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Die Katasterpläne der vier Amtsbezirke Nidau, Erlach, Neuenstadt und Biel enthalten eine erstaunliche Zahl von Nääme ergangner und noch bestehender Weinberge. Aus Literatur und Volksmund ergänzt und mit einigen Namen aus den Ämtern Aarberg und Büren vermehrt, sammeln sie sich bei der ersten Überschau zu einem G’wääsch vo Näme, wo käi Möntsch d’rü̦ü̦ber chu̦nnt. Ein erstes Ordnen jedoch läßt Namen unterscheiden, welche in den nachfolgenden Kapiteln die Betriebsart der Weinkultur illustrieren helfen, und solchen, die uns gleich jetzt die Bedingungen des Weinbaues nach der physikalischen und der historischen Seite andeuten.
Vor allem machen sie uns aufmerksam auf die Ansprüche, welche die Räbe als e Sunnepflanze auf die Bestrahlung des Bodens erhebt. Sie fra̦gt viel weniger nach dessen Meereshöhe, als danach, daß er Sụnnsịte g’lääge sịịg. 1 Darum ihr Emporsteigen bis auf sonnige Höhen von 1210 m, wie in Visperterminen. Was bedeutet hiergegen der Unterschied, welchen 1533 das Probstei-Urbar von Herzogenbuchsee zwischen dem ober win vom Bielersee und dem nider win des Aargaus und Elsasses machte?
Die Sprache anerkennt das in der Benennung der Weinpflanzung als «Weinberg»: als Rä̆bbäärg, und speziell das Twannerische damit, daß es z.B. vom Flị̈eliwịị spricht als Ertrag des bergigen Räbland im Gegensatze zum Flachland. Es gibt wirklich da und dort einen «Weinberg von einer sehr gähen ( gääche) Lage» (1789). So die 176 ehemaligen Bielerreben am «Lausberg» (1805), Lusberg (1480): Lụụßbäärg im Vogelsang, auf dessen schönem Aussichtspunkt der Rebhüter g’lụụßet het. (Vgl. die Lụụshütte im Napfgebiet.) Auch der Chapf ( S. 137) ist hier wieder zu erwähnen. Andere Reben lagen 1808 im mittlere Bärg zu Tschugg. Eine Vingelzer Rebe lag 1789 und 1805 auf dem Buel (Büel). Ein rundlicher Hügel heißt auch die Gụụge. 2 Ein kleiner solcher mag (etwa wie der Schore) vor Zeiten abgetragen worden sein, um den nun vom See gleichmäßig sanft gegen einen Abhang hin ansteigenden Gụụgeräbe (Tw.: 1784 Gugen Räben) eine Stätte zu bereiten.
Ein sachlich entsprechenderer Ausdruck als «Berg» ist eigentlich Halde, Ha̦l de, Hoole ( Ins 16), und es gibt denn auch eine große Anzahl Hooleräbe neben einer Oberhoole (Tw.), Schwarzehoole (Ga. 1825), Winterhoole. Bei den Höhlenwohnungen vor Aarberg liegt die Räbhalde. Gleich der Halde sehen wir den Rain, Räin (Ga.), Un͜der- und Oberräin (Tü.), Tschï̦ppeliräin. Chroosräin (Tw.) als Weinberg, wenn nicht als räinigi Matte sich abdäche. ( Räinig ist übrigens in Tw. bereits eine ganz sanft geneigte Fläche.)
Eine Wegpartie an der Schä́rriere ( charrière, s. u.), un͜der em große Chehr über Schärne̥lz heißt d’s Rótschbe̥däng ( la roche pendante). Der stotzig Chehr als solcher erinnert an die Rebenpartie Chrankwịịl (ị́) über Tw., an der stärksten Umbiegung des Burgwääg gegen Nordost. (Vgl. «krank» in der Urbedeutung «sterbend sich windend», nachmals als Ersatz für «siech», 3 sowie emmentalisches chräiche, das twannerische chränke, das in Lü. zu hörende chräiche für «umwenden». Das -wịl entbehrt freilich der sachlich begründenden Spuren einer Ansiedlung.)
Den Sịteräbe (Li.) entsprechen als côté d’s Gotti und d’Gotte. Neben letztern liegt der Pangóttigrabe (Li.).
Aber im humusreichen Anschwemmungsboden dem See noo: «i de Bëëde gi bt’s di schëënste Räbe» (Tw. 1784). Ob dies jedoch von den Boderäbe (Mü., Si.) gleicherweise gelte, wie von denen im Bode (Tü. 1533) oder i de Böde, im Chrummbach (Tü., Tw.)? Sachlich schließen sich an: die Reben in den Blatten (Biel 1540), Matte (Alf.), Räbmatte (Br., Lü.), Räbefäld (Madretsch 1762); im Schämpel (Alf., d. i. campellus, Feldchen); d’Schámpanie̥ (Li.); d’s Tschampe̥tli als kleines campatum: Tschampe̥t (1744, 1824), Schambet (1740), Tsampet (1743), das Zampet (1757) gäge’ n Luft 177 und gäge Bịịse. Diese Tschámpe̥te̥rääbe über Twann werden vom Tschampetewäägli von Ost nach West als äußerst anmutigem Spazierweg durchschnitten. Samt seiner Fortsetzung des Gạuchetewäägli führt es das Pilgerwäägli (s. u.) von der Ligerzer Kirche bis nach dem Ängelbärg (s. u.) fort.
Ist die von der Natur veräbbneti Ääbeni (Alf.) oder die Plangsche (s̆s̆, Planche) ääbewä̆gs beschreitbar, so führen Feldwege stụtzig über den klein gebuckelten (wie Piquetstoffe g’rụ̈̆belete) Abhang durch die Gŭ̦́mmerääbe (Erl.) und das Gu̦mmli (Tü., vgl. die Geichter Gụmme). Eine sanfte Gu̦mme ( combe) zu Erlach heißt die Grueßerääbe, welche von dem schluchtartig eingeschnittenen Hohlewääg; einer «ausgenagten» (via) corrosa, crausa, crosa, Grueße 4 durchschnitten wird. Vgl. die Chroos, die Chroose, das Chröösli zu Tw. Zu Schaffis heißt eine Mulde das creux Grivelle oder Gréville; das Grị̆gerwell oder Grịịgerwei, waldwärts durchschnitten vom Grịịgerweiwääg.
D’s Grị̆gerweiloch führt auf Einsenkungen, welche Loch heißen. So z. B. die höchste Schaffiserrebe am Wald aane, wo man das gefällte Holz vereinigt, um es den Holzlaß (den Laaß, Looß, Looß-t, den Loost zu Tü.) hinunter zu befördern. Ein Äscheloch hat Tü., einen Faßbode Ge., Mueshăferääbe Erl. Über Twann liegen die Palme (-Rääbe, vgl. S. 138), wie zu Li. die Boome = La Baume (Nv.) mit der Rebe sur la Baume, in deren Benennung freilich die Herren von Balm im Bucheggberg hineinzuspielen scheinen.
1
Das Dingwort adverbial gefügt: Vgl. den Trinker, welcher
d’Lääbere Sunnsite het.
2
Schwz. Id. 2, 157.
3
Kluge 263;
Stucke S. 116.
4
Schwz. Id. 2, 813;
mhd. Wb. 1, 582.
Gibt es in den orographisch genommenen Bööde die schönste Räbe, so ist das doch nur möglich, wenn ihre agronomisch geeignete 178 Beschaffenheit den andern Spruch erwahrt: Der Bode macht der Wịị. Das Ideal solchen Bodens erblickt der Winzer in der kleinscholligen und feinkrümelig herstellbaren Erde: dem schöne, glatte Häärt, wie der Garten ihn bietet. In diesem Sinne (wie sonst, vgl. Ins 308, in dem der Einhegung) spricht man von den Garteräbe zu Wingreis; vom große Gäärteli neben dem Engelberghaus (1781, drei Mannwerk umfassend). Es liegen unfern die Chrị̈tzgärte (der ober und der un͜der), der Räbgarte (1310), der Moosgarte (Tw. 1791, 1817) und die verschiedenen Mu̦ßgärte; der Holisgarte (Tw. 1791). Bloß von der Vergangenheit reden auch der Wịịgarte zu Alf. und das gleichbenannte Dörfchen zu Großaffoltern, die Wịịgäärte zu Tü. an der Fluh, welche die Loost heißt ( S. 177) und das Wịịngäärtli. Der Großwịịngaarte war 1301 ein Rebgut zu Tw., und zu Si. lagen die Wịịgaartenachere. Der Baumgarte (Alf.) und d’s Bạumli (Tü.) führen über zum Garten als viridiarium: dem fz. verger als Obstgarten und daraus entlehntem ital. verziere, 1 das sich widerspiegelt in der Wétschiere oder Wätschiere (Tw., auch d’s Bï̦tschi geheißen) und im Wérscheerli (1806) als dem petit verger.
Achchere waren dagegen vor ihrer Umwandlung zu Rebstücken der Acher zu Alf. und Vg. (1843), d’s Ächerli (Alf.), der Tschemelacher (Sutz 1768), der wịt Acher (Ins 1533), Brugers Acher (Tü. 1533), sowie die Acherrääbe (Tsch.) und d’Räbachere (Fh., Tw.), sowie die Ägerte (Tw. 1675).
Als Haustierweide diente vormals der umzäunte Tiergarte (Alf., Aarberg), und so auch der Söüegge (Ins). E ganzi oder e halbi Sou wurden in den Kaufpreis von Grundstücken aller Art einbedungen; so vielleicht auch in den der Schwịịnirääbe (1808 Ga., Erl.) und des Schwịịnstï̦cki (Tü., 1843 Schweinstück) oder Schwịịnestu̦ck (1789, 1793: Schweinenstuck).
Les jardins où chenevières des bourgeois de Neuveville: unsere Beunden, Bụ̈ụ̈nne 2 hießen im 16. Jahrhundert Les Oeuchettes: 3 unsere Eesch, Ääsch. 4 Auf die frühere Verwendung solcher G’mäinspflanzblätze für Hanf und Flachs deutet das Lịịnstï̦cki zu Alf. (alt: «Lindstück»).
Es wurde aber auch Ödland in Rebkultur genommen. So entstanden die Wüestirääbe 5 (Br.), sowie die Dü̦ü̦ri Rääbe (Ga., Tsch.), die 179 Dụ̈ụ̈ri (Ga. 1825), der Dü̦rebärg (Tw.). Tadelnd klingen erst Namen wie Böösräbliacher (Fh.) und die Moopraa: das malum pratum (um 1020), Maulpray, 1314 le Malpre, Mapre (mauvais pré) neben Maupras. Ursprünglich sehr magern Ertrag lieferte le petit champs maigre: das Tschămä́gerli (ää) zu Erlach, ursprünglich — bis zum Anheimfall an verschiedene Besitzer — sehr guten das Marnin (1806) oder die Marnio (1804) zu Schaffis, nunmehr als die (verschiedenen) Márnäng auseinander gehalten. Ihr Reichtum an Märgel ( marne) 6 machte sie zu kleinen Goldgruben, deren Besitzer sich etwa gelegentlich als Wirtshaushelden bemerkbar machten. Darum wurde nachmals einer, der sich auf sein Haben oder Sein etwas zugute tat, zur Rede gestellt: Hesch dụ es Marnäng? Wenn d’ e̥käis hesch, so schwịgg! Auch sonst hieß es: Wenn äine r es Mä̆rnäng het, so isch er rịịch gnue g. Schon die bis heute in das Dunkel des Geheimnisses gehüllten Uransiedler, von denen man hier Spuren gefunden haben soll, werden den Grund und Boden geschätzt haben. Nicht weniger freilich die Schädlinge die zarten und wuehlige Pflanzen und Früchte, deren Rückgang die Marnäng stark entwertet hat.
Anderwärts het e̥s ( y a-t-il) Räbe, deren Qualität bildlich bezeichnet wird. Prächtige Trauben reifen auf dem warmen Boden der gụldige Rääbe zu Tsch., nur schlechte in den Gropperääbe oder Groppene zu Erl. Sie stehen auf der Leiter des Traubengeschlechts auf so niedriger Stufe, wie unter den Fischen der Gropp oder der Gụ̈tsch ( S. 52). Dagegen scheint der Pfääritschläipf (Tü., S. 49) verredt für Bäritschschläif, wie die näherliegende Doppelform denn auch lautet.
Ein steinreicher Boden kann stäirịịch einen Besitzer machen, der sich die Mühe des stäine nicht reuen läßt. So der Stäi, wie kurzweg eine Rebe zu Vg. heißt (1805); so der Stäinächt (stäinochtig) zu Tü., die Stäimere (verredt für Stäinere 1678, vgl. aber Lein = Leim = Lätt für Lehm) zu Tw. Die Pérrette und das Gụ̆́rmetang (d. i. der Klotz) 7 liegen zu Li.
Wie der anstoßende Wald g’rụ̈̆bletig (s. o.), von halb versenkten und halb emportauchenden Felsstücken rụụch (rauh), fz. rêche (zu gallisch « rescos», frisch, herb, scharf) 8 aussieht, so auch d’s Reesch oder Reetsch, dieser vom Reetschwääg durchschnittene Schaffiser Weinberg. Reben 180 en oder (1706) à la Raisse (3 Mannwerk), auch en la Rasse genannt, gab es neben einer Säge und bei den Mühlen. Im 15. Jahrhundert stund die Kapelle in den Reben du Reitsche.
Ein anderer Weinberg solcher Art ist la gravière; d’San͜dgruebe. Aus Kalkschieser ( Schịịferhäärt) in Form von w ĭ̦ßlochte Blättli (Blättlihäärt), von welchen der Boden wị̆ßgelet, bestehen die Blanchardes (Nv.); aus liechtem, brönnigem Häärt, in einer Waldbucht den Sonnenstrahlen stark ausgesetzt, bestehen die Chautaines (Nv.), d’Schóttänge.
Nur in Stei-grö̆ßli (sprachlich und sachlich unmöglich in «Steig-rößli») zerlegt sich der Name eines allerdings ziemlich stotzige Weinberges zu Alfermee. (Was bedeutet er?) 9 Wo di Stäimere noch halbwegs deutlich von den Fluechëpf redet, die einst bis an den See hinunterreichten, beim Straßenbau von 1839 aber in beträchtlichem Umkreis beseitigt wurden, stoßen die flụụige, aber bis zu den letzten Krankheitsjahren ausgezeichneten Rostelenreben (1824) und Rostellen-Halbreben (1780), Rostlen (1740), die obere (1784) und untere (1791) Rŏ́ste̥le an. Hiervon heißt 1835 ein Teilstück das Rŏ́steli. Der Name ist sprachlich wie geschichtlich gleich interessant. U̦f der Äinzigi (in Erl.; Enze̥gi, vgl. ein-ôti, «Einöde») u̦sse zwischen Twann und Wingreis erstreckte sich vor 1816 bis an den See hinunter eine wilde Partie von Flühen und Steingeröll, bedeckt mit G’stị̈ị̈d und Gedörn aller Art. Das ließ im Hungerjahr 1816 der reiche Handelsmann Krebs zu Wingreis zum heutigen schönen Weinbergrevier mit den teilweise stubenhohen Mauern umschaffen, um Verdienst unter die Leute zu bringen. Unverändert aber erinnert der Name an die auch sonst (vgl. Ins 15) in der Umgebung verbreiteten Namen Rochaine oder Rótschänni (Li.), Rógge̥te und Rótschette, Róschette (s̆s̆, Nv. Rochette), an welch letztem sich das bekannte Füllesuffix -e̥re oder -e̥le (vgl. Neßl-ere und Schäärm-ele usw.) hing. Das zu lang gediehene «Rŏ́schettele» aber wurde zu Rŏ́schte̥le verkürzt.
Die Beseitigung der Feldstücke legte vielfach einen tonigen Untergrund frei, auf dem sich die erwähnten trefflichen Weinberge anlegen ließen. Der Lehm, Leim, Lätt ist aber so schollig und chlääberig, daß mḁ nụ̈ụ̈t cha nn naß (i der Nessi) mache drịị. So i de gääle Räine (1747: der Gäle Rein). Bekanntlich sehr undurchlässig, bekommen solche Stücke nach langem oder starkem Regen oberflächliche Erdbrüche ( S. 129), Erdrutsche ( der Häärt rï̦tscht). Es heißt dann: es het 181 sich en Äärdbru̦st ( S. 129) fï̦ï̦reg’loo. Seltener hört man noch: der Äntner isch ụụs’broche. D’s Bärgwasser (1781) chunnt schwalmswịịs. Es oder der Regen verfïehrt der Häärt. Dieser verrï̦nnt (wird ab- und weggeschwemmt). In Jahren wie 1870, 1891, 1901, 1921 (s. u.) het es so verrï̦nnt, daß die Verrï̦nnig stellenweise einen Meter hoch Erde aufschwemmte. An entblößten Stellen schwịịnet (Tü.) die Erde; und es könnte sein, daß die ( S. 178) anders wohin gestellten Schwịịnstï̦cki (Alf.) hierher gehörten.
An flachen Stellen liegen gebliebene Erde aber flotschet: sie bildet eine Flä̆tschlere (Alf., 1789) oder eine Su̦ppe (Alf.), eine Gü̦ü̦rle (Ga.). Das Arbeiten in solchen Reben wird, bis sie endlich trochchne, ein dräckele und choosle und flatsche; die Schuhe werden flätschnáß. Vgl. auch die Watte (Li.) und les ouattes (Li. 1784, zu waten).
