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Wie gewohnt, kam einmal die Eierfrau und hätte gerne eine mächtige Ladung Eier gekauft für einen Bäcker, welcher das Backwerk zu einer großen Hochzeit zu liefern hatte. Vreneli konnte wenige geben und klagte seine Not. Wenn es an Hexen glaubte und eine in der Nähe wüßte, so müßte es jetzt glauben, daß man es den Hühnern antun und das Legen verhalten könnte. Da meinte die Eierfrau: Vielleicht daß sie ihm über den Marder, welcher seine Eier fresse, kommen könne, oder über die Hexe, welche das Legen verhalte. Sie hätte einen Ton gehört, wenn was dran sei, so würde der Marder sich bald finden. Vielleicht daß sie ihm schon das nächste Mal Bericht geben könne. Mehreres wollte sie durchaus nicht sagen. Gar lange ging es nicht, so kam sie wieder und zwar mit einem Gesicht, welchem man es von ferne ansah, hinter dem stecke eine wichtige Botschaft. «Hör,» sagte sie zu Vreneli, «ich kann dir draufhelfen, aber bei Leib und Leben verrat mich nicht.» Nachdem das Versprechen in bestmöglicher Form abgelegt war, rückte sie aus: Drüben im Mühlengraben stehe ein Häuschen am Walde, man könne dazu und davon, es sehe es kaum ein Mensch. Dort sei nach dem Neujahr ein Mensch eingezogen, angeblich eine Wollenspinnerin, aber sie sei die meiste Zeit daheim, mit Arbeit viel verdienen werde sie nicht. Doch lebe sie gut. Es rieche manchmal so gut ums Häuschen, als ob Engländer da wohnten mit einem vornehmen Koch. Pfannkuchen, Eierbrot und dergleichen könne man alle Tage riechen, und Kaffee mache das Mensch des Tags wenigstens dreimal. Lange habe man geglaubt, es trinke ihn schwarz, denn es kaufe selten für einen Kreuzer Milch, und wo es die Eier hernehme, habe man lange nicht begriffen. Hühner habe das Mensch keine, herbeitragen hätte man auch keine gesehen. Die Leute hätten bald geglaubt, es lege sie selbst, und hätten ihm das gerne abgelernt, denn kommode wärs; für eine Hexe hätte es ihnen wohl jung geschienen und zu wenig Runzeln an den Backen gehabt und Kröpfe am Hals. Nicht daß es gar jung und hübsch sei, aber ein appetitlich Weibervolk, eine muntere Witwe im besten Alter, wie sie am liederlichsten seien. Sie hätten ihr aufgepaßt und endlich ihr Leghuhn entdeckt. Es komme ein Mann zu ihr und von dem komme alles, Milch, Eier, und sie wollten sagen, noch mehr Sachen. «Der Bursche ist von der Größe Euers Melkers, das Gesicht konnten sie noch nicht sehen, er kömmt spät und geht früh, aber nicht den Weg, welcher hierher führt, daneben kann er einen Umweg machen, um auf falsche Spur zu leiten, wie ich glauben muß. Von wegen dir zulieb, Fraueli, war ich mal selbst dort, wo er früher diente, und frug unter der Hand nach, warum er dort fortging. Da hieß es nun, wegen einem Mensch, dem er alles zutrage, was er erreichen möge; aber er wisse die Sache schlau anzufangen, denn sie hätten ihn nie darob erwischen können. Was sie ihm bloß auf den Verdacht hin zugemutet, habe er abgeleugnet, daß sie ihn bald hätten besser machen müssen, als er sein Lebtag je gewesen sei. Nun sei dort das Mensch mit ihm verschwunden, und es werde nicht fehlen, er werde dasselbe an irgend einem Orte in seiner Nähe haben.»
