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Handle n und händele im kaufmännischen Begriff des Worts, und händle, wie brotnịịdischi und verbü̦nstigi Verbönner aus Verbunst unter sich tun, gehören in erster Linie zu Han͜d, wie in zweiter Linie die aus jenen Verben rückgebildeten Dingwörter der Handel und der Händel. Letzterer freilich so, daß er sich leicht aus der singularisierten Mehrzahl (Streit-) Händel erklärt; aber ihre sachliche Parallele wird ja durch die Gegenwart genügend illustriert. Händle kann heißen: enan͜dere i d’Fingere näh; handle ist der Wortableitung gemäß: etwas in, auf, an die Hand nehmen, a d’Han͜d näh. Das tut ja auch z. B., wer Roß-handlet und von Anfang seines Berufs an (um) Roß-g’handlet het. Gleich durchfühlbar ist die Grundbedeutung von bihandle (und mißhandeln). Offen liegt diese zutage bei «handlich» ( handy), während hantlig mit dem Nebengedanken «das hat Widerstand gefunden» ( das het gstotzt u g’stotzt!) behaftet ist. Wir gewahren, wie es mit dem Gefühlswert von «angelegentlich, nachdrücklich» — es ist hantlig g’gange! — zum Abzielen auf Vorteil und Gewinn überleitet. So wird die Handlung als « action» zur Handlung als Handlig (d’Handlig lehre) und zur Handlung Meyer, Müller & Cie., welche sich mit der «Erhandlung» (1712; etwas «an sich erhandlen»: 1678) und mit vorteilhafter Wiederveräußerung, gegebenen Falls unter dem ịịhandle des und des Gewinns abgibt. — So wird der Handel zum Tausch, das Handeln zum dụụsche, tụụsche (s̆s̆): tauschen = täuschen gemäß alter Sprache, welche noch im Grindelwaldnischen 1 sich durchsetzt und im Geschlechtsnamen «Teuscher», svw. Handelsmann, Händler versteinert vorliegt. Dem Roßtäuscher 2 alter Zeit aber war es vorbehalten, mit seinen bekannten Tücken den Teuscher durch den Täuscher und das 528 dụụsche: tauschen mit dem täuschen zu infizieren und selbst den «Eintäuscher und Gegentäuscher» (1710), den «Thäuscher» (1728), ja auch die hohe «Frau Täuscherin» (1708) eines Kaufvertrags im heutigen Sprachgefühl leise zu diskreditieren. — Das heute einseitig gefaßte chạuffe, welches als altes chouff(j)an zugleich verchạuffe bedeutete und aus sich sowohl den ahd. koufo (kouf-man = Kaufmann, Chạufmḁ) als den ahd. kouf ( Chạuf u Lạuf) hervorgehen ließ, ist im Gegenteil ethisch gehoben und gesäubert 3 aus dem lat. caupo (Krämer und Schenkwirt zumal für die germanischen Söldner) und aus couponâri hervorgegangen. 4
Alte und neue Bedeutungswerte stụ̈ụ̈ren also z’sämme zu einem Handel, Tausch und Kauf ụụfrächt u redli, «ohne falschen Tuck», 5 ohne Gefährde («luter ohne alle gefehdt oder geverd vnd arglist»: 1484), sans dol ni fraude (1821), sans fraude ni barat, ohni Lu̦u̦gine, ohni Vöörtel, ohne nach Art des Vöörteler Voortel z’trịịbe oder z’vöörtele, ohni z’bschị̆ße. Dies kann ja wohl verhütet werden mittelst einer (vielleicht in zierlicher Kanzleischrift abgefaßten) «glaubsamen» (1575) «Kauffbeyelschrift» (1719) oder Kaufbeile, 6 wenn nicht ein Niklaus Manuelscher «Policarpus Schabgnaw» 7 sie mit seiner Hundshụt (schlechtem Pärgimänt) i d’s Folio ịịne nụ̈ụ̈tnu̦tzig werden und ihre Bestimmungen la̦a̦t i Vergắß (Vergääs) choo. Da ist schon der Handschlag (einander «in die Hand schlagen»: 1587) zuverlässiger, wenn nicht die Genossen eines Betrügers Grund finden, darob heimlich i d’Hän͜d z’chlopfe (Beifall zu klatschen). Zu den geübtesten Betrügereien gehört das Abschwatzen: «abläschele», ablätschle, ablätsche einer gewünschten Sache und das ụụslạugne von Schulden, die man auf dem Wege des Kredits: des dings gää und dings näh, u̦f Bụff, u̦f e Chnebel (d’s «Chäärbholz») het la̦ ụụfschrịịbe, i d’s Büechli tue. So wird auch manche größere Schuldverschreibung es bapịịrigs Dier (Tier), und der Gläubiger mag seine Forderung i d’s Chemmi schrịịbe n; er het sị Sach vergäbe g’gää. Er büßt nun das z’lang lŏsse (oder nunmehr auch in Tw. loose) auf die gar lụte und, auf gute Lümde 8 sich berufenden, Versicherungen des Schuldners, er werde der Sach schó B’schäid gää und sịner Schulde erledige, er stehe noch nicht 529 blank (ohne Mittel). Es sei noch nicht an dem, daß er in seinem G’schäft, in das er Hab und Gut g’setzt häig, öppḁ hin͜dertsi ch mach, über nụ̈ụ̈t chööm, z’nụ̈ụ̈te gang, verlumpi, konkurs mach. Es komme dann schon wieder die Zeit, wo er fü̦ü̦re hụụsi fü̦ü̦r mach, öppis fü̦ü̦r häig. Er werde sogar den alten Twannern es gleich tun, die mit ihrem rạue («rauhen» statt rohen) Ịịkomme von păr tụụsig Franke 9 die — 1825 gegründete und selbst im Kriegsjahr 1915 einen Umsatz von 15 Millionen aufweisende — Nidauer Amtsersparnis-Kasse hauptsächlich speisten. Wenn nötig, werde er noch Merikaner, wie der Lüscherzer Hans Grimm, der siebenmal drüben gewesen und zwar lahme Füße, aber einen gespickten Beutel heimgebracht habe. Der habe freilich keine Gelegenheit, Gält z’mache, verlämmeret (Erl.: verlälleret). Er habe eben im eigentlichen wie im übertragenen Sinn immer d’Strümpf ’bbun͜de g’haa, daß sie ihm nie über d’Strạufinke oder d’Holzbööde abe g’lämelet, glampet häige, wie wenn sie (in ihren schmutzig angelaufenen Rillen, Rü̦mpf) Wasser zu̦gi (zögen, aufsögen, S. 145). So miechi’s (erklärte der Großsprecher) nur die vom Krieg überraschten Glü̦nggine. — Worte sind eben zu allen Zeiten wohlfäil. 10
1
Gw. 459.
2
Lf. 253. Vgl. den «Täuscher» in Schillers «Pegasus im Joch».
3
Der
caupo hat laut Horaz (Satiren I, 5, 4)
Wii g’chauft uf ’tauft.
4
Seil. 1, 107:
Kluge 334.
5
«Tücke» ist ursprünglich Mehrzahl.
6
Schwz. Id. 4, 1161-6;
Gw. 547.
7
Papst 854.
8
Isolierte Glieder der großen Wortfamilie klu: laut, Laut, läuten; losen = lauschen, luuße (auch visuell:
Gb. 209) als Durativ alt
hlôsen neben
lûs-trên, basl. lußere, uus lustere;
hliuma (Gehör, Ohr) und
liumund Leumund, verleumden:
Kluge 280. 288. 294. 473.
9
Es gab laut
Meiners 1, 198 um 1782 auch in Nidau Bauern mit 20’000 Louisd’or Vermöqen. (Der L. wurde gleich dem
Louis d’argent erstmals 1640 unter Ludwig XIII. geprägt und ist dem Fanzosen noch jetzt, was uns der
Napólion 20 Fr.: vgl.
Seil. 3. 259.)
10
Sonst unterbernisch:
«wŏḷfẹl» mit der Verbalbildung
«wŏ́ḷfe̥le»; es het
«g’wŏ́ḷfe̥let» im Gegensatze zu
tụ̈ụ̈ret = ụụfg’schlage.
Zunächst ein Ort des Handels: ein zur Spende von Schatten u Schäärme überspanntes Zelttuch, dann das Zelt und die in ihm zur Schau gestellte Ware, auch ein Einzelstück derselben heißt der Kram, mhd. auch die krâme. 1 Wer hier kauft, chroommet. Insbesondere chroommet er verwöhnten Kindern öppis (häi m): es Chröömli (was in Tw. zunächst ein Fịịfer- oder Zää hnerstï̦ck beim Zuckerbeck bedeutet), und als Verschwender verchröömerlet er all sein Geld. Der Verkäufer seinerseits kramt seinen (Klein-)Kram aus, wie ein Schwätzer es mit seinen Geheimnissen tut. Der altdeutsche Chräämmer ( krāmarî, als Geschlechtsname schon 1301 in Peter Kremar von Biel, neben dem dortigen Kramar) bot hierzu um so mehr Gelegenheit, da er, wie der caupo ( S. 528), zugleich Schenkwirt war. 2 Die einfachste und bequemste Art der Warenauslage bietet das Brett: der Lade. So bat Erlach 1697 den Berner Rat, er möchte im neuen Kornmagazin auch wieder, wie im alten, vier Krahm-Läden, jeden 15 Fuß lang, herrichten lassen. Das wurde gewährt. 3 An den Platz eines solchen ursprünglichen Laden tritt nun der Ladetisch (das Korpus), und «Lade» selber rückte auf zur Bezeichnung des mittelgroßen Verkaufslokals, 4 wie auch das Ladli zum Lädeli wird. Ziemlich primitiv mag noch der alt Lade Twanns als einzige Kaufsgelegenheit des Orts — bi’m Platz — ausgesehen haben. An seine Stelle trat 1834 der neu Lade bi’m Hööfli, der nun aber die Konkurrenz von sieben andern Läde (von denen Irlet s. S. 160) auszuhalten hat. Selbst das viel größere Ins zählt deren doch nur sechs, wenn wir auch dort die Metzgerläde und die Beckerläden abrechnen.
Sagt das Französische hierfür magasin, so spart das Deutsche das arab. mac’hāzin (wo man Waren veröörteret) als Magazin, d. i. Lagerraum auf, wogegen das persische Wort für Markt: bāzār, als Bazar oder (frz. gesprochen) Basar eine gelegentliche Veranstaltung von Kleinwarenverkauf um übertriebene Preise zu einem gemeinnützigen Zweck 5 bezeichnet. — Das hier seltene Wort wird um so häufiger durch die Tómbola 6 ersetzt. Gesellschaften und Vereinigungen veranstalten sie für den Fortgang ihres Verbandes oder auch, wie zweimal in Twann, 531 für Ausstattung der Kirche (s. u.) und einmal für die Vollendung des Twannbachschluchtweges, hier also jedenfalls mit wirklich gutem Tombolag’wü̦sse.
Das aus l. consummare (consommer, vollenden) und consumere (consumer, verzehren) zusammengeschlossene konsumieren (neben Consommation) erzeugte die Rückbildung Consum. Der hiesige Konsumveräin unterhielt die vier Ablagen zu Twann, Ligerz, Prägelz und Deß.
Aus all diesen fixen Verkaufsräumen tritt der Käufer mit der ịịg’machte ( emballée) Rụstig, die er als der P’hack oder das P’häckli mit sich trägt. Im Gegensatze dazu sucht der Hụsierer, wo das hụsiere nicht mit bättle auf eine Stufe gesetzt und verboten wird, Haus um Haus mit seiner Ware ab. Zwischen ihm und dem Krämer vermittelt der Grämpler, die Grämpleri durch grämple 7 mit Lebensmitteln. Ihren Beruf vertrat zu den Zeiten alter Verkehrsarmut der Säumer. Von seinen Säumerställen (Stall = Ablage) oder vom Kaufhaus ( pro stabulis seu domo fori) zahlte Erlach dem Haus Savoyen in den Jahren 1396 und 1397 je 30 Schilling. 8 Das gr. ságma: der Saumsattel (dessen Ladung der Saum 9 ist), ist ml. « bastum», auf welches man sonst 10 den bastardus ( bâtard), Paster und alles verpasteret Wäse und Zụ̈ụ̈g zurückführte.
Warenbestellungen zwischen einem Geschäftshaus und entfernten Kunden vermittelnd, räiset ein Räisend mit Mustern als Mü̦sterler. Seine Aufträge sind ihm auf Treu und Glauben «anvertraut» ( commissi, wie die als Ku̦missione bezeichneten Verrichtungen innert enger Grenzen); er ist commis voyageur, Gu̦mmị̆, Gu̦mị̆. Die Elastizität seines Auftretens reizte den Wortwitz zur Gleichsetzung mit dem gummi elasticum: dem Gu̦mmi, Gu̦mi ( la gomme), 11 nunmehr Gạutschu, 12 Gátschụụ, im Emmental «Gä̆tschụụm» geheißen.
1
Kluge 262.
2
Hoops 3, 95.
3
Schlaffb. 1. 235-7.
4
Kluge 275;
mhd. WB. 1, 925;
schwz. Id. 3, 1964 ff.
5
Dagegen steckt der sizilianische
bazzariotu als Betrüger (
M-L. 1010) den
Profit selber ein.
6
Die it.
tombola ist das von jeder Volksbelustigung unzertrennliche Lottospiel, bei welchem der wie gewöhnlich Verlierende
g’heit (
tombe), oder noch drastischer, der
Büürzlibaum (
il tombolo, la tombolata)
macht wie von einem Hügel herunter: einem
tombolo, l.
tumulus (zu
tumēre, schwellen:
Walde 795 f.;
M-L. 8982:
Seil. 4, 353.
7
Schwz. Id. 2, 736 ff.
8
Taschb. 1961, 13.
9
Schwz. Id. 7, 944-953.
10
M-L. 979;
WuS. 1, 29.
11
Über gr.
kommi aus ägypt.
kamî. (
Seil. 2, 161.)
12
Frz.
cauotschouc aus südamerikanisch
cahutschu. (
Seil. 4, 334.)
Der Gegenstand des Handels ist die Ware. Entsprechend ihrer mutmaßlichen Verwandtschaft mit Wert 1 bedeutet Waar in jedem Berufskreis das Hauptobjekt seiner Arbeit und Sorge. Des Landwirts Waar ist das Vieh ( Veh, d’Vehwaar, Lebware), des Bäckers Waar die Bachru̦stig usw. In umfassendem Sinn ist dagegen d’s Wäärli der Inbegriff der geringen Habseligkeiten eines Menschen. ( P’hack dị’s Wäärli z’sämme u gang!)
532 Die frz. Entsprechung marchandise, ( Marschandịịse, s̆s̆, ị) führt uns zurück auf l. (die) merx, 2 die mere-em, woran sich eine sachlich und sprachlich reiche Wortfamilie knüpft. Denken wir zunächst an den (im Merc-urii dies, Mercredi gefeierten) Merkur als Gott des Handels und Verkehrs; sodann an die merc-ēs als Sold, um welchen der mercenaire als Söldner dient; weiter an die durch die Begriffe Sold, Minnesold, Geneigtheit, Güte, Gnade und deren im Dank versprochene Erwiderung hindurchgegangenen merc-ēs als la merci, als Më̆rßĭ̦ 3 (am Platze des durch den gereimten Nachsatz möcht gärn no meh verspotteten « obligé», óblichee). 4 Ferner an den mercier (Trödler) als Inhaber eines Kurzwarengeschäftes: einer mercerie, Mérßerĭ̦ (Tw.). Endlich an das im Gegenteil großzügige com-mercium als den Handelsverkehr, den Verkehr ( commerce) überhaupt, der aber im Ku̦määrs (-ä́-) oder Kumäärs wieder zu den Kleinlichkeiten einerseits umständlicher Anstandszeremonien (Wichtigtuerei), anderseits des bunten Kleinkrams ( Plunder im heutigen Sinn, Bagatellen, Băgi̦tä́lle) herabgesunken ist. Vgl. jedoch die Ku̦määrsgaß (Li.) An den Platz des l. mercator 5 aber: des Großkaufmanns (im Gegensatze zum caupo) trat der das « mercatare» ( chräämerle) betreibende it. mercatante, der Marketender, der Marggitä́nter und d’Marggitäntere (Lg.), der Maarggidä́nter. Aus l. mercari, später mercare (Handel treiben) wurde dagegen der it. mercante und der frz. marchand. Der vertreibt seine Ware ( Marschandịịse, s. o.) mittelst des mercatus (marché): des Handels und seines nochmals hauptsächlichsten Standortes: des «Marktes» (s. u.).