Eine verwandte Namensreihe bilden die Gu̦ttele (Vi.), 10 die Fu̦ntene (Ga.) und Fu̦ntele (Alf.), 11 sowie die Sitze eines Rodolphe de Fontaine (1224) und eines Konrad zum Brunnen (Nv. 1307). Die Brunnmï̦hlirääbe (Li.) schließen sich an, ebenso die Reben bi’m Brï̦nneli und am Brị̈nneliwääg. Die Soodrääbe (Li.) besetzen den Platz von zwei oder drei ehemaligen Häusern.
Vom Wald über Neuenstadt führt in den See le Ruveau, der einst auch Reben nach sich benannt hat. 12 Ähnlich die Rịịffrääbe (1668: Ryff) zu Ins. Ein Bach benennt als Fluebach Reben zu Tw.; von solchen zu Sarbachen ( Ins 34) muß unten die Rede sein. Schiffrääbe (Li.) liegen hin͜der de Hị̈ị̈ser zwischen dem Pilgerwäägli und dem Dessebärgstrëëßli.
1
M-L. 9368.
2
Lf. 107.
3
Auf eine «
olca» zurückgeführt:
oeulchettes, oeulchattes; vgl.
la vigne en Vaux es oeulchettes autrefois un curtil.
4
Gw. 257 f.;
schwz. Id. 1, 519.
5
Ahd.
wuosti (wüst) und die
woustê (Wüste) ist urverwandt mit l.
vāstus (unbekannt, daher öde).
6
Gallisch
marga und ml.
margila ahd.
mergil, Mergel, afrz.
marne. (
Kluge 311;
Walde 465.) Über die Mischung unseres Wortes mit l.
mareidus (entkräftet) in
ụụsg’määrglet; vgl.
Kluge 29.
7
Gr. l.
cormus:
M-L. 2234.
8
Ebd. 7240; vgl. «Rüüchi»
Gb. 671.
9
Erinnert von ferne an mhd.
grūß (Korn, Masse:
schwz. Id. 2, 810) und Grütze (
Kluge 184).
10
Vgl.
schwz. Id. 2, 535.
11
Vgl.
fons und
fontaine.
12
Aus
ruvale = rivalis, wie
ruve statt
rive (u durch v aus i verwandelt). Vgl.
M-L. 7341.
Statt gääle Räin sagte man 1747 auch der Grabe. Den gleichen Namen trägt eine Rebe zu Ins und 1805 eine zu Vg.; eine zu Alf. heißt d’Gruebe und 1803 eine zu Li. d’Grueberäbe. Ein canalis, 182 chenal leitete die Wässerli kleiner Binnegreebe nach der einstigen Mühle bi Wị̆ßerä́in ( S. 110). Danach sind die canali-etta: Chenailettes, Schnä̆liette, Schnaaiette benannt.
Vom Ụụfbru̦u̦ch ehemaliger Gehölze reden die un͜deren Ei chhölzer (Li.) und d’s ober Ei chholz bzw. Äi chholz (Tw.), während nahe der von Molz besungenen Chalberwäid von Biel die Äi chhölzliräbe (noch 1805) ihr Dasein fristeten. Kulturverwandt ist das kleine Buechestuck (1770), vgl. les Buchines (Nv. 15. Jhd.).
Dornen ohne Rosen belebten einst bei Wingreis die bereits 1292 als «die Rebe zu dem Dorne» umgeschaffene Stätte. Die 1771 noch 32 Mannwerk großen Thore (1546), in den Dörnen 1 (1533) heißen noch heute die Dornreben, d’Dëërn; vgl. Les Epinettes (Nv.) — Obschon heute «das Brụụch», alt bruoch als Besenheide unbekannt scheint, kann doch die Brị̈echlere (Tü.) als Rebstück am Waldrand daher benannt sein, wie von dem ( gäge d’Gsü̦chti so geschätzten) Faarnechrụt die Fárnette über Ligerz. Wo ferner heute als Rebstück d’s Bí̦nsche̥nettli (Tw.), 1784 «die Büntschenetly» vor dem Anstieg der Chroosrääbe sich breitet, bildete noch bei Menschengedenken das Chroosbächli z’Zịte̥wịịs einen kleinen Sumpf, welchem man, statt ’s wịt go z’räiche, das Bi̦ns (die Binse) zum hefte (s. u.) enthob. So erklärt der Volksmund den etymologisch mehr als zweifelhaften Zusammenhang. Sprachkundigere denken an solchen mit penchant als Gehänge.
Eine Rebe war zuvor der Rohrachcher (Ga. 1820; Rohr svw. Schilf). Bereits 1293 sehen wir aus der zuvor mit Heckenrosen überwachsenen Strecke vom Wald abwärts bis zum jetzigen Twanner «Bären» mit Wein bepflanzt. Das ist das Rooset (1784 Roßet), rosata, rozēy. die «Rossethalbreben» von 1795. Eine andere Strecke heißt d’Neßlere (Tw.), eine von Sụụrimụụri (Sauerampfer) befreite die oselière (Li.). Mehr als 200 Mannwerk heutiger Reben zu Landeron: les Sauges (ad salices, saules) würde man deutsch bi de Fäälbäïm benennen. Manch ein anderer Weinberg ist überhaupt vormals «ein gstrüp und gstüd ( G’stụ̈ụ̈d) gsin» (1591); einer heißt noch heute d’Stụụde (Alf.). Vgl. d’Stụderäbe zu Erlach. Ein solches G’strï̦pp an der Gemeindegrenze zwischen Vingelz und Alfermee erstreckte sich bis zum neuen Hause Wolleb, dessen Platz vormals von einem altväterische Schị̈ị̈rli eingenommen wurde. Von dieser Herberge aus werden die oberitalienischen Dudelsackpfeifer, nach denen Scheuerlein, Gebüsch und anstoßende Wiese den Namen erhielten, ihre Freibeuterzüge ausgeführt 183 haben. Die welsche Entsprechung Corne-muse (1825), «Gornemausen» (1864), Górnemụụse trug sich auf den der Wiese entzogenen Weinberg über.
Als Namen einstiger Waldstücke begegnen uns: d’Löhlere (Ga. 1820, zu Loo, verwandt mit lucus), der Bielerhart (1784). Von solchen herunter läßt sich vernehmen: der Vogelsang zu Wingreis und am Burgweg (Tw.), und der Amselsang, chant-merle, das Schángmeerli (Li.). Den Kuckucksruf vernimmt man besonders deutlich in der Gauchete (Tw.). Weniger anmutig tööne die Krähenschreie des Chrejebäärg (Erl.) und der Rappeflue (Tw., S. 119, Sch.), sowie un͜der der Rappeflueh = sous la roche au cros (Nv.). Ein Weinberg am Jolimont heißt der Haselauf und einer über Schaffis die Léwreire, le Levrier (zu lepus, lièvre).
Eine Reihe Rodungen oder Ụụfbrü̦ü̦ch, neui Ụụfbrü̦ü̦ch (Bl., Tü., Tw., Li.), Uffbruchs- oder Rietreben (1712) tragen auch oder bloß den Namen i de Ried, oberi und un͜deri Riedräbe, Riedli (Ga., Li., Bl.).
Verluste an kostbarer Erde durch verrinne und verfüehre werden verhütet hier durch einen aus Erde aufgeworfenen Damm: ein terreau, Tä́roo, dort durch Mauern, drittenorts durch Sammler (s. u.). Nicht schade wäre es ja um das Steingeröll der Gu̦ldere, des Goldeli (1820), der Goolerääbe (vgl. Ins 33), das in ganze Bröchche abrutscht; wohl aber um den wirklich wie Gold ( Gu̦ḷd) so kostbaren Ri̦selhärt, der an Steilgehängen wie dem Rï̦lli (Tw., 1790: Rü̦lli) wie durch einen «Rüll» (plötzliche stoßweise Bewegung) 1 losgelöst wird. Getrocknet und verteilt gibt solche Erde der best Wịị.
Ein fernerer Weinbergschutz, namentlich vor Einbrüchen, besteht in den Ịịschleeg. So z. B. zu Schä rne̥lz, welcher vormals als «Schärenholz» umgedeutschter Name (frz. Cerniaux, s. u.) selber «Einschlag» bedeutet. — Seltener, also auffälliger, und eben darum häufiger namengebend ist die Bezeichnung des Einhegens als ein setze der Stützpfähle. Was eine von daher benannte Setzi 2 bedeutet, zeigt am anschaulichsten ein Geländestück zwischen der Pfisterfluh und dem Wald über Tüscherz. Da breiten sich als Setzine Rebstücke, die dem schönen sonnigen Waldsaum abgewonnen sind, sowie Äcker und Wiesen, welche die schönste Lị̈̆säärne gää z’häïe. Von den Uffbruchs- oder Rietreben (s. o.) in den Setzenen über Engelberg ist 1712 die Rede. Andere Twanner 184 Setzine reichen «bis zum (Wild-) Bi̦i̦rlibạum» (s. u.). Bereits 1301 3 bestand die Rebe Jacobs Sezze oder Albrechts Sezze, Setze (1784), Setzzi (1303), 1555 jene Engelberger Setzi. Ein kleiner Anteil an einer solchen Setzi ist ein Setzeli. Schon 1307 begegnet eine neui Setzi, 1556 die oberi Setzi zu Engelberg, heute zu Tw. die Längsetzine und zu Tü. die Daubi Setzi. 4 Es gehören hierher auch die Páleß oder Pálesse (Li.) und der Schlattzụụn (Alf.), die Haagrääbe (Li.) und die Hofräbe (Tü.), der Bụrehof (launiger Name, zu Li.) und das Chilchhööfli (Rebe zu Alf.).
Solches setze der Stützpfähle hat als planter entsprechende romanische Namen erzeugt: Les Plantes (Nv.); la Plantaine (Tw. 1809); les Plantéez (Nv. 1760) und les Plantées (Ld.). Der «Planttaton-Weg» (Tw.) von 1533 ist wohl das heutige Blampe̥te̥wäägli, während jene Plantées als die Pị́antääije (Li.) oder Píanteeie (1855), biantheien (1784), Biant heyen (1747), Biangtheien (1744). byangthenen (1742), Biyangthennen (1741), Biangthöwen (1745), Biangsteinen (1748) wiederkehren. Die plantacio (1229, svw. Setzung) erkennen wir wieder in der Biantsche (Li., Nv.).
Der eingeschlagene Raum aber heißt Chloos ( Ins 296). Je nachdem vom lateinischen Beiwort die Form clausus, clausa (vgl. Klause) oder clausum zugrunde gelegt wird, sagt man i der Chloos (Tü.) und wie 1554 «Im Engelberg zur Kloß», oder aber Au Clos (Nv.), im Chloos (Bl., Tü., Ga.), im obere Chloos (Bl.), im große Chloos (1770) und d’Chlëës (Tü.). Die hierin steckende Doppeldeutigkeit wird gehoben durch der Chloos (Tü.) und der Unterklos im Nugerol (1305), so daß bloß d’s Chlëësli (Tü. 1843) sächlich bleibt. Französisch entspricht das Clos de Vinils (1300), Clos de Rive (Tw. 1795; 1789: Clauderive), Le Clos de Vaux (1609 Clos de Voo — Li. — 1606 Cloz de Voo, 1609 en clos de Voz). D’s Glausi zwischen Erlach und Ins. Ligerz behält daneben bis zur Stunde seine verschiedenen ggyụụ; z. B. das ggyuu à l’Abb (l’Abée von St. Johannsen), vgl. S. 198: das Gjụalább und das Gjụ̈̆ggang ( le clos au comte, des Grafen von Neuenburg).
Den schützenden Abschluß am See gewähren die Bü̦ü̦rine (s. u.) und das «kleine Gestade» (vgl. Ins 78): das Steedli und der Steedlidoorn (Tw.) will sagen: die Dornreben ( S. 182) am Stedli unweit Engelberg.
185 Naturbedingungeu wie freie Wahl bestimmten die Bepflanzung der bestellten Weingärten mit Weinstocksorten, die ebenfalls namengebend wirkten. So gab es 1911 zu Ga. Augsterääbe. Zu Ga. (1807) und Erl. gab oder gibt es Rooti Rääbe, zu Tw. ein (1825) oder (1785) mehrere Rootstücki. Der Rebe, die Milchlere genannt (Erl. 1831), entsprach im 15. Jhd. zu Nv. die Rebe les Blanches. Auf die neue Bestimmuug zu einem Weinberg deuten verschiedene Neurääbe, neui Rääbe.
1
Schwz. Id. 6, 882.
2
Ebd. 7, 1719.
3
Font. 4, 65.
4
Heute recht gut. Einst aber mögen die zwei Rebstücke die an sie gestellten Erwartungen so wenig erfüllt haben, wie etwa die kernlos gebliebene «taube Nuß» oder die brennende «Taubnessel», welche gleichsam «nicht hören» können oder «wollen».
Einhegung und sonstige Abgrenzung verleihen einem Weingelände, wie es sich am Jurasüdgehänge vor dem im Schnụụß des Schnäller (Schnellzug) Vorüberhuschenden fast in einem Augenblicksbilde sammelt einen beinahe mosaikartigen Gesamteindruck. Da machen, wie schon 1306 im Tal Nugerol, so heute im ganzen Seeland sich protzig breit eine Bräite n (Ins) und eine mächtige Anzahl längi Rääbe, drei Längstǘcki und ein Längä́rtige. Nicht wenige Stücke heißen (wie zu Erl. schon 1388 eine) di Großi, i der Großi, i der großi Rääbe und i dem chlịị Rääbli (Li.), d’s groß Stucki (Vg. 1805). Daneben gibt es d’s Feergge̥tli (Tw.), dessen Ertrag «in äi’r Bränte g’feergget» wird, und les Picholets (Nv.), welche «bloß es Zwäierli» ( une picholette) Wein zu ertragen vermögen. Dazwischen schieben sich hier es Bitzli, dort les Banderettes: das von der Bahnlinie abgeschnittene Bándrettli (zwischen Sch. und Li.), vgl. das Kamị́nerli (ein kleines langes Stück zu Tw.), sowie e Hoosedreeger. Als Faaderääbe erstiegen zu Mü. fünf lange und schmale Rebstücke die im Moos anhebende Höhe nach dem Dorf. Um Ins schiebt sich da und dort ein ebensolcher flachliegender Riemen: eine Stälze (Stützbein) 1 als Gutsanhängsel in fremdes Eigentum vor. Als selbständige eigene Stücke schmiegen sich an eine große Rebe verschiedene Gü̦ü̦rteli, Gi̦i̦rteli 186 (Tw., Li.). Beinahe eine Kreisfläche: das Ru̦ntschi, die Rü̦̆ndsche̥ni, bildeten vormals vier Mannwerk Reben, zu Tü. Zu Biel gab es 1805 die Triangle. Das Zaggeli heißt ein Stück zu Tw., der Zopfe (1820) eins zu Ga., das Ortstï̦cki (1825) eins zu Tw., di Spitzräbe eins zu Erl. (1808), im Hëëchégge eins zu Tü. Einen Winkel hat Vg., einen stumpfen Egge als Winkeliségg Tw., eine Winklere Alf.; und die Reben im Reuschelzboden (Ins) formierten 1809 ein Winkelmääs. Ein Rebbezirk bei Erlach heißt der Hoggebärg.
1
Aus
stultus und stolz über nd.
stolt auch afrz.
estout geworden. (
Schrader in idg. Forsch. 18, 514.)
La vigne «attenante» au Vevras (Nv.) oder en Vervas (1368: Vivrar, später Vevra, Vevray) 1 oder die vormalige Clos «Junctam» (um 1344 und 1348, später Jonctan, Jentent) gibt das Muster ab für Fügungen wie «vers le mont» als vermutliche Erklärung 2 des Erlacher Fällmoon; wie au gibet ( am Galge zu Nv., dessen Säulen noch stehen, vgl. Les Fourches als Rebenname im 15. Jahrhundert); 3 uf em Sood (Li.), näbe und hin͜der em Soodhụụs (Li. 1825); ob und hin͜der em Hụụs, hin͜der und bi de Schï̦ï̦re (über Biel).
