Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Auf das Arbeitsgebiet seiner Räbechratzer links am See als der Seebụtze (s. u.), seiner Bụụre und Bụ̈ụ̈reli rechts am See als der Moosguege, und der aus beiden sich rekrutierenden Fischer und Schiffer auf dem See schaut als dessen Namengeberin das durch Industrie zu seiner Ausdehnung gelangte Biel. Beide Ufer beherrscht es heute mit den in seinem Eisenbahnknotenpunkt einlaufenden Schienensträngen. Von der Mitte beider Ufer an macht es einen beträchtlichen Teil der Landbevölkerung zu Tributpflichtigen seiner Werkstätten, soweit diese nicht durch die Folgen des Weltkrieges entvölkert sind. So wurden Twann im Westen, Port im Süden, Brügg im Osten, Leïbringe = Evilard im Norden zu Vorposten eines Groß-Biel, das binnen weniger Jahrzehnte sich Vĭ̦nge̥lz = Vigneules am See, Magglinge = Macolin über dem See, Bëëzinge — Boujean am Ausgang der Schụ̈ụ̈ß = Suze aus der Tụụbelochschlucht, Mett = Mache und Mắdrätsch (das alte Maaderï̦̆tsch) am Unterlauf dieses Flusses politisch einverleibt hat.
Am nordöstlichen Ufersaum gedeiht ihm der prächtige Quai ( ggee), 1 dessen französisch gewordene Benennung gleich dem Namen der Stadt (s. u.) auf hohes Altertum zurückweist. Am See aber, wie mit dem Landverkehr und dem Wohnungswesen hat Biels Büel (Bühel, alt: buhil svw. Buckel 1a ) derart in den Gemeindebezirk Nidau, hat also die Burg aus dem Bïel des ehemaligen Bieler-Dị̈tsch in die Autonomie 100 des alten Grafenstädtchens in der «nidern Au» inḁ g’längt, daß die Mehrheit beider Stadtgemeinden der Verschmelzung zu ei’r G’mäin zustimmte. Der vom Bundesgericht sekundierte Große Rat verweigerte indes nach zweitägiger Debatte am 2. März 1921 mit mehr als 100 gegen 35 Stimmen die Vereinigung, nachdem er auf 1. Januar 1920 die vormals selbständigen Gemeinden Mett und Mắdrätsch vom Amt Nidau gelöst und zur Einwohnergemeinde Biel geschlagen hatte. Damit bleibt vorderhand Biel, das 1815 nach seiner Einverleibung in den Kanton Bern dem 1803 geschaffenen Amtsbezirk Nidau angegliedert, aber 1831 aus diesem entlassen worden war, ein Gemeinde- und ein Amtsbezirk für ihn sälber. Als letzterer zählt er nicht zu den kleinsten. Wies doch die Einwohnergemeinde Biel am 1. Dezember 1920 auf: 8496 Hụshaltige mit 34,414 Einwohnern (in 2729 Wohnhäusern). Davon sind 27,871 protestantisch, 4702 römisch- und 780 christkatholisch, 426 jüdisch, 783 konfessionslos. Ihrer 22,843 haben zur Mueter-Sprooch: Dị̈tsch (ein heute dem alten Molzschen Bieler-Dị̈tsch entfremdetes, fast aller Lokalfärbung entäußertes, nivelliertes Alemannisch), 10,670: das allen Patois entäußerte Schuel-Franzëësisch, 889: verschiedene italjänischi Mundarten, 27: Rätisch (Romandsch), 143: andere Sprooche. 2997 Ausländer stehen 31,575 Schweizerbürgern gegenüber. Zum Amtsbezirk Biel gehört heute noch die Einwohnergemeinde Lëïbringe mit 89 Häusern, 195 Haushaltungen und 790 Einwohnern.
Nidau seinerseits bleibt mit seinen 146-265 Häusern, 356-596 Haushaltungen, 1578-2537 Einwohnern 2 der Amtssitz des underen 101 Amt: der Underämtler an der untern Hälfte des Bielersees und am Nidau-Büren- Karnal. Vom Gränzbechli an, dem linken obern Seestrand nach und längs der Nordgrenze von Sant J̣hánns 3 setzt der in seiner großen Mehrheit welsche Amtsbezirk Neuveville = Neị̈e̥stadt ein, um über den Dessebärg = Montagne de Diesse gegen den Chasseral hinan zu verlaufen. Am rechten obern Seeufer beginnt, und gegen die Kantonsmarchen von Neuenburg, Waadt und Freiburg hin erstreckt sich das obere Amt; die Oberämtler sind an den Amtssitz in Erlach ( Cerlier) gewiesen.
reizvoll in den Reben gelegene Häusergruppe, auf dem Weg Biel-Twann
Und so beherrschen als Amtssitze vier (wenn wir das neuenburgische Landeron, d’Landere hinzuziehen: fụ̈̆f) Ortschaften mit Stadtrecht wie Egge eines langgestreckten «Festungs-Vierecks» den See. Nehmen wir «Stedtli» im volksmäßigen Sinn dicht geschlossener Häuserreihen auch ohne Stadtrecht, 4 so gibt es ein solches auch mitts am linken Bielerseeufer. Das mäint: die 79 Häuser mit den 108 Haushaltungen Twanns zwischen Bahnhof und Kirche. Stedtli im rechtlichen Sinn aber sind: Nidau; die «neue Stadt» Neïetstadt (wie aber auch die Bieler Nidaugaß einst die nëiji, d’Neïetstadt hieß), und Erlach mit den 115 Häusern, 205 Haushaltungen und 830 Einwohnern, die 102 es zusammen in der dank der schönen Anlage mit dem See verbundenen Understadt und der Oberstadt als der Junkeregaß zählt. Dagegen ist Biel aus einem Städtchen zur Stadt erwachsen, die denn bereits 1229 als eine urbs dem oppidum entgegengestellt erscheint, wenn auch beide lateinischen Ausdrücke als «umfriedigte» Orte 5 d’s glịịche mäine. Einen mehr besagenden Unterschied zeigt gegenüber den Stedtli mit ihren alten Grafen Schlösser die Stadt, indem sie den altdeutschen Namen für «Stadt»: Burg im engsten Sinn an die Stelle des Schlosses setzt. Wie nämlich das sloß alter Sprache alle Nichtangehörigen des vielleicht mehrfach besloßßeten oder gesloßßeten Schloßheer r aus«schloß», jetzt noch Gefangene «einschließt» und damit sprachlich dem Chlooster als claus-trum und der Klause zur Seite steht, «birgt» dagegen die alte burc die in ihr Schutz Suchenden gleich einem schwer zugänglichen Berg, bërc. (Vgl. Sant ,Jhánns und Thorberg in den Funktionen der Burg, des Klosters und der Zuchtanstalt.) Während jedoch die Bieler Burg auch als Verwaltungssitz auf die enge Gebäudegruppe beschränkt blieb, stellte sich z. B. ein Neueburg der Neïetstadt gegenüber als Erweiterung zu einer weit größern Wohn-«Statt» oder «Stätte», was ja «Stadt» im noch frühmittelalterlichen Ursinn bedeutet. Ja, sie benannte nach sich die nicht mit Wall und Graben gesicherten, offenen Vororte als «Vorburgen», faubourgs.
Seinen eigenartigen Gefühlswert erhielt «Burg» durch den Eindruck malerischer Baureste, wie der Chneebelburg auf dem Jäißbärg; 6 wie der Haseburg über Vinelz, welche die alemannische Westgrenze zu schützen hatte; 7 wie der Tụ̈ụ̈felsburg bei Büren als Erd- und Holzburg nach dem Muster rechtsrheinischer Alemannenburgen. 8
Findet die «neue Burg» ihren Gegensatz in diesen dem Zahn der Zeit für immer erlegenen uralten Burgen, so die «neue Stadt» ihr Gegenüber in Erlachs jählings z’Nacht vom Feuer zerstörter, aber 1921 glücklich neu erstandener Altstadt. Die Brunst vom 18. August 1915 9 erinnerte schreckhaft daran, wie 1456 «Nüwenburg bran» 10 und 1468 «die von Büren verbrunen sind»; wie aber auch offene Dörfer dem furchtbaren Element verfielen. 1482 verbrannte Arch; Lyß erlitt zwischen 1691 und 1694 drei Brünste; die eine zerstörte innert ere Halbstund 16 Firsten, 1512 het’s z’Gals (Galtz) ’brụnne; 1471 «verbran 103 Wingreps» ( Wi̦ngräis); 1920 (14. September) die Scheune samt Pächterwohnung und Gärtnerhaus zu Ängelbärg bei Twann. Im November 1884 gab es im Fị̈ị̈rland Seeland innert 14 Tagen sieben Brände ( S. 37).
Schon in den vier Stadtmauern Biel, Nidau, Erlach, Neuenstadt steckt die Andeutung einer vieltausendjährigen Siedelungsgeschichte. Wie ein aus seinem Hintergrund hervorschauendes Bildschattenspiel zeigen sie uns das Auf- und Abfluten von Völkerschaften verschiedenster Sprachen und Stämme, die den Reichtum des Sees an Fisch und Vogel, die Lage des Strandes zum Wohnbau, das Gehänge zum (schon uralten) Weinbau (s. u.), und des Waldes Wild als Jagdbeute voll auszukaufen verstanden.