Für dieses Wort traten allerdings zunächst zwei andere Ausdrücke mit bemerkenswertem Bedeutungswandel ein: Messe und foire.
Wie die Läsersunntige ( S. 374 ff.) sich als nachmittägliche Belustigungen an die sonntäglichen Herbstablaßpilgerzüge zur Ligerzer Kirche anschlossen, und wie aus der Kirchweih die Chĭ̦lbĭ̦ mit all ihren chilbige Anhängseln und Auswüchsen erstanden ist: so wurde aus der kirchlichen die händlerische Messe. War na̦ der Predig die nicht zur Abendmahls- und Totenfeier zurückbleibende Menge verschickt: missa, it. messa, 6 so schickte sich diese zu den nachmittäglichen Belustigungen an, bei welchen der Zuzug fremder Händler mit ihren Nutz- und Luxuswaren mehr und mehr die Hauptrolle spielte. Die kirchliche «Messe» 533 klingt in Tw. noch fast verschollen nach in: äi’m d’Mäß abeläse (wie: äi’m es Kapitel läse = äi’m abekapitle und wegen der Ruhestörung durch das «Mettenglöcklein» der Frühmesse, der matutina: e Metti mache, aastelle, haa).
Während dagegen die Händler-Messe an wenigen dadurch namhaft gewordenen Stellen (Zurzach, Leipzig, Lyon, in zweiter Linie Basel und Bern 7 ) haftet, ist die frz. foire als Jahrmarkt auch ins Deutsch-Westschweizerische vorgedrungen. So nach Twann, dessen ehemaliger Markt (s. u.) als la foire de Douanne besucht wurde. Diese foire ist die (singularisch benannte) l. feria. 8 Zugrunde liegen ihr die fēriae 9 im Doppelsinn der Feier: Fịịr, das Fịịroobe nd, des fịịre, und der Ferien: Feeriẹ, Feerie̥. Diese sind neu volkstümlich geworden in den Schulferien mit den just arbeitsreichen Hefterferie ( S. 323), Magglingeheuetferie ( S. 495), im Gegensatze zu den städtischen Ferienkolonien, in welche die bedürftigen Schüler z’Feerie gange.
Alle diese Kaufgelegenheiten der Läsersunntige und der Chi̦lbi, der Messe und der foire werden natürlich weidlich ausgenützt zum vertrŏme und verhụ̈tze, vertschaggere, vertschäggere von allerlei verlägner Rustig, Mịggi̦s und «Minggis», Ụụsschạub und Gg’rääbel, rebut, Ramsch, Riffraff, dessen Aufliegen im heimischen G’schäft den Inhaber wurd aaschäme. Darum stellt ein Verdienstarmer damit auf seinem Chaar rli eine Zü̦ü̦glete, ein zü̦ü̦gle von Ort zu Ort an. Da wird es grụ̈ụ̈slig’s G’hehr aag’stellt und d’s Mụụl g’füehrt, daß auch der Gịzig mit der Einbildung, er häig wohl g’schaffet, es guets G’schäft g’macht, aufgeschwatzte Bedürfnisse befriedigt sieht.
Ein Hahnenfeder muß er han,
Ein Hemd mit seiden
10
Nähten,
Damit er mag am Tanz bestahn,
Gefallen seiner Greten.
Zumal der Zuckerbeck ( Confiseur) wird seine Ware leicht los mittelst des tschättere des Glücksrades, dessen Inschwungsetzung ( reedle) wieder und wieder einem Günstling des Schicksals einen Läbchueche oder gar ein Häärz mit grụụsam schönem, äxtra für ihn gedichtetem Väärsli (Sprüchlein) in den Schoß wirft. ( Häärzbüechli nannte Maler Anker die massenweise erhandelten, sonst [Schulmädchen-] 534 Album geheißenen Hefte in Queroktavformat mit auf den Umschlag gedruckten guldige Häärz, deren Papier ihm für die auch in unserm « Ins» und «Twann» teilweise reproduzierten Studien trefflich diente.)
1
Kluge 483.
2
Nach ansprechender Deutung (
Walde 480) zu einer Verbalgruppe mit dem Begriff «anfassen» gehörig, also eine fachliche Parallele zu «Handel».
3
M-L. WB. 5517 am Platze.
4
Ich bin Ihnen «verbunden». (Vgl. Obligation und obligatorisch.) Ebenso ist danken:
äi’m dra dänke.
5
Noch altsp. und pt.
mercador.
6
Hiernach «die Messe», wie aus
post illa (verba = «nach diesen (Worten)»: die Postille; wie Liederanfänge als Liedertitel.
7
Ehemals auch Neuenburg, dessen zeremoniös eröffnete Messe durch
Favre (207) geschildert wird. (Vgl.
Gb. 530 f.)
8
M-L. 3250.
9
Das
r aus
s in l. «
fas-nom», fānum (heiliger Ort), vgl.
pro-fanus (vor und außer dem heiligen Ort befindlich, unheilig). Einläßlich:
Walde 270.
10
sîdîn, wie
sîlberîn = silbern usw.
Der Hauptausdruck für alle solchen Veranstaltungen ist nun freilich (s. o.) l. mercâtus 1 als marché iSv. Wochenmarkt, als ahd. márkât, mérkàt, mérchât mhd. market, mërket, 1670 Märkt, 1641 Märck, Määrit, Meerid (Ins, wo aber auch Meerig, wie um Murten Mä̆rig). Auch Twann sagt etwa Määrig. Ausdrücke wie: äi’m i’ n Määrit falle (1635, d. h. durch Überbietung ihn im Markten stören), «den Märit in dem Prys halten (1670), mit einem deß Märits vbereinkommen oder mit ihm deß Märits deß einen ( äinig) werden» (1670), so daß man mit ihm nicht einmal mehr um e̥ne̥s Fränkli stößig bleibt, setzen sachlich die Verbalableitung markten voraus. 1653 schrieb man märkten, 1765: märten, määrte und (in Tw.) määrtzele (Iterativ wie z. B. swankezen schwanze zu schwanken), d. h. feilschen.
Als Marktorte kamen von jeher Amtssitze in ersten Betracht, damit die Määritlụ̈t zugleich amtliche Angelegenheiten erledigen können. Darum war z. B. im alten Arbäärg jede n Määntig Määrit u G’richt zugleich. Auch sind gewisse Markttage (z. B. zu Biel um 1781 im Juni) Zahlungstermine.
Als uralter Freiherrensitz, der noch lange selbst unter nidauischer Landvogtei großer Selbständigkeit genoß ( S. 214), war auch Twann ein Marktort bis etwa um 1885. Um diese Zeit verunmöglichte die Juragewässerkorrektion mit ihrer Seespiegelsenkung um mehr als 2 m nicht nur die Twanner Landwirtschaft im Äänerland ( S. 504), sondern gleicherweise den Transport von Lebensmitteln nach dem linken Ufer zwecks Versorgung der Rebleute und der Gewerbetreibenden, der letztern einst auch in Biel. Vorher brachten Gerlafinger Bockfüehrer auf ihrem Bock (großen Lastschiff, S. 22) schwere Ladige von Gemüsen auf den Twanner Markt, und Möriger und Epsiger (Epsacher) befuhren ihn mit Chi̦i̦rße.
Der eigentliche Määritblatz war die Bachtelelänti unterhalb der Kirche. Da hatte am Wuchemäärit, der immer auf den Freitag ( Määritfrịtig) fiel, der Kleefaß (Cleophas) von Neuetstadt seinen Fläischstan͜d inne und versorgte die Käufer mit Späck und sonstigem Schwịịnigem, während der Jost aus dem nämlichen Stedtli den Platz un͜der dem Ra̦a̦thụsboge, wo heute die Metzgerei 535 floriert, mit Chääs besetzt hielt. Bis an die Bärelänti aber dehnte z. B. 1685 der Márgreetmäärit (am 15. Juli) oder helig Chrị̈tzmäärit (Kreuz-Erfindung am 3. August oder Kreuz-Erhöhung am 14. September) sich aus. Da wurden denn neben der Chïefferlaube des Johanniterhauses ( S. 202) auch die Gassenlauben des Dorfes äxtra sụụfer g’wi̦scht.
Wem es noch nicht genügte, alle diese Twanner Märkte z’ freggantiere ( fréquenter), der konnte seinen Ohren ein volles Genüge schaffen an den Gassenrufen: Grooblauch (Lauch)! Sélleri̦i̦i̦! Meijeroon! Rääteeech! durch Hu̦ttemanne us em Mistelach. Lüscherzer Fischer durchzogen das Dorf mit Körben voll kleiner Felchen, die sie mit dem Ruf: Pfeerig! Pfeerig! zu Fr. 1.50 bis Fr. 2 für den Vierlig (24 + 2 Stück) ausboten. Ein schreckliches Getrommel schickten fahrende Ausverkaufshändler, die aus ihren Drotschge herauskreischten, als Heroldsruf durch die Dorfgasse.
Recht gern aber verzichtete jüngst sogar das Amtsstädtchen Erlach zugunsten des an einen Eisenbahnknotenpunkt gerückten Ins auf die immer noch im Kalender figurierenden Märkte, welche z. B. 1347 un͜der em Märithụụs bi’m un͜dere Toor gehalten wurden. Bis um 1900 fand dort noch immer ein (Getreide-) Soommemäärit statt, noch früher auch ein Choorn- und ein Säumäärit. Der Kornmarkt zu Murten und (schon z. B. 1829 all Määntig) zu Nidau hat ihn überwuchert.
Einen Wuchemäärit ließ sich Nidau 1454, 1484, 1614 neu bestätigen; und damit er nicht durch den Bielmäärit konkurrenziert werde, verbot Bern 1770 die Beschickung des letztern mit Obst- und Gartenfrüchten aus dem Nidaueramt. Nur die Getreideausfuhr aus letzterm nach Biel, wo die Twanner und Ligerzer ihre Brotfrucht kaufen mußten, stand seit 1681 offen. Da aber die Landwirte des Nidaueramtes solche Sperrung des Bielermarktes häi z’g’spü̦ü̦re ’berchoo, durfte der letztere seit 1793 «mit Bescheidenheit mit Erdspeisen» ( Häärtspịịs) befahren werden. 2 Der Handel mit solchen ääsige Spịịse war bereits 1448 gestattet, aber mit einer Gebühr von 1 H belegt worden. Die Verordnung ward 1804 erneuert. 3
Friedlich teilt heute Nidau, welches ebenfalls 1448 seine Jahrmärkte a der Ụụffḁhrt, am Bartlométag (24. August) und am Chlạusertag (St. Niklaus, 6. Dezember) bestätigt erhalten, 4 den ihm einzig verbliebenen Chlausermäärit mit Biel. Dabei gehört der alten Grafenstadt der Nachmittag, der Zukunftstadt der Abend. Die Hauptauffuhr 536 galt den Mastsäü, deren so weit möglich en jederi Hushaltig äini zum ịịmetzge erstand. An beiden Orten bilden nunmehr Bäremu̦tze und Gri̦ttibänze, Läbchuechehäärz und Züpfe die Hauptobjekte des Kaufes; des struppigen Chlạuser wallender Bart und — als dessen symmetrisches Gegengewicht — die mit Nu̦ß, Güezi und G’vätterlizụ̈ụ̈g gefüllte Hụtte spielen die Hauptrolle. Von der Bieler Burg aber mußte der Chlạuser- (Markt) wegen jugendlicher Pöbelei nach dem Määritblatz hinunter zügle, um aber auch hier namentlich wegen zügellosen Hantierens mit der Ruete in Frage gestellt zu werden. Jedenfalls muß der Heimatschutz den als «Altertum» geschätzten und geschützten Günstling über Freude in Ehren neu unterrichten.
Wie Biel gäng der erst Donnstig im Monḁt Vehmäärit abhält, so ist Arbäärg mit seinen neun Jahrmärkten am Platz der zwei, die es 1501 zählte, und der einstigen Martistagmäß einer der besuchtesten Marktorte zumal mit seinen Roßmäärite, im Hoorner und Meerze.
Es gibt aber auch Märkte um menschliche Arbeitskräfte. Noch hat die Stadt Bern ihren «Meitschimäärit» und Chnächtemäärit, und einen Chnächtemeerid hatte Ins in seinem Land- oder Ra̦a̦thụụs. Dem fehlte es nicht an obligaten Anhängseln wie spi̦i̦le (1649), sụffe, Schleglete (1658), so daß am 7. März 1658 das Chorg’richt beschloß, den Markt vo der Wienḁchtszit weg auf eine andere Zeit zu verlegen. Der in Osternnähe fallende Eißermäärit aber wurde 1856 stark beschränkt und seines Noomeerid, an welchem auch Mäitli zu schlimmen Händeln Anlaß gaben, entkleidet.
1
Hoops 3, 197 f.
2
NB. 1. 825-9; 3, 248; 5, 146 ff.; 6, 12-15.
3
ABN. 1, 117.
4
Ebd. 1, 115.
Vom Twannbach nach der Ligerzer Kirche führt das durch Alter und Bedeutung ehrwürdige, durch Albert Anker in einem seiner schönsten Gemälde verewigte Pilgerwägli, für dessen Anmut uns Worte fehlen würden, wenn auch der knappe Raum sie zuließe. An Alter kommt ihm das Faane̥l 1 nahe (an welchem der Faane̥lacher liegt). Das war 538 zunächst der sehr alte Dammfußweg am rechten Zihlufer zwischen der Ins-Neuenburg-Straße und dem Neuenburgersee. 2 Die hier sich bietende Fischer- und Schifferarbeit lockte früh zur Anlage eines wohlbestellten Heim, z. B. des Haus im Fannel (1592). 1683 entstand das ansehnliche und eigenartig anmutige Fanel-Haus, 3 zugleich als Wirtschaft, welche später durch die Zihlbrügg-Wirtschaft ausgeschaltet wurde.
Öffentlicher Fußsteig, vom Gostel nach dem eigentlichen Dorfe hinaufführend
(nunmehr neu umgebaut mit Zementstufen und Eisengeländer)
Heute abg’fahre, war dieses Gampeler Faanel einst der Endpunkt einer Wegschleife, welche die Moosanwohner am Morgen am zwä́i antreten mußten, um über Gampelen der Rank z’näh oder z’berchoo. 4 Ein verịịrliger Weg, dieser ostwärts gerichtete Mooswääg, der immer wieder in Sackgassen si ch verlü̦ffe het, um den ihm Folgenden für de n Naar z’haa!
Ähnlichen Irrgängen setzt sich aus, wer nach dem reizvollen Tschụ̆́limung oder nach dem Schalterä́in ụụfe oder ụụche (Ins) het (empor strebt) oder sonst einen stotzige, stu̦tzige Räin, Stötzliräin, Stu̦tz, Chru̦mmestu̦tz, ein Stützli ersteigt, um für kurze Mühe mit herrlichen Überblicken belohnt zu werden. Auf dem Schaltenrain kann er u̦f de sĭ̦be Wääge, anderwärts aus einem Vierweg, Dreiweg (l. trivium, 5 woher die verschiedenen Tribei bei Worben, Solothurn, Wiflisburg) si ch veri̦i̦r re. Selbst auf dem einfachen Chrü̦tzwääg ohne Han͜d (Wegweiser) kann man ratlos blịibe stecke: i d’s G’läis ịịne choo, statt auf richtiger Wagenspur zurecht zu kommen: i d’s G’läis z’choo. — Fernere Hindernisse sind zumal z’Nacht die quer über den Weg gezogenen Wasserabläufe: Abschleeg. Solch ein Abschlaag war allerdings unnötig z. B. bei den durchlässigen Knüppeldämmen, wie sie anläßlich der Wasserversorgung im obere Tschugg ausgegraben wurden. Winterliche Hindernisse bieten hohe Schneemassen, durch welche nicht eine von zwei bis vier Pferden gezogene Schneedräibe den erwünschten Träib schafft.