So berichtete die Eierfrau. Das war eine schöne Geschichte. Also im Roßstall war es nicht sauber, mußte wegen Tabak und Magenkrämpfen aufgepaßt werden, im Kuhstall war es nicht sauber, dort ging es an Milch und Eier, das war doch wohl viel auf einmal. Vreneli mußte es Uli sagen, der ward anfangs böse und meinte nur, Mädi rupfe dem Melker was auf. Es hasse ihn, weil es denselben lieben möchte und der Melker dieser Liebe nichts nachfrage. Er wisse selbst, wie das gehe, und der Melker habe so was merken lassen, wenn auch nicht gerade herausgesagt. Da stellte indessen Vreneli ab und sagte: Es nehme ihns wunder, ob es keine Wahrheit mehr sagen könne und auf einmal nichts verstehe. Nicht Mädi habe es aufgerupft, sondern es selbst habe gesehen, daß da was nebenausgehe, nachgefragt und nun so und so Bericht erhalten. Glaube er nicht daran, so solle er mal selbst hingehen und Nachfrage halten, von wegen die Sache sei zu wichtig, als daß man sie so hingehen lassen könne ein ganzes Jahr lang. Uli paßte dem Melker auf, konnte aber hell über nichts kommen. Der Melker hatte keine Art von Gefäß im Stalle beim Melken als das übliche, man mochte dazukommen, wenn man wollte, oder ihn belauschen von der Futtertenne aus. Man sah auch nicht das geringste Verdächtige, und Uli ward unwillig, hätte fast Verdacht gefaßt, das Unrichtige komme von ganz anderer Seite her.
Da kam einmal ein schöner Sonntagnachmittag, und Mädi trug sein Herzkäferchen, das kleine Vreneli, an der schönen Sonne herum, stellte es auf den Boden, ließ es träppeln und stampfen, segelte mit ihm in der Richtung, nach welcher das kleine Ding mit den Füßchen strebte, mit den Händchen zeigte. Sie lebten selig zusammen, das Mädi hatte volle Zeit, dem lieblichen Spiele sich hinzugeben. Der Ruf des Gewissens, daß es den Lohn habe zur Arbeit und nicht zum Tändeln, versalzte ihm die Freude nicht, dieweil es Sonntag war, und das Vreneli wurde nirgends hingesetzt mit einem Steinchen oder Blümchen, welche weder reden noch laufen konnten, um mit ihnen sich die Zeit zu vertreiben. Es ist eine gar strebsame, bildungshungerige Zeit, die Zeit vom zehnten Lebensmonat hinweg. Da ists über einem freundlichen Kinde alle Tage wie über der Erde an jedem schönen Frühlingsmorgen. Neue Herrlichkeit hat sich entfaltet, es ist ein Anderes geworden und doch das Gleiche geblieben, denn die Freude ist über Nacht neu geworden, hat neue Pracht entdeckt, über Nacht erblüht. Aber stumm sind die Blümchen, keine Beine haben die Steinchen; wohl spielt das Kind mit ihnen, aber nicht lange, es wird ihm öde dabei und unheimlich, unbewußt ist es ihm, als solle es nicht reden lernen, als müsse es sitzen bleiben auf der gleichen Stelle lebenslang. Darum aber wird es dem Kinde wie dem Fischlein im Bache, wenn eine gute Seele mit ihm springt und spricht, spricht und springt; es trampelt mit den Füßchen, schlägt mit den Händen, hell jauchzt es auf, ihm ist, als gehe es zum Himmel auf. Weiter und weiter strebet es, hinaus in die Welt. Plötzlich kehrt es sich um, streckt die Händchen auf nach dem Halse des Gefährten, birgt das Gesichtchen an seiner Brust, segelt mit allen Kräften heimwärts. Ein fremd Gesicht hat es gesehen, etwas Ungewohntes hat seine Sinne berührt, es fühlt plötzlich sich fremd in der weiten Welt; das Heimweh taucht auf in seinem kleinen Herzen, es beruhigt sich nicht, bis daß die Heimat es wieder umfängt. Zu klein waren noch die Flügel für die weite, große Welt.
So waren Mädeli und Vreneli trappelnd und jauchzend auf Reisen gegangen, waren nach vielen Irrfahrten endlich hinter einen alten Holzschopf gekommen, um welchen allerlei Gräbel lag und namentlich altes sogenanntes Zäuneholz, mit welchem man im Herbst beim Weidgang provisorische Zäune herzustellen pflegt. Der alte Schopf stund tagelang einsam und verlassen, und hätte er ein Gesicht gehabt, er würde ein sehr verwundertes gemacht haben, daß zwei Menschen auf einmal durch seine stille Einsamkeit trappelten und jauchzten.