1
Gallisch-keltisches
caio (Umwallung) wandelte sich in normännisch und frz.
quai, welches als holl.
Kaai entlehnt wurde. (
M-L. 1480.)
1a
Vgl.
S. 105.
2
Der «bis» bedeutende Gedankenstrich verbindet die Zahlen der Volkszählungen vom 1. Dezember 1910 und 1920. Die von 1920 wurden freundlichst vom bernischen statistischen Bureau eingesetzt. Vgl. zu Nidaus Gesch.
Grun. 4, 276.
3
Ins 371-7.
4
Vgl. z. B. Huttwil mit «Aarwangen».
5
Walde 543. 859.
6
«Pionier» 1918, 92. Vgl.
AhV. 1, 369.
7
Ebd. 1920, 59 ff.
8
Ebd. 1913, 82-105.
9
Ergreifend geschildert von
Robert Scheurer in der «Berner Woche» vom 3. Oktober 1919.
10
Mhd.
brinnen: brinne, bran, brunnen, gebrunnen wie noch:
es bru̦nn, het ’bru̦nne, aber: es tuet
brönne, es
brönnt.
Im semitischen Orient wurzelt gleich der Name des ersten Ortes, nach welchem dieser «Bärndütsch»-Band betitelt ist: Twann.
Die Namen lauten zwischen 1185 und 1294: Duana, Duan̄a, Duan̄e, Tuanne, Tuan̄o, Tuan̄a, Tuan̄e, Tuanno, Tuan̄on, Thvian̄a, Tvoana, Tvan̄e, Tuwan̄e, Twan̄a, Twanno, Twan̄e. Was besagen sie? 1
Wie Twann zur Weltkriegszeit den gesamten Haushalt eines ostindischen Maharadscha 2 ( Prince Sir Paramahamsa) in seinem Engelberg ( Ängelbärg, s. u.) herbergte; wie auf dem sonnigen Chapf über dem Dorf der Urheber des Atlas linguistique (s. u.) sein Sommerhaus abgstellt het und ein auch im Süden heimischer Maler als Ehemann einer Germanistin dort wohnte; wie die nach einem Morgenländer benannte, gegen westländische Flüchtlinge als Träger großer Namen so gastfreundliche, als Ziel starker Fremdenströme und als Kurort bekannte Insel das Juwel Twanns ausmacht: so trägt auch sein Name weltbürgerliches Gepräge. 3 Das im Welthandel als Steuer für Warendurchlaß spezialisierte semitische Wort wurde sinnesgleich 104 mit deutschem «Gebühr» oder mit dem Lehnwort Zolln, (Zoll). 4 An welcher Stelle des heutigen Twann, das zu einem Gemeinwesen von 162 Häusern, 202-216 Haushaltungen, aber 854-844 Einwohnern erwachsen ist und außer dem Stedtli ( S. 100) das Moos (18 H.), sowie Chlịịne Dwann 5 hienochet dem Bach (17 H.) umfaßt — Chlịịne Dwann änet dem (Twann-) Bach (10 H.) gehört zu Ligerz — mag der Zoll erhoben worden sein? Jedenfalls in dem zu Ligerz gemeindegenössigen Chlịịne Dwann (1420: la Petite Tuwanne). Hierauf deutet die Bắreire zu Bi̦tschool (s. u.) gegenüber dem ehemaligen Zähndhụụs. Hier, wo das anmutvolle alte Pilgerwägli zwischen Twann und Ligerz als Fortsetzung des vormals einzigen Landweges von Biel her sich gegen den See und die heutige Landstraße absenkt, hielt ein Schlagbaum: eine barrière 6 die Saumtierlasten an. Wer aber auf dem Wasserwege nach diesem Pilgerweg und damit nach dem Tessenberg ablenkte oder umgekehrt von diesen, herunter dem See zustrebte, war etwa an die Schŏ́relänti zu Klein-Twann gewiesen, und auch an einem hier errichteten «Schlagbaum lehnt’ just der Zöllner hervor».
Auf die Sprache eines Volksstammes, der lange vor den Kelten als den ältesten Indogermanen Mitteleuropas deren Wohnsitze einnahm, führen neueste Forscher das Heim des Cono de Zschauans (1338), Chavannes, Schắffis, Tschaafĭ̦z zurück 7 als Hütte, Sennhütte, Viehstadel, Heuhaus, Weinberg-Herbsthaus. Aus einer Gruppe solch primitiver Gebäude entstanden die 14 behäbig stolzen Häuser dieses mit Ligerz baulich zusammenhängenden, aber den östlichen Vorort von Neïetstadt ausmachenden Chavannes: des Urquells des weithin bekannten Tschaafĭ̦zer. Der Ort zählte 1920: 19 Haushaltungen, 70 Einwohner.
Dem Namen und der Grundbedeutung des Ortes entsprechen die über sanftem Anstieg vor den Seeüberflutungen geborgenen Häuschụ̈ụ̈rli: die l. fenilia des einstigen Fenils, Fénis, des heutigen gut 105 bäuerlichen Vị̆ne̥lz bei Erlach. Spitzsäulenartig aufgetürmte Heuhaufen 8 als l. mētae waren der Ursprung des Dorfes Mett ( Mache). 9 Das bildet mit Maaderĭ̦tsch, Mä̆drätsch eine Kirchgemeinde von 3729 Seelen des Jahres 1910. Es gehört mit ihm seit 1920 kommunal zu Biel, wie wirtschaftlich von vornherein. Ähnlich gehörten zu Aarberg ( Arbä́rg) Maadheuställe als die Baarge (auch Einzahl: die Baarge als die an «bergen» erinnernde ital. und rätische bargia 10 ). Heute ist Baarge diese stattliche Bauerngemeinde. Ja, die am Li̦schbach, heute Lyßbach, gelegene Gemeinde Lyß hat als Verkehrszentrum ihren Amtssitz Aarberg überflügelt, wie Ins den von Erlach, Herzogenbuchsee den von Wangen, Langenthal den von Aarwangen, Sumiswald den von Trachselwald usw. Als eigenes Bụregmäindli hat sich Schụ̈ụ̈re bei dem ehemaligen Kloster Gottstatt entwickelt, indes die Schụ̈ụ̈re bei Bụ̈ụ̈re und Burgdorf bäuerliche Vorwerke dieser Stedtli geblieben sind. (Vgl. Les Granges bei Château d’Oex.)
Gut keltisches mac als «Sohn», nachklingend in Mac Adam, 11 Mc’ Niell u. dgl., parallel dem -son (Johnson) und -sen (Nansen), dem witch (Zaréwitsch) und unserm ’s als «Sohn des NN.» ( Christe’s) mit oder ohne -en ( ’s Nobse n) steckt in Macolin = Magglinge. Das -l und l. -ol ist römische Zugabe im Sinn unseres -el, -li, -lein; 12 das -in, waadtl. -ens (Renens = jurassisch Renan), deutsch -ing ist wieder keltisch und bedeutet Nachkomme, so daß -ing-en, mit -en (alt: un) als altem Wofall der Mehrzahl so viel ist, wie «bei den Nachkommen des NN.» Vgl. Mör ige, Lattrige, Bözinge, Ilfinge (s. u.). Gallisch-keltisch ist der Name der Stadt Biel = Bienne (vgl. S. 99). 13
1
Reg. 78 in
Font. III; vgl. 1, 478; 2, 30. 35. usw. Vgl.
AhV. 1, 117. 128. 145. 304. 371; 2, 269; 3, 3. 70; 4, 12; 7, 50; 10, 360; 12, 144. 151; 16, 7. 17. 426. 433.
2
«Großherrscher»
3
Arab. (und daraus pers. und türk.)
diwan ist zunächst svw. unser
Dị́waan (Polstersitz), dann die Gesamtheit der auf ihm Beratung pflegenden Behörde (vgl. der heilige «Stuhl»), z. B. der geheime Rat des Sultans und der Inhalt der Beratung, niedergelegt im Protokoll. Das verallgemeinerte sich als Diwan im Sinn einer Schriftensammlung (vgl. Goethes west-östlicher Diwan), spezialisierte sich aber auch als Steuerverzeichnis, als Steuerbehörde und als Steuer. Eine solche erhob man in der alt venezianischen Handelswelt mit ihrem Mittelpunkt Venedig als die it.
dogana, der prov.
doana, frz.
douane. (
Seiler 4, 141;
M-L. 2707;
Heyse 282.)
4
Wie aus
bü̦ü̦re als heben und tragen «Gebühr» wurde, so aus gr.
téllein und l.
tollere: das
télos und das l.
telōnēum, volkslat.
tolōnēum:
Zollu und
Zolluhụụs, umgestellt afrz.
tonnelieu; der
tolonarius:
Zollner. (
Prellw. 454;
Kluge 509.) Vgl. Tellenburg,
Thonon u. a.:
Gatsch. P. 31.