Wegweiser ( Hän͜d) oder an Felsblöcken, Waldbäumen usw. angebrachte rooti und schwarzi Wegzeichen ersparen dem sonntäglichen Lustwanderer das wärwäise («wer weiß?» fragen), äb’s jetz rächts oder links wị̆ter gang, auf dem unsagbar reizvollen, zweistündigen Hëëchiwääg Biel-Twann. Die Verkehrs- und Verschönerungsveräine Biel und Twann (welch letzterem allerdings vor allem die 539 Twannbachschlucht obliegt), sowie die Burgerg’mäine Twann und Tüscherz haben seine Erstellung im August 1915 begonnen. Er führt vom Beaumont und vom Pavillon über Biel, sowie von der Hŏhflŭ̦́eh als Haltstelle des Leubringer- und Magglingerbähnli (s. u.) nach dem Hŏhlestä́i ( S. 148), der Schloßflueh, dem Chapf und nach Twann hinunter. — Von ihm zweigt zwischen Vinge̥lz und Tüsche̥rz der Bielwääg ab, diese vormals einzige Verbindung Biels mit den linksseeischen Ortschaften: na de Dëërfer (Twann und Ligerz). Von den hoch gelegenen alten Dorfteilen Tü̦scherz und Alfermee war er bei Glatteis nur für g’üebti Bärgmanne gefahrlos gangbar. Die damit im Winter trụụrig isolierten Orte baten 1811 um ein Scha̦a̦lrächt, doch vergäbe ns. 6 — Bessere Verbindung bot schon um 1533 der Roßwääg mit dem Bärg ( la Montagne): dem Dessebärg. Auch an den Twanner Hornstock 7 führte damals ein Fußweg, und ein dritter von Ligerz nach Prägelz.
Dieser noch immer gut unterhaltene Kurzweg ist der Charrwääg von 1609, die ml. carretta und carreria: la charette (1697) und la Charrière (1825), d’Schäriere oder d’Schä́räie, nach Bieler Muster wohl auch der Tschäärĭ̦s. Von Schä rne̥lz weg ebenso steil wie anmutig, konnte er wohl die S. 464 erwähnte «Haltstelle» bieten.
Am Seevorsprung des Vi̦nge̥lzbärg: am runsenreichen Ru̦u̦sel steigt der Franzosewääg steil an. In seiner Nähe fand 1798 das Gefecht am Ru̦u̦sel 8 statt ( Ins 512). Seine Benennung schreibt sich jedoch 9 von französischen I̦nschi̦nööre her, welche 1836 bei der Einmündung des Holzlaß in die damals vom Staat erstellte Stra̦a̦ß die Felssprengung mit Bulver bekannt und geläufig machten.
Persönliche Erinnerungen stecken im Jean- ( Schang-) Wääg (Tü.), im Wị́ßäier- (Tü.), Fankhụser- (Tü.), Traffe̥le̥ts-Wäägli, im Siechenhaus am Chäiserwääg (Kappelen 1533). — Beim Beijiwäägli nahe dem Tschampetschäng ( S. 178) suchten um 1860 die Twanner und Ligerzer Unternehmer Engel, Deutsch und Burkhard durch Einschnitte in die Fluh ideale Bienenwohnungen einzurichten.
Von lokalgeschichtlicher Bedeutung sind der Festiwääg oder (1811) d’s Festiwäägli (Li.) und der Tụ̆megásse-Wääg (Tw.); der Engelberger Brụnnwääg (1555) und der Wingreiser Hị̈ị̈sliwääg; der Stëtzliräin- und der Franzeríedwääg, welche nach dem Twannberg hinanführen; der Chru̦mm-, der Blättli-, der Chropfwääg im Täätsch-Wald (1704). Der Lochwääg als ältester Verbindungsweg Twann-Mühlenen-Tessenberg. Ein Lachchewääg führt 540 über den Schaltenrain, ein mit schöner Aussicht lohnender über Wingreis hin. Zwischen Geicht und Twannberg zieht sich der Alber- oder Alpwääg, über das Rondbois hin d’s Rü̦̆mbụụ-Wäägli. Wie ein Fäl dwääg verliert sich der Graas- oder (1816) grüen Wääg manchenorts, und bloß mittelst eines Haspel ( tourniquet) gewährt ein Haspelwääg Einzeldurchtritt. An ihn erinnert zu Tw. der Gätterliwääg. Wer meh söttig Nääme verlangt, dem schreiben wir ein dickes Buch darüber.
1
Zu l.
vehi (fahren) stellt sich die
«veh-ēna», vēna als Bahn (speziell auch Blutbahn und insbesondere die augenfällig hervortretende Vene,
Walde 815). Das Gäß-chen hieß die
ven-ella, la venelle oder (wie
«le» chemin) le venél, vanél, umgedeutscht:
das Fáne̥l (aa), nachbarlich neuenburgisch 1703 das Fanell, heute gesprochen:
le Fánel. Vgl. das Vanel im «Saanenland».
2
Im Bereich von
La Tène (vgl.
Aw.;
Jahn 380).
3
SJB. A 417.
4
Solche
Chrü̦mmine, Chrü̦mp, Chehre machte 1779
im Moos oder «Ried» (auch «der Moor» geheißen) der zweitmals die Schweiz besuchende Goethe; vgl. seinen Brief an Frau von Stein am 9. Oktober von Lauterbrunnen aus. (Ausg. v. Wilhelm Fielitz, Fkf. a. M. 1883, I2 189 f.; vgl. Dr. A. Bähler in
SdB.)
5
Vgl. «trivial», sowie
Triège bei
Jaccard 575. Ebd. 60 f. 123. 371.
Carouge aus
Carrogium (1268),
Quadruvium (Vierweg).
6
ABN. 2, 39 ff.
7
PuTw.
8
Pfarrer Gerster im
Taschb.
9
Nach Albert Krebs.
«Dieser Weg ist kein Weg. Wer es dennoch tut, zahlt zehn Franken Buße.» Die berühmte Verbottafel hätte vormals an mancher Lost ( S. 177) stehen können, welche, seither in Kultur genommen, ein des Durchfahrtsrechtes entkleideter Holzlaß war. Aus dem 16. bis 18. Jahrhundert begegnen uns alle die Bä̆ritsch-, Färich-, Ribel-, Fụntele-, Büntelen- oder Pï̦nteli-, Pi̦nte- (Tü.), Wolfe-, Risel-, Rüselets- (Tw. 1533) oder Rosselet-, Rösse̥le̥ts-(?) Schläipf, Schläiff, Schläif, Schleif, der chlịịn Achcherschläipf usw. Noch heißt der Schli̦ttschläipf ein steiler Winterholzweg.
Zwischen Tschugg und Entsche̥rz diente einst die fast haushoch eingeschnittene, dann plötzlich schroff ins Gelände vordringende Grueße 1 als Verbindungsweg. Die Hŏhle, die Hŏhlegaß (Gäserz, Kerzers), die Linde-, Mü̦̆hli-, Cheßler-, Chorbere-Gaß. Zu Br. d’s Her regäßli und die Hụ̈̆nigegasse. Die Nidaugaß zu Biel, die Bielergaß (1533) zu Kappelen. Die Dorfgaß Twann-Wingreis, d’Hin͜dergaß Ligerz, die Wassergaß von Erlach zur Mühle Mullen. Die Erlacher Böcklisgaß. Das Gäßli als älteste Dorfpartie Twanns setzt sich parallel dem See fort als d’s Schoregäßli, indes die 1728 von Stein erbauten Landerelaube 2 der Twanner Dorfgasse 3 der Biel-Neuenburg-Straße weichen mußten. Etwelche Entschädigung für diese ästhetische Einbuße bot die Verwendung von g’schlagne Stäine 541 für die B’setzi der neuen Dorfstraße. Bei der Wasserversorgungsanlage kamen die spitze (ung’schlagne) Steine der alten Gasse zum Vorschein. Für steile Gassen sind diese besser; so beschaffte man sie für Geicht (mit seiner Brüelgaß u. a.) aus Thörishaus. Die Beschaffenheit des Pflasters fällt aber außer Betracht für den auf der Gasse sich herumtreibenden oder uf d’Gaß ’trĭ̦bne Gassevagant, den Gasseschlingel, das Gasseg’schöpfli.
Über schmale Gewässer führen z. B. der hööch Stääg (über den Mooskanal zu Siselen, 1783); der Chatzestääg oder das Chatzestägli über die Schüß an der Hofmatt zu Nidau (1783). 4 Das Räbgartebrü̦ggli ist eines der vormals (z. B. 1758 und 1769) mit Unterstützung der Berner Zollkammer erstellten Brü̦ggli. 5 Weitere Hilfe versagte der Staat z. B. 1786 an die durch ein Bockeg’stell gestützte neị̈i Brï̦gg über den Twannbach, 6 welche dann 1830 unter einem Holzfuhrwerk zusammenbrach. Zwei Geichter: die Brüder Lehnen, kamen dabei um, ebenso zwei von ihnen an Stricken mitgeführte Stiere, während zwei frei nachfolgende sị darvo choo. Der Neubau an alter Stelle wurde erst anläßlich des Straßenbaues Biel-Neuenstadt durch die heutige Stra̦ßebrügg ersetzt.
Größeres Interesse nahmen die frühern Berner Herren an Straßen und Brücken, welche über das Seelandtor der Neubrügg nach Neuenburg in ihrers Waadtland führten, wenn nicht über die Frieswilhööchi, über Arbärg, Büel, Sant Niklaus, Nidau nach Biel.
Das war ein ru̦mple u pŏle der Staatskarossen über die Arbärgerbrü̦gg, welche so kühn und stolz «über die mächtig einherziehende grüne Aare auf mächtigen Holzpfeilern ihre braunen Holzjoche spannte!» Noch heute, wo der Hagneck- und Niederriedkanal ( Ins 139, 223, 227) bloß noch einen verschwindend kleinen Teil der Wasserfülle des prächtigen Stromes den alten Weg am hochgebauten Stedtli vorbeirauschen lassen, präsentiert sich dem vo un͜der ụụfe schauenden Blick die Brücke als ein Kleinod altschweizerischer Zimmermannskunst. «Die ganze Arbeit trägt gotischen Charakter sowohl in den Profilierungen und den Ziermotiven, als in der Konstruktion der Dreiecksverbindungen.» Zudem ist sie nach dem Urteil eines Architekten «ungeheuer solid gebaut». So dürfen große Last und hochbeladene Erntewagen ung’schiniert und ohni si ch z’förchte darüber fahren. An den große Märittage n aber entfaltet der «hölzerne Tunnel» ein höchst originelles und malerisches Bild, wenn da Verkäufer von Gäisle, Hälslig (Hälsig), Chü̦bel, Si̦i̦b und allerlei Kleinkram sich an die Wand drücken, indes in der 542 Mitte die Menge sich staut und drängt, um den über die Brücke flutenden Zügen von Rösser und Chüe u̦s Wääg z’goo. 7 Die 1568 erstellte Brücke ersetzte den «Holzụụfsatz» von 1516.
Wenn möglich noch wichtiger war seinerzeit die Gü̦mmine-Brü̦gg als Vermittlerin des Verkehrs mit Murten. Sie ersetzte 1454, sechs Jahre nach der bernischen Eroberung dieses einstigen Reichsstädtchens, das Gü̦mmene-Fahr, welchem an Verkehrswert noch das zu Dettlige gleich kam; 8 ebenso an ihrem Teil die läderigi Brü̦gg zu Oltige, 9 eine für augenblicklichen Gebrauch schlauchartig aus Leder erstellte, mit Luft erfüllte und verankerte Fußbrücke. 10 Die Güminenbrücke ward 1468 nach verzehrendem Brande neu erbaut. 1529 machte ihre Erneuerung die Oltigebrügg über die Saane und Aare entbehrlich. 11 1556 wieder gründlich repariert, ward sie 1915 durch einen Neubau ersetzt, 12 wobei natürlich der Befestigungscharakter alter Brücken, wie auch der zu Arbärg, Laupe, an der Zihl wegfiel. Wenn nur nie der bleibend architektonische Wert, der auch in solchen Bauwerken sich herrlich entfalten kann, durch irgend ein Modell u̦s der Schŭ̦bladen ụse ersetzt würde!
Ins Bistum (Basel) führte die 1491 durch einen Sturm fortgerissene, aber binnen kurzem hergestellte Brü̦gg z’Bụ̈ụ̈re über die hier besonders «ränkevolle» Aare. 13 E’teckti Brügg besaß auch Nidau in seiner Stadtbrü̦gg über die Zihl. Heute führt über den Aare-Zihl- Karnaal die moderne un’teckti Brügg samt ihrer Verbreiterung für die Biel-Täuffelen-Ins-Bahn (s. u.). Ferner führte 1783 zu Nidau über die (Madretsch-) Schụ̈ụ̈ß die Läntibrügg und über die Bözinger-Schụ̈ụ̈ß die Sandbrügg, welche das Stadtgericht Nidau von Mett trennte. 14 Die Fallbrügg aber, sowie die Chefibrügg sperrten das Schloß ab. Eine schwache Stunde kanalabwärts breitet sich das heute sehr ansehnliche Gemeindedorf Brügg mit Eisenbahnstation.
Zihlbrü̦gg hinwieder heißt der neuenburgische Grenzweiler dank der alten (vgl. Ins 24) und neuen Brücke über den Zihlkanal zwischen Neuenburger- und Bielersee als Verbindungsstück der einstigen Poststraße Bern-Neuenburg. Eine Halbstunde kanalabwärts verbindet die immer noch ’teckti, sehr solide und stattliche Sant-Jhanns-Brügg bei dem sie benennenden alten Kloster ( S. 12, Ins 571 ff.) und nunmehrigen Zwangsarbeitshaus die Straßenverzweigung bei der Chlostermühli 543 ( Ins 322) nach Erlach und nach Gals mit dem neuenburgischen Grenzstädtchen Landeron. Das Kloster baute die Brücke, und zwar mit Hilfe eines von Papst Julius II. bewilligten Sündenablasses 15 für die am Bau Mithelfenden, im Jahre 1512. Das Bauwerk mußte aber, weil verfụụlet, 1710 gänzlich erneuert werden. 16
Dem Besitzer der Kanalmühli ( Ins 322) lag der Unterhalt der Schooßbrügg zwischen Siselen und Finsterhennen ob. Deren Erneuerung und Verbreiterung fiel darum 1813 der Berner Insel zur Last, ward ihr aber vom Staat abg’noo. 17
1
Aus l.
corrōsa (via): (durch Wasserkraft) «ausgenagte» Bahn. Zu l.
rādĕre, rāsi, rāsum (scharren, schaben, kratzen, in urverwandten Sprachen auch ritzen, graben, hacken, nagen, wie z. B.
der Ratt oder
Ratz, die Ratte als «Nager» tut).
Walde 639 f.; vgl. rasieren und
raseliere (s. o.
S. 29 ff.) Ein vollständiges
z’sämmechratze ist
cor-rādĕre, wie eben das Wasser in der
Grueße es vollbracht hat. Das echt deutsche
ue-, alt
-uo- ist verdunkeltes
ā, wie z. B.
tue
n,
tuon (tun) aus ursprünglichem
tān (vgl. ge-tan und Ta-t) es nahe legt. Mit dem ß am Platze des s in
corrasa vgl. unsern durchgängigen Wechsel zwischen s und ß (Truese = Trueße usw.) Der Wechsel ziwischen ā und uo, ue vollzog sich über ō, wie
rōdĕre — rădere (
Walde 639. 657) zeigt. Zu dieser ō-Form (
rōdere, rōsi, rōsum, vgl. Erosion als Ausnagung durch Wasser, als e-rōdĕre) stellen sich z. B. die Twanner
Chroos und das
Chröösli augenfällig.
2
SJB. C 180:
RM. 3. Juli (370). Die oder das
lander: der Stangenzaun, das Stangensgeländer.
3
Vgl.
aBl. 30.
4
aBl. Taf. 17
5
NB. 3, 266. 452.
6
Schlafb. Tw. 213 f.
7
«Basl. Nachr.»; -er im «Seel. Tagbl.»; Mühlemann 7: Bild.
8
Grunau 11, 82 f.
9
Vgl. die also nicht bloß sagenhafte zu
Grasburg:
Gb. 659.
10
Grunau 11, 106.
11
Ebd. 109.
12
Ebd. 110. 111.
13
Diese galt hier zu Zeiten fast als «Hort» unerkannter Leichen.
14
RBS. 61.
15
Original-Ablaßbrief vom 13. Januar 1512:
SJB. A; vgl.