Viel häufiger jedoch dient solche Angrenzung zur direkten Benennung des Weinberges. So gab es 1338 zu Nv. die Rebe Croise-vaulx, später Croseval, Creusevaulx (la vaux creuse, das «hohle Tal»). 4 Und so gibt es d’Stöckli- (Erl.), d’Hï̦tte- (Tw., s. u.), d’Chappele- (Tü., Tw.), d’Chilche-Rääbe (Li.). Der letztere Name kann allerdings anderwärts auf die Ausstattung einer Pfarrei (s. u.) hinweisen. Wir lassen folgen: d’Schị̈ị̈rli- (Tü.) und Schụ̈ụ̈racher-Räbe (Br.); Le Tirage (Nv.), d’Schịịbe- (Li.) und Schï̦tzehụụs-Räbe (Sch., Li.), Rohr- und Räinacher-Räbe (Ga. 1820), Brunnräbe (Tw.) und Brï̦nneli- (Vg. 1843), Weier- (Br.). Baach- (Ins), Mühli-Rääbe (Ins), Schwellirääbe (Erl.), viele Flue- und Flüeräbe, Reben a der Blatte, im Bru̦chch (Tw.) und Stäibru̦chch (Vg.). die Zälgliräbe (Erl.) und der Fehrich (Vg. 1789), d’Imperäbe (Erl. 1573), 5 Hall- (Tü., Tw.) und Holisgarte (Tw.; 1740: Hollis Garten); les Scies (Nv., 187 d’G’mäinssa̦a̦gi); d’Vestihu̦u̦s- (Li. 1825) und d’Schloßrääbe ( au château, derrière und sous le château, Nv.); d’Chroonerääbe ( à la «Couronne», Nv.); d’Gäßli- (Ins, Lü.) und d’Wắglirääbe (Ga.), Brügg- und Brüggliräbe (Tw., 1273 den Brukewingarte), 6 Stägli- (L. 1825), d’s Stäpfli (Alf.) und die Rebe zer Staphon (Tw. 1291), bi dem Steedli (Tw. 1792, S. 184.) und zum untern Stedli (1785), sodann Chirsbaum- (Tsch.), Nußbaum- (Erl., 1533 La.), Zi̦hlbaum- (Ga.), Fremdbaum (Br.), Baumgarte-(Tü.) und Bangerte (Lü.), Höllerli- (†), Holzli- oder Hölzli- (Ga. 1820), Buechholz-Räbe (Ins): eine Reihe immer bestimmterer Ortsangaben. Sie spitzt sich mehr und mehr zu in einer fernern Namensgruppe. Die beginne mit dem (durchaus irdischen) Inser Himmelrịịch. Am großen Ort der Insel ( S. 17) gedeiht der Insler. Nach dem vorerlachischen Su̦nke̥rt (s. u.) sind ebenfalls Reben benannt. Der Chällerwääg zum Riesenkeller des vormaligen Herrengutes (nun der Epileptiker-Anstalt) Schu̦gg wird noch später zu erwähnen sein. — Wie das Winden als Flechten zum Erwinden als Umkehren führen kann, so mögen die Ladewan͜ddräbe (Erl.) erinnern an den Anwander (Ga. 1820), wie hinwieder der vormals hier wendende Pflug an des Landwirts Bind- oder Häïbaum (Vg. 1842. Ist das ein Gütchen, das ein Fuder Heu gewährt, welches mit einem Bindbaum zu sichern si ch der wäärt isch?)
1
Vivarium = Weier? (
Türl.
Emul. 1903. 47.)
2
Zimmerli.
3
Die «gegabelten» Träger auch des «Galgen» als Brunnensood (
Lf. 41; vgl. litauisch
zalga. Stange).
4
L. die
vallēs, vallis: das «gebogene» Landschaftsgebilde, sei es der konvexe Wall und
Walme; sei es das konkave Tal:
la vaux (La Vaux) und
le val. (Vgl.
Walde 805.)
5
Ebd. A 72.
6
F. 3. 29.
Eine zur Unzahl gesteigerte Anzahl von Weinbergnamen läßt sich insofern in eine Stufenfolge der Bestimmtheit bringen, als einige bloß in engstem Kreis, andere sofort im gesamten Seeland verstanden und häi mg’wi̦i̦se werden können.
Die elementarste Unterscheidung ist die zwischen äigete und an͜der Lị̈ts Rääbe. Dabei muß doch schon der Orientierungssinn bewundert werden, womit sogar Taglöhner und Akkordarbeiter die Grundstücke des Brotherrn auf zwei Stunden Entfernung aus verzweifelter Ähnlichkeit mit fremden Stücken in der so einförmigen Gemengelage heraus erkennen. Denn wie ganz anders deutlich heben sich Acker- und sogar Wiesenstücke des Äänerland voneinander ab! Gleichwohl heißt es scho vo wịtem: nid dää hị́e, sondern der an͜der döört (deert) isch dem Mäier’s sị Blätz; die doo isch Müllers Räbe, daas doo sị’s Räbli.
Verwechslungen sind allerdings z. B. bei neu eingeheirateten Winzersfrauen, bei Dienstboten und Taglöhnern keineswegs ausgeschlossen. 188 Es kam vor, daß man tagelang ahnungslos e̥me̥n an͜dere g’schaffet het und sich dann natürlich nicht einmal beklagen durfte, zum Lohn anstatt Gält gueti Wort oder sogar böösi zu erhalten. Vorsichtige, durch Erfahrung gewitzigte Frauen häi d’Tritte ’zellt, um das Stägli zum wirklich eigenen Weinberg nicht zu verfehlen.
Scheinbar am bestimmtesten, in Wahrheit am vieldeutigsten lauten Namen wie d’Bielere im Munde von Twannern, das Räbli zu Schärnelz (1780 ebenso), die Erlḁch- und Gampeleräbe im Munde von Insern, nach deren Spaß in den Erlach-Reben di chlịịnne Chin͜d gefunden werden usw. Die «Bieler-Reben» liegen aber zu Wingreis im Gemeindebezirk Twann und gehörten zur Benennungszeit dem Spital zu Biel, wie einst die im Gemeindegebiet von Ins liegenden «Erlach-Reben» Erlachern usw. So gibt es in Erlach Nidauer-Rääbe.
Bestimmter lauteten den Namengebern Zuweisungen linksseeischer Bri̦i̦fene (Besitze?) 1 an Einzelpersonen oder deren Familien, deren Glieder als de̥m Vatters Brueder, der Mueters Brueder, vgl. dene Buebe’s ihri Sach bezeichnet werden.
Ein beliebtes Suffix der Zuweisung war das mit lat. -inus, -ina, -inum 2 parallele -ene: d’Aprillene (Erl.) als Eigentum einer Erlacher Familie Aprell (vgl. Merz): d’Tällungene (Vg. 1805, einer Familie Thellung); d’Kahline (Tsch.) neben den Kahlenreben, Chaaleräbe (Ga., vielleicht aber die 1820 umgedeuteten «Kehlräben», d. i. G’chäälräbe, Spalierreben); d’Tschị̆ffellene (Tü., Vg.) des Tschịffeeli von Tw. als umgedeutschten Chiffèle (s. u.) aus Nv.; d’Fụchsene (Vg.), d’Blankene (Ga.) neben den Blanke (-Rääbe: Vg. 1805) eines Blank z. B. aus Ins; d’Fu̦ltschene (Tü. 1533), vgl. Fu̦ltschmḁ’s Graben (Tw. 1792). Eine Rebe zu Alf. heißt d’Beischene. D’s Béischene Beetli war die Frau des Bĕ́gingene Joggi, der zu Vg. die Bĕ́gingene besaß. Einheimische denken bei diesem Namen an die Twanner Bĕ́gịịne: die diesen Namen tragende Pflanzschule der Rebgesellschaft Twann-Ligerz-Tüscherz (s. u.) neben dem schönen B ĕ́giinehụụs des Kunstmalers Jaeger-Engel zu Kleintwann, sowie an das Bĕ́gịịneli. (An einem dortigen Besitz des Schwesternhauses der Beghinen als Gegenstück der männlichen Begharden zweifeln Geschichtskundige.) 3
189 Als weiteres Suffix des Eigentums erscheint das sonst (wie l. -aria) die Fülle bezeichnende -e̥re. So gibt es in Tw. die Saagere als einstigen Besitz eines Berner Schultheißen Saager (s. u. « Heilige Orte»). Die Gụ̈ụ̈dere (Ga. 1820) weist auf die Gụ̈ụ̈der von Bern. In Ga. liegt die Moosere (eines Moser), in Vg. (1805) die Rị̈eflere eines Rüefli und die Waltere eines Walther, in Ga. und Vg. die Löfflere eines Löffel (aus Mü.). — An l. -aneus (frz. -ain) erinnert die Simonaine: die 5 verschiedenen Stücke der Sĭ̦menängle zu Li. Nach Simon, oder vielmehr dem Erlacher Geschlecht Sịmmen, sind Si̦mme’s Räbe zu Ins benannt.
Das hier uns begegnende Weßfall -s (mit der Funktion als Exponent des substantivischen Attributs, s. S. 188) setzt sich fort in Namen wie Tschachtlis Rääbe (Erl.), in Chëërbbers Loch (Tü.).
Häufiger aber tritt hierfür Zusammensetzung ein: d’Neuhụụs- (Tü.), Koch- (Si. 1773). Frei- (Br.), Vogel- (Tü., eines Vogel aus Tw.), Wälti- (eines Wälti aus Ww.), Wolf- (in Li. 2), Pfister (Tü., an der Pfisterflue) -Rääbe, d’s Bịdermaa-Rääbli (Alf., eines Biedermann aus Tw.). Sogar Jean und Grosjean klingen wieder in den Schang- (Li.) und Grooschang-Räbe (Tr.), und auch vor dem Heiligennamen des Jodocus ( Saint Joust) bleiben die Joost-Rääbe zu Li. nicht in respektvoller Ferne.
Bleibt aber erst das Grundwort der Zusammensetzung als selbstverständliches weg, so ist auch das Bestimmungswort dem Verfahren der Sprechbequemlichkeit ausgeliefert. Die Reben der Berner Familie Reichenbach 190 (1789) heißen kurzweg d’Rịịchebäch (Tw.). Den Burkhard aus Li. gehörte einmal di großi Bu̦rkĭ̦́t (Tü. 1793). Der vormals (vgl. Ins 619) zu Treiten ansässige, aber dort herum wenig Ehre einlegende Berner Ratsherr Schaufelberger hinterließ zu Tr. das Schụụfelhụụs, zu Tr. und Ga. 1820 die Schuufelrääbe oder noch kürzer die Schụụfle, und zu Tr. den «Schaufelacker» oder den Schụ̈ụ̈feler. 4
Mit gegenteiliger Ehrung eines vor Zeiten aus Bern in Ligerz eingewanderten und eingeburgerten Rebenbesitzers, dessen Nachkommen fortgesetzt in den Ortsbehörden tätig sind, nennt man eine Rebe zu Li. die Zĭ̦́ge̥rlette und den sie kreuzenden Fußpfad das Zĭ̦́ge̥rlettewäägli. Der zugrunde liegende Name Zĭ̦́gerli als ursprünglicher Zuname des Berner Schultheißengeschlechts von Ringoltingen (bei Erlenbach im Simmental) 5 ist in eine ereignisreiche Besitzesgeschichte verwoben. Hier reihen wir die Tr̦̆́bolette (Li.) an: die Rebe eines Tribolet (Tri̦i̦be̥le̥t) aus Gals, dessen Nachfahren als Berner Burger und Ratsherren in dem berüchtigten Trachselwalder Landvogt von 1653 sich die Namensherleitung von tribeliere gefallen lassen mußten. 6 Ähnlich klingen d’Schĭ̦́bolette (eines Gibolet, Nv.) und d’s Tŭ̦́rpiotli (Li.). Als deutsche Verkleinerung entspricht d’s Straaßerli (Sch., eines Straßer aus Tü.) und, dem Namen Bourguignon (vielleicht aus Sugiez) angefügt, d’s Bŭ̦́rggịịneli (Li.). Eine -ata, -de angehängt bekam in der Maaliaarde (Má-) der Name Maillard, an welchen sich der Besitz dreier ehemaliger Häuser zu Ober-Schärnelz knüpft. Auch die ebendortige Mŏ́laarte trug früher ein Haus. Ganz entstellt wurde das an die jardins Buchines (Nv.) erinnernde champ Buchin (Nv.) zum Tschắmtschäng, während z. B. die Côtes Bugnot (Nv.) intakt geblieben sind. Ebenso Namen wie Conrad de Chanu (1278) = Conradus de Guercu (von Eichen). Die spätern Formen Chasnes und Chesnes sind neufrz. chênes. 1348 lebte Petrus de Marnens (vgl. Marning, S. 179) bei Weißenrain; dort besaß aber wahrscheinlich bereits 1181 Bellelay ein Haus. Auch Mornet war also früher ein Dörfchen, wie jetzt nur noch der Rebbezirk über Neuenstadt. 1224-1239 lebte Hugo de Prapium (Prapian), wie 1308 und 1312 Peter zer Grueben = de Fovea (im Creux zu Schaffis). In Dokumenten der Weißen Kirche erscheint wiederholt Jacobus de Ripa = de la Rive.
1
Ist an appenz. briife (belangen, vgl. engl,
belong) zu denken? Vgl.
schwz. Id. 5, 434.
2
Z. B. die
Carolina: die Halsgerichtsordnung (gleicham als Eigentum) Karls V. neben dem Karolin (einer Goldmünze).
3
Die nach der (wahrscheinlich dalmatinischen)
baga (Weinschlauch als Saumtierlast, Bündel, Gepäck = frz.
bagage,
Bagaschi-Wage
n, Sack, Bettelsack:
M-L. 880;
Heyse, vgl. engl,
beg betteln und bitten) benannten und damit an die Bettelorden erinnernden Beghinen, Beguinen oder Begutten erfreuten sich allerdings, gleich den Begharden, im 11. und besonders im 13. Jhd. (die erstem als Krankenschwestern) einer sehr großen Verbreitung.
4
Spräche nicht der konkrete Fall für diese Namensdeutung, so ließe sich — anknüpfend an das nahe
Feisterhenne (
Ins 336 f.) — die Schaufel (die Schweinsschulter, das
Laffli) als so häufig einbedungenen Bodenzins zur Erklärung herbeiziehen. Vgl. «Schaufelbühl».
Lf. 652.
5
Vgl.
Taschb. 1902.
6
Die Grundform
Trivelet würde, auf
tribulatus zurückgeführt, ein gegenteiliges Gepreßt-, Bedrängt-sein bedeuten.
Bloß Ruveau (rivale, svw. ruisseau, auch rial, riaul, ruaul, vgl. S. 138) heißt heute ein Neuenstadter Platz, der von 1599 an Ruaulx St. Jost ( S. 189) genannt wurde, weil dort eine Kapelle des Jodocus stand, zu deren Ausstattung u. a. zu Ende des 15. Jahrhunderts le champ a Joust (Jost) gehörte. Sie stand aber früher « au Puble», und noch 1573 führte der chemin du Puble an ihr vorüber. Sie gehörte den Herren von Publu, z. B. 1313 dem Rolinus ( Rolli) de Populis = Rolin von Sarbachen (1307), zuvor (1257) dem Borcardus de Publos; und noch früher besaß dort Conon de Publu sein Haus ( chesal, s. u.) in villa de Publu. Die Besitzung ward 1284 durch Junker Eberhard von Biel an das Kloster Bellelay verkauft, wie schon 1185 Sankt Johannsen ( Sant J̦hánns) zu Erlach, 1280 Fraubrunnen, die Johanniter zu (München-) Buchsi u. a. in diesem Sarbachen durch Rebenkauf hier Fuß gefaßt. Der Wegzug der Gutsherren nach Neuenstadt ließ nacheinander das Dörfchen, den eigenen Rebenbesitz und schließlich den Namen eingehen: 1 die pōpulus (le peuplier) ist bloß noch die Pōpulus trémula: die Zitterpappel oder der Saarbạum, welcher gleich dem Fäälbạum (der Salix alba, Ins) 2 feuchte Orte sucht und darum sehr wohl den «Saarbaumbach», gekürzt: Saarbach, in der Wofallform: (zu) Saarbachen, nach sich benennen kann.
Von einem andern Rebdörfchen im alten Nugerol (s. u.) besteht bloß noch ein altes, kleines Haus: z’Wị̆́ßerä́in bei Neuenstadt. Es war noch vor zwei Menschenaltern eine Chundemï̦hli, wird aber bereits auf der prächtigen Karte des Inselsaales vom 17. Jahrhundert als Dürrmühle bezeichnet: eine Dï̦ï̦rmï̦hli, die längs Zịt kein Wasser hatte (vgl. Chenaillette, S. 182). 1338 aber wohnte in dieser Poudela (d. h. der Lache, dem Pudel, Pfudel, worin man pudelt) 3 Hugo genannt Wilere, also der Dorfbewohner, Dörfler, wie er im nahen Städtchen hieß, und gleichzeitig besaß der Freiherr Jakob von Podeila, der noch heutigen Poudeille, Reben. 4
Auch von der frühern Gemeinde Äntsche̥rz (Entscherz) über Tschugg ist außer dem großen Winzerhaus der jetzigen Epileptiker-Anstalt und dem Steigerwääg (s. u.) nichts von alt einheimischem Herrenbesitz übrig geblieben.
Ganz verschollen ist der Sitz Kunos und Peters von Schanfranckun bei Schaffis (1312), wo bereits 1303 die Herren von Biel Reben «zu 192 Zchan- oder Zhanfrancun» besaßen. Noch 1395 erscheint ein curtil ( Hööfli) und ein port (eine Länti), sowie 1494 eine Rebe zu Cbampfrancon. 5
Ein Ritter Hugo de Prapium (1224-1239) erscheint als Besitzer einer Örtlichkeit und einer Länti, welche im 13. Jahrhundert Praping, im 15. Pray Pion hieß. 6 Der Name mag als vormalige «Wiese mit Fußwegrecht nach dem See» 7 gedeutet werden. Das Papion, Prapium erscheint 1214 als Objekt der Teilung zwischen den Grafen von Neuenburg-Nidau und welsch Neuenburg. — Einem Herrn Amadeus von Neuenburg gehörte 1285 le Clos (das Chloos) von Schaffis.
A l’espanciour (1390) oder à l’épanchour (1728), von einem Bach begrenzten «Ausbreitungsplatz», 8 wohnte der Abortreiniger ( maître des basses oeuvres). Eine dortige Rebe verkaufte 1428 Ulrich Haller, Edelknecht von Courtelary ( Gu̦u̦rtlarịị, -ị́). 9 Herren von St. Immer dagegen besaßen die Säntemier zu Li. Das Aarbärgerhụụs (der Frau Inspektor Boden) zu Li. beherrschte noch 1824 dort 36, im gesamten Seeland 322 Mannwerk Reben.