5
Bemerke den zum Wer- (und Wen)fall versteinerten Wofall (den mit dem Wemfall zufammengeflossenen Lokativ). Vgl.
der (Gasthof zum)
Bäre, der Ochse
n usw.
6
Aus «
barra» (Querstange):
M-L. 963.
7
Ligurisch ist nach Gröhler 157 f. das von den Kelten entlehnte
cab, cab-an, frz.
cabane usw.; vgl. die reiche Wortgruppe
M.-L. 1624 und
Gatsch. O. 3, 51, wo Namen wie Cham (aus rätischem
camonna) und Chämistalden (Zug), zen Gefinen (im Wallis, 1348:
ze Zavans), woher das Geschlecht Gafner, auf
cab (vgl. auch engl.
Hansom cab, frz.
cabine und
cabinet
Kabinét usw. zurückgeführt werden. Vgl.
AhV. 3, 2 S. 48.
8
Vgl. die kegeligen Dri̦ften, Trịsten im «Saanenland».
9
Gibt dies irgendwie als entstelltes «Mast» (neufrz.
mât) in seiner Weise die «Heusäule» wieder?
10
Schwz. Id. 4, 1049 f.;
M-L. 947.
11
Vgl. die makadamisierten Straßen. Das entsprechende deutsche Mage als (durch Heirat) Verwandter:
Kluge 298;
schwz. Id. 4, 96-99.
12
Vgl. das
Böck-li (Böcklin) als den
capré-ol-us, der uns mit seinen
Gabrióle ergötzt,
gabriólet.
13
Er ist nach neuster Deutung (Stadelmann,
Taschb. 1903, 250/6) wirklisch keltischen Ursprungs.
Belna 1142,
Bielna 1184,
Biene 1218,
Beene 1225,
Beesna 1228,
Beenna 1233,
Biena 1291,
Bienna 1260,
de Belno 1160. 1255, 1179
de Bielno, 1254
Bielle, 1259
Beln, 1260
Bieln und
Biel und
Beil, 1265 in
Biello usw. (s.
Font.) gehen zunächst zurück auf das
Bē-lena, Bielena, Bielna des Volkslatein, vgl.
Bien’ im jurassischen Patois. Nun findet sich «
Belena» auf gallischen Silbermünzen, welche nach der Analogie ähnlicher Opfer an Brunnquellen der berühmten Bieler
Römerquelle gewidmet sein können, bzw. ihrem Schutzgott
Bĕlenus. So hieß mit einem seiner Beinamen (svw. «der wie das Feuer Glänzende», vgl.
Holder 1, 379-3; Gröhler 193) die dem griechischen Apollo (d. i. der machtvoll Wirkende:
Prellw. 47) vergleichbare Gott der Kelten, der Licht und Reinheit personifizierte. Auf den Namen geht auch der
Beaune (Belenum castrum) und
le Beaunois (pagus Belnensis) zurück (Gröhl. 193), vgl.
Benna (1230) für
Belna. Ein anderer Beiname des Apollo:
Bormo (zu «warm», vergleichbar einerseits mit l.
ferv-ēre als siedend wallen:
Hold. 1, 492, anderseits mit gr.
thérmē, die Thermen als Warmbäder:
Kluge 483) feierte ihn als Schutzgott der warmen Quellen. Man denke an
Bormio als das veltlinische Worms. An
Belenus erinnert auch irisch
Beltene als die Feierfeuer (
Fịịrfị̈ị̈r) des 1. Mai (Dottin 308). Eine Erklärung aus dem
Bị̈el (Büel, noch nach
Zimm. 1, 41) macht nur
«Biel» verständlich, die Deutung aus
bipennis als der («zweiflügeligen») Doppelaxt des Wappens (nach Antenrieth 43 u. a.) nur «
Bienne».
Eine Reihe von Ortsnamen, deren Grundformen im Indogermanischen reich vertreten sind, wurden uns durch römische und romanische Vermittlung so geläufig, daß sie uns wie ursprünglich deutsch klingen. So geht z. B. das «Weichbild» einer Stadt als das Gebiet ihrer Gerichtsbarkeit (vgl. «Unbilden» als Unrecht) 1 auf dasselbe l. vicus (Häusergruppe, Dorf, Flecken, Stadtviertel) zurück, dessen gr. Entsprechung voíkos (Haus) uns z. B. in «Ökonomie» als Hụshalt so bekannt ist. Der verkleinerte vicus aber ist die l. villa 2 als der Wohnsitz (die Willaa), die fz. ville als die Stadt, le village als das Dorf. Deutsch entlehnt ist die villa unser Wyl und -wil, wie das vill-are als der Wịịler und Weiler ein Komplex von Ge-höften. So im alten Frankwil; im Walperswịl, 1492: Walpertswil, als dem Walt-boltes-wílare (des «kühn und weise Gebietenden»); im Wiler vor Oltigen (1493) als Wiler-Oltige, in all den jurassischen -wil.
Mittelst des gallisch-römischen -acum, des deutschen -ḁch, wurden aus Personennamen römische Ortsnamen gebildet. Vor allem kam es so zu den Formen Cerliacum neben Cerliacus, Cerliaco, Cerlye, Cerli, Herilacom, die abbatia (Abtei) Herilacensis, Herlach, der Bielersee als der lacus Erliacensis, Erilaco, Erilacho, Erliaco, Erlaco, Erlach, Eerle̥ch = Cerlier. So seit 1185. 3 Römer namens Caerellius 4 (Ciriè, Siriè) 5 gründeten als Caerielliacum drei verschiedene Cérilly in Frankreich und unser Cerlier: das urdeutsch entsprechende «Zerlach». Wie nun aber das dem aargauischen Zeinigen im Volksmund am Thunersee gleichlautende Zeinigen (z’Zeinige) als «z’Einige» umgedeutet und als «Einigen» schriftlich fixiert wurde, 6 so deutete man auch Zerlach als «z’Erlach», z’Eerlḁch, was noch durch den gleichen Vorgang im Süddeutschen 7 gerechtfertigt erschien. In seiner Weise stützte auch der durch eine nun halbhundertjährige Kassenkrisis veranlaßte Wortwitz I bi drum z’ehrle̥ch g’si̦i̦ die neue Namensform.
107 Das nämliche -acum = -ḁch kann mit dem berühmten Römer-Vornamen Cajus = Gajus 8 verbunden worden sein 9 und das -t (wie in «Rü̦̆fenacht», «zweufacht») sich zugelegt haben in Gajacum, Geiach, Geicht. Dieses Bergdorf, bis vor fünf Jahrzehnten ein eigener Schulkreis, zählt 22 Häuser, 23 Haushaltungen, 112 Einwohner.
Ein von Cicero verteidigter Widersacher Cäsars hieß Ligarius, und Ligarianus war ein durch ihn gangbar gewordenes Beiwort. Ein anderes solches, mit dem so häufigen -iciuc, -icia, -itia gebildet und an einen viel spätern Römer dieses Wortes geknüpft, konnte «den Niederlaß»: die sēdes Ligaritia, kurz: die Ligeritia benennen. Die spätern Formen Ligerce (1228), Ligerzo (1230), Ligerza, Liegerzo, 1390: Lygertz usw. neben Lierece (1258), Lieresie (1234), Lieresce (1277), Lierzi 10 liefen aus in Li̦i̦ge̥rz, Ligerz, Gléresse, 1420: Gleresse. Ligerz zählte 1920: 99 Häuser, 123 Haushaltungen, 478 Einwohner.
Ein Nordafrikaner aus Mauritanien (Marokko), römisch: ein Maurus, benannte nach sich, wie die französischen Mauriac, Moirey, Moiré, 11 auch unser Moringen (1196), Mörigen, Möörge. Der Volkswitz läßt hier einen Moori seine Mööri als lang gesuchte gleich schwarze, aber bessere Hälfte finden, um so die beiden seeländischen Geschlechtsnamen Mori und Möri auf einen dritten solchen: den Moor als den Neger ( schwarz wi n e Moor) zurückführen zu können. Für ungeschultes Hörensagen, dem etwa noch die anmutvolle Geschichte vom Kämmerer aus Mohrenland 12 zuhilfe kommt, beginnt ja das Negergebiet mit Nordafrika. Auch die Weisen aus dem Morgenland 13 erscheinen ja auf alten Helgen schwarz. Warum nicht, da selbst das heute blutrote Rußland noch etwa als Rueßland gedeutet wird?
Um das Geschlecht Titius gruppieren sich eine Anzahl Namen 14 wie z. B. Titiacus, Tisiaco und Tessius, mit denen 15 vielleicht Teß, Deß, Dessebärg und 16 Diesse zusammenhängt.
Aus einen Anicius führt Stadelmann 17 Ins = Anet zurück. Wenn nach ihm 18 auf der berühmten Doppel-Pfahlbaustätte ein Einsiedler mit dem verrömerten großen gr. Namen Lysikrates das nachmalige Fischerdorf Luschiers (1271), Lusserat, Luscrat, Locrat, Locra (13. Jhd.) unser Lü̦̆scherz = Locraz gründete, so lassen sich als Parallele dazu die großen Weltgeschichtsnamen für gewöhnliche Italiener wie Annibale, 108 Omero, Alkibiades u. dgl. anführen, wie für vornehm ausgestattete Sportschiffchen am Neuenstadter Landungsplatz.