Schlaffb. 1, 67.
16
SJB. C 177.
17
ABN. 2, 432.
Über fest g’stampfete Lätt breiteten römische Wegmeister ein nụ̈ụ̈n Schueh bräits Stäibett von stötzlig g’stellte Chĭ̦slig. Die Zwischenräume füllten sie aus mit Steinsplittern, die wir als Schi̦i̦fere, G’schi̦i̦fer, Schĭ̦fergrien (1769), auch als Räins bezeichnen. Über diese musterhafte Unterlage kam erst ung’hu̦u̦rdets oder ung’sĭ̦bt’s Grien u San͜d, z’oberist aber, als leicht konvexe Schicht, ganz Räins. Das gab den «bestreuten Weg» der Römer, ihre via strāta, 1 in der Folge nur die strāta: it. strada, frz. étrée, holl. straat, engl. street, ahd. strâßßa, Straaße, Strooß. Neu ist die Staubbekämpfung mit Asphalt, Gummi, oder der aus Attisholz bezogenen Straßenspritzmasse.
Die beidseitigen Wasserrinnen ( Schale) aber, deren Ablauf der moderne Straßenbau stellenweise durch coulisses: Gụ̆́lisse, Gŏ́lisse (Tw.) un͜der der Strooß dụụr abführt, wurden zugleich als eine Art trottoir: Trö́ttwaar (Tw.), Trŏ́dwaar (Gottst.) für Fußgänger ausgebaut.
Die Straßer (wie auch in Tüscherz ein altes Geschlecht heißt) legten in solchem Sinne ein ganzes System von Militär- und Handelsstraßen an, auf welchem die Truppen mit «napoleonischer» Überraschungstaktik von Grenze zu Grenze marschierten. Da ihre Römerstrooße 2 sich meist einen Meter hoch, also dammartig als Tärrowääg ( terreau) über die Ebene erhoben, benannte man sie als Hochstraße, Hochstriß (Kappelen), Hägstraß (Dotzigen). 3 D’s alt Hochsträß hieß um 1783 ein Wald zu Hermrigen. 4 Ähnliche Benennungen sind: das Maur, 544 «das Hochgemäuer» (Ga.: vgl. Ins 83: der Därten) und die Molls ( mōlēs als der Damm). Einzelne Teile wurden früher als Grääfistrooß oder aber als Chemin de la Reine auf die Königin Berta zurückgeführt; sie werden aber wohl nach einer Nidauer Gräfin benannt sein. Auf jegliche Datierung verzichtend, benannte man andere kurzweg als Häidewääg; 5 so zu Gampelen, Bargen, Seedorf, Port, Kerzers; vgl. insbesondere Ins 24.
Eine vie d’Etraux (oder vie de l’Etrat, Etrat) führte als Weg für Maulesel ( chemin des mulets), denen man ein Glöggli umhing, von Neuenburg her über den Schụ̈ffụụr (Chalchofe, südwestlich vom Chasseral) und über die Unterseite des Dorfes Nods fast graade Wägs nach Deß und von hier in die Talenge des Joore̥t (Jorat), um stotzig durchs Ilfingertal nach der überbrückten Schụ̈ụ̈ßschlucht bei Friedliswart hinunterzusteigen. Hier mündete sie in die ebenfalls bereits römische Straße Biel-Pierre-Pertuis-Augst ( Augusta Rauracorum). 6 Über dem heutigen Dorfe Deß wartete des Wanderers ein hospitium samt Stallung für den Maulesel. Es war das hospicium de Libre Lance oder Franche Lance. 7 Von seinem Reittier glitt der Eigner herunter, wenn er in der Mitte des Dorfes angelangt war. Da ist nämlich, we nn mḁ vo Prägelz här chunnt, rächter Han͜d ein noch heute wohlerhaltenes Menschenbild, in Stein gemeißelt, an einer Mauerecke zu sehen. Es ist 8 der heilige Christóphorus ( Christóffel): der «Träger des Christus»-Kindes durch tiefe Wasser auf dem Fluchtweg seiner Eltern nach Ägypten. 9 Auf dem obersten der drei schmalen Tritte kniete unser Mann, um von dem Heiligen sich Schutz für seine gefahrvolle Weiterreise zu erflehen. Denn die führte zwar nicht durch tiefe Wasser, wohl aber an Lamlingen vorbei durch das allerdings reizvoll romantische, jedoch vor der Straßenanlage nach Ilfingen (s. u.) unheimlich einsame Joore̥t-Tälchen, wo lange Bergwaldzüge von links und rechts ganz nahe zusammenrücken.
Die Biel-Augst-Straße war ein Zweig des großen römischen Heerweges, der aus Italien durch die Westschweiz an den Rhein führte: von der Reiterkolonie Nyon nach Wiflisburg, Murte, Cheerzers, Fräsche̥lz, über die vormalige Saanebrügg nach der Lạupemühli, am Ung’hụ̈ụ̈rhụ̈bel im Forst vorbei nach der Umgebung des spätern Bern. Eine doppelte Abzweigung zwischen Merzligen und den Werdhöfe n umfieng den Jäißbärg (Jensberg), dessen Ostpartie als Studebärg an ihrem Fuße die Militärstation der 21. Legion zu Petinesca trug. Von hier strebte sie (ähnlich wie heute zwei Regionalbahnen) in zwei Strängen: durch den Safnerewald am Südhang des Bü̦ttebärg nach Längnau, und durch Dotzige, Rụ̈tti, Arch, Leuzige, gegen Solothurn. Von dieser «großen Pulsader» zweigte sich ein vielmaschiges Netz ab. Lị́nieri (Tw.) oder Lịníeri (Ins) durchschneidend, belebte ein Wegsystem auch westlich des Tessenberg den Jura. Den Tschụ̆́limụng umsäumte eine Neuenburger-Straße, deren Spuren im Gamplemoos, bei Zihlbrügg, sowie auf dem Feld zwischen Tschugg und Vinelz sich vorfanden. Bei Zi̦hlwị́l zu Orpund 545 vorbei führte ein ähnlicher Umgehungs- und Fourageweg, wie z. B. von Bulle über Plaffeyen, Rüschegg, Uetendorf und Thun. 10 Je ein Tụụsig militärischer Schritt (« millia passuum») ward durch säulenähnliche «Meilen»-Steine nnch Art unserer Stun͜dstäine marggiert und g’nu̦mmeriert. 11
Im Doppelsinn «ausgefahrne Wege» gehend, überließ das Mittelalter die Anlage neuer, dem wachsenden Verkehr genügender Straßen kräftig aufstrebenden Gemeinwesen wie dem stadtbernischen. Bern verband die Alpen mit dem Jura über d’Aar übere durch die fünf Straßenzüge von der Stadt aus über Arbäärg und Biel, und über Bụ̈re (s. o.), vom Emmengebiet aus über Solothurn und über Wangen, von Langenthal aus über Aarwangen.
Die Regenerationsperiode 1815-1831 brachte mehrere neue Straßenzüge. So Aarberg-Neuenburg wenigstens als (bereits 1766 begonnenes, aber erst 1828 vollendetes) Teilstück Barge-Walpertswil bis Sisele, nach welchem Orte die seit 1834 an die Murtestrooß gewiesenen Fuhrwerke vorher häi müeße go chehre. Schon 1743 war Arbäärg-Nidau gebaut worden; der Anschluß über Biel nach Solothurn folgte erst zwischen 1850 und 1857, indes «die große gmeine landstraß, als man gan Böxingen (Bëzinge) gatt», 12 schon 1540 (in welchem Jahr auch die Falbringestra̦ß erstellt wurde) den bloßen Fußweg ersetzte. Die Jahre 1856 bis 1860 brachten das neue Bern-Neuenburg-Stück Cherzers-Müntschemier-Eiß (Ins), das Jahr 1846 die neue — den Sankt Jodel umgehende — Ins-Erlach-Straße. Die alte war 1701 verbessert und bis an den See geführt worden, damit man hier die bisher über die Gampelestroß gefahrenen Eißer-Mühlistäine ( Ins 42) verschiffen könne. 13 Das Teilstück Erlach-Mulle n hatte 1820 der Neuenburger Pourtalès erneuert.
Von der rechtsseitigen Bielerseestraße, welche seit 1917 durch die Biel-Täuffelen-Ins-Bahn entlastet wird, wurde das Teilstück Hagni-Lüscherz um 1870 erstellt. Das von den nagenden Wellen des Sees schwer bedrohte Stück Lüscherz-Erlach ist neu und muß vielleicht später zeitweilig durch den 1727 gebauten Weg über die oberi Budlei ( Ins 99 f.) ersetzt werden.
Die linksseitige Seestrooß, durch welche erst das 1815 mit an Bern gefallene Neuetstadt dem alten Kanton wirklich angegliedert 546 wurde, ist ein Geschenk der Jahre 1835 bis 1840. Dieses mit Hagneck- Grien bekieste und seit 1915 mit der Dampfwalze bearbeitete Straßenstück Biel-Neuetstadt galt als eines der schönsten unseres Landes. Der See südwärts, Weinberge und Jurawälder nordwärts, dazu an Straßenrandstellen wie zwischen Bru̦nnmǘ̦hli und Bippschól wahre Blumengärtchen, die von des Frühlings Erwachen an bis zu des Winters ersten Boten immer neue Reize entfalten, locken denn auch allsonntäglich ganze Scharen Fußwanderer an, den Werktagsrost sich aus den G’läich zu schaffen und höchstens für die Heimkehr d’Bahn z’näh. Die bloß dem Seespiegel gleiche Steigung bis Neuenburg kürzt auch die Wegeslänge fast um die Hälfte des früher der Berglehne folgenden alten Weges, der aber allerdings die neue Straße an Landschaftsreizen (vgl. den Hööhiwääg S. 539) stellenweise noch übertrifft.
Und von dieser hü̦tzudaag landschaftlich schönsten aller Straßen wịt u bbräit haben die Seebụtze der Drị̆ßgerjohr nịịt welle wisse! Begreiflich — es war die Zeit, wo der vom Durchbruch der Volksherrschaft genährte Freiheitsdrang des Landvolkes (vgl. Ins 535) zunächst für die eigenen Güter und regionalen Interessen gegen vermutete Bedrohung von oben aabe sich wehrte. Und zu solchen Gütern gehörten vorab die bis an den See hinunter reichenden Weingelände, die damals auf einem ihrer Höhenpunkte der Ertragsfähigkeit stunden. Der Widerstand gegen deren Verminderung und Zerschneidung durch eine Straße lehnte sich aber an eine Opposition, die aus entgegengesetzten politischen Gründen vor den Dreißigerjahren der Besitzer des damals prächtigen Ängelbärg, Herr von Graffenried aus Bern, in die Wege leitete. Der erwirkte, nachdem zu Anfang Mäie 1827 «verschiedene Herren von Biel mit einem französischen Ingenieur ( Ịnschi̦nö́r) eine Straße nach Neuenburg geplant», am 7. Juni ein Verbot gegen das Betreten seiner Reben. Und die einheimischen Besitzer der Umgebung schlossen sich ihm an. Es bedurfte langer Aufklärungs- und zugleich Förderungsarbeit, bis die Seestrooß durchgesetzt und gebaut war. Schöne Landentschädigungen gewannen schließlich (1838) auch die Intransigenten, und die Vorteile der neuen Straße leuchteten am Änd allen ein. Das war denn doch öppis an͜ders als die alten Chrï̦mp und Änggine des Bielwääg, sowie der allerdings höchst malerisch aussehenden Lạube ( S. 127) der Twanner Gasse, der Twanner Hin͜derdu̦u̦re-Wäägli vom Chroos- zum Burgwääg und z’Chliinne Dwann hin͜der Begré’s du̦u̦r; der alte Rank zu Bippschól dicht am unterfressenen und allzeit mit Einbrüchen drohenden Ufer; die alte, schmale, mit niedrigen alten Laubenbogen überspannte Ligerzer-Gaß 547 usw. Zudem bleiben ja alle diese alten Wege mit ihren eigenen Reizen für den Fußgänger unverkürzt. Und auch die sie ersetzenden Strooße und Ströößli sind vielfach von äußerster Anmut. Wer möchte z. B. heute das Lamlingen-Ilfingen-Sträßchen missen, an welches der, obwohl (oder weil?) unpadändiert, Tagreisen weit aufgesuchte Ilfinge-Tokter Chü̦pfer zwänz’gtụụsig Fränkli g’stụ̈ụ̈ret het? Wer die zwischen 1847 und 1851 erstellte neui oder Neu-Strooß, d. i. die Dessebärgstrooß? Wer die schon vorher gebaute wältschi Strooß Vingelz-Tüscherz-Tessenberg? Wer die Straße Neuenstadt-Lignières von 1845? Wer den Ersatz der Tschäriere ( S. 539) durch die Ligerz-Schärnelz-Prägelz-Straße (1870-1874)? Wer das durch den Travail militaire vom Januar bis Mai 1915 aufs neue «durchstoßene Felsstück» der petra pertusa, Pierre Pertuis, am Bierebärti? 14 Begründeten doch sie alle das Kompliment von 1788, Bärn häig di beste Strooße vo der Schwịz. 15 Ein Ruf alten Datums, zu welchem Sorg z’haa si ch scho der wäärt wäär.
1
Zu einer großen Wortsippe (
Walde 737), zu welcher u. a. l.
sterno, strāvi, strātum (hinstreuen, hinbreiten, hinstrecken), ahd.
stro
Streui, Strạu, Stroh usw. gehören.
2
Mül. 18 ff.; Geiser, alte und neue Verkehrswege; Vortrag 1906;
Benzerath 105.
3
Jahn KB. 4-6. 12;
Gusset 15 f.
4
RBS. 96.
5
Jahn KB. 80; vgl.
Gw. 672.
6
Besson D. 2; Mont. 145.
7
Besson D. 2.
8
Nach sinnvoller und jedenfalls sinngemäßer Deutung des Herrn Pfarrer
Fayot in Deß, dem wir auch sonst manche liebe Beihilfe zu unserer Arbeit verdanken, und dem als ritterlichem Mann noch ein Kränzchen auf sein allzufrühes Grab gelegt sei.
9
Matth. 2, 13 ff.
10
Vgl. die Karte der Römerstraßen von Gymnasiallehrer Ernst Schneeberger in Bern (
MB. 1913, 11). Über die Peutingerschen Tafeln:
Mül. 18 ff.; Seeländer Tagblatt.
11
Als Terzen, Quarten, Quinten, wie noch Orte am Walenstattersee heißen.
12
SJB. A 163.
13
Schlaffb. l, 233.
14
Molz 27.
15
Meiners 4, 293.
Mit Isepahn rị̆te 1 könnten auch Ligerzer, Twanner und Tü̦sche̥rzer, wenn si der Wịịl hätti, bloß zwischen Neuenburg und Biel der ganz Tag versuumme. Wie erst recht, wenn der am 19. April 1907 aus 16 Millionen Franken veranschlagte Bahnhofumbau Biel vollendet sein wird! Zääche bis änglif (Tw. endlĭ̦f) winterliche Bundesbahnzüge, dazu nach Bedarf ịịg’läiti Güeterzü̦ü̦g sieht und hört man zu normalen Zeiten als rächti Ru̦mpline dem See nach ụụfe rạuchne u rattere, wie gleich viele aabe. Je zwei Züge schnụtze du̦u̦re oder vorbịị als Schnäller; aber auch die Schläipfizï̦ï̦g fahren zwischen den Stationen im Schwi̦ck, im Schnụ̆ß, im Schnụtz vorüber, so daß sie im Anfang des Bahnbetriebes einem Mütterchen den Ausruf entlockten: We nn ma si̦ het g’chëërt pfị̆ffe, so ist si̦ schó doo! Die «Bahn» nämlich. Die pfị̆ffet, wie sie anderwärts schon lang het pfị̆ffet. 2 Bei näherer Orientierung ist es freilich d’Máschine oder d’s Lokom ativ, 2a gemäß heutiger Gelehrsamkeit: die Lokomotiv. Die Bahn gibt aber noch andere Töne zu hören. Einer der vier Twanner Bahnbeamten awisiert die Nachbarstationen 548 und die Bahnwärter durch aagää der Zugsabfahrt. «Der Zuug lịịtet ab» und mahnt mit hell metallischem aaschla̦a̦ auch vor jedem Wächterhịịsli zum abela̦a̦ der Bárieere. (Vgl. die Bắreire S. 104.)