Indessen gab es doch ein verwundert Gesicht. Vreneli hatte plötzlich eine Erscheinung. In den alten Zaunstecken raschelte es, ein prächtig gelbes Huhn trat majestätisch aus denselben und verkündete der Welt mit hellem Geschrei seine eigene Heldentat, es habe nämlich ein Ei gelegt. «Ja so, du Ketzers Täsche, legst du da? Das wäre mir nicht beigefallen,» sagte Mädi, «so geht es in der Welt immer anders und schlechter. Hier zu legen fiel noch keinem Huhn ein, aber es ist alles gleich, Menschen und Hühner, es muß alles verstohlen und verschleppt sein, da ist niemand mehr zu trauen.» Vreneli, welches am gackelnden Huhn seine Freude hatte, ward ins Gras gesetzt, und Mädi kroch dem entdeckten Schatze nach ins alte Holz hinein. «Tüfel! Tüfel!» rief es plötzlich aus dem Holze. Doch sah Mädi nicht wirklich den Teufel, sondern was anderes. Es fand nicht so viel Eier hier, als es gehofft, nur etwa vier oder fünfe. Das Nest fiel ihm auf, es schien nicht von einem Huhn, sondern von einem Menschen gemacht, zudem war ein altes Nestei darin. Mädi war Expertin im Hühnerfach, es wäre gut, es würden in keinem Fache schlechtere Experte gebraucht. Mädi schloß alsbald, das sei nicht bloß eine einfache Hühnerverlegete, wo einfach ein Huhn sein Naturrecht geltend macht, seine Eier legt, wohin es will, und nicht wo die Frau Prinzipalin will, um brüten zu können, wenn es ihm ankömmt, ohne es der Willkür der Frau Prinzipalin zu unterstellen, welche imstande ist, ihm zum Dank für seine Bereitwilligkeit das Nest mit Nesseln zu reiben. Mädi schloß alsbald auf eine menschliche Schelmerei, welche den Hühnern hier, an dem abgelegenen Orte, ein Nest gemacht und sie durch bekannte Mittel verführt, ihre Eier an den Ort zu legen, an den kein ehrlicher Mensch dachte. Als Mädi sich kundig umsah nach allen Merkmalen, welche zu einem sichern Schlusse führen konnten, sah es nebenbei im alten schwarzen Holz was Weißes, und als es dasselbe hervorzog, war es eine große Milchflasche von weißem Bleche und voll Milch. Das trieb ihm den «Tüfel» ins Maul, und triumphierend kroch es hervor, die Eier in der Schürze, die Flasche in der Hand, und im Triumph ging es dem Hause zu. Endlich hatte es ihn erwischt, hatte auch ein Heldenstücklein vollbracht wie noch keines, von dem die Leute reden würden als wie vom Tellenschuß, so lange nämlich, als die Schweizerberge stehen. Noch viel lauter als das gelbe Huhn gackelte Mädi, daß alles, was im Hause war, herausschoß und Mädi nach, dem Vreneli zu. Da ward alles besichtigt um und um, endlich fragte Uli, den Mädi auch herbeigegackelt hatte: «Jetzt möchte ich doch wissen, wer der Spitzbube ist. Seh, wem ist die Flasche?» Da blieb es stille ringsum, kein Eigentümer meldete sich, niemand wollte die Flasche gesehen haben, niemand um das Einest wissen hinterm alten Holzschopf. Uli mochte fragen, drohen, wie er wollte, Keiner wollte sagen: «Meister, ich bin der Schelm!»