Ein hispanischer Redekünstler hieß Latro. Mit seinem Namen kann Lattrige belegt sein, obwohl auch die alte Deutung aus ebenfalls lat. lătĕr (Ziegelstein) im Hinblick auf die dort vormals den schönen Moränenlehm verarbeitende Ziegelei 19 ihren Sinn hat: es het öppis! es wär nid darnääbe! Dies um so mehr, da obiges -ing und -ingen bis zur Sinnlosigkeit analogisiert an Eigen- und Gemeinnamen (hier nach dem Beispiel von Kies- el-ing, Kies-ling) gehängt worden ist.
Wie heil-ig svw. heilbringend ist, gehört zu sā-nus (sain) l. sa-cer (vgl. Sakrament und sa-n-cire, sanctus 20 ) in den Namen Sankt Johánnsen = Sant J̦háns und Sant Niklaus.
Scheunen und alte Häuser mit Blick auf die Ligerzkirche
Römische Gemeinnamen stecken in den Hinweisen auf alten Weinbau unten und Nußbäume oben am linken Seeufer. Denn aus vinum 109 bildete man die Verkleinerung «zu den Wiirääbli»: ad vinéolas, Vigneules = Vĭ̦nge̥lz, wie aus nux = Nuß als Baumnuß den Namen «Nußbaumen», genauer: «bei den kleinen Nußpflanzungen»: nucariolis, Nugarolis, Nụ̆gerol (vgl. Nuglar), letztmals 1382: Nierul als ehemalige Villenreihe zwischen Landeron und Neuenstadt. — Bis Port (l. portus, le port) als den dortigen östlichsten Landungshafen reichte einst der Bielersee. 21 — Auf cavus (gewölbt, hohl, vgl. span. cueva, Höhle) läßt sich sachgemäß das chorgerichtliche Gefängnis im alten Inser Rathaus: das Tschụlisloch (z. B. 1670) 22 zurückführen. Dies cavus 23 beeinflußte das andersartige Wort caulae, caullae 24 iSv. Stall, Hürde, Pferch, Färich, und dies gab in der Form ad caulas die Grundlage ab für Gals (1512: Galtz) = Chules. 25 Über dem Ort erstreckt sich der Galserbärg oder Tschụlimu̦ng, der wirklich schöne, 25a nicht bloß «hübsche» Jolimont der Volksetymologie.
110 Bloß geduldete Leibeigene fremder Herren, aber unentbehrliche Lohndiener für Arbeiten, für welche die Stadtburger si z’stolz g’sii, taten sich außerhalb des Umfassungsgürtels zusammen zu Niederlaßgesellschaften, welche die Kopfsteuern für ihre Herren und die für Einzelhaushalte schwer erschwinglichen Teile der Lebenskosten gemeinsam aufbrachten: zsämetoo häi. Solches Kollationieren ( conferre) veranlaßte ihre Bezeichnung als collationes: Gŏ́lata. 26 Der Name übertrug sich auf die Wohnungen zwischen der äußern und innern Ringmauer. Noch redet die Gollatestäge zu Biel von der dortigen Golleten (1596) oder Golaten (1524). Vgl. die Golaten bei Aarberg, die Collata zu Burgdorf, die Golatenmattgasse (heute: Postgasse) zu Bern, die «Goliathgasse» zu St. Gallen.
Erst im Mittellatein erscheint das fränkische bed (Bett), d. i. Bachbett als das bedum, bevium, frz. le bief oder bied, bié, biez 27 als künstlicher Wasserlauf. Ein solcher sammelte die Bergwasser für die vormalige Kundenmühle z’Wị̆sse-Rä́in. Etwas unterhalb liegt das Zehndhaus ( S. 104) zu Bevésier oder Bipschal, Bi̦ppschól 28 (oo), Bi̦tt-schól. (9 Häuser, 10 Haushaltungen, 54 Einwohner.) Allem na̦a̦ ch leitete einst auch hier eine schalenartig flache Leitung als ein bevium: umgedeutschtes Bi̦pp 29 die Bergwasser in den See.
1
Kluge 486.
2
Walde 833.
3
Font. 1, 478. 532. 539; 2, Reg. 15. 23.
4
M-L., Einführung in die Romanistik;
Hold. 1, 677. 993.
5
Im Piemont.
6
Weitere Beispiele in
Gb.,
Aw., Sa.
7
Krieger.
8
Vgl.
Georges 1, 623. 639.
9
Türler; vgl. unten
gahagis.
10
Font. 2, Reg. 43. 50;
Taschb. 1905, 240 f. Vgl.
AhV. 1, 306. 372/4; 2, 235. 269; 3, 3 S. 70; 10, 313; 12, 144. 151; 18, 437.
11
Gröhl. 267.
12
Ap. Gesch. 8.
13
Matth. 2, 1-12.
14
Georges 2, 1822.
15
Weiteres: Gröhl. 295 f.
16
Vgl.
Tierré im 14. Jhd.
17
Taschb. 1905, 242.
18
Ebd. 239 f.
19
von Mülinen.
20
Walde 668. 676.
21
Ins 77.
22
Ebd. 609.
23
Vgl. gr.
kŏŏs als Gefängnis:
Walde 146.
24
Walde 144.
25
Stadelmann im
Taschb. 1905, 239.
25a
Empfindungen auf dem Jolimont (von Keller):
Taschb. 1859, 43.
26
Schwz. Id. 2, 216 f.
27
M-L. 1016. (Das «
bié» wurde in bekannter Willkür orthographisch gedeutet.)
Bridel 40.
28
So schon 1344 («Sol. Wochenbl. 1825, 241).
29
So nach Gatschet O. 301 statt der üblichen Herleitung auch von Ober- und Niederbipp (mit deren starken alten Mühlen) aus dem Namen Pipin.
Ein Lallwort wie l. ava und avus (Großmutter und -vater) ist altdeutsches Ab und Ap, Abbo und Appo (vgl. Äppigen), Ebbo und Effo (vgl. Effinger), Ifo (Ịff) svw. Vatter, kosend als Vatterli verkleinert: Eb-izo, 1 latinisiert Abidius, freiburgisch ausweichend in Agies (1437), Agie, Agy = Ebsachen. 2 Das nämliche Ebizo gestaltete sich mit -acum zu Epsḁch und Ipsḁch, Epsḁ und Ipsḁ.
Auf rein deutschem Gebiet verweilen trotz der Nähe Biels und der kirchlichen Zugehörigkeit zu Twann: Daucher = Dụ̈̆sche̥rz (s̆s̆), alt: Tuschers und Tusschier, oberflächlich an den Namen Tụ̈ụ̈scher (s̆s̆), Täuscher (Händler) streifend, und Alfermé (1274: Alpherme), lokal: Hä́lffermee, mit der alten Form Alphrame (1235) an Wolf-ram, alt: Wolf-hraban (Wolfrabe) erinnernd. 3 Die Gemeinde Tüscherz-Alfermé zählt 53 Häuser, 71 Haushaltungen, 299 Einwohner.
111 Gut deutsch klingt und in der Bedeutung durchsichtig ist Hermrị̆ge, altes Heri-mar-ingun: bei den Nachkommen des «im Heer Berühmten». 4
Ein wie der Wolf so schlauer, listiger und vorsichtiger 5 Speerwerfer unter den kriegerischen Alemannen nannte sich Ger-wolf, 6 Gerolf. Nach ihm benennt sich Gerlafinge, das moderne (vom solothurnischen Gerlafingen wünschenswert unterschiedene) Gerolfingen.
Ein dem Pflanzenreich enthobener symbolischer Name lautet Hagan, Hagen: die adjektivische -n-Form von Haag (Lebhaag) in der Bedeutung Dornbusch oder Dorn. 7 Ein danach sich nennender Mann, dem einer nid z’nooch soll choo, wen n er si ch nid will döörnle; oder einer, der wie eine hagenbuoche hăgebuechig wirt, war es vielleicht, der als «Recke wohlgetan» seine Niederlassung gründete auf der schönen, freien Fläche gegen Siselen hin, welche sich als Hắgni über jener Egg ( S. 112) ausbreitet. Oder ist einfach an «Haag» und «Ecke» zu denken? 8
112 Was bedeutet Vingras — Wi̦ngreis, alt Win- oder Windgrebs (1302), Windgrabs (1235)? Die vom Geographischen Lexikon der Schweiz 9 gegebene Deutung als «Windgrab» rechtfertigt sich wenigstens sachlich, indem bei der zu Wingreis beginnenden Einbuchtung des Sees die Winde (zumal die Bịse) abflauen.