Zur nämlichen Sicherung der Bahnlinge und ihres Betriebes begehen jene zwischen Biel und Neuenstadt zwei Streckewärter. Falls nicht Glatteis oder tiefer Schnee die (1817 durch K. von Drais erfundene) Draisine: Dréssị̆ne macht z’schleudere, dient ihnen dieser Prototyp des Fahrrades: des spaßhaft als Galóppsipeed umgedeuteten Velo 3 zum Ersatz des lạuffe. Als vormaliger Läuffer aber mußte er am Morgen am drei aufbrechen.
Die vorgesehene Doppelnormalspur wird solche Arbeit g’chöörig vermehren, zumal die Bahnstrecke so wi so keine ungefährdete ist. Ein Erdrutsch mit Steinschlag traf 1903 zwischen Alfermee und Tüscherz einen morgenlichen Güterzug und het na z’sämeg’chrụtet. Zwischen Brunnmühle und Bippschól stürzte am 12. November 1912 ein von der Bammerthị̈sliflue sich ablösender Felsblock auf die Schienen und hätte einen daher fahrenden Personenzug zermalmt, wäre dieser nicht durch zwei (von den Bundesbahnen nachmals mit zwänz’g Fränkli belohnte) Töchterli des Weichenwärters Häsler gerettet worden. Denen isch es z’Sinn choo, was gi bsch t was hesch t zur ziemlich fernen Bahnwärterin zu rennen und durch sie den ahnungslos fahrige Zug lo uufz’haa.
549 Den Halbi-Sĭ̦bni-Zug (6 28) erwarten in Twann jeweils etwa zwänz’g Arbeiter der (Reparatur-) Wäärchstatt der Bundesbahnen oder Gramper (Arbeiter, welche irgendwie an den Bahnlinien bähnlere), Taglöhner usw. ( S. 99). Am achti z’Oobe sind sie daheim; sie warten nicht den (gegen eilf, pardon: dreiundzwanzig Uhr) fälligen letz̆t Zug ab, der anderwärts «Lumpesammler», in Twann sarkastisch der Sịịdesammler geheißen wird.
Trübeljoggi,
Wirt zum Rebstock in Twann
(Die Traube als Schild:
S. 452)
Von Biel aus fährt seit dem Bau von 1859 bis 1861 und der Einweihung vom 30. Nŏ́ffämber 1860 die Bahn nach Neuetstadt, um dort an die 1858 erstellte Linie Landeron-Neuenburg mittelst des längere Zeit noch fehlenden interkantonalen Stückes Neuenstadt-Landeron sich lückenlos anzuschließen. Aber auch die Strecke Biel-Neuetstadt kam nicht ohne Kampf zustande. Die nämlichen Twanner, welche (s. S. 546) ihre Weinberge nicht der Straße hatten opfern wollen, wehrten sich nun erst recht gegen die zweite Durchschneidung durch die Ttonnigs, ja die Chäibe Báhn, und es wird erzählt, sie hätten bereits gelegte Schi̦i̦ne i’n See ụụse g’heit. Da nahm sich ein weitschauender Mann, der überhaupt seinen Zeitgenossen d’s Zịt ụụfzoge het (sie belehrte, «welche Stunde es geschlagen habe») auch dieser Sache an. Es war der Trị̈ị̈beljoggi: Jakob Krebs, Wirt zum Twanner Räbstock ( S. 452). Zugleich langjähriger G’mäinschrịịber und Großra̦a̦t, schenkte der in allne Däile streng real Maa seinen Gästen und Hörern im doppelten Sinne klaare Wịị ein. So gelang es ihm und dem Neuenstadter Imer, die Wiibụụre auch mit dem zweiten Verkehrsstrang auszusöhnen. Die 45 Rappen, womit sie für den (Quadrat-) Schueh Rebland e̥tschädnet wurden, wirkten ebenfalls als e guete r Chaarteplaan ( cataplâme, gr. das kataplásma, Ụụfschlag) auf die giechtige n Wunden. Vor dem Verdacht aber, daß die Männer als finanziell Interessierte i’ n äigete Sack machi, daß sie Schmụụ oder 550 Schmụụs («Schmaus») 4 machi, schützte sie schon der auch einem Dr. Schneider ( Ins, S. 132) widerfahrne ’Reinfall mit der verkrachten «O wétsch»-Bahn (der als Ost-West-Bahn gebauten Linie Bern-Biel-Neuenstadt). 5 Die Erbauer der Bahn (Prisar und Grepelle) überraschten denn auch deren Eröffnungsfeier mit ihrer fünftägigen Sperre bis zur Begleichung ihrer Forderungen. Erst als Eigentum des Staates Bern seit 1861, dann als Teilstück des «Jura-Simplon», und seit 1905 der Bundesbahnen gedeiht nun auch diese linksufrige Seebahn so, daß sie am 1. Mai 1904 die Station Tüscherz einschalten und 1912 die Haltstelle Ligerz zu der Station mit dem von den Gebrüdern Louis von Schaffis nätt und propper erstellten Gebäude erheben konnte.
1
Vgl. Baumg. 2.
2
Vgl.
Schwz. Id. 5, 1075;
Gb. 644.
2a
Dissimilation.
3
Als «Schnelltritt» benannte der Engländer Knight das von ihm erfundene Veloziped (ein Hybrid aus l.
vēlōx: schnell, und gr.
pédon, hinter dessen Bedeutung «Boden» die von «Tritt» steht.
Prellw. 355). «Velo» wie «Auto», «Kino» usw.
4
Zum jüdischen Verb
schamà (hören, im Hiphil: hören lassen) gehört
schéma (Kunde, Gerücht), neujüdisch
schmūā und als weibliche Mehrzahl
schmūōß: Geschwätz, besonders zum Aufschwatzen eines faulen Geschäfts, dann der durch solche Mittel ergatterte Gewinn. (Vgl.
Seil. 4, 494.)
5
Vgl. die «
Suisse
accidentale» als die infolge von Verwaltungsfehlern von häufigem Unglück heimgesuchte
Suisse occidentale (Linie Bern-Freiburg-Lausanne).
Die wegen des erwähnten Widerstandes links- statt rechtsufrig projektierte Bahn ist nun 1916 in anderer Gestalt doch choo: Die elektrische Schmalspurbahn Biel-Täuffelen-Ins schließt seit dem 2. Dezember 1916 dä ịịsig Halsring um den See. Mittelst des Rollschemels an die Normalspuren der Kopfstationen leicht anknüpfend, überfährt die «Rechtsufrige» zunächst die an die Straßen- und Fußbrücke über den Aare-Zihl-Kanal gelehnte Bahnbrügg, deren Betonpfähle erstmals mit dem Dampfhammer am Platze der alten Pföhlchatz eingerammt wurden. Verstummt sind damit freilich die schwerfälligen alten, aber mit humoristischen Einlagen ( S. 479) chu̦u̦rzwịịlig g’machte Pfählarbeiten wie bei der Erstellung des schmalen Bahnübergangs über den Graben der Twanner Ra̦a̦thụụslänti. Da knüpfte sich an jeden der wuchtigen Schläge ein G’sätzli des alten Liedes:
Trutz nid so, trutz nid so,
’s kommt die Zeit, bist wieder froh.
Verstummt sind sogar die prosaischen Vorarbeiterrufe beim alltäglich eintönigen pföhle: äis, zwäi, drei oder un o, due usw. bis nüünzääche, welche endlich erklommene Zahl mit einem siegreichen «Hoch auf!» gekrönt wurde. 1
Über Ipsḁ ch, Sutz-Lattrige, Möörge führt die Linie nach dem Industrie- und Bauerndorf Täuffele und biegt unfern des Kraftwerkes 551 Hagneck (Hagni, Ins, S. 223 ff.) vom See südwestwärts ab, um die Höhe des nun lang genug vom Fernverkehr abgeschnittenen Si̦i̦sele ( Ins, S. 31) und seines Vorortes Feisterhénne ( S. 475 ff.; Ins 336 f.) zu gewinnen. Über Brü̦ttele mit seinem einstigen Bad und jetzigen Mädchenheim ( Ins, S. 58 ff. 579) führt der Schienenstrang nach dem Dorf und der Bahnstation Ins. Damit hat eine zwanzigjährige, mit unsäglicher Mühe und Geduld durchgeführte Arbeit weitblickender Seeländer, an deren Spitze Oberst und Nationalrat Eduard Will ( Ins, S. 227) mit gleichem Enderfolg wie für die von ihm verwalteten bernischen Kraftwerke gegen haarzigi Widerstände kämpfte, das bernische nụ̈ụ̈t nooloo gwinnt aufs neue erwiesen.
Die gleiche «A.-G. Seeländische Lokalbahnen» erstrebt seit langem auch die Fortsetzung der Biel-Ins-Schleife über Vinelz nach Erlach, welches alte Grafenstädtchen trotz seiner enormen Opferwilligkeit seiner Zeit durch die Eifersuchts-Intriguen eines Landerer Uhrenfabrikanten um den Vorteil gekommen ist, mittelst einer Bahn Ins-Erlach-Landeron einerseits an Biel-Neuenburg, anderseits an Bern-Neuenburg ( S. 553 f.) Anschluß zu gewinnen. Laut Bundesratsbeschluß soll nun eine von den Bernischen Kraftwerken betriebene Schmalspur Erlach-Landeron-Lignières-Nods-Deß-Prägelz gebaut werden. Erlach wehrt sich für die damit schwer gefährdete neue Dampfschiff-Flotille ( S. 40 ff.) mittelst Erstrebung eines tessenbergischen Anschlusses in Neuenstadt statt in Landeron. Einstweilen fahrt das Auto Ins-Erlach, wie das von Biel über Hermrige nach Arbärg.
Hier oder dort angeschlossen, erhält die Tessenberger Schleife ihre Vollendung zum Ring in der am 8. Juni 1912 eingeweihten Drahtseilbahn Ligerz-Prägelz. Es ist der Fụ̈̆ni ( le funi, funiculaire; «der» l. fūnis ist Seil, Strick, Tau, auch nach Art des Seils, welches laut der Sage die landvögtlichen Fuhrwerke auf besonderm Wege nach dem Schloß Erlach empor zog 2 ). Er überwindet auf seiner 1200 m langen Linie eines schwach geschlungenen S 400 m Steigung. Er entfaltet während seiner selbst im Winter 17maligen Auf- und Abfahrt im Tag während der sächsminị́tige n Fahrdauer eine prächtige Reihe abwechslungsreicher, teilweis entzückender Landschaftsbilder. So namentlich droben auf der geräumigen Terrasse zwischen der Station und dem Gasthof Monsouhait in der Nähe der verschiedenen Ferienheime, die sich in zunehmender Zahl zu Prägelz ansiedeln. Der wohlangelegten Brüstung fehlt bloß noch der Alpenzeiger. Aber selbst die Haltstation Festi ( Château, S. 102) mit der gut angelegten Freitreppe bietet eine reizvolle 552 Fernsicht. Die Anfangsstation sodann vereinigt sich mit den fast gleichzeitig neu erstellten Gebäuden der Wirtschaft Lắriau, dem Zugang zur neuen Länti, der Station und der Crêmerie zu ẹiner ringartigen Gebäudegruppe, die in ihrer stilistischen Einheit von den beiden eigenartig altstädtisch gebauten Dorfteilen von Ligerz sich eindrucksreich abhebt.
Zu P’haralä́ll-Bahnen hat Ligerz-Prägelz bereits seit 1885 die Drahtseilbahnen Biel-Magglinge mit der Zwischenstation Hŏhflŭ́eh, und seit dem 13. Januar 1898 Biel-Leubringen mit der Zwischenstation Beaumont — der einstigen Chalberwäid, an deren Platze bereits ein reizvolles Villenquartier angelegt ist.
In bessern Zeitläuften mag sich vielleicht auch der alte Plan verwirklichen, von der Twanner Kirche aus eine Drahtseilbahn über Chapf, Geicht, Twannbärg, Lammlinge, Prägelz anzulegen und so den letztgenannten Ort zum Berührungspunkte zweier Tessenberger Ringe zu machen. So streben dann innert vier oder fünf Wegstunden fünf Bergbahnen nach dem Kamm oder Plateau der Seekette und machen aus deren Dörfern oder Gehöften das, was dem Stadtberner sein Gurtendorf ist. Zum Gurten aber wird dann — nur hoffentlich ohne Bähnli — der Schásseral werden.
Wird durch all diese Bergbahnen, zu welchen noch sechs Bergstraßen und eine reiche Zahl reizvoller Fußwege ( S. 536 ff.) kommen, die Seebahn alimentiert, so droht ihr wirksame Konkurrenz durch die längst projektierte Straßenbahn Biel-Samm Plääsi. welche in bessern Zeiten die Arbeiter- und die Schülerwelt si ch wirt z Nutze mache.
Vielleicht aber macht — wie auch ein gescheidter, schlichter Geichter Bauer vermutet — bis dahin die Erfindung wohlfeiler Akkumulatoren für Einzelwagen all solche teure Anlagen überflüssig.
Für absehbare Zeit gilt dies nicht für die beiden Tram-Linien Biel-Mett (seit 24. Oktober 1913) und Nidau-Biel-Bözingen (seit 18. August 1877 als Rößlitram, seit 7. Oktober 1902 eläkterisch betrieben). Es war eine Genfer Gesellschaft, die das letztgenannte Trämm baute. Sie machte jedoch so schlechte Geschäfte damit, daß sie nach zwei Jahren den Betrieb einstellen wollte. Es fehlte auch nicht am Spott des Publikums über immer wiederkehrende Entgleisungen, zu deren Behebung aber die Passagiere den Angestellten willig halfen. Die Gemeinde übernahm 1902 den Betrieb und gestaltete ihn elektrisch.
1
«Seel. Tagbl.»
2
Kal. Anker.
Die Bahnlinie Neuenburg-Biel setzt sich seit 1. Juni 1864 fort in der Linie Biel-Brügg-Lyß-Zollikofen-Bern. Die zweite Station 553 nach Biel: Bueßwil, ist Kopfstation der SBB-Linie Büren-Arch-Rüti-Leuzige-Lüßlige-Solothurn als Konkurrentin des 1857 erstellten Bundesbahnstückes Biel-Mett-Pieterlen-Lengnau-Grenchen-Solothurn. Zwischen beide legte sich im September 1911 als dritte Linie die mit Heißluft-Motorwagen betriebene Straßenbahn Biel-Mett-Orpund-Safnere-Meinisbärg: ein Stumpen, der, fortan elektrisch betrieben, im Amtssitz Büren Anschluß finden soll.
Bußwil konkurrierte beim Voranschlag der Biel-Bern-Linie mit Aarberg als Durchgangspunkt. Der Arbärgerchrump wurde vom Großen Rat zuerst aag’noo, dann aber den min͜dere Chöste zu lieb fallen gelassen. Er stand längere Zeit im Vordergrund der öffentlichen Interessen, gab enorm viel zu reden und zu schreiben und brachte die Bevölkerung von Aarberg und Umgebung in höchste Aufregung, blieb auch nicht ohne politische Folgen. 1
Aarberg entging dafür dem Schicksal des abgefahrnen Erlach (mit dem es laut eines Projekts durch die Fortsetzung nach Landeron verbunden werden sollte) durch den Bau der Broyetalbahn Lyß-Arbärg-Challna̦ch-Cheerzers-Murten-Payern ( Báijeere) -Lausanne. Und nun — 1921 — kam die Überlandbahn Bern- Arbärg-Biel in ernste Frage. Biel ist auch der Ausgangspunkt der am 1. Mai 1874 eröffneten Linie Rondchâtel-Reuchenette ( Rü̦tsche̥nett) -Sonceboz ( Sŭ̦́ngßeboo), wo die Linien nach Courtelary ( Gu̦u̦rtlḁrị) St. Immer-La Chaux-de-Fonds und nach Dels̆be̥rg-Basel, sowie Delsbe̥rg-Pruntrut ( Bru̦nnetrŭ́t) abzweigen. — Eine Schmalspurbahn Biel-Worben-Lyß bleibt seit Jahren im Stadium des Studiums stecken, wie die schmalspurige Seelandbahn Lyß-Koppigen-Herzogenbuchsee.