Wir finden aber auch aus dem heutigen Aarbergeramt Haus- und Rebenbesitzer zu Neuenstadt: im 16. Jahrhundert einen Herrn von Lobsigen. Nach den im 14. Jahrhundert ausgestorbenen Herren von Bremgarten bei Bern hießen noch 1494 und 1573 Reben es Bremgartes, wie nach den Herren des oberemmentalischen Signau 1284 eine Rebe à Siguenoe. Wer aber würde, wenn nicht die Schreibungen Ghernesten (1276) und Gernetel (1499) uf d’Spur füehrti, in dem prächtigen Gute Grenetel zu Nv. (vgl. das Grentschel zu Lyß, Ins 198) die Herren von Gerenstein ( Geeristei zu Bolligen) suchen? 10 Als die Stift gehörte im 15. bis 19. Jahrhundert das Gut dem Kapitel Bern, im 12. und 13. den besagten Herren, die aber 1270 eine Rebe dem Kloster Frauenkappelen abtraten. 11
Selbst der Friesebe̥rg bei Wynigen langte an den See bei Schaffis hinüber. Von jenem Oberaargauer Ort stammte Vinzenz Fries 12 (eigentlich der Chrụụselchopf), 13 der als Burger von Bern um 1343 starb. Er hatte als Lehenmann des Grafen Rudolf von Nidau «des Friesen Reben» (1464): d’Friese inne. Nach ihm kam sie an Johann Pfirter, den Großvater des Nicolas Pfirter, der sie dagegen 1391 von der Stadt Bern als nunmehriger Besitzerin zu Mannslehen empfing.
1
Türl.
Emul. 1903, 44: vgl.
Ins.
2
Darum nach
Walde 600
pōpulus als Reduplikativform verwandt mit ahd.
fëlawa (Fäälbaum).
3
Kluge 357; vgl. Budel, budle im
Gw. 295 und die Budlei zu Vinelz (Ins).
4
Türl.
Emul. 1903, 45.
5
Ebd. 46.
6
Ebd. 43.
7
Sofern nämlich frz.
pion (aus it.
pedone, ml.
pĕdo (Fußgänger), woraus
le pionnier und der
Pionier wurde, dahinter steckt. (Cosandier.)
8
Epancher (expendicare): ausbreiten.
9
Curtis Alarici, Hof des Alarich. Zur Sache:
Türl.
Emul. 1903, 48.
10
Vgl.
Gerinstein als
Gerensten und
Garestei seit 1218 (
Fontes 2, 13 ff.).
11
Ebd. 43.
12
Ebd. 46.
13
Vgl.
Kluge 150;
Hoops 2, 101.
Namen wie ’s Wịịberguet (Li.), wie d’Gï̦eterrääbe und Räbgï̦eter (Vi. 1805), wie d’s Metzgerstï̦cki (Tü.), wie die Erlacher Lampe̥rte-Rääbe (s. Z. von «Lamparten» aus der Lombardei als Geldwechslern — vgl. den Lombard — angekauft, von der Berner Regierung erworben und 1823 versteigert) 1 führen uns über zu den Her rerääbe als Teilen ausgedehnter Grundbesitze. Und so zum Heereguet auf dem Jolimont, das die Erlacher einem Neuenburger überließen; zum Heereholz (Jens, vgl. die prés Monsieur zu Nv.); zum Her reräin zu Tschugg, der unter vielem andern auch es abaartig es guets Dröpfli Rooten erzeugt; zur Heereha̦a̦l de (der Insel heer re ebd.). Unter den Herren sind hier insbesondere die vielen Generationen von Steiger aus Bern verstanden, von denen auch der Steigerwääg (s. u.) redet. Zu Ins galten und gelten als Herren die Neuenburger Familienglieder de Pury ( d’s Bụ̈ụ̈ris) und Portalès ( Pŭ̦́talee, Bórtḁlee), welch letztere als Stifter und Träger des nach ihnen benannten Neuenburger Spitals noch die meisten Inser-Reben besitzen. Überhaupt war im Mittelalter und noch in neuerer Zeit «Herr» svw. Grundherr: Besitzer ausgedehnter Güter, die er als Entschädigung für militärischen Zuzug in Form erblicher Lehen vom höchsten Landesherrn empfange, bzw. ’berchoo het, um sie Unterpächtern auszuleihen. D’s Land war also mit seinen Gebäuden nach beiden Seiten ụụsg’lehnt oder ụụsg’läächnet an den Lääche- oder Läächmaa. Der Grundherr war zugleich Pächter und Verpächter, wie der B’hụụsmḁ im Doppelsinn des Wortes Mieter oder Vermieter 194 sein kann. 2 Unterpächter des Grundherrn aber waren Kleinbauern, die als nunmehrige Gutshörige in bösen Zeiten bei ihm Schutz suchten und im Frondienst 3 seine sälber bhaltnige Hofgüter bauten.
Vom Grundherrn als Stifter und Eigner einer Ortskirche ging der vollwertige Titel auf den Diener dieser Kirche über, und dieser trug ihn nach dem Übergang der Grundherrschaft auf die Stadt und den daraus hervorgehenden Staat auf dem Landschaftsgebiet der Untertanen so ausschließlich, daß hier Herr svw. Pfarrherr geworden ist. Der Weßfall d’s Heer re konnte sich auf dessen Nachkommen sogar als Geschlechtsname Herren, Heere forterben. So zumal im Laupenamt. Nach beliebtem Wortspiel gibt es im dortigen Weiler Rü̦pplisried feuf Here u feuf Bụụre u feuf Hün͜d. (Alle fünf Bauern heißen Herren, und jeder hält einen Hund.) In Nidau aber gibt es das Geschlecht Herrli.
Als ein vorab durch sein Alter Ehrwürdiger gehörte der Heer, wenn er auf einen weit zurückreichenden Stammbaum von «Vätern» hinweisen konnte, zum Adel 4 oder zur Noblesse, 5 welche im Verfügen über eigenes Gut ’s nobel gi bt.
Wer als männliches Mitglied alter Familien adeligen Rang und Stand beanspruchte, nannte sich «Jungherr», junc-herre, Junker (vgl. das Junkholz), parallel der jungen Frau (d. i. jungen Herrin) als der ursprünglichen Jungfrau, die nun als Jungfe̥r N. N. und als Jumpfe̥re ledigen Standes hinter dem keineswegs immer edlern Fräiläin zurücktreten muß, als Jü̦mpferli die Reimworte zi̦mpferli ch 195 und Gü̦mperli in Erinnerung ruft, als bäuerliche Jumpfrau aber vollends die herabsetzende Wortgeschichte des städtischen Meitli (Mädchen als Magd) 6 mitmacht.
Ständig sprach man z. B. in Erlach vom Junker Landvogt, wie denn auch der steile Aufstieg zum dortigen Schloß (die S. 102 besprochene Oberstadt oder einfach Stadt im Gegensatze zum unterhalb gelegenen Stedtli) bis heute auch d’Junkeregaß genannt wird.
Die herrschaftliche Fronarbeit konnte auf bestimmte Wochentage verlegt sein. Drum der Donnstigacher, der Mi̦ttwu̦che, der Samstig. Andere Stücke gab der Grundherr in Halbpacht, so namentlich die Halbräbe (s. u.); als Lohnrääbe oder Lohnachere (1533) ließ er sie um e̥nes Löhnli bebauen.
Es war natürlich der Herren eigener Profit, ihre Untergebenen durch honoorigi Bi̦handlig leistungsfähig zu erhalten. Nur dummstolze Brutalität, die der Chopf hin͜der aabe het, die vom Untergebenen min͜der oder nü̦ü̦t dänkt, ihn vielmehr vergestimiert (verestimiert = verachtet und wie einen übel empfangenen Gast vergästet), ihn bei jeder Gelegenheit i d’s Eggeli stellt und p’här foorst ( par force) alles von ihm erzwänge will, untergrub mit der Zeit das patriarchalische Verhältnis, das uns in Schillers «Attinghausen» so ideal dargestellt wird. Dienstadelige Rittergeschlechter, wie teilweise die von Erlach und wie die nachmals nach Oberbipp verpflanzten von Ins, haben bis heute dies Ideal gewahrt.
Wie bisweilen neben, ja vor einheimischen Edlen wie Berchtold von Schaffis (1292) weit entfernte in den Bielersee-Reben platzgriffen, zeigt der Urner Egilolf von Opelingen, welcher 1146 das campum regium zu Landeron (Königsfeld, vielleicht einst des Burgunderkönigs Rudolf, im 13. Jahrhundert: das chan-re) an Frienisberg verkaufte. Wahrscheinlich bei Schaffis aber lag das «Herrenfeld»: der noch im 15. Jahrhundert genannte « Domino-campus», Donno Campo, Dunchamp (1255), Dunzhan (1294), Duchamp. 7 Es kam 1250 von dem großen Herrn Werner von Kien an den Edlen Burkhard von Deß, 1255 an das seine Besitzungen ausrundende Kloster Bellelay, 1294 ein Haus darauf an Niklaus von Schaffis. 8
Vom Twannbach bis zur Flueh bei Tüscherz, welche vor dem Straßenbau von 1839 i’ n See ụụse ragte und um Hammerwurfsweite 196 i’ n See ịịne, reichte die Freiherrschaft Twann. Allein der letzte Herr von Twann starb kurz vor 1253, und seine Tochter Berchta brachte die Herrschaft ihrem Gemahl Burkhard von Deß zu. Wieder war es des letzten Tessers Tochter Clara, durch welche 1335 Otto von Vaumarcus Twann samt Deß erbte. Die Herrschaft und damit die niedere Gerichtsbarkeit kam später (s. u.) an Bern, welche Stadt 1487 als Erbin der Grafschaft Nidau auch die halbe hohe Gerichtsbarkeit an sich zog. Ihre eigenen Rechte über die andere Hälfte aber verwahrten sich die Twanner sehr sorgfältig in ihrem Schlafbuech; und als 1487 ihre Herrschaft durch Bern zur Landvogtei Nidau geschlagen wurde, häi sị si ch g’wehrt wi d’Häftlimacher 9 für die fortgesetzte Gewährung eines äigete Landschrịịber und G’richtschrịịber. Einstweilen, z. B. noch 1687, geschah dies mit Erfolg.
Es gab auch Freiherren von Ligerz. Ihr erster Adelsträger war der Kastellan Petermann zum Schloßbärg über Neuenstadt. Ihr letzter, Bernhard, verkaufte um 1406 seine Herrschaftsrechte an den Berner Burger Johann von Büren, der sie 1409 an die Stadt Biel abtrat. Diese Freiherren, welche 1598 ausstarben, werden ursprünglich die Vesti ( le château) bewohnt haben, deren Platz mit den spärlichen Überresten nahe der gleichnamigen, uralten Häusergruppe einen so anmutvollen Blick auf das Dorf Ligerz am See un͜der gewährt. Hier liegt, an der Grenze zwischen Ligerz und Schaffis und beim einstigen Chalchofe (wo Kalk gebrannt wurde) der Hof (hierher die Hofrääbe?) oder La Porte. Das ist der Stammsitz der jüngern Linie von Ligerz, welche die am Hause seewärts ụụfg’ma̦a̦lne drei Chleebletter im Wappen führte. Sie stammte ab von Johann de Costel 10 und dem Ligerzer Wirt Heineli. 11 Sie starb 1820 aus.
Unserm Illustrator Dr. Ernst Geiger als nunmehrigem Besitzer verdanken wir die folgenden Notizen über den Hof bei Ligerz (aber auf Neuenstadter Boden stehend): Die letzten Angehörigen des Geschlechts von Ligerz verkauften 1814 den Hof an Vinzenz Santschi und A. Burkhard. Diese halbierten das Gebäude unter sich und machten es zur Wiibuurewohnig ortsüblicher Art. Die reiche Innenausstattung verschwand zum grössten Teil. Die eingelegte Decke des Saals wurde veräußert, indes von den Wänden noch ein Stück im Hof vorhanden ist. Es zeigt schöne Städtebilder und ornamentale Motive des 16. Jahrhunderts.
Seitdem die beiden Teile des Hauses wieder in éiner Hand vereinigt sind, wurden die vermuurete Türen und Fenster wieder geöffnet (alt: ’tụụft, die Zwischenwand und Decke furt ’too. Der hergestellte Saal weist im Innern auf fünf Kragsteinen das Woope 197 der Familie von Ligerz auf: drüü Chleeblettli auf dem Dreiberg. Ein Allianz-Wappen zeigt neben dem Wappen der Familie ein bisher unbekanntes Frauenwappen und darüber die Jahrzahl 1555. Ein anderes Wappen trägt die Jahrzahl 1719. Die Fenster des Saales zeigen das Muschelornament mit spinnwebenartigen Motiven auf. Während auf die Seite des Torbogens hin ein dreiteiliges Fenster blickt, zeigt uf e See ụsḁ eine sechsteilige Fenstergruppe, deren Mitte durch eine zierliche Säule betont ist. Im Egge des Saales zwischen beiden Fenstergruppen führt eine schwere iisigi Tüür in den Erker, der mit seinen früher vergitterten vier Fenstern das Familienarchiv geborgen haben soll. Der durch sein Alter schreeg gewordene Turmhelm des Erkers ist mit farbig glasierten Ziegeln ’deckt. Bemerkenswert sind noch eine spätgotische Fensterfassung und die Reste eines spätgotischen Kamins im Parterre, wo allem noo einst ein großer Saal seine Pracht entfaltet hat. (Siche Bild S. 232.)
Tüscherz-Alfermé gehörte samt dem vormals kirchgenössigen Sutz-Lattrigen rechts des Sees ( änet em See) zur Herrschaft Nidau, welche außerdem das Stadt- und Landgricht Nidau, das Schloßgebiet und den See, so wịt wi d’Wälle schlöö, umfaßte.
Die Herrschaft Nidau trug aber den Titel einer Grafschaft, verband also mit dem ausgedehnten Grundbesitz die umfassenden erblichen Befugnisse und Einkünfte der nichterblichen militärischen und finanziellen Verwaltung. 12 Der gleichen Stellung erfreuten sich die Herrschaften Erlach, Aarberg, Straßberg (Büren), Oltigen, Neuenburg: alle wie Nidau aus der Herrschaft Deutsch-Neuenburg hervorgegangen, welche zwischen 1221 und 1224 von Vinelz- ( Fenis-) oder Welsch-Neuenburg abgetrennt worden war. Dieser gehörte auch die Vogtei über das Stedtli Biel.
Im 12. Jahrhundert reichten auch Grafen von Laupen nach Neuenstadt hinüber. 1312 erscheint ein Lôpen bei Schaffis, 1336 ist Jacob de Loies (Loyes) Burger von Neuenstadt, und 1412 lebte zu Schaffis Imier de Loyes. 13
Aber um 1450 erlangten selbst die Grafen von Savoyen, welchen im 14. Jahrhundert Erlach als Lehen und während zehn Jahren als unmittelbare Herrschaft verfallen war, Hoheitsrechte über Neuenstadter Reben. Sie erhielten Reben des Klosters Rüeggisberg (s. u.) als Lehen vom Berner Schultheißen Rudolf Hofmeister, der sie erworben hatte. Diesem folgten als Eigner die Berner Schultheißen Rudolf von Ringoltingen, zubenannt Zigerli (s. u.), und sein Sohn Thüring, 198 welcher durch Umwandlung des Manns- in ein Kunkellehen 14 die von ihm noch gemehrten Neuenstadter Reben seinen bruderlosen Töchtern sicherte. Ein clos au comte ( Gyu Ggang) gibt es zu Li., eine comtesse ebd. als d’Gŭ̦́ntesse. — Erwähnt sei noch der Mắrgrääfler aus Churbaden als dem alten Markgrafenland.
1
EB. 2, 452.
2
Vgl.
miete = niete als Vorspann leisten und nehmen:
entlehnne: in Leihe (Darlehen) geben und nehmen:
näh
men = gr.
némein (zuteilen) und
gää
ben = irisch
gibaim (nehme); kaufen =
cauponari: um Gegenwert empfangen und hingeben (wie der Kaufmann). Vgl. auch
epfangni (befruchtete) Eier. («Gegensinn der Urworte» von Abel in der «Gegenwart».)
3
Reben der got. «
fraujô» (ahd.
frouwe, mhd.
vrouwe als Herrin) ist der got.
frauja (Herr) und der ahd. als
frô! angerufene Herr der religiöse und nochmals staatliche Fortsetzer des heidnisch-deutschen Trägers der Heiligkeit. In solchem Sinn entstand der ahd. Mehrzahl-Weßfall
frôno («der Heiligen»), woraus mhd. das Beiwort
vron und das Dingwort die
vrône = die
Fron, sowie nhd. der Gerichts-Fron geworden ist. (
Kluge 151 f.) Aus hehr (ehrwürdig) aber bildete sich der Komparativ ahd.
hêr-iro (wie der as. Superlativ
hêr-ôsto) als Herr,
Heer parallel dem Komparativ
sen-ior (
Seigneur, Sieur, Sire) aus
sen-ex (bejahrt, welches Wort auch im gallischen
Seneca, im Senat, im fränkischen
sini-skalkus: Seneschall, ältester Hausdiener usw. steckt. (
Kluge 199. 206. 498;
Walde 698.)
4
Zu Att (Vater):
Kluge 6f.;
Hoops 1, 36. «Der» und «das»
adel spricht für die ursprünglich adjektivische Funktion von
adal, edil, edili (
Graff 1, 141), bei welcher bloß noch
edel blieb. Die Umlautform
uodal (Adelsgut,
fater-uodal) ist erhalten in dem bei emmenthal. «d’Uele» stark entwerteten
Uodul-rîh (Ulrich,
Ueli: durch Adelsgut mächtig),
Uodalbert, (Adalbert, Albert) und
Uodalbëraht, (
Albrecht, Abrecht, Brächt: durch Adelsgut glänzend),
Uodal-lant = Uhland usw.