Was aber bedeutet Boujean = Bözingen bzw. Bëëzinge, 1458 Böuxingen? Was der auf zwei verschiedene Anfänge deutende Doppelname Evilard = Leubringen bzw. Leïbringe, 1300: Lomeringen? Was Leuzige, alt (1454) Löuxingen? Was Orvin = Ilfingen, 1483 Ülfingen, 957 Ulfingen, 866 Ullvinc mit seinem Anklang an den Wolf in (1228) Walfelin, Vauffelin, Wölflingen, Flüglisthal? Sie helfen wenigstens die Verbreitung der -ingen-Orte illustrieren. 10
Ein anderes Rätsel 11 bietet der Anlautwandel des alten Chuffalon (vgl. l. cŭpa, cŭppa mit Kopf als Gefäß, Kufe, Hụffe und cuppula, coupole, Kuppel als Verkleinerung, alle mit der Grundbedeutung hu̦pp, d. i. gewölbt 12 ) zu Täuffele. Dieser über den Öfeliblätze (s. u.) am See sich stattlich erhebende Kirchort mit der von seiner Turmgalerie gebotenen entzückenden Überschau des Seelandes gelangt mittelst seiner Industrie auch wirtschaftlich mehr und mehr auf die von seinem Namen angedeutete Hööchi.
Unerklärt bleibt vorderhand der alte Kirchgemeindename Su̦tz (s. u.).
Wie häufig der G’spaß als etymologischer Witz die ernste Namensdeutung aus dem Felde schlägt, 13 möge von vielen Exempeln eines dartun. Gut deutsche Ligerzer begegneten auf werktäglichem Gang nach ihrem damaligen (s. u.) Kirchort Diesse zu Prä̆ge̥lz = Prêles (d. i. pratula, kleine Wiesen) Holzern am Waldrand, die über offenem Feuer im Freien ihr Mittagsmahl kochten, dabei aber in düstern Gedankengängen vor sich hin zu brüten schienen. Da tönte ihnen die joviale Grußfrage entgegen: brägelt’s? Sie verstanden als Welsche das Wort nicht. Gleichwohl hellten sich ihre Gesichter plötzlich auf, wie wenn einem eine Offenbarung wird. Von Jugend auf hatten sie sich mit der Frage abgequält, was sie doch dieser ihrer neuen Bergkolonie fï̦r ’ne Naame erteilen sollten. Jetzt war er gefunden: Ja, ja, Prä̆gelz, Prä̆gelz! 14
1
Graff 1. 74.
2
Stadelmann,
Taschb. 1905, 241.
3
Vgl. Ad-, Rud-, Gang-wolf. Der Doppelname versinnbildlicht die Einheit von Mut, List und vorausschauender Weisheit. (Vgl.
Aw.)
4
Unser
meh. ahd. und altf.
mĕ, ags.
mā ist eigentlich svw. ausgiebig, vergleicht sich als ursprünglicher Positiv mit unserm
baas, sekundär gelängt aus
băs (băs ábḁ, băs ụ̆́fḁ u. dgl.), mhd. băß (
Wb. 1, 93 f.;
schwz. Id. 4, 1650 ff.). Stellen aus Gotthelf wie: «Si heige lang böös g’haa, si welle ’ne iez o la
baas (wohl) sii,» so wie das zugehörige Dingwort «die baßße» (Vorteil, Gewinn:
mhd. Wb. 1, 94) = «die
bate» (aus dem Niederdeutschen: ebd. 93), woher
batte (anschlagen, helfen:
es battet nüüt!) zeigen die ursprünglich positive Funktion des Wortes. Fügungen nun aber wie mhd.
sterker baß, grösser baß erteilten durch Induktion (vgl. etwa frz.
pas = ne pas) auch alleinstehenden baß, băs und
bas (das g’fallt mer
bás = baas!) komparative Funktion. Diese verdunkelte aber und ward durch den formellen Komparativ got.
bat-iza, ahd.
beßßiro, besser (gemäß dem Superlativ
bat-ists, beßßisto, mhd.
beßßist), gekürzt:
best, welche Form nun wieder dem Positiv zustrebt. Über die Wendung
äi’m d’s best rede, welche auch als
z’best rede empfunden wird, gelangen wir zu Ausdrücken wie:
i ha best g’macht = einen Vorteil gewonnen. — Entsprechend steht es mit
meh. «Eine Flasche vom
Mehbessere» oder der Spott:
«er wott eine
r vo de Mehbessere sii» klingt heute spassig, besagt aber gemäß dem Ursinn von
meh: viel besser. Isoliert, bekam aber auch dies
meh den Sinn des formalen Komparativs meh-r, mhd.
mêr, mêre (
Wb. 2, 1, 139-158 auch mit der Bedeutung des frz.
mais aus
magis), nochmals gesteigert als mehr-er-e,
mehreri; vgl.
die Mehrere (die «obern Zehntausend») als sarkastischer Gegensatz zu den
Min͜dere (min͜deri Lüt). Der Gefühlswert eben dieses Ausdrucks aber brachte in Verbindung mit der alten Bedeutung «größer» (vgl. z. B. Groß-Basel als die mehrere Stadt») schon früh der Komparativform
mê-r = ma-r wieder den Positivsinn des Hervorragenden (vgl.
Kluge 303), Bevorzugten, darum vor jedermann
i’s Muul G’noo
mmene, des überall Verhandelten. So kam ahd.
mâri (
Graff 2, 821-9) und mhd.
maere (
Wb. 2, 1, 68-79) zu Verwendungen wie altemmentalisch «i tue das äbe so
määr» (sc. wie etwas gleich Empfehlenswertes); vgl.
schwz. Id. 4, 358 f. Die lustige und die «traurige Mär» und das Märchen gehören ebenfalls hierher (
Kluge 303); insbesondere aber Zusammensetzungen mit
-mar, unter denen
Graff 53 Personennamen aufzählt.
5
Schmeil 52.
6
Ger = Speer:
Kluge 168.
7
Mhd. Wb. 1, 606 f.
8
Vgl.
Anselmus de Hagene (1240) mit
Conradus Hagene (1245).
9
6, 667.
10
Zurückweichen im Jura (wo noch 1161 Susinch als das [St. Immer]-Tal,
le vallon vor den -weiler-velier), Fehlen im freib.-waadtl. Alpengebiet, 17% aller Ortsnamen in der SW.-Schweiz des Mittellandes, 26% im Bezirk Morges, 31 im Bezirk Cossonay, 30 Eschallens, 34 Moudon, 33 Glâne, 22 West-Greyerz. 18 Saane-Bezirk. (
Zimm. 3, 109 f.; vgl.
Aw.) Vgl.
AhV. 1, 316. 382; 10, 352; 16, 10. 24.
11
Vgl. den fränkischen Wandel von vorderem
ch zu ursprünglich zischendem
t bei
M-L., Einführung.
12
Walde 213 f.;
Kluge 272;
M.-L. 2409 f.
13
Vgl.
«Müntschemier» in
Ins 20.
14
Ernst Schüler.
Als Glatteis, auf welchem der ernsteste Namendeuter gelegentlich die lustigsten Purzelbäume schlägt, erweisen sich bis zur Stunde namentlich Orts- und Flurnamen an oder nahe der Sprachgrenze, wo Dụ̈tsch (Dïtsch) u Wältsch im Kampf um das Übergewicht z’sämme Stäcke zieh. Heute sind die sämtlichen Dörfer links des Sees zwischen Biel und Neuenstadt gleich gut deutsch, wie alles Gelände von und mit Nidau bis und mit Erlach. A la station (gare) de Tuscherz (nicht Daucher) steigt der welsche Bieler aus und ein; und die Seilbahnstation Li̦ge̥rz trägt die einsprachige Aufschrift: Funiculaire Ligerz-Montagne de Diesse.
So ausschließlich herrscht heute das Deutsche in dem nämlichen Gléresse, das mit seiner Kapelle von 1261 und Pfarrkirche von 1445 doch bis 1483 zur Pfarrei Diesse gehörte; in welchem von 1483 bis 1656 bloß französisch, von 1656 bis 1843 abwechselnd dị̈tsch u franzëësisch, von 1843 an nur noch deutsch gepredigt wurde und wird, wie bereits 1764 der Ortspfarrer Uriel Freudenberger es im Hinblick auf die ganz wenigen französisch Sprechenden und nach dem Beispiel Murtens gewünscht hatte; im nämlichen Gléresse, in welchem die Fertigungsprotokolle von 1670 bis 1688 nur französisch, die Rebenertragslisten bis 1736 nur französisch, dann vorwiegend deutsch abgefaßt wurden; 1 demselben Gléresse, in welchem der Ort Halten (an der Halde) noch 1417 so hieß, um dann von seinem Besitzer Jaggi von Halten, der sich erst d’Aulte, dann Daulte nannte, französisiert zu werden, («Daut» klingt wieder deutsch.)
Wie alle Deutschschweizer, holen sich auch die heutigen Ligerzer und Twanner ihr Franzëësisch im Wältsche. Wer d’Sprooch schön lehre will, geht am zweisprachigen und noch vor hundert Jahren Patois sprechenden Tschaafĭ̦z = Chavannes ( S. 104) und an der Neïetstadter weißen Kirche (s. u.), wo seit 1830 der di̦tsch Pfarrer predigt und z. B. 1890 sieben deutsche Schüler konfirmierte, vorbei ins Collège de Neuveville.