Als neuer seeländischer Eisenbahnknotenpunkt bleibt uns auch Ins zu nennen. Seit 1. Mai 1903 fahrt die Eläktrischi von Ins nach Murte und baute damit (als das Mu̦u̦rtezü̦ü̦gli) die seit 1898 betriebene Linie Murten-Freiburg ebenso aus, wie nunmehr die rückwärtige Verlängerung Ins-Biel. Zugleich aber bildet Ins seit 1. Juli 1901 eine Hauptstation der einstweilen noch mit Dampf betriebenen (daher die drei Tụnä́ll mit Rauch erfüllenden) Normalbahn Bern-Neuenburg. Als di Diräkti vermeidet sie den gewaltigen Umweg über Kerzers-Lyß. Der Ort beteiligte sich an dem den 12. Séptämber 1898 begonnenen Bau mit 120,000 Franken. Diese Leistung entsprach dem sechsstrahligen Stern, dessen vier Radien nach Neuenburg und Bern, nach Freiburg und Biel zielen, dessen fünfter nach Erlach und Dessenberg 554 vorgesehen ist, und dessen sechster wenigstens e Zịt lang uf em Tăbeet 2 isch gsii (gsị̆ isch): Ins-Witzwil-Fäälbaum (La Sauge) -Cudrefin ( Cŭ́de̥rffịị oder Cụ̆́derfịịn) -Lausanne. Jenes Opfer und diese Bedeutung sicherten Ins das Anhalten aller Züge außer dem mitternächtlichen Blitzzuge nach Paris, auch das einzig ihm eingeräumte Halten des von Paris kommenden und in acht Stunden Bern erreichenden Morgenschnellzuges. Selbst Gü̦mmene mit seiner (am 22. Jänner 1904 eröffneten) Abzweigung Laupen-Neuenégg-Flamatt erfreut sich dieses Vorteils so wenig wie Cheerze̥rs.
Schwer errungen und durch eine Konkurrenz, wo mḁ nit glạube wụụrd, schwer bedrängt, kämpft ä́inewääg «Bern-Neuenburg» sich tapfer und immer erfolgreicher durch böse Zeiten. Dazu hilft ihr der gewaltige Aufschwung der Mooskultur ( Ins, S. 167 ff.), in welcher der Strafanstalt Witzwil und dem Arbeiterheim Tannenhof ( Ins, S. 580 ff.) g’wi̦i̦rbigi und ti̦i̦figi Moosbụtze immer zielstrebiger nachfolgen. Das mit Witzwil durch ein Industriegeleise verbundene Gampele, zu welchem kirchlich und verkehrstechnisch das durch neuste Entsumpfungsarbeit erst noch recht erschlossene Gals mit gehört; das mit dem See- und Moosdorf Sugiez (Sugy, Sụ̈́schi, Sụ̈́si) und dadurch mit dem Mĭ̦stelach verbundene Ins; die landwirtschaftlich und industriell mächtig emporgekommenen Moosdörfer Mü̦ntschemier und Cheerze̥rs ersetzen mit dem Lokaltransport der der schwarzen Erde immer erfolgreicher abgerungenen Schätze den in unkaufmännische Konkurrenz abgelenkten Ferntransit.
So begann mit der «Direkten» ein seeländisches Eisenbahnnetz, mit dessen einst vollendetem Ausbau und Fernanschluß sich einstweilen keine Landesgegend von gleicher Bevölkerungsdichtigkeit mißt. Und das ist der Landesteil, dessen Abgeschlossenheit und daherige auch moralische Versumpfung zur Zeit des auswärtigen wirtschaftlichen Auflebens bernische Staatsmänner wie Schenk tief beklagt hatten. 3
1
alt Regierungsrat Scheurer
2
«Der» gr.
tápēs, «das» l.
tāpētĕ oder «
tăpētum», it.
il tapeto ist
das Tabeet, während altdeutsch «der» oder «das»
teppich und frz.
le tapis Ausweichformen sind. Aber etwas
uf d’s Tabeet (basl. Tapeet)
bringe ist «
mettre qqch sur le tapis.»
3
Staatsverwaltungsbericht 1856, 261, 265; 1857, 202 ff.
Aber cha de nn äigetlich o no öpper lạuffe, we nn doch alls fahrt? Das heißt aber im Grund: mit den Füßen fahren, statt 555 p’här G’fehrt. Denn, wie schon der fahrende Schüler zeigte, wie das Faktitiv füehre beweist, und wie «fahre wohl!» (vgl. Wohlfahrt) es nahe legt, ist fahren überhaupt: sich von Ort zu Ort bewegen. 1
Also zunächst ein ga̦a̦: gehen als lạuffe, laufen als springe, springen als gu̦mpe oder satze, e Gu̦mp oder e Satz näh. D’Seeländer nähme ’s ụụf in all diesen Fortbewegungsarten mit jedem Bärgler: vom schwerfälligen Trappigang bis zum Dauerlauf, ohni das s es ’ne u̦f e Bla̦a̦st (u̦f den Aa̦te) chu̦nnt. Wenn’s pressiert: wie rasch ist er räisig und hï̦pft ab! Er schuehnet oder schäichlet, als gälte es, ein Dampfweloo (Motorrad) oder den Dampfwage (vulgo: die Stinkbänne) einzuholen. Er muß freilich hinter ihnen zurückbleiben und kommt sich vielleicht vor wie der auch geistig verstandene Hü̦mpeler, der überall hin͜derdrịị hu̦mpet oder hü̦mpelet. Wie sịị nach seiner Meinung die Alten g’lü̦ffe, g’loffe (Ägerten: g’lạuffe)!
Als ob der Kilometerfresser d’s Määs abgääb auch für das treniere von Lunge und Herz, von Ohr und Auge! Und ist nicht verständig abgemessene Fußwanderung im Grund der beste Sport? 2 Den üben bäuerliche Mäitli und Buebe z. B. im Stälze lạuffe mit gelegentlichem Tragen der einen Stelze auf der Achsel und Hüpfen auf der andern. Im Waten durch tief verschneiten Schulweg mit den Stoogle und Chlötz an den Schuhabsätzen. Im Notweg über verịịscheti Stụ̈tz aahe (Lü.: aache, Erl.: aabe), wobei es den Ungewandten un͜den ụụs oder un͜der ụụs nimmt, wenn er nicht um d’Schueh oder d’Füeß Hu̦dle umlịịret, wenn er nicht einfach nach Knabenart u̦f em Bụụch oder dem Nordpol rü̦tscht, rï̦tscht. Der angehende Mann aber schnallt sich auch und gerade zu winterlichem Notausgang di Schịịer an die Füße und die Hu̦tte auf den Rücken.
Denn noch heute gibt es Fußgänger und Träger. Leute von der Ansicht eines Seume: Es gieng alls besser, we nn mḁ meh gieng, und der verwandten andern: Mi̦ ertrieg mängs besser, we nn mḁ meh trieg.
Dieses trääge, linksseeisch: traage, alt erlachisch und rechtsseeisch: trooge, gilt beim Seebụtz dem Halschoorb ( S. 295) und — wie anderwärts — der Hu̦tte. Ganzi Hu̦tte voll frisch ausgegrabener Kartoffeln trägt diese 72jährige Twannerin heim. Ein eigenes einheimisches Gerät ist die Holzhu̦tte oder das Holzrääf 3 zum Tragen 556 und bequemen ụụslääre einer beträchtlichen Last Schịter. Mit der Brothu̦tte, welche neben dem erforderlichen Feldwerkzeug das z’Im bißseckli birgt, geht der Rebmann an seine Arbeit. Er trägt sie ebenso anscheinend leicht, wie der Soldat seinen Tornister (den einstigen Habersack, le havresac), welchen er humoristich d’s Öörggeli (den Leierkasten) oder d’Schwäißgụụfere nennt. ( Die Gu̦fe̥re, 1802 die Goferen, 1795 die Coffer, ist der Koffer, cophinus.) 4 Alles das wird u̦f em Rügge ’träit: zu Rugck, 5 welche Fügung unser «zurück»: z’ru̦ck, älter z’ru̦gg ergeben hat. Hat man doch z. B. u̦f der Z’ru̦ggräis (Rückreise, Heimweg) den verlassenen Ort im Rügge. Vielleicht, weil man ihn am liebsten mit dem Rü̦ggen aaluegt (oder mit der Fäärsere). Leichter trägt man i der Han͜d d’Pịịnte ( S. 446) für Flüssigkeiten, sowie das Felleisen (1788: Feleisen) als entstellte valise oder den Mantelsack (1788), das nidwaldische Watseckli, das auch seeländisch entstellte Wărtseckli. Für Geschäftsgänge nach Biel nahm man vormals das aus festem Gri̦ßstoff bestehende Watseckli mit. Blaau u wịß war das bạu mwo̥l lig, grüen das wu̦llig. In diesem hat der Schumacher am Sunntig am Morge d’Schueh verträit.
Jenes war der Hausfrau gut genug, um Bohnen us de Räbe z’trage. Das heutige Netz war sonst ein aus alten Fischernetzen ( S. 82) zurechtgeschnittenes Seckli; also ein wirkliches Rị̆diggụ̈ụ̈l ( réticule, reticulum statt rētiŏlum, Netzli, 6 aus l. rēte. 7 ) und erst nachmals ein ( ridiculement) mit dem Pómpadụụr 8 gleichgesetztes, rundliches Handtäschchen.
Das Pómpadụụr erinnert an das Exgụ̈sịchöörbeli (é-), das baslerische Äxgị́sig’cheerbbli, -p’häggli u. dgl., mit welchem man einen Spaziergang als geschäftliche Verrichtung vorzutäuschen sucht. (Man veräxgụ̈siert si ch oder «ent-schuldigt» sich, weil unter Augen der Tag um Tag beschäftigten Landbevölkerung nur der Städter unkritisiert werktägliche Spaziergänge macht.) Richtige Arbeitskörbe sind dagegen: das z’Ässe-Cheerbe̥li zum Mittragen der Mittagsmähler auf ferne Arbeitsplätze (nun durch die Gántine verdrängt, so daß höchstens noch das eine oder andere auf dem Estrich de̥s-u̦mmetroolet). Der rạuh Choorbb (aus rạue Wiidli, die nicht g’schu̦nte werden). Der aus dünnen Holzschienen geflochtene Schi̦i̦ne- oder Schi̦i̦ṇchoorb, Schĭ̦ṇchoorb zu allerlei Gebrauch. Die halb verschollene, nur zweifelhaft einst auch twannerische (als «Zäine» um so besser ostschweizerische) 557 Zäinde: rund, niedrig, biß drei Mäß fassend, aus ganzen oder gespaltenen, rohen ober geschälten Weiden. 9
Als «Geflecht» bezeichnet man auch den mehr tiefen als umfänglichen Chratte: den Handchratte (1795), Stäichratte (1835), Chi̦i̦rßechratte, den spezifisch linksseeischen Sịtechratte mit ebener Wand an der Leibesseite des Trägers, gebogener Wand an der nach außen gekehrten Seite; den Erlacher z’Ịmm bißchratte. Bildlich heißt der Neugierige e Gwun͜derchratte. Geflochten ist ebenso der schmale, tiefe, zylindrische Rụndu̦mmel, Lịịrụm oder Lịịrummel (-ị-) 10 zum Lebensmitteltransport auf das Feld und namentlich zum Magglinger Heuet ( S. 496), daher am Henkelbogen besonders bequem tragbar.
Der sonst auch seeländische Bieter 11 ist linksseeisch bloß noch die unförmlich und unhandlich große Frauenrocktasche, wo mḁ chënnt e Chäigelchru̦gle drị schoppe. Schleppt jemand einen schweren Sack mit, so ruft man: Dää oder díe het e Bieter aag’hänkt!
Ebenfalls veraltet, ja links des Sees völlig aufgegeben ist nun auch das Tragen auf dem Kopf, dessen 558 früher allgemeiner Frauenbrauch dem «Tragen» überhaupt links des Sees eine erweiterte Bedeutung gegeben hat. Was man anderwärts bringt, das träit ( tragit) mḁ hier. 12 Da wird oder werden, bzw. ward oder wurden Gält, Wịị, Trị̈ị̈bel träit ( gitragit); 13 der Bote het der Brief dem Mắrịị ’träit, und dem zum B’schäid tue eingeladenen Mitgast im Wirtshaus wird (wenigitens noch sporadisch in Ligerz) nicht zugerufen: i bringe de̥r’s, sondern: i traage de̥r’s!
Namentlich das Trị̈ị̈bel traage (auch von Mï̦sterli solcher) vom Twanner Landungsplatz über Gerlafingen nach Bern begegnet uns (z. B. 1783 bis 1790) häufig. 1790 gelangten «auf diesem nicht ungewöhnlichen Wege» vier Enten in die Hauptstadt. Ein vielgenannter Trị̈ị̈beltreeger war der Wi̦lhälm-Ruedi.
Trị̈ị̈bel trugen uf em Chopf in g’stecketig vollem Chorb die nämlichen ehemaligen Twannerinnen nach Biel, die vor der Wasserversorgig e große Chessel pflätschet vóll oder platschvóll Wasser uf em Chopf und dazu noch in e̥ren iedere Han͜d einen kleinern Kessel voll vom Brunnen in die e Stäge oder zwo Stäge hööch gelegene Küche schafften. Was Wunder, da sie zu Zeiten, wo n es n ieders Bäi ins Arbeitsfeld ausziehen mußte und d’s Hụụs g’b’schlosse worden ist, es gar nicht «tragisch» nahmen, die chlịịnne Chin͜d, eingewickelt ( enmaillotés) i d’s Máiottli ( le maillot, S. 78), in winziger Waagle auf dem Kopfe mitzutragen, um sie während des strengen Tagewerkes stetsfort vor Augen zu haben! Auch Buebe lernten solche Tragekunst und giengen unter sich Wetten ein, wer ohni z’haa (die Last mit den Händen zu halten) die schweren Wasserkessel gefüllt auf dem Scheitel trage.
Aber alte Änerländeri zumal aus dem Mooßgebiet, wo der Arbeitsplatz oft Stunden weit vom Wohnhaus entfernt liegt, machten die Sache nicht weniger brav. Ja, es gab Inserinnen, welche nach Erlach, und Neuenstadterinnen, ja Erlacherinnen, 14 welche uf e Dessebärg den Männern oder Söhnen ihr Mittagessen noch warm auf dem Kopfe zutrugen, dazu noch ein schwer belastetes Chörbli am Arm mitschleppend. Heute gibt es noch Frauen aus Müntschemier, welche sich auf solche Balancierkunst und Kraftübung verstehen. Der Schädel wurde und wird dabei geschont mittelst des bißweilen zierlich gefertigten Ringli, speziell 559 das z’Oobe- (Abend-, will sagen: das Mittagessen) -Ringli. Dieses besteht aus zuweilen zierlich z’sämmeg’nääite Blätzli, welche mit Dinkel- Spreuer gefüllt sind. Diese verschieben sich beständig leise und lassen, am Platze der erhitzten, kühl gebliebene Partien na̦a̦che rü̦ü̦dele (Erl.: nooche sü̦chchere).
Unstreitig förderte solche Tragekunst während ihrer Jahrhunderte langen Dauer die noch jetzt an bejahrten Frauengestalten zu bewundernde graziöse Körperhaltung und Gangart, gegen welche das entenartige watschle junger Dutzendgrazien wüest absticht. Dieses mit schweren und sperrigen Wäärchzụ̈ụ̈g nach dem Rebberg eilende Großmüeterli könnte eine Rebekka 15 sein oder eine sizilianische Wasserträgerin, die den schweren Krug wi nụ̈ụ̈t sich u̦f di linggi Achsle hebt. Wie ein Hi̦i̦rz hinwieder hüpft die junge Baskierin mit der schweren Last auf dem Kopf davon, unter welcher hinwieder die schwachen Bäinli des dickschädeligen Negers einzubrechen scheinen.
Doch, ohni z’bäärze (ohne daß er päärzt, ächzt), poorzet der den Last (1765, aus «Ladt», «Ladet»), welchen er sich auf den Kopf b’bü̦ü̦rt oder g’lü̦pft («gelüftet», in die Luft gehoben) hat, wie man eine Nadel vom Boden ụụfhe bt. Ohne si ch z’überlü̦pfe, belädt er sich selbst mit einem G’fehrt (Sammelsurium von allerlei Traglast), 560 dessen europäischer Träger jeden Augenblick abstelle und rufen müßte: leue, 16 wie der Twanner Berggänger auf dem Leïstäi ( S. 156) oder uf em Leublatz bi de si̦be Wääge ( S. 538) leuet.