5
Lat.
gnobilis:
chennbar, bekannt,
vo däm ma redt. (
Walde 522.)
6
Got.
mag-ath Mädchen neben
mag-us Knabe. Mit der Entwertung vgl. z. B. engl.
maiden hair (Frauenhaar als Zimmerspargel) mit
ladys-maid.
7
Domus Haus,
dominus Herr,
dominicellus: damoiseau, pv.
donzel (Junker),
dominicella: demoiselle.
8
Türl.
Emul. 1903, 45.
9
Zweistufiges Bild:
Wi n e Häftlimacher luege = «scharf» zur Arbeit sehen, und so auch «scharf» sich zur Wehre setzen. Vgl.
tubacke, riich sịị u. dgl.,
wi n e Stier = stark, sehr.
10
Vgl.
Gostel (
Ins 76 f.) und frz.
côteau (Abhang): zu
costa;
M-L. 2279.
11
Mül. 323. 332 f.;
Türl.-Propper. Bl. sub Ligerz.
12
Aus der «Zahl» der zum Heer Aufgebotenen: dem alten
rôf oder der ahd.
ruaba, as.
ruova (zu
ruabôn, und
garuabôn zählen:
Graff 2, 361), welche die Hundertschaft (
centena) zu stellen vermochte, leitet denn auch Brunners Rechtsgeschichte (vgl. Heusler 46) den
Graf als
ga-rôf-jo, ga-rêf-jo her. Vgl.
Kluge 178 f.;
Hoops 2, 325. Der frz.
comte ist dagegen der «Mitgeher», Gefolgsmann des obersten Landesherrn (
com-i-t-es Mehrzahl von
comes).
13
Türl.
Emul. 1903, 46.
14
Die Kunkel als Symbol der Weiblichkeit und ihrer Rechte:
schwz. Id. 3, 365.
Eine im ganzen sehr wohltätige Ku̦nke̥rä́nz schufen den weltlichen Herrschaften, welche namentlich als Grafschaften durch ruinöses Aufgebot zu Ding (Gericht) und Heer immer mehr freie Kleinbauern als Hörige unter ihre Macht zwangen, 1 die geistlichen Stiftungen. Von Vergabungen an solche reden zunächst Weinbergnamen wie das Ligerzer bois de Dieu (1825): Bŭ́e̥te̥die̥ oder -dịị, Bụ̆ụ̆tedị́ị oder -dị, das nahe Marion, Mắriung und die vignes de Notre Dame: 5 Mw. zu Landeron, sowie zu Nv. (1706, ehemals Balluen), die St. Niklaus (1809) oder Chlạusere-Rääbe zu Ins, der campus Martini oder Tschammerdịị, Schammerdịị (-dị́) zu Vingelz (1805), erinnernd an das Tschame̥rịị (-ị́) zu Hasli bei Burgdorf, vielleicht auch die Piereha̦a̦l de (Ins).
Das clos à l’Abbée (von St. Johannsen) erscheint in interessantem Patoisrest von Ligerz als das Gyụ a l’Abb. Zu Gals gehört eine Konwä́ntsmatte des eben genannten frühern Klosters. Eine Nu̦nnemï̦hli (s. u.), über deren Zugehörigkeit nichts zu erfahren ist, ward durch den Unterlauf des Twannbach getrieben. Von Mönchen reden alle die München-acher und -matte, der -rehhaagacher und die Möönha̦a̦l de ( Ins 34), das Mü̦nchebụ̆́chsi der Johanniter (s. u.) und der Sentier aux Moines (Li.), der zum Bois de Dieu hinanführt.
Der im Bruedersweier (Ins), Bruderholz usw. verewigte Laienbruder des Klosters führt über zu dessen geistlichem «Vater»: dem gotisch-griechischen papâs als dem Pfaff. 2 Durch Luthers Opposition gegen die von ihm innerlich überwundene «Möncherei» mit dem Nebensinn des behaglichen Wohllebens, auch etwa der Herrschsucht behaftet, finden wir das Lehnwort in der affektlosen Grundbedeutung verewigt in der Pfaffechilche (in der Falbringen, d. i. Volmaringen, über 199 Biel, 1805); im Pfaffehụụs der St. Urbaner Mönche (jetzt das Matthysehụụs), zu Vg.; im ụssere un innere Pfaffeholz (Fh.): in der Pfaffeblatte (im Wald über Tü.); im Pfaffetaan (1545): Faffenthan oder Fassanten 3 am «Pfultschmißgraben» (1621), zu Lü. und Tw., bis 1649 zum Twanner Klostergut Engelberg — Ängelbärg — bei Wingreis gehörend; im Pfaffe-Mamme̥rt (Mannwerk) nahe beim Gu̦felä́tt (s. u.). Eine Pfaffematte liegt zu Mü. (1715), ein Pfaffemätteli (1805) zu Gottstatt.
Das unserm Rebgebiet nächste Kloster, welches reiches Rebgut besaß, um nun in seiner Nachfolge als Zwangsarbeitsanstalt Häcker in fremde Weinberge auszuschicken, ist St. Johannsen (Sand J̦hánnse, Sant J̦hánns, Hanse, vgl. Ins 571 ff.) bei Erlach, aber auf Galser Boden. Das dem Täufer gewidmete Alt-Benediktinerkloster ward um 1097 gegründet durch den Lausanner Bischof Cuno von Fenis (Vinelz) und vollendet durch dessen Bruder: den Basler Bischof Burkhard, der auch die Burg Erlach baute. Das Kloster besaß 1183 u. a. die Rebe Mornet zu Nv., nach welcher 1265 ein Aimon und 1285 ein Jaques de Mornet sich benannte, und erwarb 1264 von der Adelsfamilie Riche von Solothurn einen dortigen Weinzehnten. Um 1185 besaß es auch Reben zu Volcon, Vouchon, Vuichon, Vuitchon sur le ruz: über dem Bechli, dessen Unterlauf nur noch einzig Vuichon heißt. St. Johannsen aber besaß zu diesem Rebgut ein Haus und eine Mühle, was alles nebst einem Feld 1195 an Bellelay (s. u.) kam. St. Johannsen erwarb dafür um 1200 von einem Herrn von Üsenberg das Fischerrecht im Bielersee. 4
Spurlos vergange ist der Rebenbesitz des Cluniacenserklosters Rüeggisberg ( Hruod-ger-is oder Rüeggers-Berg, frz. Montrichier). Eine Rebe zu Montrichier, vermutlich hinter der Vorstadt Neuenstadt, kam 1284 durch Jaques de Mornet an die dortige Weiße Kirche, 1296 aber durch einen Pfarrer derselben an Bellelay. 5
Reben über Prapion zu Nv.: en Russilie, Rusille, Recille kaufte 1383 das Frauenkloster Frauenkappelen. 6 Der Name erinnert an Fraubrunuen: Unserer Lieben Frauen Brunnen (Heilguell), Font Beatae Mariae. Dem hier gestifteten Frauenkloster gehörte der Chapf über Twann mit den besondern Teilen der Frạuechäpf (1784, 1825) und das Frạuechäpfli, des Chäpfli schlechthin. (Über ihren Akkord mit Twannern s. u.). Verwaltungssitz aber war das weitläufige Frạubrunnerhụụs mit der eigenen Fraubrunnelänti zu Twann.
200 Als eine Haupterbin des früh in den Hintergrund gedrängten Münster-Granfelden (s. u.) sehen wir wiederholt die (jetzt als jurassische Irrenanstalt fortbestehende) Prämonstratenser-Abtei Bellelay ( Bällelee) si ch bräit mache. Sie faßte während ihres ungewöhnlich langen Bestandes (um 1140 bis 1798) auch zu Neuenstadt so kräftig Boden, daß sie hier bis 1798 auch den Kirchensatz und die Präsentation für die Pfarrbesetzung behielt. Mittelst ihrer Tochterstifte zu Andreasbruunen und auf dem Bartloméhof (auf dem Bü̦ttebärg, von hier nach Gottstatt an der Zihl verlegt), faßte Bellelay auch im Neuenburgischen und im untern Seeland Fuß. Mittelpunkt der einstigen Gottstatter Reben zu Vingelz war das stattliche Gottstatterhụụs, kurz: Gottstatt, heute eine Wirtschaft.
Der Abt Juillerat begann 1631 den Bau des Reb- und Ferienhauses zu Neuenstadt, das 1804 in den Besitz der Stadt Bern kam und seither das Bärnerhụụs genannt wird. Sein Nachfolger führte den Bau mit der stolzen First zu Ende. Dem Abt Cüenat diente das Haus acht Jahre lang als Asyl vor den Schweden, die während des dreißigjährigen Krieges einen Einbruch in den Jura zu befürchten gaben. Dieser Gefahr überließ der geistliche Herr seine Untergebenen, sie auf seine Verhaltungsmaßregeln verweisend. Tapfer hielten dagegen der Prior und der spätere Abt Johann Georg Schwaller in den bösen Zeiten aus. Weniger zu rühmen ist der vom letztern nach 1671 dem Haus angebaute Schwallerturn, welcher von der Südseite her den Zutritt und Aufstieg ins Haus und in die obern Stockwerke ermöglicht, und der bis zum Abbruch im Jahr 1920 den Dampfschiffkursen Erlach-Neuenstadt als Orientierungspunkt diente. Er war nämlich nicht nur so unarchitektonisch als möglich aab’bauet, sondern auch so flüchtig fundamentiert, dass die dicht an ihm vorübersausenden Eisenbahnzüge ihn zu einem immer bedenklichern chiere brachten und die Abtragung ein dringendes Gebot der Verkehrssicherung wurde. Das einzig Erhaltenswerte an ihm ist der Wappenstein, der unter dem Helm das Kreuzgewölbe abschließt. Er zeigt innerhalb der runden Umgrenzung in einem gevierten Schilde die Woope Bellelay und Schwaller. Das Wappenschild wird überragt von einem Krummstab, indes der noch freie Raum zu beiden Seiten mit einer Mitra (Bischofsmütze) und mit der Helmzier der Schwaller von Solothurn geschmückt ist. Der dem trefflich erhaltenen Wappenstein gebührende Platz ist der über dem Haupteingang ins Bärnerhụụs auf der Hofseite zwischen Haustüre und Fenster des erste Stock. Dort ward schon beim Hausbau ein ziemlich großer, rechteckiger Woopestäi iig’loo; zur Zeit der Revolution fand sich ein Freiheits- und Gleichheitsheld berufen, die schönen Wappen abz’schloo. 7
Noch 1529/30 erhielten die Karthäuser von Toorbärg vom See ihre 10 Faß Wein in ihr Doorbärghụụs (den heutigen Hinterbau des Hauses Witzig) zu Ligerz geliefert. Da hatten sie 1404 von Kuno Runggi beträchtliche Weinbergbesitze erworben. Die Cistercienser-Abtei Frienisbärg mit ihrer kleinen Nonnenfiliale Tedligen besaß ein Haus zu Landeron.
201 Einen weiten, freien Umschwung beherrscht neben Wingreis zu Twann das auch nach seinem modernisierten Umbau eigenartig stattliche Haus Ängelbärg (die heutige Fremdenpension Burkhard-Engel von Li. und Tw.) als Zweigniederlassung des Nidwaldner Klosters Engelberg.
Als Erholungsheim: eine dŏmus convaletudinis, Confellet (1329), Cumphellet (1334), Caphellet uf der wueste (1334), Conflet (1353), Convalethaus (1798) war auch das Gŏfe̥lä́tter- oder Gŭ̦fe̥lä́tterhụụs, kurz und gewöhnlich: das Gŭ̦felä́tt ( S. 120) am See zwischen Tüscherz und Alfermee gedacht. Das Luzerner Kloster St. Urban ( Sant U̦u̦rbe) hat es 1334 8 hier auf dem Platze, wo seit 1915 die Quelle der Wasserversorgung für die genannte Doppelgemeinde sprudelt, abg’stellt und 1353 erweitert durch die Gŭ̦felä́ttere: das weithin reichende Rebgut, das von einem zueg’chaufte Ökonomiegebäude beherrscht wurde. Diese Schï̦ï̦r barg acht bis zehn Kühe, deren Behandlung gleich der des Rebguts der Großkellner überwachte. Er wohnte im zweiten ( obere) Stock des östlich der Scheuer gelegenen Hauses, während der un͜der Stock zur Lesezeit die geistlichen Winzer (s. u.) herbergte. Die in den großen Saal eingebaute Kapelle sollte die «Pfarer» ihre Klösterlichkeit nid ganz lo vergässe. Für das bißchen Ferien-Askese entschädigte sie dann wieder der mächtige Chäller un͜der inne mit den vier bis sechs großen Trïele.
Trotz seiner Ausdehnung stellte das gegen 40 m lange, mit seiner Breite zwischen See und Fels eingebettete Doppelhaus 9 gegen die Landseite hin wenig vor: es isch fast numme Dach gsịi̦. Die Gebäude fielen denn auch, nachdem eines von ihnen noch eine Weile als Schuelhụụs gedient, 1860 der Eisenbahn zum Opfer. Die sehr festen Grundmauern aber mußten durch Sprengung der Quellenfassung weichen.
So das Ende des St. Urbaner Niederlasses. Sein Zweck war mit der Aufhebung des Mutterklosters erfüllt: die Luzerner Regierung säkularisierte dasselbe am 14. April 1848 zwecks Deckung ihrer Sonderbundskriegskosten und verwandelte es in der Folge in eine Irrenanstalt. 10
Die Gu̦felä́ttere aber wurde samt dem Raub im Bären zu Twann versteigert. Die Stäigerig dauerte acht Tag: so schrëckeli häi di Lị̈t b’bressiert. 11
202 Dem Straßenbau von 1839 wichen auch die der Twanner Kirche als einheitlicher Komplex angefügten Gebäude der Johanniter: einer Freischar der Kreuzzüge zur Pflege der ins Heilige Land Verschlagenen. Sie waren also Genossen der Tempelritter, der Lazarusbrüder, 12 der einst auch in Epsḁ ch und dessen eingegangenem Nachbarort Wiler begüterten Deutschritter. Die nach dem Täufer benannten Johanniter 13 besaßen als schweizerische Anstalt die Priesterkommende Küsnacht bei Zürich. Die faßte auch Boden am Bielersee: im Bielerhụụs zu Vingelz, im alte Chloster zu Biel (dem nachmaligen Spittel und spätem Gymnasium für die Chlostergäßler), 14 im dortigen Bielguet, sowie in der Bielere (einem Weinberg bei Wingreis). Allein die Johanniter der Schweiz stifteten als eigene Gesellschaft auch selbständige Anstalten. So im Bernerland die zu Thunstetten bei Langenthal und die zu Münchenbuchsee.
Die erstere Komménde, 1220 gegründet, tauschte 1274 einem Solothurner eine Twanner Rebe und eine Geichter Schuppose ab, 15 verkaufte aber 1304 dem Fraubrunnehụụs den «Acker Schammer», 16 d. h. wohl den Tschamór ( champ mort) als Stück der Felsenheide beim Chapf über Twann. ( S. 137.)
Aber erst recht die ritterlichen Schwarzröcke der Kommende Münchenbuchsee ( Bu̦chsị) haben im Seeland si ch vertoo. Ihr umfangreiches Haus gegenüber der Kirche diente nachmals als Pestalozzi-Anstalt, dann als bernisches Lehrerseminar und nunmehr als Taubstummenheim.
1186 wurde es durch seinen Stifter: den Freiherrn von genanntem Bu̦chsị mit der Rebe monticulum (vgl. den Gottstatter Mu̦ntel), dem nachmaligen Muntigils, Muntels, Montey, heute: Montet zu Neuenstadt beschenkt. 17 Eine Hauptvergabung aber floß der Kommende zu durch den Freiherrn Cuno von Twann. Der schenkte ihr 1237 seine Eigenkirche Twann mit allen Gütern und Leuten darauf. 18 (Die ungeladenen Gäste wurden in das Haus des Leutpriesters gewiesen.) Und nun fiel Weinberg um Weinberg an die Kommende, die im Bu̦chsihụụs neben der Kirche ihren Verwaltungssitz erhielt. Ein eigener Küfer schuf in der Chiefferlạube die Behälter für den Wein aus den Hü̦tterääbe (1255 oder 1256), 19 den Reben zu Sarbachen (1260 oder 1261), 20 am Fluebach 21 (1278), im Rooset (1284), 22 der (1427 an den Berner 203 Schultheißen Rudolf Hofmeister ụụsg’läächneti) Chroos. Dazu kam fast ganz Gäicht, kamen Reben zu Ligerz (noch 1824 volle 113 Mannwerk), Güter zu Sutz, Lattrigen, Bellmŭ̦́nd, ein Haus zu Biel, 23 der Buchsiacher (1533) zu Kappelen bei Aarberg, Güter zu Seewil usw.
Trotz (oder wäge?) diesem Gebietszuwachs geriet das Buchsihụụs ï̦ber d’Ohre in Schulden. ( Es sị e Hụffe Schulde bịị n ihm g’lääge.) Alles nunmehr haushälterische (wie Li.: hụ̆shääblich) Leben verhütete nicht mehr, daß es het mïeße lo goo.
