, daß solche Peiniger sehr oft nicht etwa die schlechtesten Arbeiter sind oder die feindseligsten, sondern die fleißigsten, mit denen man das Jahr durch im besten Verhältnisse gestanden hat, von denen man freundschaftliche Rücksichten erwarten sollte, ein Eingehen in des Meisters Pein. Aber es ist, als ob sie einmal des Jahres genießen wollten, Herren zu sein, den Meister zum Knecht zu haben, ihn ihre Laune empfinden zu lassen so recht bis auf den Grund. Ein ganz ähnliches Gefühl herrscht da vor, welches bei den Römern das merkwürdige Fest erzeugte, wo die Herren ihre Sklaven bedienten, als seien diese zu Herren, sie zu Sklaven geworden. Darin lag Sinn und Witz und beide tief; die Herren sollten ein ganzes Jahr lang nicht vergessen, daß ein Sklave fühlt und wie er fühlt, die Sklaven sollten im Glücke dieses Tages ihr Elend vergessen, nicht vergessen, daß sie Menschen seien und den Göttern angehörten so gut als ihre Herren. Nun, so an einer Sichelten erfährt auch der Berner Bauer, was es heißt, von Launen abhängen, aus der Haut fahren mögen und es nicht dürfen.

Uli mußte aushalten bis morgens halb sechs. Da erst sagte der Letzte: Wenn niemand mehr bleiben wolle, so werde er auch gehen müssen, sonst müsse er aber der Unverschämteste heißen und wäre ihm doch noch wohl da. Es dünke ihn, er sei erst abgesessen. Indessen ging er und zwar so, daß man wohl sah, er müsse eine geraume Zeit abgesessen gewesen sein, denn er fand die Türe kaum, und als er sie endlich hatte, sah er die Türklinke nicht, obgleich die Sonne daran schien. Uli hatte die Geduldprobe männlich bestanden, aber nicht aus selbsteigener Kraft. Der liebe Gott hatte zur Geduld den Schlaf gesandt; dieser, wenn in Uli der Zorn aufbrennen wollte, drückte ihm rasch die Augen zu, lähmte die Zunge, gaukelte ihm ein klein Traumbild vor, dann wich er wieder. Uli fuhr auf, aber erfrischt, als hätte er ein kühlend Bad genommen. Die Nerven hatten sich abgespannt, das Sieden des Blutes sich gelegt, eine halbe Stunde konnte er sich wieder halten, dann brannte es wieder in ihm, dann kam der Schlaf wieder, kühlte ihn rasch ab; so gings, bis er endlich vom letzten wüsten Gaste erlöset war.


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