1
Prellw. 356;
Kluge 124;
schwz. Id. 1, 886-905.
2
L.
se disportare, afrz.
se disporter: «sich auseinander tragen», sich zerstreuen, sich erholen; daraus
le disport, engl.
disport, sport nun in heutiger Deutung. (
Seil. 4, 394.)
3
Raäf:
Lf. 327.
4
Ursp. svw. großer Korb:
Seil. 2, 199.
5
SJB. B 456.
6
M-L. 7264.
7
Ebd. 7255; Walde 642.
8
Nach Ludwigs XV. berüchtigter Maitresse (1721-1764).
9
Der got.
tains (Zweig, Rute, vgl.
wina-tains, Rebstock), der ahd. und mhb.
zein (das Stäbchen, vgl. der
îsen- und
stahel-zain) gibt geflochten den Korb: Die got.
tainjō, die ahd.
zein(n)a, die mhd.
zeine, Zeine. Als «Geflecht» erscheint auch «Korb» aus lat. (und kelt.)
corbis:
Walde 191; vgl.
M-L. 2222-6.
10
Über das
liire als im Kreis herumdrehen s.
Ins 618.
11
Schwz. Id. 4, 1881 f.
12
Vgl. it.
portare = apporter, sowie das aus
portato (1. Getragenes, 2.
Trägerlohn) gekürzte Porto.
13
Tragen und fragen beeinflussen einander im Schwanken zwischen starker und schwacher Biegung. Man sagt ja auch
er fragt und
i ha g’fragt (neben «ich frug»),
g’frogt, strichweise oberländisch: g’frägt.
14
So nach der Mitteilung von alt Regierungsrat
Scheurer seine tapfere Mutter.
15
1. Mos. 24.
16
Schwz. Id. 3, 1545: lüwwe.
All dieses Tragen und Bringen 1 vereinigt sich in Sache und Wort 2 mit fahre und fuere und Fuer als Fahrt, Weg, Weggeleit, Wegzehrung, sowie mit Fueder zu einer umfassenden Begriffsgruppe. Gegen Fuerlohn fueret der Fuermḁ; er besorgt Fuerige oder Fuere, z. B. heute eine Wịịfuer. Noch zu Gotthelfs Zeiten gab es die traurigen Armefuehre, mittelst welcher Abgeschobene in ihre Heimatgemeinde g’füehrt, g’spediert, g’frachtet wurden wie Waren; einerlei, ob es in fremdem Dienst abg’wärcheti Invalide waren, oder ein zerfahrner Fahri, eine Fahre, die abenteuernd um enand fahrt, eine Rü̦lze, welche rü̦lzet. 3
Ist der Fuehrmann mit seinem G’fehrt zur Fahrt bereit: ahd. fartig, fertig, so fertiget: fergget er die ihm anvertraute Last. (Vgl. den Feergger, Fergger als Spediteur industrieller Geschäfte.)
Wenn er nur ma g g’fahre! Wie, wenn er (wie ein den «Faden» verlierender Sprecher) nid ab Stett chääm! beim ersten Hindernis aa n wäär und auch heute bli̦i̦b b’stecke, wie er gestern b’stochche isch! Vergebens langt er aus der Tasche die zwirneti Zwi̦ckchnuer (1850), um an die Peitsche e n neue n Zwi̦ck aaz’mache und das Zugtier z’zwi̦cke und z’chlepfe. Es heißt daas Mool nicht: das gäit wi mit der Gäißle g’chlepft (so mühelos). Das ụụfchlepfe des ermatteten, gleichsam zu Boden liegenden Tieres gelingt nicht, auch durch kein «hụ̈ụ̈p i d’Sätz!» Das ist ein gewaltiger Irrtum: ŏ́ha lätz! (Halt, da bist du lätz draa!) Um so mehr, wenn ein Fuhrmann wie «der Hụ̈st», der dazu «große Flüche flucht», mit dem unaufhörlichen sinnlosen hụ̈ụ̈st ŏ́haa! (links! Halt!) in den Kopf des armen Tieres Wirrnisse bringt, wie in einem ordnungslosen Geschäft, wo alles hụ̈st u hott (links und rechts) u̦s enandere ggatteret. Solches hụstere des Hụsteri verunmöglicht auch jedes si̦ttig fahre, wo es abwärts geht. Umsonst suchen gescheidte Tiere selbst ’s ụụfz’haa lten: den Wagen oder Schlitten langsamer gehen zu machen, indem sie mit 561 den Füßen verstelle, grätschen, gri̦tte, bis so ein Stierenpaar vergri̦ttet ist: nur noch mit auswärts gerichteten Beinen geht. Wenig fehlt, und es kommt zum Kippen: ụụslääre, umlääre. Es ü̦berwü̦ü̦rblet den Wagen, und die unter seine Last Geratenen chan n e̥s verchrụtte, z’sämmechrụtte.
Bergauf aber fordert die schwere Last Vorspann oder Miete von Zugtieren: die Niet. So sagte man noch vor einem Menschenalter auch zu Twann, wo — trotz der allzeit kleinen, aber oft auch so zu wenig beschäftigten und darum gerne fï̦r n e Batze z’verdiene ausgeliehenen Pferdezahl — häufig Niet g’räicht oder g’suecht und g’haa wurde. So von Tessenbergern und sogar von Neuenburgern, die noch an die für Fußgänger sehr schöne, aber für Zugtiere sehr beschwerliche alti Strooß über die Gu̦mbe ( La Combe) ob Landeron und Alterịịff ( Haute-Rive) über St. Blaise gewiesen waren. 4 Für eine solche Tagesräis wurde sowohl vom Vorspann Suchenden wie Bietenden g’nietet; letztere haben auch ụụsgnietet oder vorg’spannet.
Das Vorspannen ist ein aa- oder ịịspanne mittelst der Stricke, welche die Sịịlblatte (1770) oder Sịtebletter mit dem Kummet verbinden. Der Chomme̥d oder Chụmet (Geicht) wird nun auch immer häufiger den Zugochsen aag’läit und das joche der Kühe und 562 Ochsen, das Joch mehr und mehr auf die Holzfuhren im eng geschlossenen Wald eingeschränkt, wo angeblich das Hin- und Herfahren der Grin͜de unliebsamen «Anstoß» erregen kann. Im freien Feld ist jedenfalls die Unbeweglichkeit und Unbewehrtheit des Kopfes gegen sommerliches Geschmeiß ( G’schmäüs), z. B. gegen Mu̦gge, welche die tränenden Augenränder der armen Tiere in dichtem Kreis umlagern, ein ebenso arger Skandal, wie das stundenlange Stehenlassen vor der Pinte. Es sollte genügen, daß solch ein Zugtier gäng im Strick oder im G’schi̦i̦r (Ins: G’schi̦i̦rn) ist und zu gutwilliger Kraftanstrengung i d’s G’schi̦i̦r li̦ggt wie ein arbeitsfreudiger Mensch.
Das war ein anderes Ochsenwagengespann, mit welchem die alemannischen Fürsten durch ihre Lande fuhren — ein Nachklang des Kuhgespannes der germanischen Erdmutter Nerthus 5 und ein Vorbild des eigenartigen Stolzes, mit welchem ein Herr Lentulus zwei oder vier Stiere vor seine Kutsche spannte, 6 eine Jungfer von Grafenried in Ins sich von vier weißen Stieren zur Kirche fahren ließ. 7
Eine Weihe des Zugtieres, welche an die der Eselin als Tragtier erinnert. Als Symbol des Friedens 8 und der dem Menschen zugute kommenden instinktiven Gschịịdi 9 eignet sich allerdings nur bedingterweise das Tier, nach welchem die Eselstrooß von Büren durch Diesbach nach Aarberg benannt ist, und der vormals aus dem Wistenlach durch das Moos nach Bern Butter tragende Ankenesel. Auch nicht immer harmlos 10 benahm sich das Mụụltier als Vorspann- und als Saumtier ( S. 438) am Platze des Saumpferdes, nach welchem der Saum (s. «Wein») als chevalée, 1396 als cavallata 11 benannt ist. Häufiger als heute 12 diente allerdings das Pferd zum rịte, das auch Frauen ganz selbstverständlich gri̦ttlige (basl.; grị́tti grätti) übten — wie Kinder u̦f em Gị̆gampfiroß. Deren übriges rößle, Rößlis mache ist eine Nachahmung der Wagenfahrt womöglich, mit dem linksseitigen Zu̦rhändler und dem rechtsseitigen Vŏ́rhändler. Das «von der Hand» (des Lenkers entfernte) Pferd des Vorderpaares vor dem vier- bis sächsspännige Müllerwagen trägt immer noch am Kummet das nach Sinn und Ursprung verschieden 13 gedeutete Dachsefäll. 563 Eigenartig unterschied sich von solchem Straßengespann das oft durch schlechte Mooswege geführte Gespann der Burgunder: fünf Rosse zogen gäng äis hin͜der em an͜dere. Auch so ward das erschụ̈ụ̈che (erschụ̈ụ̈cht sịị) der duch Schüüchläder am richtigen Sehen gehinderten Tiere vermieden.
1
Zu kelt.
bronk (führen):
Kluge 71.
2
Tragen zu engl.
draw (ziehen: ebd. 462); ziehen = l.
dūcere (frz.
duire): mit sich ziehen, führen, bringen. Was vorwärts bringt, mhd.
gevüere ist,
fueret: ist
vuorunge (Nahrung usw.):
Wb. 3, 264 f.;
Schwz. Id. 1, 975.
3
Mit -z- iterativiertes, dazu umgelautetes
rouler (rotulare,
ruliere) oder direktes (entlehntes) rollen. Vgl.
schwz. Id. 6, 882 f.
4
Karl Irlet.
5
Hoops 3, 307.
6
Kalender Anker.
7
Ebd.
8
Zacharja 9, 9 f.; Matth. 21, 1-9.
9
4. Mos. 22. (Bileams Eselin.)
10
RvTavel, Gueti Gspane 154.
11
Taschb. 1901, 12.
12
RvT. GG. 60 f.
13
Zuletzt im «Bund» nach Melillo, Mittelalterliche Posten Italiens (Mailand, 1904). Nach
Hoops 1, 384 wurde der Fettansatz des Dachses vor dem Winterschlafbezug seiner (ihn als «Baumeister» benennenden) Höhle bei Plinius (h n. 8, 138) dahin gedeutet, daß er in der Not sich aufblähe, um Schläge von Menschen und Bisse von Hunden unwirksam zu machen. Drum riet der Dichter Gratius Faliscus in seinem Jagdlied (340) den Jägern, sie sollen Kappen aus grauem Dachsfell tragen, wie man ja auch die Halsbänder der Jagdhunde mit dem Kopfhaarbüschel des lichtscheuen Tieres auszustatten liebe. Nachzuforschen bleibt, ob und wie in dieser Traditionslinie die Idee des Pferdeschutzes gegen feindliche Mächte auf der nicht vom Fuhrmann besetzten Seite zu suchen sei. Vgl.
schwz. Id. 1, 772.
Der Mü̦hlichaar rer als Lenker des stolzesten Bauernpferdegespanns ruft uns zusamt der Formel chaare u fahre (Gals 1772) den Chaare als den gallischen carrus ins Gedächtnis. Er ist als Zweireeder zum Gefährten der Bänne degradiert worden und hat bloß als Chaarli (vgl. Bännli) zum chaarle leichter Lasten die Gestalt des vierrederige Wagens. Bloß drei Raad (Ins: drụ̈ụ̈ Reeder) hat das Stooß- oder Stooßiwäägeli ( la poussette), vieri doch das mit der Lande (dem Stangenpaar) zum Ziehen eingerichtete Ziehwäägeli. Mit ihm wie mit dem Bäärnerwäägeli 1 läßt sich (in Spazierfahrten) ụụsfahre, rößle wie in der vom Gụtschner geführten Gụtsche (einen Gụtsche füehre), wie in der Scheese ( chaise) oder dem Scheesli, im Schaarebank ( char à banc) alten Stils. 2 Es lassen sich aber in beiderlei Wäägeli auch besonders sorgsam zu behandelnde Sachen (z. B. vor verhotschle zu bewahrendes Obst) transportieren; und im einen oder andern verwäägelet der Bäcker, der seine Kunden absucht, Brot. Ein schweres (be-) laste ertragen dagegen nur Wääge starker Bauart mit den trennbaren und verschieden zusammenlegbaren Teilen, welche der Hin͜derreedig und der Vorwage heißen. Die ein Dreieck bildende Grätti des letztern wird an ihrer Basis durch den Heblisnagel (Hebisnagel: Tw., wie schon 1696, Hụ̈fisnagel: Ins 3 ) mit dem Hinterwagen verbunden. Daß um ihn drehbare Tragholz über der vordern Achse trägt als der Volbe n oder der Pfu̦lbe n 4 (aus lat. pulvinus, Polster, Kissen), als Holz-, Läitere- u. dgl. Pfu̦lbe den zu verschiedenen Lastarten eigens eingerichteten Wagen. So formiert man den Mostwage, Gü̦fiwage mit dem Mostgü̦ü̦fi ( S. 366), den Läiterwage, den Mistwage mit der Mi̦sthu̦u̦rt und den besonders praktisch gebauten Brü̦ü̦giwaage. Auch als Heu- und Getreidewagen wird dieser eingerichtet 564 mittelst der Wälle und des leiterartig aufrichtbaren Fü̦ü̦rg’stü̦tz (des Graassti̦i̦l, wie ein gescheidtes dreijähriges Vinelzer Kind jenes nannte). Eine Plaache (Blache) aber deckt die Ladung gegen Unwetter.
Zeitweiliges salbe (schmieren) der Spi̦lle (Spindeln), der Achse mit Wage- oder Chaaresalb macht den Wagen gäärner z’goo. Solches früher aus Räpsöl, Tannharz und Däärmschmu̦tz bereitete Salb ist heute so billig zu kaufen, daß ein sehr wenig Gerwinnender nid Chaaresalb verdienet. Für die Manipulation wird erst der Loom oder Loon (Lu̦ng), 5 der Achsnagel, samt dem von ihm vor dem abgoo geschützten Rad abg’noo und nachher wieder daartoo. Wird dieses vergessen: wie bald ist dem Fahrenden es Rad abb! Das widerfährt bildlich auch einem, dem das Unglück eine Hilfsquelle, einen Stützpunkt seiner Wohlfahrt entrissen hat.
Das Hemmen bergab wird auf einfachste Weise bewerkstelligt durch hin͜dere haa mit voller Kraft der Arme; durch allfälliges stoo u̦f de n Schläipfbạum, der sich vom Vorwagen her in den Boden einritzt; durch Anlegen der Spann- oder Sperrchötti um eine Radspeiche, in welche eingreifend man gegenteils bergauf späichet, um — wie auch bildlich — kräftig nachzuhelfen; endlich durch un͜derlégge eines hölzernen Radschuh: eines Schlä́ipfdroog. Als solchen läßt bildlich eine lästig hinderliche Gesellschaft sich nooche zieh, nooche schläipfe.
Gleich verderblich wie all solches notgedrungene spanne, nur in anderer Weise — nämlich durch Aufwerfen von zwärisch über die Straße geworfenen Wellen — wirkt mit seinem hö̆tschle das Auto. Es ist dies die eine Straßenschädigung neben der andern: dem stụ̈ụ̈be solcher Kraftwagen, welche noch nicht zum Mitführen des Mayerschen Staubsaugapparates genötigt worden sind. Gleich dringlich wie dieser wäre der Ersatz des Benzins durch Spiritus.