204 Nachdem daher Bern 1528 auch die Johanniter-Güter säkularisiert, ließ sich d’s Johr drụụf der Twanner Comtur seinem Orden hin͜derru̦cks mit einer reichen Altersversorgung abfinden. Münchenbuchsee wurde der Sitz der gleichnamigen Landvogtei, bis diese (1798) mit dem Ämtli Landshuet zum Amt Fraubrunnen verschmolzen wurde.
Das Twanner Buchsiguet diente teilweise zur Vermehrung der Twanner Pfarrei, welche damit neben der von Ins zu den reichsten bernischen Pfruende n wurde, bis diese 1803 und vollends 1874 ụụsg’glịịchlet worte sịi̦. Beträchtlich ausgedehnt waren namentlich die Chi̦lcherääbe, bis sie für die Anlage und Vergrößerung des neuen Friedhofes immer wieder angeschnitten wurden.
Dagegen gehörte ’s Pfruendwäldli dem Staat als Erben der Stadt Bern, welche den meisten Twanner Johanniter-Besitz versteigerte. Die Dwanner häi si ch zueche g’macht und erwarben besonders all die rechtsseeischen Strandböde, deren Bewirtschaftung (s. u.) dem einseitigen Rebbau links des Sees zu willkommener Ergänzung diente. Der bäuerliche «Hof» Gäicht kam 1529 an die Gemeinde Twann. Die noch heute einfach als d’Schï̦ï̦r benannte Pfrundscheune zu Geicht, welche 1763 auf dem Platz einer B’hụụsig samt deren Chrụtgäärtli errichtet wurde, 24 ist nun der Sitz eines Bụụrewääseli.
Von den Begị̈ị̈nen (s. u.) sprechen nur die Bĕ́gịịne und das Bĕ́gịịneli Kleintwanns; und wo das Solothurner Versorgungshaus Thüring seine Reben und seine Tüscherzer Filiale hatte, ist nicht einmal erweisbar. Vielleicht ist dieses Dï̦ï̦rigerhụụs in der Funtelen zu suchen. 25 Noch erwähnen wir die Vĭ́zänzene zu Mullen: Reben, welche vor der Reformation dem Vinzenzenkloster zu Bern gehörten.
1
Heusler 65 f.
2
Kluge 344;
Seil. 1, 236;
mhd. Wb. 2, 1, 473 f.;
schwz. Id. 5, 1058-64. Der seit dem 6. Jhd. auch in Deutschland als
pâpas benannte niedere Geistliche ward unterschieden vom gr.
pâpas, l.
pâpa, spät ahd.
bâbes, mhd.
bâbest
Papst (
Kluge 341), welchen Titel als spassigen Zunamen ein an Pius IX. erinnernder Twanner trägt.
3
DBE. 59. 138 ff.
4
Türl.
Emul. 1903, 43 f.;
Trouillat 1, 449.
5
Türl. ebd. 49.
6
Ebd. 48.
7
W. Bourquin im «Bund» unter Verweisung auf «Das Bürgerhaus in der Schweiz» VI und
Saucy’s Hist. de l’anc. abbaye de Bellelay.
8
Font. 6, 98.
9
Es ist auf der schönen Inselkarte unter Nr. 18 abgebildet.
10
Das Chorgestühl der Kirche mit den prachtvoll und meisterhaft geschnitzten biblischen Darstellungen wanderte nach Schottland, wurde aber von der Eidgenossenschaft um eine Million Franken aus der Gottfried Keller-Stiftung zurückgebracht und hergestellt.
11
Nach Baumeister
Gottfried Hirt zu Alfermé und unserm auch sonst vielfachen Gewährsmanne, dem greisen
Abraham Tschantré (Hämmi T’schang).
12
Wurstemberger 2, 440;
Font. 3, 6. 291: Vortrag von Pfarrer Otto Hopf in Gerzensee vor dem Historischen Verein Bern.
13
Wurstemberger 2, 434 ff.; Egbert Friedrich von Mülinen im
AhV. J. 33-62;
AhV. 7, 33-61; 8, 287.
14
a. Bl. 13;
Molz IV; Rektor Wyß.
15
PuTw. (1533).
16
Font. 4, 179.
17
Türl.
Emul. 1904, 50.
18
Font. 2. 170 f.
19
F. 2, 410; 3, 69; s.
S. 146.
20
F. 1. 2, 525; s. u.
21
F. 3, 212; s.
S. 136.
22
F. 3, 358.
23
F. 3, 498.
24
NB. 1, 13 ff.
25
Über Abtretung von Korn-, Hühner-, Eier- und Pfennig-Zinsen an das Thüringerhaus aus Bipp (1597) s. Freudiger, Bipp 163. (Gütige Mitteilungen des Solothurner Slaatsschreibers Dr. Lechner über dieses Haus verwenden wir anderwärts.)
Bloß berührt wurde bisher die älteste fremde Seeländerreben-Besitzerin: die vom Kloster Luxueil aus gestiftete Alt-Benediktiner-Abtei Münster-Granfelden ( Moutier-Grandval), welcher 866 der Papst u. a. ihren Besitz zu Nugerol in der Pipinischen Grafschaft bestätigte. Aber bereits 999 schenkte der letzte Burgunderkönig Rudolf III. die Abtei kurzerhand als Lohn für erwiesene Treue gegenüber dem Landesadel dem Inhaber des Basler Hochstiftes, dem Bischof Adelbero, 1 indes das um 1200 erstandene Chorherrenstift Münster-Granfelden seinen Besitz mehr und mehr durch Bellelay aufgesogen sah.
205 Mit solcher Schenkung war der Grund gelegt zum Fürst-Bistum Basel. Das begann um 400 mit dem bescheidenen geistlichen Amt in Kaiseraugst, schlug dann aber in der «königlichen» Stadt neben der fränkischen Königspfalz seinen Bischofssitz auf und entfaltete nach der Reformation auch in Pruntrut 2 ( Brunnedrụ̆́tt) die Hofpracht, von welcher die jeweiligen Huldigungsfeierlichkeiten z. B. in Biel Kunde gaben. 3 Das Bistum erhielt sich auf politischer Höhe, bis der letzte Bischof als e trụụrige Hëëseler durch Anruf fremder Mächte gegen seine Untertanen den Untergang des geistlichen Fürstentums 4 und seine gänzliche Angliederung an den Kanton Bern herbeirief.
«Lieben Fürst» nannte Barbarossas Sohn Heinrich 1185 den Bischof Heinrich von Neuenburg. 5 Seither empfing der Basler Bischof als Reichsfürst unmittelbar vom König sein Reichsamt als persönliches Lehen. Der dabei ihm überreichte Spieß mit Wimpel: der Fahne, als der fränkische gundfano, 6 als Sinnbild des Heerbannrechts bezeichnte ihn als weltlichen Machthaber, die Überreichung von Ring und Stab als die «Bekleidung» (Investitur) mit der bischöflichen Würde des «Hirten» der ihm «angetrauten» Untergebenen. Daher das Recht, durch die Münzer, Wechsler und Goldschmiede seines Hausgesindes 7 den «Stäbler» ( Stebler) als Gält in die Welt zu setzen. Der altfränkische Stebler ( stabularius Stallmeister) als erblicher Marschall (der Mar-schalk, mari-scalcus, «Pferdeknecht» zur Würde des Hof- und Feld-Marschall erhoben), der altfränkische Seneschall (ältester Hausdiener) als nunmehriger Truchseß (Aufseher über das Gesinde bei Tisch) 8 in der erblichen Würde 206 des Herrn von Haseburg, der altfränkische buticularius 9 als der nunmehrige Kämmerer (vgl. den Kammerer als Kanzler des Dächche = Dekan der alten Geistlichen-Kapitel) und der aus uralten Zeiten stammende Mundschenk ( échanson) 10 ahmten großartig den Hofhalt 11 und die hoffäärtigi Hoffahrt, Hoffe̥rt der königlichen Beamten zu den Hoffesten nach. Aus vier streng abgestuften Ständen aber (den Äbten und Pröpsten und Domherren, dem Ritteradel, den städtischen Behörden, den Herrschaftsvögten) versammelte der Fürstbischof seine Manne zu ernsten Beratungen. Die konnten durchwaltet werden von einem guten Geist: der Duldsamkeit z. B. gegen die von der «rechtgläubigen» Berner Regierung von Haus und Heim vertriebenen Widertäüffer (s. u.). 12 In Verkehr und Gewerbe, Land- und Waldwirtschaft dagegen fand Bern manches lắmaaschig und schlapperig Verwaltete an͜ders z’mache. 13
Milt im guten und lääi (lau) im min͜der guete Sinn wurden gleich dem fürstbischöflichen Kirchenbesitz auch die stillschweigend in deren Verwaltung mit einbezogenen Bewohner regiert. Aber nach verschiedenen Rechten.
Zwischen Neuenstadt und Pieterlen gab es ursprünglich viel unmittelbares Kronland, 14 dessen Bewohner als Kleinbauern: colōni, zu coloniae (colonges) vereinigt, ihrer Reben pflegten. Les Collonges (Nv.) hieß noch um 1600 ein von sechs Winzern bebauter Weinberg, auf welchem Junker Vincenz von Ligerz ( S. 196) sein Haus stehen hatte. Sie waren 1312 zumeist an Neuenstadt gekommen, nachdem sie dem Bischof gehört. 15 Ein rôle des colonges aber aus dem Ende des 14. Jhd., welcher sich auf Pieterle, Bözinge und Mett bezog, 16 läßt mittelbar 207 auf Lị̈t iSv. ursprünglich Freien 17 schließen, die infolge stillschweigender Usurpation ebenso an das bischöfliche Hochstift gekommen waren, wie 999 ihre Reben. So wurden sie baslerische Gotteshausleute, Gotteslechner oder Unserer-Lieben-Frauen-Leute mit alljährlicher Huldigungs-, Steuer- und Fronpflicht, aber mit Freizügigkeit. Wer kener Schulde gha het, het chönne goo, wo n er welle het. Er mußte sich bloß einen Fußtritt 18 ( e Stu̦pf) vom Gutsherrn gefallen lassen: der het ĭhm der Schueh g’gää; und wenn er seiner gern los war, het er ĭhm no der Holzschueh na̦chḁ g’schlu̦ngge. Auch übte der Herr am Entlassenen auf dessen Chöste eintägige Berechtigung und Pflicht des Geleites auf sichern Boden.
Neben den Freiherren von Ligerz und Twann hatten nur wenige, in dem seiner Freiherrn früh verlustigen Biel dagegen überwiegend viel solcher Gotteshausleute Platz, ebenso in Bözingen. Der bischöfliche Vogt über den Strich vom Ligerzer Chalchofe bis Bözingen, der Graf von Neuenburg-Nidau, fand darum auf dem Platze Biel einen trefflichen Stützpunkt der Machtentfaltung; und der Bischof half nach durch Gründung der Burg ( S. 102), welche 1234 und 1239 urkundlich erwähnt wird, und Erhebung des Ortes zu einer Stadt ( S. 102). Das hinderte diese darum doch nicht, mit der aufstrebenden Reichsstadt Bern als zugewandter Ort immer stärkere Fühlung zu suchen und die Feindschaft des Bischofs auf sich zu laden, die 1357 zum verbrenne Biels durch Jean de Vienne führte.
Zu Neuenstadt und Landeron lebten dagegen im 12. Jhd. zahlreiche Freiherrengeschlechter aus den Einkünften des dortigen Weinbaues, statteten aber nicht wenige geistliche Stiftungen mit Gütern und Rechten und Eigenleuten aus, über welche im Namen des Bischofs ebenfalls die Grafen von Neuenburg-Nidau und nach 1277 die von Welsch-Neuenburg die Vogtei übten. Die Feindschaft aber zwischen Bischof und Graf, welche zu den Schachzügen der gräflichen nova-villa-Gründungen um Landeron (um 1260 und 1309), sowie des bischöflichen Schloßbärg (um 1280) und der Neuenstadt ( Näïetstadt, Neuveville, 1312) führte 19 ( S. 102), endete 1316 mit der Beschränkung der gräflichen Vogtei auf heutiges Neuenburger Gebiet. 20 Die weltlichen Rechte des Bischofs über Neuenstadt 208 übten nun Meier: zunächst die ebenfalls bischöflichen von Biel, nach 1368 die Kastlane des Schloßbergs. Unter ihnen hielt Neuenstadt treu zum Bischof.
1
Rohr 18.
2
Porrentruy wird auf den
pons Ragintrudis:
die Brügg des
Ragintrût oder
-trûd (des mit Rat dienenden) zurückgeführt. Vgl.
Graff 2, 384; 5, 471.
3
ZB. des Bischofs Friedrich von Wangen, geschildert von Major Gagnebin in Biel. Vgl.
Emul. 1902, 54.
4
Vgl.
Etude sur l’histoire de la Révolution dans l’ancien évêché de Bâle, par A. Daucourt, curé de Miécourt. (
Emul. 1902, 25-130; 1903, 53-173.
5
Rohr 20.
6
Der it.
gonfalone, frz.
gonfalon (die l.
hasta signifera (Heusler 185). Bloßes «Fahne» ist, wie z. B. die Wetterfahne lehrt, gleich l.
pannus und frz.
pan, ursprünglich bloß der Tuchlappen (
Kluge 124,
Walde 559), vgl. frz.
drap-eau, empfing aber, wie sachverwandtes «Banner» aus Panier, frz.
bannière und das «ungebundene» Bandelier als
bandwa, (Zeichen:
Kluge 38,
Stucke S. 20 f.), im Kriegsgebrauch den hohen Gefühlswert, den wir beim feierlichen Fahneneid immer neu empfinden.
7
Rohr 41. 57.
8
Ahd.
druht-sâßßo, mhd.
truhtsaßße, der altholl.
dros-sâte als Droste (
Kluge 466) ist der Vorgesetzte einer «Schar»: eines l.
drungus (Soldatenschar), kelt.
drong (Schar), einer ahd.
truht. (Schar:
Graff 5, 517 f.) zu dringen (
Walde 243) als «Gedränge» stellbar. Demgemäß ist das «Trüech» im Oberaargau und Emmental eine Schar von
ung’regeliert, grobäänisch sich geberdenden Leuten, namentlich Kindern. Der Grindelwaldner aber besitzt 1. Veh (Großvieh), 2.
Triecht (Schmalvieh) und 3. Fährleni (Schweine), vgl.
Gw. 662; und dem Guggisberger ist das
Trüecht ein Gewimmel kleiner Jungtiere (
Gb. 141).
9
Aus gr.
apötheca (Niederlage) wurde
buticula, it.
botteca und frz.
boutique (
M-L. 531) als Kramladen, Kram (vgl.
toute la boutique,
tụtt la Pụ̆́dịgg und Werkstatt,
Pụ̆́digge, Pụdigg.
10
Aus Schrank = Schank (
Kluge 390. 394. 413; mhd.
Wb. 2, 81); vgl. das
Bu̦ffe̥rt, Pu̦ffert (
Lf. 628) als der zum Hausbau, nicht zum Mobiliar gehörende, daher aus dem Hartholz zierlich gebaute Wandschrank aus frz.
buffet — Kredenztisch und speziell Schenktisch der Gaststube am Platz des polizeilich abgeschafften
Glaschämmerli: Aus diesem Schrank leitet sich ab: schenken = 1. ein Getränk einschenken (als Handlung des Schenk,
Schänk) und 2. etwas
vergäbe gää; für das Deutsche gleich bezeichnend, wie etwa die
Zeche als Ordnung, Reihenfolge, Arbeitsschicht und Arbeitsplatz (im Bergwerk) auch den
Pintechehr des zechenden Zechers und die Trinkgebühr bedeutet, und wie das gefallen, Gefallen: das (
wohl) g’falle, das
öpperem öppis z’Gfalle tue, das
G’fell und
Ung’fell als die
chance = die
cadentia = der Fall des Spielwürfels zu deuten ist. (Vgl. sein Leben in die «Schanze» schlagen.)
Kluge 394. 390.
11
Vgl. Schillers «Graf von Habsburg».
12
Vgl. auch die Hebung der Freiberge durch Bischof Imer von Ramstein:
Emul. 1901, VI.
13
LWB. 1817.
14
Türl. aBbl. 4 f.
15
Emul. 1903, 47.
16
Rohr 39.
17
Der burgundische
leudis als der Gemeinfreie stellt sich zu l.
liber (frei, nach
Walde 425) verschieden von
lïberi = die Heranwachsenden, zu ahd.
leótan sprießen, vgl. die Lụ̈tstuden und die
Lü̦dere, nach Brandstetter). Man sagt altdeutsch der und das
liut neben der noch einzig gültigen Mehrzahl
liute, Lüt. (
I de
r Lụ̈te Mụ̈ụ̈ler choo: kritisiert werden),
an͜derlụ̈tig wärde: sich ans andere Geschlecht heranmachen usw.)
18
Türl.
Grands Plaids 24.
19
Ebd. 8.
20
Ebd. 9.
Pargimäntg’schrifte g’fabriziert un i d’Füechti g’läit un i’ n Rạuch g’hänkt hätten nach halbhundertjähriger akademischer Darstellung eine Reihe Klöster, um Gutserschleichungen lo alt z’schịịne; mit Bätschier- (Tw.), Betschier- (Erl.) oder Bü̦tschierwachs (Ins) 1 vermacht und mit dem Chloostersĭ̦gel oder -stämpfel als echt erklärt, hätten die Fälschungen den Mönchen und Nonnen es ụụsschwäiffigs Lääbe gesichert. Jedenfalls haben die ins Seeland hinein langenden geistlichen Stiftungen die kostbaren Weinberge samt ihren hörigen Bearbeitern zumeist si ch lo schänke, im Gegensatze zu arbeitswütigen Rodeklöstern, 2 welche mit rü̦tte und schwände (Tw.) oder schwänte ihre Insassen häi i d’Drässụ́r, i d’Hụ̈pple, i d’Gu̦ngße oder Gú̦ngßine ( consignes) gnoo. Das bewahrte sie vor em versụụre als Sụ̆rrị̆bel oder Sụụrrĭ̦bel und ließ aus ihnen düechtigi und di̦i̦figi Kärli̦se, Kärlse, Kärline werden.