So u. a. heute auf der Höhe ihrer Jahre stehende Ligerzer Frauen, welche unter der selbstbewußten Erklärung: «alli Fraue mache daas ni̦i̦d ( toutes les femmes ne usw.), oder i frooge de̥r!» 2 ihre Hemden ụs sälber g’spu̦nnigs Duech tragen. Frauen auch, welche ihren Kindern unfehlbar das Essen bereit halten, wenn die na ch de Vieri ụs d’Schuel chä̆me (in Twann: chä̆mme, ahd, quëmant).
114 Hier lernen sie reineres Deutsch. Doch kommen auch sie ụs der großi Rääbe und werden morgen i der chlịi̦ni Rääbe arbeiten. Wie gründlich im übrigen selbst in dieser Nachbarschaft 3 des zu Neuveville gehörenden Chavannes (des allerdings zweisprachigen Schaffis) das Französische zurückgetreten ist, zeigen die 392 deutschsprechenden Ligerzer gegen die 26 französisch Sprechenden des Jahres 1910. 1900: 393 gegen 27, also ungefähr wie 15:1. In Neïetstadt verhält sich heute Deutsch zu Französisch ungefähr wie 1:2; 1538 stand es wie 1:656. In Biel kommen umgekehrt ungefähr zwe Dï̦tsch uf äi Wältsch. (1900: 14,045 auf 7352; 1910: 13,947 auf 7351.) Hier kommt das französisch sprechende Kontingent auf die Rechnung der aus dem Jura eingewanderten Uhrmacherei. Der frühere Zusammenhang mit dem französisch-fürstbischöflichen Jura war durch die Einverleibung in das nicht mehr verwaadtländerte Bern (1815) gelöst worden.
Darum wies auch das mit der frühern Grafschaft und dem jetzigen Amt Nidau verbundene Twann 1910 auf: 798 Deutsche, 46 Welsche, 10 italienisch Sprechende, 1900: 810, 39, 10,
Selbst das baulich und industriell mit Biel verbundene Tüscherz-Alfermee weist für 1900 die Zahlen: 300, 3, 8; 1910: 295, 6, 8. Verglichen seien noch Nidau für 1910: 1425, 145, 7; Erlach: 795, 42, 11. So sehr ist hier d’s Dị̈tsche die wirkliche Volkssprache, wie denn auch «Deutsch» selber svw. «volksmäßig» bedeutet. 4
Von bedeutendem romanischem Einschlag scheinen rechts des Sees « Gérolfin» und « Locras» zu sprechen. Allein, die französischen Namen kamen oder blieben in Gebrauch, so lange welsche Weinhändler links des Sees zu Gerolfingen für ihre Waren Ruder an Räder tauschten, und als welsche Fischer mit dem Fischerdorf Lüscherz in starkem Verkehr standen.
In solchem Sinn des Volksmäßigen wurde das Deutsche herbeigeführt und erhalten durch den politischen und kirchlichen Verband. Das will eppis häiße, wenn man die Langsamkeit erwägt, mit welcher das mundartlich vielgestaltige und recht schwer zu lernende Deutsch Boden 115 gewinnt. Wie leicht lernt selbst der wenig Intelligente das so viel einfachere, flüssigere und schulmäßig einheitliche Französisch! So rasch bekanntlich, daß eine deutsch sprechende Einwandererfamilie bereits in der zweiten Generation verwältschet wird.
Nur die Eigennamen, diese Versteinerungen im Wortschatz, folgen der Umgangssprache erst in Jahrhunderten. So schon die Personennamen.
Aus der Zeit, da Ligerz noch französisch war, stammt das angesehene Geschlecht der Deutsch, Dị̈tsch ebenso, wie es umgekehrt z. B. in und um Langenthal einst eingewanderte, dann eingebürgerte Wälchli und Wächli gibt. Andere Ligerzer Namen: Zentner und Klening sind verdeutschtes Quintal und umgedeutschtes Clénin. Über Hugenotten-Namen reden wir später. Sind diese aus Frankreich eingewandert, so kamen aus dem Tessenberg die Muriset und die Hierelet nach Twann als die Mürset ( Mü̦ü̦rse̥t, Mi̦i̦rse̥t, Mi̦i̦rßi), als die Ịe̥rle, I̦i̦rle, I̦i̦rli̦ der Umgangssprache, die Irlet ( I̦i̦rle̥t) der heutigen schriftlichen Fixierung. So auch wurde aus Jeanneret Tschántrẹ, aus Rosselet Rösse̥le̥t, wie in Erlach aus Rosin Roseng, in Tschugg aus Garraux Gắroo, in Gampelen aus Gillard Tschị̆laar, aus Cachet Gatsche̥t, in Vinelz aus Travolet Trafe̥le̥t (Traffe̥le̥t oder Traafe̥le̥t), wie aus Tribolet Tri̦i̦be̥le̥t.
Denn Berg und Tal suchen und suchten sich zu jeder Zeit. Jener strebt nach den Vorteilen erleichterten Verkehrs, wie in der Vergangenheit und Zukunft das willig tragende Wasser sie gewährt. Land! meh Land! ruft der Seedörfler; mehr Land zum ergiebigen Pflügen und Hacken, zum beschaulichen si ch vertue, zum sichern Fahren und Gehen, zum ausspannenden e chläi go ergoo («sich» ergehen).
Derweil behalten noch die Weinberge selbst in dem wohl seit tausend Jahren 5 dị̈tsche Twann, geschweige denn in dem bis vor hundert Jahren wältsche Li̦i̦ge̥rz großenteils ihre romanischen Namen, die uns in den Weinkapiteln begegnen werden. 6
1
Zimmerli 1, 44.
2
Demander à qq’un aus de-mandare «ab»: fordern «von» jemand; Grundbedeutung: beauftragen, vgl. das Mandat. Aber: Einem etwas Anvertrautes
i d’Hand gee:
in manum dare.
3
Das bedeutet ja auch
wältsch im Grund. Nachbarn alter Germanen waren keltische
Volcae um Toulouse (
Tolosa), altdeutsch: Walchen, Walen (vgl. Walnuß:
Kluge 481, 489:
mhd. Wb. 3, 407 f.:
Graff 1, 841 f.). Deutschschweizer aber halten es mit Italienern und haben es mit französisch Sprechenden als Nachbarn zu tun. Ihrerseits benennen die letztern alle Deutschsprechenden als
Allemands nach den vormals zunächst wohnenden Alemannen, etwa wie den Deutschschweizern gelegentlich alle Reichsdeutschen
Schwoobe sind.
4
Altes
diot-isk ist: was der
diet, diot, thiuda im edlen Sinn von «Volk» als politischem Verband eigen und gemäß ist; und so läßt sich einem
uf dị̈tsch, u̦f guet dị̈tsch und
dị̈t-lech sääge, was das und das
z’bidị̈te häig. (
Kluge 91.)
5
Vgl. Morf, Deutsche und Romanen in der Schweiz.
6
Zu allem hier Angebrachten vgl. Bachmann und Gauchat: die drei großen alemannischen Vorstöße gegen Westen, 532 bis 888, 1032 ff., Ende 13. Jhd. (Die Schweiz, Bibl. d. Geogr. Lex. d. Schweiz. [1907 f.], S. 340 ff. mit Karte S. 344.)
Welcher Art nun aber ist — oder war — das so entschieden die Oberhand gewinnende Deutsch? Die wie überall auch hier lehrreiche Ortsneckerei gibt die Antwort in der Form eines die Hauptmerkmale zusammenfassenden Probesatzes: Sti̦ggele, bi̦ggele, Bäïmeli hạue, Bëhneli setzen u̦f dem obere Mị̈ị̈rli.
116 Hiervon ist zunächst hạue (umhauen), mit deutlich offenem a statt des sonst allgemein bernischen o, so allgemein westseeländisch, daß wir es bereits im « Ins» konsequent durchführten. Es muß also einem größern Sprachkreis angehören, als bloß dem baslerisch-bistümlichen, dessen Lautgebung allerdings über den Baaslerstäi der Magglingermatten hinüber bis an den See, aber doch nicht über diesen hinausreichte. Wir müssen vielmehr an eine baslerisch-oberelsässische Sprachgemeinschaft denken, die im frühen Mittelalter ihre klösterliche und damit in engstem Zusammenhang stehende weinbautechnische Kultur (s. u.) samt ihrem die Sprache durchherrschenden Einfluß nach unserm Westseeland verpflanzte.
Parallel mit ạu geht äu und äi, das sich ebenfalls schon im « Ins» durchgeführt findet.
Das sti̦ggele bi̦ggele statt des heutigen sti̦ckele (lies: sti̦ggchele, d. i. Reb- Sti̦ggchel als Stockstützen einschlagen) und pi̦ckle (die Pickelhaue handhaben) ist (bis auf spassige alte Erinnerungen: Sit er glịị ch fertig z’sti̦ggele? und wäit er jetz go Behneli setze?) links des Sees ganz erloschen. Es kommt auch rechts des Sees, z. B. in Ins, nur noch spurweise in versteinerten Redensarten vor, wie: Das soll der Gü̦ggel bi̦gge! (wobei noch allgemein bernisches Gü̦ggel induzierend wirkt).