Einstweilen heißt’s auch hierin bildlich: mi loot’s schli̦tte oder schli̦ttle, läßt den Schli̦tte gehen, wie er mag, ohne bergab ihn e̥bbhaa (in seiner Gewalt zu «behalten»), bei seiner Fahrt in Egi z’haa, dem recht schwer belasteten Lastschlitten nötigenfalls eine Chri̦tzchötti unterzubinden, so daß er nicht überbócket, si ch überschloot. Neben dem Hemmen ist beim schli̦ttle oder schli̦tte, wie die Jugend es am Juragehänge zur Sältsḁmi zu üben bekommt, und beim Holzschlitte aus den Wald räise oder wịịse die Hauptkunst. Es handelt sich dabei um das Einhalten einer gefahrlosen Fährte und um das Ausweichen: flieh. Man flieht dem Grien (dem Kies der Straße), 565 flieht Begegnenden, flieht plötzlichen Hindernissen. Besonders gefährlich ist der Chehr der neue Strooß als deren Einbiegung in die Seestrooß beim Twanner «Bären». Daher die Warnrufe von dieser her zu den Abwärtsfahrenden: Häit (haltet) ụụf! und die Mahnung der letztern zum uụṣwịịche: O hoooi! Ist die Gefahr vorüber, so tönt’s: Lööt’s gheie! In Ligerz warnte man noch vor zwei Jahrzehnten patoismäßig: goor le mii (gare à moi)! Zu Erlach ruft man (« hors») Oor! Oor!
Unschwer ist solche Selbstpolizei beim Äiblätzer («Einplätzer»): sowohl dem schwereren einheimischen Fü̦dleschli̦tte als dem Gị̆beli, der Gị̆be, wie dem aus schmalen Leisten gebauten Davóser, Davóserli. Beide stellen sich als Wịịserli dem Wịịser als Zwäi- und Dreiblätzer und vollends dem als bobsleigh auch schon vornehmelnd eingeschlichenen Pŏ́pslĭ̦ gegenüber. (Eine Nachäfferei, wie das bayrisch-berneroberländische «rodeln»). 6 Zumal in die Stangen des an den Kufen ( Chueche) b’schlagne Wịịser stellt sich als gewandter Räiser der Holzschlittler.
Der junge Bieler Karl Theurer erfand den lenkbaren Skịschlitte ( Skị: ältere Saag [Ausdruck] für Schịị). 7 Dieser erinnert in etwas an den Grindelwaldner Veloschlitten Bühlmanns. 8
Von all diesen Schneeschlitte unterscheidet sich der als Sässelischlitte gebaute Ịịschschli̦tte, dessen Insasse gäit ga̦ sti̦fzge: mit Hilfe zweier mit Sti̦fzge beschlagener Stäcke sich auf dem Eise ziemlich rasch vorwärts bewegen. Es bietet dies einigen Ersatz für das zịịberle (glitschen) und das schlịffschuehne.
1
Vgl. überhaupt
Lf. 238 ff.
2
Meiners 2, 255 (1783).
3
Kalender Anker.
4
Schwz. Id. 5, 1100.
5
Ebd. 3, 1296 (Lunn);
Kluge 296 (Lünse).
6
Zu allem vgl.
Gw. 81 ff.
7
«Seeländer Tagblatt».
8
BS. 1914, Nr. 6.
Mehr großartig (iSv. großhansig) als den örtlichen Verkehr fördernd, fuhr z. B. um 1830 der Feufspänner Bern-Neuenburg über den Umspannort Ins und die Hauptstationen Arbärg und Schwande (bei Schüpfen), welch letzterer Ort nach bzw. vor der Übersteigung des Frienisbärg erreicht wurde. Einen andern feufspännige Wagen (1789: eine Diligence) entsandte Neuenburg jeden Morgen um 4 Uhr nach Basel; unterwegs bot Sonceboz Fahrgelegenheit nach Biel, das ebenso von Aarberg aus mit der Postschese erreicht wurde. Den Kurs Neuenburg-Bern sehen wir aber später in Zweispänner zerlegt wie Kerzers-Ins, Ins-St. Blaise. Dagegen wuchs der Äispänner Ins-Brüttelen sich aus zur Fortsetzung nach Täuffelen, während Ins-Vinelz-Erlach und Erlach-Gals-Tschugg-Gampelen 566 Stümpe blieben, denen der Weltkrieg wegen Rossemangel noch Beschränkung, ja (wie letzterm) Stillstand auferlegte,
Gar keine « ordinari [ ortinä́ri] Post» gab es 1782 zwischen Nidau und Twann, 1 weil aller Verkehr natürlich («p’här see», per se) phär See ( S. 40 f.) sich abwickelte. Dagegen ist 1801 von einer solchen Post die Rede, 2 wie auch Post und Onibüs 3 (ŏ́-) Biel mit Solothurn verband. Das war der am 1. September und 15. November 1798 dekretierten helvetischen Staatspost 4 zuzuschreiben. Für den Kanton Bern war dies die Fortsetzung des Monopol-Mannlehens, das die Regierung von 1675 bis 1832 dem kaufmännisch gewandten Ratsherrn Beat Fischer und seinen Nachkommen übergeben hatte — mit dem Erfolg, daß jede Woche ein Waarenwagen und all Übertag Posten Basel-Bern und Neuenburg-Bern auch mit Paris und Nordfrankreich einen lebhaften Verkehr unterhielten. 5 Noch 1830 konnte all zwe Daag ein Brief von Twann nach Bern gelangen, nachdem er am Aufgabeort u̦ff ’ta̦a̦ (u̦ff g’gää) worden war. Dieser mitunter häufig (z. B. in Ins seit Menschengedenken si̦be Mol) wechselnde Aufgabeort hieß — wie nachmals auch der fahrende Postwagen — d’Post oder (z. B. 1805 amtlich) der Post, je nachdem an das italienische und diesem zugrunde liegende römische Muster (luogo) posto, (locus) positus oder aber an (stazione) posta, (statio) posita zu denken ist. Postiert war oder hatte sich in römischer Zeit ein Post-Stan͜d: eine statio, Stazion und damit verbundene Wirtschaft zu Mu̦lle n bei Erlach. So deutet man wenigstens die Reste eines längst verbrannten Gebäudes. 6 Die auf solchen Halteplätzen angestellten Pösteler häi richtig nụ̈ụ̈t Guets g’haa! Sie mußten von den Grundherren ihrer Station, die doch vom Gebrauch der Post ausgeschlossen waren, deren gesamte Unterhaltskosten eintreiben und wurden in diesem sie verhaßt machenden Geschäft überwacht von Polizeispionen. 7 Dieselben hießen curiosi: mit einer «Besorgung» (Sorge, cura) Beauftragte. (Die hiervon abgeleitete Bedeutung g’wun͜derig ging über auf curieux, was aber objektiv gewendet — gleich unserm kụiós — auch wunderlich, die Neugierde erregend, seltsam bedeutet.)
Einen folchen Stan͜d für den Wechsel der Pferde und der Boten unterhielten auf ihren Staffettenlinien auch italienische Fürsten und die Päpste des Mittelalters. 8 Die Regierungen unseres Landes ahmten das Beispiel nach und hielten sich sowohl Läufer wie reitende Boten, die erst gar nicht, dann bloß auf besondere Empfehlung hin, und schließlich — zur Zeit des Postregals — gegen bestimmten Tragerlohn: den 567 Portlohn (1788) oder den Porto (1824), heute: das Porto, auch Sendungen bestellten. Es empfahl sich aber, diese ung’frankiert ụụfz’gää; sie gelangten damit sicherer in die richtigen Hände, schon weil der Empfänger mehr zahlte als der Aufgeber. 9
Von der heutigen Ausrüstung der Postverkehrsmittel war erst nach und nach die Rede. An den Platz des durch Lenau für alle Zeiten herzandringend besungenen Poste̥lión, dessen Hornklänge längst verhallt sind, tritt an jeder Bahnstation der Briefträger, der twannerische Fáktëër ( facteur eigentlich als «Macher» oder Besorger irgend eines Dinges), der baslerisch hybride Briefie r. Einen eigenen Briefträger hat Twann seit 1897. Vorher mußte es mit Ligerz in den einen Faktëër teilen, der obendrein Geicht, den Twannberg und Magglingen zu bedienen hatte. Der nachmals eigens für Twann angestellte Fritz Krebs funktionierte als Briefträger von 1899 bis zu seinem Tode 1915. Er erreichte nicht das Alter des Brütteler Posthalters und Briefträgers Peter Hämmerli, der, 1832 geboren, den Dienst bis 1. September 1818 versah und bis 1. Mai 1919 lebte.
Mit dem Postchaarli, das wohl recht manchen P’hack birgt, fährt der Briefträger nach seiner Station, für d’Zï̦ï̦g z’mache: der 568 Bahnpost seine Siebensachen abzuliefern und von kreuzenden Zügen neue in Empfang zu nehmen. Auf dem Postbụ̈roo oder der Postablage aber kauft der Bedürftige selber seine Maargge (Maarke) und kauft für eine Zahlung das Mandat oder das (im Geschlecht an dieses gelehnte) Schegg. 10
«Der Post» hieß z. B. bei Niklaus Manuel 11 der reitende Bote Berns. Er konnte aber mit dem Fußboten auch den Titel Postläufer teilen. Er führte als Waffe den Hirschfänger, wie der Fußbote den kleinen, mit rotschwarzen und schwarzen Franse n behangenen Spieß. Beide trugen auf der Brust das Schild von versilbertem Metall, worauf das Standeswappen eingraviert war. 12 Es gab aber laufende Boten sogar von Ins nach Bern; 13 so 1482 den für einen Gang mit zehn Schillingen abgelöhnten Bader ( Ins, S. 58); so den von St. Johannsen nach Bern, der 1725 «zwo Nächt und anderhalben Tag geloffen (Tw. g’lï̦ffe, glü̦ffe, um Biel: g’lauffe) ist und um zwölf Uhren nachts» anlangte. 14 Auf einem Chaare hinwieder führte vor der Biel-Bern-Bahn der Bott Christener seine Waren, wie 1856 der Bäärnbott Jost aus Twann. Sein Vorgänger von 1775 war ein «Galgenvogel»: er vergaß z. B. die Drucke voll Trị̈ị̈bel, die ihm besonders anempfohlen waren. 15 Besseres Lob verdienten der Lüscherzbott der Jahre 1774 bis 1844 und der P’hackträger von Gerlafingen nach Walperswil, der z. B. 1790 jeweils 2 Batzen erhielt. Mehr noch als solche «Bötte» (1806), Bött scheint eine recht zuverlässige Bötti (Ga. 1750) geschätzt worden zu sein; besonders wenn sie den Hausfrauen verkehrsarmer Örtlichkeiten obendrein die Dienste leisteten, welche sie sich nun von Hụsierere n — mehr Zuträgerinnen als Trägerinnen — zu verschaffen wissen.
1
Irlet.
2
Ebd.
3
Lg. 115.
4
Öchsli 613.
5
Kalender Anker.
6
Jahn KB. 20.
7
K. Breny, Bern, im 1. Postjahrbuch der Schweiz.
8
Seil. 3, 186.
9
Der einen bedeutenden internationalen Verkehr unterhaltende Schaffner
Irlet zahlte für Briefe: aus Karlsruh 1824: 11 Btz. 2 Krz., aber 1825: 6 Btz. 1 Krz.; aus Piemont 1783: 6 Btz.; nach Havre 1739: 8 Btz.; nach Prag 1796: 4 Btz. 2 Krz., und für einen andern: 6 Btz.; aus Prag 1796: 7 Btz. 2 Krz.; aus Afrika 1813: 14 Btz. 3 Krz.; aus Amerika 1825: 10 Btz. 3 Krz.
10
Interessante Wort- und Sachgruppe (vgl.
M-L. WB. 7669;
Kluge 392 f.;
Graff 6, 416;
mhd. WB. 2, 2, 92;
schwz. Id. 8, 423 ff.): Pers.
schah König;
lo scacco, l’échec Schachspiel, Mißerfolg darin; sp.
jaguel Schachbrett; engl.
checky würfelig, bunt, zu
check: 1. Schach; 2. ursprünglich auf gewürfeltes Gewebe vorgedrudte Kassen-Anweisung; ahd.
scecho Teppich u. dgl., mhd. der
schecke, schegge durchsteppter Leibrock und
scheckot scheckig,
tschägget, der Tschägg, Schägg.
11
Papst 863.
12
Roth 3, 358;
MB.
13
AhV. 2, 248.
14
SJB. A 683. 691.
15
Irlet.
Die nächsten Jahrzehnte werden auch unserm Schwịtzli die Flugpost bringen, welche in der so mannigfach von ihm zum Muster g’noonne Schwesterrepublik änet dem Bach längst zur selbstverständlichen Tatsache geworden ist. Der Schritt der Fliegekunst aus dem kriegerischen Dienst in den des Friedensverkehrs ist ja auch bei uns vollzogen, und in die knapp vor dem Weltkrieg in den Manövern um 569 Ins (1913) neu erworbenen Lorbeeren eines Bider und Forer teilten sich bald darauf ebenfalls unvergeßliche Seeländer wie Kramer und Burri in Biel und Charles Favre in Neuenstadt. Knabenspiele aber mit selbstgefertigten Flụ̈̆ge oder Flŭ̦gere wirkten wie fliegende Samenkörner, von denen unter Tausenden eins zur stolzen Pflanze aufgeht. Dem einen oder andern dieser spielenden Piloten können einst Erfindungen glücken von der Art etwa des Stabilisators, der ein umchiere, uberbóxe, Box uber Box mache des Äroplan ganz vom tollkühnen Wollen und Wagen eines Sturzfliegers abhängig macht. Ferner des zu Land und Wasser gleich brauchbaren Hydroaëroplans. Sodann die Erreichbarkeit einer Fli̦nggi, welche die des Spịịri übertrifft und den Gedanken eines Wettfliegens um d’Wält um (um die Erde) aus dem Bereich des Verru̦ckte herausrückt. Die immer genauere Kenntnis des untern und obern Luftmeeres mit seiner Ebbe und Flut, seinen Loch, in denen man urplötzlich Hunderte von Metern g’heit wie im Traum. Ein weiterer großer Fortschritt wird darin bestehen, daß mḁ flügt wi d’Insekten u d’Vögel: mit Fäcke anstatt mit der Luftstrụụbe (dem Propeller), ohne waagrechten An- und Ablauf ụf Redli: grad ụụfe u grad aabe, fli̦ngg u sattli, wi mḁ grad will; jetze still haa u schwäbe wi n e Weih u jetze fu̦rt wi ne Pfịịl. 1
Bild von 1912. (Vgl. S. 567)
Ein Teil dieser Errungenschaften ist übrigens schon mit Propeller-Maschinen erreicht worden, und auch weitere Erfindungen wie durchsichtige und damit unsichtbare Tragflächen 570 machen die Flugapparate zu schätzenswerten Kriegswaffen. — Bei sichtigem Wetter leisten die Apparate schon jetzt zur Aufklärung i zwoo Stun͜d meh als e Ggawallerịị-Padrụllie i vierezwänzge. Wie werden sie erst den Werken des Friedens dienen! So als «Luftkauffahrteischiffe» — Gegenstücke zum Unterseeboot als Handelsschiff, so als Gegenstück zum überseeischen Fernschreiber, wetteifernd mit den «eilenden Wolken, Seglern der Lüfte», im Tragen wichtiger Kunden von der alten zur neuen Welt. Diese zu erfliegen übernahm 1921 ein englisches Luftschiff mit Platz für 48 Personen. Aber auch deutsche Zeppeline bleiben nicht hinter solchem Wagnis, das nur von der Idee, durch die Luft die Pole zu erreichen, an Großzügigkeit erreicht wird.
Strömt aber einmal die Seeanwohnerschaft zum neuen Bieler Flugplatz, werden sich Geschichtsfundige finden, welche an die vorbereitende Gedankenarbeit eines Michelangelo, eines Böcklin erinnern. Sie werden aber zurückgreifen auf den Griechen Dädalus, dessen Idee das flụ̈ụ̈ge mit bloßer Muskelkraft 1921 die erste Verwirklichung erfahren hat. Eine Freiheit von schweren Mechanismen wie die von Gestäng und Draht beim Fernsprech- und Schreibverkehr, wie sie eben jetzt im Bu̦chsi der alten Johanniter Mü̦nche angebahnt ist, vorbereitet aber schon im September 1902 auf dem Bielersee wurde. Da stellten Kundige Versuche an mit drahtloser Telegraphie nach dem System Engisch in Madretsch.
Wie es des Malers Sperberauge sein kann, das auch im Hirn Blitze erfinderischer Genialität aufleuchten läßt, so können es echte Jünger eines Daniel Richard sein, die, als Ụ̈ụ̈rler und Ịị̈rler über Tag mit ụ̈ụ̈rle und ị̈ị̈rle ihre Brot erwerbend, die freien Stunden einer die Zukunft gestaltenden Gedankenarbeit widmen und weihen.
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Nach Wilbur und Orville Wright.