Kerle also als Manne, 3 denen es z’min͜der ist , den Weg der Glü̦cksdü̦pfi und G’feelhün͜d zu betreten: e Hụ̈root aaz’gattige, vielleicht mit einer Schwääre, welcher es nụ̈ụ̈t macht, scho im Dechcheli (als Wickelkind) vielleicht mit einem schmü̦ü̦rzelige Geizhals z’sämmeg’gää, an ihn vermannt zu werden. Eine wohlfeile Art, e Chlu̦mpe Gält ụse̥z’lü̦pfe und es guets Lääbe z’haa: guet g’stellt oder guet g’säädlet z’sịị, und damit Grund zu finden, als e Wohlg’mäinte r (der sich mäint, se croit) herrschelig z’tue und den Haber im Chopf die andern fühlen zu lassen. Von Si̦mpadịị (Sympathie) auch zwischen den also Zusammengeketteten braucht ke Reed z’sịị. Die gewählte Person darf «wị̆tele», wie der Basler sagt: sie braucht nur vo wịtem schëën zu sein, und es kann zu ihr heißen: Drei Schritt vom Lịịb, so gi bt’s eppis an de̥r 210 z’luege! Die Behandlung darf also sogar eine abschetzigi oder nĭ̦derträchtigi 4 sịị.
Die Gründung der Rebgesellschaft (s. u.) beweist, daß die an einzelne Stadtberner und schließlich an die Stadt Bern selbst gekommenen Reben seeländischer Herren ( S. 193 ff.) und klösterlicher Besitzer ( S. 198 ff.) anders ’dänkti Mäister erhielten. Von Einzelbesitzern wie Saager, Reichenbach, Hofmeister war oben die Rede; wir fügen die Wingräis-Rääbe des schönen Toorma- (Thormann-) Guet bei und heben hervor, wie um 1828 der Hauptmann von Steiger auf seinen Schugger-Rääbe die waadtländische Bearbeitungsart und namentlich die Verjüngung alter Stöcke einführte.
Er berief hierzu aus der Gegend von Sigriswil g’li̦i̦rnigi junge Winzer, die nachmals sich im Seeland niederließen und bis zur Stunde ihr Geschlecht fortsetzten; so die Wenker und Kämpf ( Chämpf) in Gampelen, 211 so die Sauser und Santschi zu Ligerz und Schaffis. Seine ständigen Arbeitsleute am Orte selber beschränkten sich auf Erweise ihrer Elastizität in der Form der damals in weiter Ru̦ndi bekannten Schu̦gger Höflichkäit, welche z. B. die direkte Anrede mied. «Erlaubt vil̦icht der Herr von Stäiger, das s i hü̦t mị’s äiget Rääbu̦i 5 (Räbli) schaabi?» «Chạuft der Herr Schụ̈ụ̈rer dä Herbst ó Most?» Im Umgang mit seinesgleichen durfte eher jene andere Anredeart platzgreifen, die wäge Höflichkäit no nie isch g’stra̦a̦ft worte. Ja, wo solche käi Profit bịịbbroocht het, durfte man schon es Nummero gröber choo, durfte man am gröberen Ort abg’sogt («abgesägt») sịị. Es handelte sich also durchaus um keinen Schlaarggi, Schlaabi, Glü̦nggi, Hööseler, Schlụụfi oder Dällerschläcker, Chrätteler, der seinem unentbehrlichen Gönner überall luegt i d’s Chrättli z’basse und sich von ihm loot um e Finger lịịre. Wohl aber waren diese frühern Bewohner des Oberdorfes Schụgg sehr im Un͜derschäid vo n dene des neuern Unterdorfes, Rü̦ggewehbụ̈ụ̈rli, welchen sogar d’s li̦gge weh da̦a̦ het. Auf sie und auf vormalige 212 harte Bedrücker konnte die folgende Variante des Bildes vom Nadelöhr 6 g’spi̦tzt sịị. Wir geben es gut twannerisch:
Es isch äinisch es arms, fromms Bị̈ị̈rli g’stoorbbe, un chu̦nnt vor d’Himmelsdï̦ï̦r. Zur glịịche Zịt isch o ne rịịche Heer doo gsi̦i̦ un het i’ n Himmel welle. Der häilig Betrus chunnt un duet ụụf un loot dä Heer ine. D’s Bị̈ị̈rli het er, wi’s schịịnt, gar nid g’achtet (bemerkt). Är loot’s ämmel du̦sse stoo un duet d’Dï̦ï̦r wider zue. Du̦ g’chëërt d’s Bị̈ị̈rli voru̦sse, wi si di̦nnen im Himmel dä Heer mit allne Fräïden ụụfnähme u Mụ̆sig mache u singe. Äntlich isch es do inne wider still woorte; un der Betrus chunnt, duet d’Dï̦ï̦r ụụf un g’seht d’s Bị̈ị̈rli u säit: Jää soo, bisch dụ ó doo? He nŭ̦́, so chum ine! Daas drappet ine un spănịịflet gar schrëckeli drụụf, äb si jetz nid baal d wider aafangi Mụ̆sig mache u singe. Aber do isch alles mị̈ị̈slistill b’bli̦i̦be; niemmer hätt ihm z’lieb es Mï̦xli g’macht; es isch g’sịi̦, wi wen n äär Luft wäär. Ụụfg’noo häi si ’ne̥ joo mit aller Liebi uṇ Gieti, u d’Ängeli sin ihm gar frï̦ntle̥ch erggääge g’floge. Nu̦mme häi si abso̥lut e̥käis Wääse mit ihm g’macht, wo si nḁ häi a si Platz g’fïehrt un g’säit: So, hock jetz doo! — Du̦ isch em Bị̈ị̈rli es sëttigs z’weeni angänds e chlei z’vi̦ll woorte, un ääs frogt ämmel aafḁ: Jä, wi isch jetz daas e Sach? Däm Heer häit er ḁ lso vil Ehr aatoo un ihm g’chị̈ị̈derlet un ihm Bị̆si Bä̆si un Dịịridääri un Fäderläsis g’macht un häit nid chënne hëëre mit Dịịderlidịị un Pum! pum! Tam! tam! mache. Un mi̦i̦ ch loot mḁ derwịịle voru̦sse stoo, un wo n ig äntlech ịne taarf, duet niemmer e Wank wäge mịnetwääge. Es gäit schịịnts im Himmel ó so parteiisch zue wi uf der Wält! Der häilig Betrus lost e chläi un lächlet uf de Stockzän͜d. Aber glịị dḁrnoo macht er ganz es äärnst’s G’sicht un läit der Zäigfinger a d’Schlääffi un säit zum Mannli: Jä lue, mi’s liebe Bị̈ị̈rli, daas verstäist du ni̦i̦d! G’sehsch, du bisch ị̈ị̈s ganz brezịịs un exakt so lieb wi dä Heer. Aber wäisch: settigi Bị̈ị̈rli wi du chämmen all Daag i’ n Himmel, un daas gääbti n is z’vi̦ll z’tie̥, wenn mer emene jedere wetti singen un musiziere. Aber vo rịịche Heere wi dää doo chu̦nnt nummen alli hundert Jahr äine r n i’ n Himmel. 7 .
1
Vgl. die
bü̦tschierti Fläsche: vermacht mit dem Kork, wie vormals mit dem afrz.
bousche (Strohwisch) als
bouchon (
Buschung) oder Pfropfen aus Holz (
bois aus dem Buschwerk des Weidelandes: der gr.-l.
bosca.
M-L. 1226). «Petschaft» dagegen ist der böhmisch-österreichischen Kanzlei entlehnt (
Kluge 344). Daran ist
Bätschier angelehnt.
2
Hoops 1, 424.
3
Kluge 238 f.
4
«Niederträchtig» also hier: danach trachtend, einen niedrig zu halten. Dagegen emmentalisch: «nicht nach hohen Dingen trachtend,» leutselig,
g’mein iSv.
humble, also dem soziell Niedrigen sich im Umgang gleich stellend. In der schriftdeutschen Bedeutung ist an moralische Niedrigkeit gedacht, an «gemein» und «kommun» im schlimmsten Sinn.
5
Vgl.
Robert Scheurers Tschugger Gedichte.
6
Lue. 18, 25.
7
Nach der «Berner Woche», und diese nach den Brüdern Grimm.
Wie in Voralpenweiden als Milchquellen, erblickten städtische Patrizier auch in den Reben als Weinerzeugern Gelegenheit zu weeni risgierter Anlage ihrer guete Batze, die zudem fruchtbringend im Lande blieben. In langen Reihen schlechter Jahre und flauer Geschäfte suchten sie jedoch solchen Besitz der «Allgemeinheit» aaz’hänke, deren bräite r 214 Rü̦gge ihn ungefährdeter durch seichte Wasser trug. Die Stadt und der G’staat als ihr nachmaliger Erbe gliederten ihre erworbenen Weinberge des Seelandes dem Weingeschäft des Wa adtland an und schützten beide gegen Konkurrenz. So mußte 1466 der Vogt von Nidau in Ligerz und anderwärts den «bösen» Walliser ụụsschï̦tte; und 1678 wurde dem Neueburger und Nëïe̥tstadter (aus fürstbischöflichem Gebiet) der Weg versperrt, nachdem bereits 1517 nach letzterm Ort eine lebensmittelpolizeiliche Epistel abgegangen war.
Als ebenso wirksame wie profịtligi Hemmung fremder Weineinfuhr erweist sich die dem Staatssäckel «zufallende» accise: das Ohmgält als auf das Ohm (ein Weinmaß) umgedeutetes Un-gelt. 1 Wie die Stadt Basel ein solches von den Handwerkern auf Mehl und Wein für die Kosten der Stadtbefestiguug erhob, so der Staat Bern auf Wein, bis 1876 die neue Bundesverfassung alle solchen Gefälle aufhob.
«No zu mị’m Alter» — erzählen bejahrte Twanner — wurde u̦f der Sant Jhánns-Brï̦gg das Umgält von allem Wein erhoben, der von Iferten her den Neuenburgersee und die Zihl hergeschifft kam — als Schutzzoll nun also, der seit 1798 auch gegen das selbständig gewordene Waadtland gerichtet war. Vom roten Inserwein aber, welchen der vormalige Landvogt von St. Johannsen im dortigen Abteikeller ausschenkte, bezog um 1764 die Stadt Erlach das Ohmgeld. 2
Entbehren mußten natürlich solcher Einnahme auch Korporationen wie der Berner Inselspital ( d’Insel) als Besitzer der Inselrääbe zu Tschugg, welche vom Inselhụụs aus verwaltet wurden, und der Berner Burgerspital, welchem bis zur Stunde die Insel des Bielersees gehört ( S. 13).
Die war ja ausgeschlossen von der Herrschaft Twann, welche 1487 aus den Händen der Herren von Dießbach und des Schultheißen Hofmeister an die Stadt Bern kam, um 1804 in der Teilung zwischen Stadt und Staat an den letztern zu fallen. Über diese und alle andern erworbenen Weinberge setzte die Stadt Schaffner, 3 wie bis zur Stunde auch die Neuenburger Reben ( S. 193) zu Ins, 4 und wie die Reben der Bielerinsel unter einem Schaffner stehen. Bern hatte Arbärger-, Buchsi-, Fraubrunne-, Gottstatter-, Sant-Jhánns-, Torbärg-Schaffner, wie es auch einen Bippschól-, Wingräis-, Gụfelä́tter-Schaffner gab. Es konnten aber mehrere Schaffnereien in 215 einer Hand vereinigt sein. So saßen in dem stattlichen Frạubrunnerhụụs zu Twann drei Generationen Irlet ( S. 149) zugleich als Fraubrunne- und Buchsi-, wie nachmals als Inselschaffner. (Vgl. Ins 32.) Solche staatliche Beamte mußten als zugleich stattliche eppis vorstelle, waren aber auch anspruchsvolli Manne: stark in Anspruch genommen 5 durch die Sorgen, Mühen und Verdrießlichkeiten ihrer Stellung.
Unter Schaffnern stehende Herrschaftsreben gab es auch westwärts der Häusergruppe Bippschól. Ihren Mittelpunkt bildeten die nun gänzlich verschwundenen Werke und Vorratsgebäude, casalitia, welche ihre sprachliche Parallele in Gäserz bei Brüttelen (und Kehrsatz bei Bern, vgl. Ins 448), ihre sachliche in Schaffis bei Neuenstadt ( Ins 448) finden. Diese casalitia existieren noch in den Schreibformen Chésolet, Chessolit (1663), Tschissollet (1790), Tschissolli (1750), Tschissoli (1784), Cistolli (1784), Zißolli (1758), Cißolli (1769), Cißeli (1767), Zißeli (1768): Tschịssollị, Tschĕ́solee, sowie im Tschĭ̦sel zu Alfermé. — Den Gegensatz zu solchen Haus- und Hofreben bilden die an den Grenzen oder Enden ( ad fines, aux Fins, in den Pfịị) herrschaftlicher Umschwünge gelegenen Reben. So die Ligerzer Pfịị (Pfyreben 1797), durch deren ausgedehntes, prächtig besonntes Gehänge das schmale Pfịịwäägli als trügerische Sackgasse (es ergäit z’mitts i de Räbe) nach dem Ried hinanweist.
Casa und finis vereinigten sich zur Zeit der Grundherrschaften zum Begriff der terra salica: des Salland. Das war der unverpachtete Hof des Gutsherrn, den dieser zum eigenen Unterhalt durch seine Hörigen im Frondienst bebauen und durch einen Meier verwalten ließ. 6
So hatte auch das Stift Münster-Granfelden einen villicus (1246) oder maire de Salles, z. B. 1692 einen Jean Ballif, welcher im Twanner Geschlecht (Ballif, Bắlịịf) erhaltene Name als bailli (ballivus) ja selber Vogt bedeutet. 7 Da aber Münster-Granfelden an den Fürstbischof gekommen war, saß der maire de Sales bloß noch als stummer Figurant neben dem bischöflichen Meier zu Gericht und hatte bloß noch die Ehre, die Mahlzeiten der Richter z’zahle. 8
216 Zeugen einer anbrechenden neuen Zeit sind Weinbergnamen, welche aus gemeinsamen Rebenbesitz der Rebenbauer selber deuten.
Die Reben im großen Äinig zu Ins leiten über zu den G’sellschaftsreebe (1648, 1742) von Ins und Gampelen (1751), die einst auch über heute verödete Stellen ihre respektable Ausdehnung erstreckten, und von Ligerz, die neben der Vesti mit Herrschaftsreben wetteiferten. Die letztern gehören nun der Ligerzer Schützengesellschaft. Solche Schützerääbe, zirka 100 Mannwerk umfassend, gehörten laut Notiz von 1809 der Schützengesellschaft Ins.
Ein Erwachen des Gemeinsinnes bezeugten aber besonders die vier G’mäine am See (Ligerz, Twann, Tüscherz, Alfermé), die als Pächter oder Arbeiter sich wiederholt für bedroht geglaubte Rechte wehrten. Ja, mit städtischen Besitzern des Ängelbärg sind Twanner richterlich worte (vor den Richter gegangen). Stadt und Staat Bern schlugen drum schließlich bei jeder Gelegenheit ihre Besitze an deren Bearbeiter selber los. Von dem mächtigen Besitze Berns blieben bis heute die Bärner Rääbe um Neuenstadt übrig. Dieses Eigentum der Einwohnergemeinde Bern umfaßt immer noch ungefähr 360 Mannwerk. Um ihm seine ganze Tätigkeit widmen zu können, ist sein Schaffner Eduard Louis-Ballif von der Direktion der Versuchsstation in Twann zurückgetreten. An großen Stäigerige wie 1823 9 und 1835 erwarben die Twanner alle Reben zwischen Burg und Chrooswääg, und die Ligerzer brachten große Stücke an sich. Seither gehören fast sämtliche Seeländerreben einheimischen Privaten, aber mit andauernd denkwürdigen Besitzverschiebungen. D’Twanner häi hü̦t meh Räbe z’Ligerz, weder d’Ligerzer sälber, und d’Ligerzer meh z’Nëïetstadt, weder d’Nëïestadter sälber. Daher kommt es, daß, obwohl «zu Twann die schönsten Bielerseereben liegen» (1784), der mäist Twanner Ligerzer ist. Es erklärt sich aus diesen Verschiebungen auch die bloß relative Geltung sehr vieler Weinbergnamen. Ein Twanner geht heute bis zwo Stun͜d wịt in 217 seine Ligerz- oder Tschaafizrääbe, ein Gampeler morgen in seine entlegenen Eißerrääbe, ein Inser in seine Schu̦gger.
1
In-debitum (nicht geschuldet) oder «ohne» zureichende Rechts-«Gültigkelt» erhoben. Vgl.
schwz. Id. 1, 211 («Am»); 2, 241-5.
2
Schlaffb. 1, 284.
3
Vgl.
schwz. Id. 8, 344 f. Dazu:
mit ei’m abschaffe: mit ihm Abrechnung halten, ihn ausbezahlen und damit im Verpflichtungsverhältnis
Ornig schaffe.