Es gibt auf der Welt nichts Fatalers, frage man nur jeden Knaben, als wenn man am seichten Bache stund, einen großen Fisch unter einen alten Weidstock fahren sah, rasch sich niederlegte, mit der Hand nachfuhr, Lebendiges in die Hand kriegte, rausfuhr, und man hat eine Kröte in der Hand, nicht den Fisch, und wenn man die Hand wieder nachstreckt, ist kein Fisch mehr da, man hat nichts mehr als das Gramseln in der Hand von der Kröte her und den Ärger über den falschen Griff. Mädi hatte gemeint, was es habe an Flasche und Eiern, aber den Fisch hatte es doch nicht, der Fisch war fort. Als nun der Fisch sich gar nicht finden wollte, sagte Uli unwillig: «Du bist immer das gleiche dumme Mädi, wirst dein Lebtag nicht gescheut, warum mußte nicht jemand anders die Sachen finden! Wenn man Vögel fangen will, brüllt man nicht die Haut voll. Hättest alles am Orte gelassen, wo du es gefunden, und mir es gesagt, dann wäre ich auf der Lauer gestanden, hätte den Dieb mit den Sachen in der Hand erwischt und der Handel hätte eine Nase gehabt. Jetzt ist es aus, denn wenn man einen Dieb nicht kriegt, wenn er die Sache genommen hat, und sieben Zeugen, welche gesehen haben, daß er sie wirklich genommen und nicht bloß gefunden, so hat man das Nachsehen und kann die Kosten bezahlen.» «Ist das jetzt mein Dank?» begehrte Mädi auf. «Wenn es dir Ernst ist, den Schelmen an Tag zu bringen, so frage nur den Melker, der kennt ihn wohl, hat ihn vielleicht in seinen eigenen Hosen.» Potz Himmel, da gab es Spektakel! Der Melker war dabei, als Mädi so sprach, und husch, hatte es eine Ohrfeige weg, ehe jemand es hindern konnte, und hätte auch die Haare lassen müssen, wenn Uli nicht mit starkem Arme Halt gemacht.
Mit der Ohrfeige hatte aber der Melker dem Mädi den Zapfen aus dem Redefaß geschlagen, und heraus sprudelte eine Zornesflut, in welcher der Melker sicherlich zuschanden gegangen, wäre er nicht ein hölzernes Kamel und an solche Fluten längst gewohnt gewesen. Alles, was die Eierfrau gesagt und nicht gesagt von seinem Mensch und seinem Leben, das warf Mädi dem Melker an den Kopf. Der brüllte wie ein angestochener Urochs und begehrte auf von wegen seiner Unschuld, schrecklich, und schlug mit seinen Zeugnissen alle Anschuldigungen tot. Da könne man sehen, was er sei und was er nicht sei, und zwar auf Stempelpapier. Aber der Teufel sei Meister in der Welt und Menschen gebe es, welche kein einzig Zeugnis hätten und wollten Andere zu Schelmen machen, die verfluchten Luder. Denen wolle er es zeigen, sie müßten erfahren, wer er sei, und selbst den Namen tragen, den sie ihm gerne angehängt hätten. Der Melker tat schrecklich, wie zu Olims Zeiten der Gouverneur von Magdeburg, der sich vermaß, Hundsleder zu fressen, ehe er die Festung übergebe, war aber kuraschierter als derselbe Gouverneur und saß nicht allsogleich auf den Nachtstuhl, als der Feind standhielt und sogar näherrückte. Der Melker wußte, daß schlechter die Welt wird, das Recht immer mehr dem zufällt, der am meisten aufbegehrt, am wüstesten tun kann, alles von wegen der Unschuld. Aber Mädi war eine Batterie, welche nicht so bald zum Schweigen zu bringen war, sondern immer schärfer schoß, je wilder die andere feuerte. Scheltungen waren hin- und hergeflogen wie Hagelsteine, wenn es recht hagelt, daß ein gewöhnlicher Richter acht Tage gebraucht hätte, sie auseinanderzulesen und ordentlich zu sortieren.
Endlich, lange hatte er es umsonst versucht, kam Uli zu Worten, hob alles Gesagte auf von Amtes wegen, jagte Mädi in die Küche, den Melker in den Stall, machte so den Feindseligkeiten einstweilen ein Ende, jedoch nicht der Feindschaft. Dem Melker grollte es im Kopfe wie einem Vulkan im Bauche, den Ausbruch fand er jedoch nicht rätlich, speite Rauch und Flammen bloß, wenn der Meister und die Meisterfrau es nicht hörten, redete alle Tage, morgen mache er die Anzeige beim Richter, und machte sie doch nicht. Er war ein alter Praktikus und wußte, daß wenn man mal was einem Richter oder Advokaten zur Hand gegeben, man nicht mehr Meister sei zu sagen: bis hierher und nicht weiter, sondern das Ding mit einem durchgehe wie wilde Rosse mit einem sturmen Kutscher und ein Ende nehme mit Schrecken. Es ist gar schlimm, in mürbes, blödes Tuch einen kleinen Riß machen zu wollen; wie leise man macht, husch, reißt es durch, und die Stücke bleiben einem in der Hand.