Bleibt das Bëhneli (Böhnlein) am Mị̈ị̈rli (Mäuerlein): das ehemals durchgreifende Charakteristikum der bistümlich- seebutzischen Sprachgemeinschaft, welches gleich dem «sti̦ggele bi̦ggele» im Altbielerischen des Dichters und Pfarrers Molz seine sozusagen klassische Ausprägung gefunden hat. Wir setzen in unserm «Twann» (wohl gemerkt: ausschließlich für den spezifisch linksseeischen Sprachschatz) diese Entrundung oder diesen Itazismus (i für ü und e für ö) ebenso durchgreifend fort wie das nun im ganzen Unterbernischen einreißende o für a, obschon wir uns bewußt bleiben, daß wir in ersterem Belang mit Absicht altertü̦mmele. Denn der Itazismus hat in Biel wie in Ligerz dem modern nivellierten unterbernischen Deutsch Platz gemacht, und in Twann wie in Ligerz wird er bloß noch als Familientradition gepflegt in ganz bodenständigen Kreisen, deren heutige Jugend aber auch mit dem gros de l’armée geht. Jüngere setzen sogar die Aufhebung der Entrundung analogistisch übertreibend fort. Ein Beispiel bietet S. 6. Dagegen wird noch zu Bözingen oder Beezinge (1142: Bezingen) 1 da und dort b’beezingeret.
117 Die Gemeinschaft der Arbeit und Entspannung, welche alltäglich Fremd und Einheimisch durenand rïehrt, übt eben auch sprachlich eine ganz andere Macht, als der auf materielles gää u näh gerichtete Fremdenverkehr im mittlern und westlichen Bernerland, der u. a. das ë und ï z’Orte wịịs noch lang bestehen lassen wird.
Werden wir hierdurch an Grindelwald erinnert, so in Betreff des l an Guggisberg, dessen Kampf mit dem eindringenden ḷ als dem andern Spaltprodukt aus wl sich im heutigen Ligerz hörbar wiederholt. Das n͜d dagegen, welches Guggisberg mittelst nn d umgeht, greift am ganzen See wie allgemein unterbernisch durch.
Damit nivelliert sich allmählich das Seeländische lautlich, wie auch in andern grammatikalischen Hinsichten. So u. a. im Tempo und Rhythmus der Sprache. So rasch vollzieht sich freilich der Ausgleich notti ni̦i̦d. Noch lange wird der Ortskundige den Tü̦sche̥rzer mit seinem lang gedehnten Ju̦u̦ für Ja vom Twanner als seinem Kirchgenossen unterscheiden, wie der Gampeler den Galser mit den Galser Schẹẹri nicht weniger als mit dem spru̦dle seiner Reed. Vo Sịi̦i̦sele läßt hinwieder der Kallnacher seinen Nachbarn über das alte Moos gemächlich dahar chooo, wie der Brügger seinen Kirchgenossen vo Schwaadernau, 2 um ungesäumt die Neckerei mit der Retụụrgụtsche heimgezahlt zu bekommen. Mit der Zeit wird es allerdings ein nivelliertes Seeländisch geben vom Dreiseenrevier an bis in den Buechchibärg.
1
Font. 1, 416. Singe aber der Junge mit ö und ü, der Alle mit e und i,
«beed singe» gleich «schön oder wüest»,
glịịch schëën oder wïest. (Alter Spaß, vgl.
S. 99.)
2
Vgl. Dr. Heinrich Baumgartner, Die Mundarten des Berner Seelandes (Frauenfeld 1920) S. 6 f. Biels Sprache; ebd. 169 ff.
Ein Sonnenaufgang im Christmonḁt! Auf dem Schásseraal ( Chasseral) gesehen (vgl. Ins 2 f.), oder vom Aussichtsturm des Chaumont, oder gar von der Weißenstein-Röthi aus? In Ligerz vo der Stuben ụụs! In behaglichem Oberzimmer über den See weg nach Gerolfingen hinübergeschaut, und do chu̦nnt’s! In dämmernder Ferne steigt dert über Grindelwald der schroffe Felskamm der Schreckhörner zum schiefergrauen Firmament hinan. Noch liegen die aufgesetzten Firsten im Dunkel. Aber jetzt — am Stubezịt schloot’s e Viertel ab achti — aus beiden Tiefen des Grates ein leiser rötlicher Schein. Es schwimmen gleichsam Wï̦lchli am Himmel. Es rëëtelet gäng meh. An jedem Wï̦lchli zwi̦tzeret’s; es ist, als wäre jedes von ihnen ein Seeli, eingestreut 118 in die große Landschaft, welche durch die dämmerige Ferne dem Auge vorgetäuscht wird. Der Schein wird heller, wird glänzend, wird fị̈ị̈rig. Er breitet sich, er umfängt wie mit glühend ausgestreckten Armen den Rücken des Grates, er hüllt in Flammen den König des Bereiches: das große Schreckhorn. Das Rot erbleicht, es löst sich auf in wallendes Morgenlicht: die Sonne tritt als Königin des Tages ihr Regiment an.
D’Su̦nne chu̦nnt fï̦ï̦rḁ (sie stäit ụụf), heißt es am See. Und wohlig su̦nne sich in ihrem winterlichen Schein die Rebarbeiter, denen ihr ausgedehnter Besitz auch jetzund z’tị̈e gi bt, so lange nicht Stäi u Bäi g’frooren isch: Häärd traage, Mist bu̦ggle, Gjätt schaabe. Man sputet sich, die behagliche Wärme z’profidiere; denn wie bald verschwindet die Sonne hin͜der em Bärg: dem Jura! O weh, jetz gäit si hin͜derḁ!
Gäit si ächt baal d hin͜derḁ! Wenn si doch giengti! So tëënt es nicht, aber so sị̈ị̈fzget es gelegentlich verstohlen aus dem Mund der nämlichen urfleißigen Leute zwischen Lenz und Leset in trocken warmen Jahresreihen.
Denn da hạut d’Su̦nne zuechḁ! Schon im Frühling sendet der «Atem der Welt» hochsommerlich heißen Hauch hin über das breite Gelände der Moosgrụpper oder Moosbụtze an den schmalen Wohnstrich der Seebụtze.
Diese zu Ehrennamen erhobenen einstigen Neckrufe 1 gelten dem «gemütlich fröhlichen Geist der Seeländer, ihrem unternehmenden, einfachen, biderben und fröhlichen Wesen, ihrem Frohmut und Selbstvertrauen, ihrer Zuversicht». 2 Und speziell gilt der «Seebutz» den durch anstrengungs- und entbehrungsreiche Arbeit zu äxtra straffen und strammen, nervigen und näärvige (sehnigen) Männern und Frauen herangezogenen — so weit nicht durch unabgewogenes Gäistigs dem Schlippschlapp anheim gegebenen — Bewohnern des linken Seestriches zwischen Biel und Neuetstadt. Die Art dieser seit einem ganzen Jahrtausend 3 dị̈tsche Dwanner, dieser seit einem halben Jahrtausend dị̈tsche Dï̦scherzer, dieser seit einem Jahrhundert vollständig dị̈tsche Lịge̥rzer, dieser den heutigen Sprachgrenzstreifen darstellenden Bewohner von Schắffĭ̦s (Li.: Tschaafï̦s, Tw.: Tschaafï̦z) und Neuenstadt setzt sich fort in den wältsche Neueburger zur Linken 119 des größten aller Juraseen. Sind sie doch hier wie dort unter die gleichen Naturbedingungen gestellt. 4
Über dem Molasse-Untergrund, der an einzelnen Stellen: den Brï̦ggli- und Roggeteräbe zwischen Tüscherz und Twann, zu Weißenrain (Li.: z’Wị̆ße̥rä́in) zwischen Schaffis und Neuenstadt, sowie am Eingang des Joore̥t (des Jorattälchens zwischen Lamlingen und Ilfingen) eppḁ bi’m chehre (rigóle) oder durch natürliche Aufschlüsse in kleinen Strecken fï̦ï̦re chu̦nnt, breiten sich die Jurafalten. Es sind Chettine, als deren Stoff das (oder der) Chalch 5 und die Chrịịde 6 in deren verschiedenen Schichten sich ausweisen. Als chreftige r Su̦nnefänger schließt gegen Nordnordwest die aussichtsreiche Kette des Chaumont, Chasseral ( Schásseraal, Schasserál, Gästeler, Gästler, Gäschler, s̆s̆) und Weißenstein das Gelände ab. Vor des Chasserals imponierender Höhe (1609 m) bauen sich als immer niedrigere und kürzere Vorstufen von 1350, 1080, 670 m Erhebung aus: der Spitzebärg (Sujet) zwischen Nods ( Noos) und Ilfingen ( Orvin); die Seechetti, welche im vielbesuchten Kurort Twannbärg, in den durch den Magglinger-Heuet (s. u.) so wichtigen Stụ̆dmatte, in den Luftkurorten Leubringen und Bözingerbärg, in der Wester- und Chilcheflueh über Pieterlen gipfelt und bei Grenchen in die Halden von Romont ( Rotmú̦ng) ausläuft; das kleine Gewölbe des Chapf. Diesen sehen wir von der Twanner Chroos jäh ansteigen, mit der Seekette eine kleine, fruchtbare Hochebene mit dem Bauerndörfchen Geicht einschließen und über Alfermé (Hälffermé) zwischen Tüscherz und Vingelz sich mit der Seekette vereinigen.