4
Vater und Sohn
Stucki, welch letzterer zu unsern zuverlässigsten Gewährsmännern zählt.
5
Vgl. «en anspruchsvolli Bredig» im Oberhasli: eine den Zuhörer sehr ansprechende.
6
Der oder das
sal ist: Stätte zum Einkehren und Verweilen (got.
saljan), Wohnsitz (urverwandt mit l.
solum, frz.
sol) Haus (mit der Schwelle, ahd. das
swelli, mhd. das und die
swelle,
d’Schwelle, verschieden von der
Schweli, zu schwellen). Erst in letzter Linie it
sal = der Saal (
la salle) in unserem Sinn, sowie
le salon (der
Sắlong und das
Sắlöngli). Vgl.
Kluge 381. 419;
Walde 722.
7
Nach
M-L. 888 aus
bajulus (Lastträger), also in der Bedeutung gehoben wie z. B. Marschall.
8
Türl.
Grands Plaids 14. 26 ff.
9
EB. 2, 452.
A. Jaeger-Engel, Twann
So weit die provisorisch logische Einreihung einer schönen Zahl erkundeter wirklicher Weinbergnamen, die zum größten Teil in den heutigen offiziellen Plänen fehlen, zu einem kleinern Teil darin entstellt vorkommen. Die folgende Reihe für uns undeutbarer Namen müssen durch eine eigens hierfür geschulte, sowie über viel Zeit und Mittel verfügende Kraft aus einem großen Zusammenhang namentlich auch neuenburgisch alt-mundartlicher Spracherscheinungen heraus beleuchtet werden.
Augraben (Ga. 1825). Die Bä́rnälle (Li.). Die Páscheele (s̆s̆, Li.), d’Baadschelle, Li. Die Bachère (Li. 1803). Les Perrières (1338: subtus Perreriam). D’Chápperääbe und der Cháppenacher (Tü, vgl. Chappe = Kapelle unter « Kirche»). D’s Bu̦u̦rgi (Alf.). D’Chaaserääbe (Br.). D’Trü̦pferääbe (Erl., Ga.). Zwei Ti̦ller (Tü.). Der Tschattner und Tschattener (Vg. 1805). Der ober und un͜der Tschäris (Bl. 1805). D’Fi̦i̦schiräbe (Br.). D’Fröscheräbe (Br.). Vinea dicta Fuset (Bl. 1305). Die Gụgen-Reben (Tw. 1759). D’Gụ̆́ßlang (Li.). Längäärtige (ä́, Alf.). D’s Lántscherli (1824), das Lä́nsterli (Alf.). Das Mắletstü̦cki (1781, Tw.: 9 Mannwerk zu Engelberg). Die Rebe ze Minsellere (Vg. 1289). Vinea sita apud Vuchun (zu Nugerol) dicta Munrichier (1299). 1 Der Musfaije (?). D’Nasche (s̆s̆, 2 oder 3, Li.). Die Reben, genannt Pedesant (1343). 2 D’Rắvettliräbe (Li. 1783). Redernreben (Bl.), Le Rombain (Nv.). Solderbíel (Alf.). In den Sommeroder (?, Li. 1826). En Vervas (1706 Nv., 20 Mannwerk). Die Werchière (Li. 1691). Im Wynttevlet = im Winterteller 218 (Bl. 1540). 3 D’Wịịßeliräbe (Br.). Halbreben zu Chernolz (Schärne̥lz) in Witscheten (Li. 1404), Witschetten (1609), Vuitschette (1609), Vuichetten Zịträäbe (Li. 1825). D’Zweie (Ins). D’Zweienacherrääbe (Vi.).
Viele dieser Namen werden schwerlich jemals aufzuhellen sein, weil ihre durch keine Lautgesetze erklärbaren Entstellungsformen von fremden Rebenarbeitern herrühren, deren Sprechweise überhaupt durch die des Französischen kundigen Hiesige erst auf dem Wege erlustigter Nachahmung und dann der Gewöhnung in den lokalen Sprachschatz überging.
1
Font. 3, 735.
2
SJB. A.
3
SJB. A 163.
Wie nun, fragen wir schließlich, stellten und stellen alle die Rebenbesitzer es an — wi häi si̦’s fü̦ü̦rg’noo und nähme si’s fü̦ü̦r — 219 um ohni e Hand aaz’legge doch zu ihrer Sach z’choo? nid z’chu̦u̦rz z’choo in ihrem Sachli? Die gewöhnlichste Art war das verdinge der Weinberge, direkt oder mittelst der Schaffner: das ụụsegää an Arbeiter und das ịịnenäh durch letztere. Heute geschieht dies um Lohn, früher geschah es um einen bestimmten Teil des Ertrages: durch Rebenpacht. Der Gewinnanteil ermunterte den Übernehmer, die Reben nicht «in Mißbuw und Abgang geraten zu lassen» (1609). Wer dies gleichwohl tat oder wer sogar b’schi̦sse het, z. B. beim däile des Ertrages g’vöörtelet, Vöörtel d’dri̦i̦be het, «verwürckte» seine Stellung; der Grundherr «kehrte sich widerum uff syne Reben».
Die gewöhnlichste Vertragsart war die Halbpacht: das verdinge von Rebgütern als Halbräbe zum «buwen» um d’s halbe, 1 vmb den halben wyn (1631), um den halbiswin (1591) 2 vmbs halb (1540), in halben (1540), pour la moitié du produit, à moitié fruit. Um diese bebaut der neuenburgische moitressier die moitresse und die Ligerzer Moyteresse (1609) oder les Moitresses (1825): die maetrĕ́s (St. Blaise), die Ligerzer Mä̆itresse, Méitresse (wie «Halbräbe» auch als Eigenname), mätrēs (Landeron, Lignières), die « Maitresse», Métreß. Mit solcher Halbpacht kamen namentlich die Rechtsnachfolger der Häuser Buchsi und Fraubrunne 220 ( S. 199), sowie die Inhaberin der Insel ( S. 13) der Bevölkerung von Twann und Ligerz entgegen. «Sowohl Wyn als andere Früchte» waren glịịchlig «vnd one einichen Vortheil und Trug zu theillen» (1609). Drüber ịị erhielten die Halbpächter der zwei erstgenannten Häuser 1824: an Stickelgält 4 Batzen für die Bu̦rdi zu 100 Stück; an Mistgält 3 Kronen 5 Batzen bis 4 Kronen für Bedüngung eines Mannwerks; 8 Batzen für hundert jungi Stöck z’setze; 5 Batzen Läsergält für den sechzigmäßigen Züber. Ähnlich die Halbrebenpächter der Insel. Die Halbpacht begegnet uns 1609 in Li. als erblich.
Nichts vernehmen wir von den noch weiter zu erwartenden Vergünstigungen der Drittelspächter z. B. zu Tschugg (1808, 1825), 3 zu Biel (1591) und in der mittlere Chroos zu Twann (1675, 1782, 1791). Solche Drittelräbe, solches Drittelgut wurde um de n dritte Züber (1540), à tiers vin gebaut. Es gab auch Viertel- und sogar Fụ̈ụ̈ftelräbe. Für beide mußte der Eigentümer Stickel und Dung allein liefern. Der Besteher der Fünftelsreben im Gu̦felä́tt ( S. 201), welche das Kloster St. Urban am 16. September 1848 mit versteigerte, durfte obendrein gäng vo feuf (Tü.) Mannert es Chï̦bli voll Drï̦ï̦bel bräche als Auslese für den Markt.
Als Gegenleistung aller dieser Rebenpächter waren aber alle die Räbwäärch ịịd’dinget, welche wir 1609 bündig aufgezählt finden als: schnyden, hacken, profenen oder gruben, sticklen, rüren, erbrechen, höfften, Herd tragen, die Muren in guter Besserung erhalten.
Nach einer Legende aus dem 16. Jahrhundert wurden solche Stäbe von Landvögten, welche Richter waren, bei gewissen öffentlichen Strafhandlungen getragen.
Detail vom Gerichtsstab
Ende 16. Jahrhundert aus dem Thormanngut in Wingreis
Der Übergang fast aller Reben als Eigenreben in den Besitz bodenständiger Eigner und Bebauer ( S. 216 ff.) und die Unterstellung der noch übrigen Korporationsreben unter einheimische Fachmänner ( S. 224 ff.) hat das Pachtsystem zum Erlöschen gebracht und einer völlig andern Pflichtenverteilung gerufen. Es gibt nunmehr verschiedene Gruppen von Hạuptwäärch, welche je nach ihrer Beschwerlichkeit, Schwierigkeit oder besondern Wichtigkeit beruflichen Lohnräbmanne übergeben werden, und die Saisonarbeiten, die mit der Endung -e̥t (frz. -age, z. B. échalassage = Sti̦ckle̥t) charakterisiert werden. Zum periodischen Räbe schaffe erster Ordnung gehört nach dem Normal-Arbeitsvertrag, welchen die Rebgesellschaft Twann-Ligerz-Tüscherz (s. u.) am 20. Dezember 1894 in zwölf Artikel faßte: der Stickelzieijet und das Aufschichten der nach dem Leset ’zogne Stickel; der Schnịịdet im Frühling; das eigens für sich mit zwei Franken vom Mannwerk bezahlte Häärd traage; der Hacket samt dem zetten und un͜dere hacke 222 des Düngers; der Sti̦cklet; der Rüehret und der mit dem pu̦tze des Unkrautes verbundene zweimalige Schabet; der Erbrächchet, der Heftet und das uụf̣hefte samt abbrächche, alles zu gehöriger Zeit und bei zudienlicher Witterung. Diese Akkordarbeiten wurden 1894 mit zwänz’g Franke vom Mannwerk, zwe Liter Hacketwịị, einer Rappe für jeden Liter Mostertrag und einer Franke für das im Mannwerk nötige Heftstrạu bedacht. Für Heftstroh wird seit 1921 nichts mehr bezahlt. Von 1912 bis 1920 kostete das Mannwerk aller dieser Arbeiten drịßg Franke ohni Hacket- oder Häckerwịị. 1921 schnellte der Lohn empor auf Fr. 76½. Über diese erste Gruppe von Akkordarbeiten übt die Räbg’sellschaft die Aufsicht. Sie fixierte 1921 folgenden Räbarbeitervertrag: Männer-Taglohn 1. März bis 31. Oktober Fr. 12. Die Winterwuche Fr. 10. Chlịịne Taglohn Fr. 7. Fraue: Su̦mmer 7, Winter 5. Zï̦bergält 3.
Der Verband der Räblịt am See hatte 1920 verlangt: Räblohn per a Fr. 17 (inbegriffen Heftstrou und Hacketwịị), Härd trage per a Fr. 1.50. Winter- Taglëhn für Mann und Frau Fr. 8. Taglohn für spri̦tze Fr. 15. — Eine zweite Arbeitsgruppe in diesen Lohnräbe besteht im Mist traage (vom Abladeplatz in die Reben), in dem nicht in der vorigen Kategorie vorgesehenen Häärd traagen und im chehre, alles im Akkord oder im Taglohn. Der letztere betrug für ’ne Maa 3 Franken im Summer, 2½ Fr. im Winter; für ’nes Wịịbervolch 223 2½ und 2 Franken. — Wieder im Akkord wird das gruebe bzw. prófene (s. u.) verrichtet: für 5 oder 1920: 12 Rappen vom Stöckli oder Gruebstock. — Eigens verdingt, wenn nicht der ersten Kategorie zugeteilt, wird die Behandlung der Stecklinge ( Chappe und Pụdrette, s. u.) unter fünf Jahren. Das Mannwerk Arbeit kostet 1921: 76½ Fr., die Are 17 Franken. — Die beschwerlichste aller Weinbergarbeiten: das spritze mit der vom Rebherrn gelieferten Brühe kostete um 1910 6 bis 6½, Franken im Tag nebst in Einzelfällen einbedungenem Wein; 1920: Fr. 15-17 oder per Ar 70 Rp. — Endlich fordert der rasch abzuwickelnde Läset seine eigenen Läserlüt. — 224 Der Rebmann darf die ihm anvertrauten Lohnreben nicht mit Zwischenpflanzungen beschweren und durfte sie vormals zwischen dem 20. September und dem Läset nicht betreten.
1
Vgl «Halbsater»
Gb. 236. sowie Türler im Jahrb. für schwz. Gesch. 33, 185.
2
NB. 5, 17.
3
EB. 2, 499-343.
In selbstlos hingebender Treue oder selbstsüchtiger Anmaßung kann ein Knecht, der überhaupt lenger als drei Wuche blịbt, von anvertrautem Gut im erste Johr säge: dem Mäister sị Sach; im zwäite: ụ̈si Sach; im dritte: mị Sach. Schlimme Gesinnung, aber auch intellektuelle Beschränktheit machten aus Bearbeitern fremder Reben zu allen Zeiten auch ( S. 219) schlächti Räbmanne. A denen isch Hopfen u Malze n 1 verlore. Aber Räbbauschuele wie die, welche 1915 in Lausanne als Ersatz für die eingegangenen zu Wädenschwil und Auvernier gegründet worden ist, können ein über e Bank ewägg tüchtiges Weinbauerngeschlecht heranziehen. Längst dagegen besteht eine bernisch-kantonale Wịịbauku̦mission und seit dem 28. Dezember 1781 die Räbg’sellschaft: die (von den Rebleutenzünften ganz verschiedene) «Rebleuten-Gesellschaft» (1824) oder offiziell: Rebgesellschaft Twann-Ligerz-Tüscherz. Sie wurde auf Geheiß und Anordnung der Berner Regierig gegründet, erhielt zu Beisitzern des Vorstandes alle obrigkeitlichen Schaffner und 24 (seit 1824 nur noch 8) Partikulare am Bielersee, einen abwechselnd aus Twann und aus Ligerz genommenen Wäibel (Offizial); und die Sitzungen präsidierte der Amtmann zu Nidau, der Meyer von Twann oder der von Ligerz. Nur mit oberamtlicher Genehmigung durften die Hauptversammlige, welche heute das Frịịtigblettli (der Amtsanzeiger) frei in ein Wi̦i̦rtshụụs einberuft, im Fraubrunner-, Buchsi-, Arbärgerhụụs ( S. 214), im Twanner Ra̦a̦thụụs oder Ligerzer G’mäinshụụs stattfinden.
225 Die Gesellschaft wurde 1791 und 1797 für je wịteri sächs Johr bestätigt. Allerlei Vertrü̦ü̦ß, besonders aber das Jahr 1798, bedrohten sie mit Zersetzung. Was häi mer z’dị̈e? fragte sie sich am 9. November 1798. Allein, sie raffte sich schon 1800 zu neuer Tätigkeit auf; und heute zählt sie ohne amtliche Leitung, aber als Sektion der bernisch-ökonomisch-gemeinnützigen Gesellschaft und damit des schweizerischen Bauernverbandes, zu den blühendsten Vereinigungen des Schweizerlandes. Die Rebkultur- Reglemänt von 1843 und 1894, die neuen Stadụte vom 20. März 1904, sowie die bisherigen Protokolle ( Prodikóll) reden von reicher Tätigkeit der Gesellschaft. Sie wirkt regulierend auf die Mostprịịse, teilweise auch auf die Räb- u Wịịlöhn. Sie belehrt sich und die Welt durch Reisen (wie 1908) und intensive Studien (wie die 1914 mit der gu̦ldigi Médailje und dem großen Ausstellungspreis gekrönten) über brennende Weinbaufragen. Sie gründete und sie unterhält mit staatlicher Hilfe die Twanner Pflanzschuel (s. u.); und sie belohnte oder bestrafte vormals angestellte Rebarbeiter nach Gebühr. Wo nụ̈ụ̈t chlaghafts vorlag, im Gegenteil gute Arbeit und freiwillige Grundverbesserungen zu konstatieren waren, da het si̦ g’rüehmt, Breemie erteilt und Entschädigungen geleistet ( etschädnet). Andere, und zwar sogar (1790 u. ö.) Chilchmäier und Chorrichter nahm und nimmt sie hääre mit «verweislichem Vorhalten» (1800) schlechter Arbeit und «sieht sie scharpf an» (1793) mit Bueße, wenn nicht mit Aazäig, worauf die Fehlbaren abg’setzt und ersetzt werden. Hier hat einer (1793) unäigelig («uneigentlich») g’gruebet, dort einer sich (1795) einer andern «Versaumnuß» schuldig gemacht. Heute ist die Rebenkontrolle erloschen.
Ihre Urteile und Verurteilungen gründeten sich auf anfänglich zwei, später drei scharf kritisierende Kontroll- Umgäng der Räbenụụfsäher oder Visidatóre in den durch numerierte Kontrollstäcke 226 kennbar gemachten Kontrollräbe. Diese wurden 1784 in fünf Bezirk abgeteilt, die aber durch Ein- oder Austritt von Mitgliedern der Gesellschaft Wandlungen erfuhren. Dem sich gleich bleibenden Stamm der Vereinigung konnten und können nämlich Korporationen wie Einzelpersonen sich gegen geringen Ịịdri̦tt anschließen. Das taten, außer wunderlige Grin͜de, wie dem Landvogt Muralt zu Gottstatt (1784), alle die S. 214 genannten Klostererben im Seeland und die Bärnerheere als private Rebenbesitzer. An Bewohnern der Gesellschaftsgemeinden aber, sowie einiger Gemeinden im übrigen Seeland und dessen Umgebung, zählte 1904 die Gesellschaft 288 (Tw. 57, Li. 46, Tü. 21).
1
Sprech-Rhythmus: Vgl. etwa it.
eglino, anno u. dgl.