So bildet unser Dwann zumal in der Richtung über Wịṇgräis gegen Tüscherz und Alfermee hin so z’säge die Bühne eines Stückes Amphitheater, dessen gegen Norden vierfach abgestufte Höhenzüge mit ihren prächtig bewaldeten Rücken und stu̦tzige n Südgehängen sowohl als Nordwindfänger wie als die erwähnten Sonnenfänger wirken. Do hạut d’Sụnne zuechḁ! Damit wurde Twann d’s weermst Ort 120 im Bärnerland. Do isch es wi Fëhn so häiß! A tópphäißi Daage 7 flimmern zwischen den Fluegrinde und Fluesätz, wie zwischen den Weinbergmauern die Wellen einer erschlaffenden Hitz. Solche Weermi ụụsz’g’stoo ist jedoch dem Rebmann zur G’wŏhnhäit (G’wŏnet, G’wonig) woorte; er isch daas g’waanet. Er hat dazu sogar die Mëëgi («Möge», Neigung und Lust), wie einer oder eine, dessen oder deren Gespons die Kritik herausfordert: dää oder die mueß e Mëëgi g’hä̆ haa, daß er die oder daß sie dää mëëge het u gäng noo maa g! Solche Wärme auszustehen ist also für den Rebmann nị̈ị̈t arpaartigs (Besonderes); das macht der Chatz käi Bu̦ggel! Im Gegenteil gehört es zur Ehre und Satisfaktion («Schădesfakzion») seines Berufs, die Hitze rächt ụụsz’nutze. Fatal, ja nach einer längern Reihe vo chalte u nasse Johr geradezu katastrophal sind für ihn die Fähljohr, wo der Wịị fählg’schlaage het. Dies um so mehr, da der Grund und Boden ihn zur Ausschließlichkeit des Weinbaues treibt und ihn nötigt, den Weinstock als der best Hahnen im Chratte zu betrachten.
Solche Verumständungen merkten sich bereits Herrschaften des Mittelalters. Das nidwaldische Kloster Engelberg stellte seinen Ängelbärg als imposantes Zentrum eines Prachtsgutes dicht neben Wingreis ab. St. Urban gründete sein Gụfelä́tt (aus domus «convaletudinis», Erholungsheim, s. u.) in der hi̦lbe Tïele am Seestrand zwischen Tüscherz und Alfermee als Mittelpunkt der Gụfelä́ttere, dieses einst sehr weitschichtigen Rebgutes, dessen Name etwa als die Gú̦fe̥relänti entstellt wird. In die verschiedenen Frạuechäpf als Weinbergstücke der Fraubrunner-Nonnen, die ebenfalls gäistlich und gäistig trefflich in Einklang zu bringen wußten, gliederte sich die herrlich besonnte Umgebung des Chapf. Aber auch Berner Patrizier wußten den Nebenbuhler von La Rive und La Côte am Bielersee zu würdigen; Zeugen sind die auf ihre Nääme zurückzuführenden Saagere, d’Rịịchebäch usw., wovon natürlich unten des weitern zu sprechen ist.
Ist aber der Weinstock e Su̦nnepflanze — e̥re Rääbe un e̥ne̥re Gäiß macht’s nie z’häiß — so verlangt er auch g’hëërig Nahrung, wie sein Pfleger i der Oornig z’trinke, unter Umständen sogar — Wasser. Wasser, wie die natürlichen Filter der Juraschichten es als Labsal von unbeschreiblicher Güte liefern. Zunächst für Weinstocknahrung sorgte der Rhonegletscher mit seinen letzten Ablagerungen der «innern Moränen». In reichster Fülle kamen diese allerdings der (einst auch etwas Weinbau und viel Weizenbau zulassenden) Mulde des Dessebärg, 121 des Ilfingertääli und des Geichterbode zugute. An den von Wasserkraft stark zernagten Gehängen aber mischte sich fruchtbarer Gletscherschutt mit dem Untergrund und bildete, durch Verwitterung neuer Absturz- und Rutschflächen stetsfort verjüngt, in Verbindung mit der Zufuhr von (Stall-) Mist und (Mineral-) Tünger den Grund u Bbode für den Weinbau, welcher den linken Ufergeländen der drei größten Juraseen ihr eigenartiges Gepräge gibt.
Allein Jahrtausende, wenn nicht Jahrmyriaden, bevor von mittelrheinischen Klöstern aus der Weinbau auch in unserm Seeland Fuß faßte, waren die Uferstriche der Juraseen von einer Jäger- und Fischerbevölkerung besiedelt. Die hausten, gemäß dem Gesetz von der Stetigkeit der Siedelungen, sowie nach dem Ausweis älterer, gegenwärtiger und zu erwartender Funde, ungefähr an den Stätten unserer heutigen Seeanwohner. Wie sehen diese Örtlichkeiten aus?
1
Kosende Schelte erhob ähnlich den
Bụtz aus einem zwerghaft verkümmerten Wesen zu einem unmutigen Hätschelkind; so namentlich den als letzten Sprößling
lang hinder drii angekommene
Nästbutz. Vgl.
schwz. Id. 4, 2000.
2
Bundesrat Dr. Müller.
3
Vgl.
S. 115.
4
Vgl. besonders: E. Baumberger (Reallehrer in Basel, vormals Sekundarlehrer in Twann), «Über die geologischen Verhältnisse am linken Ufer des Bielersees» (Separatabdruck der Mitt. der Naturf. Ges. Bern; Bern, Wyß, 1895); Dr.
Fritz Antenen (von Orpund, Gymnasiallehrer in Biel) in den
Eclogae geol. Helv. vom Januar 1905; s. a.
Ins 45 f. Von demselben: «Exkursion durch die beiden Schüßschluchten», in der «Schulpraxis» 1912, 89 ff.
5
Der Kalk, aus l. «die» (selten «der»)
calx (cale-s) und dies aus gr. «die» oder «der»
chályx (
Walde 117;
Kluge 255) in der Grundbedeutung «Stein» kommt hauptsächlich als Material für
«das» Pflaster (den Mörtel) für Reb- und Hausmauern in Betracht. Vgl.
schwz. Id. 3, 229. So ist auch der Sand das San͜d.
6
Bemerke engl.
chalk als Kreide.
7
Bemerke auch hier die nominativische Versteinerung der attributiven Wortgruppe.
Eng schließen sich in Alfermee und Tüscherz, in Ligerz und Twann die Häuser-Doppelreihen aneinander. Zu Twann so enge, daß 122 uf der Seesịte bloß die Bachte̥le, die Bärelänti (d. i. der schmale Durchlaß zur privaten Landungsstelle des ehemals hier uf em Platz gestandenen Gasthofes zum «Bären»), die Ra̦a̦thụụslänti (der ebensolche Durchlaß vom ehemaligen Gemeinde-Rathaus s. u., dem nachmaligen Schuelhụụs, der heutigen Metzgerei Engel weg) knappen Querdurchgang von der Dorfstraße zum See gewähren. Und dieser Durchpaß ist noch empfindlich behindert durch die zwei- bis drị̈ị̈gleisigi Bundesbahn. Die seeseitige Häuserreihe «Moos» westlich vom Bahnhofplatz mit dem den Kindern als g’fährlich verbotenen Tanneplatz (zum Verladen der Sägehölzer aus dem Wald) ist ganz geschlossen; das anstoßende twannerische Chli̦ne-Dwánn schiebt Wein- und Gemüsegärten an die Straße vor und öffnet sich seewärts bloß mittelst des schmalen Gäßli; das knapp an den Bach stoßende Chlịne-Dwann zu Ligerz weist den Seebesucher an die ebenfalls außer Kurs gesetzte großi Länti. Ähnlich geschlossen ist Twanns Bärgsịte. Glücklich auf kleiner Anhöhe erstellt und mittelst stattlicher Freitreppen erreichbar, bilden Schuelhụụs und Chilche in eng geschlossenem Verein den östlichen Maarchstäi des Dorfes; und jenes bietet während der von der neuesten Pädagogik eingeführten Viertelstundpause nach jeder dreiviertelstündigen Stun͜d den eben ausreichenden Tummelplatz. Westlich der Kirche führt der Chrooswääg ( S. 124) bergan, um obefị̈ị̈r dem Häuserbereich die Abzweigung des Chapfwääg auszusenden. Für sich aber führt er am Dootehoof und dem weiter oben den Lebenden 123 zur kurzen Ruh — zum löüe — einladenden Löüe- oder Löüstäi vorüber, ziemlich stracks gradụụs. Zur westlichen Parallele erhielt er den recht stotzig zur Burg (s. u.) emporführenden, ebenfalls schmalen, zudem aber durch hohe Weinbergmauern ịịg’fassete Burgwääg. Un jetz chụnnt lang nịịt! Erst wị̆s-a-wịị dem Bääre heißt es zu dem vom Burgweg Abgeschreckten: Der Bergweg öffnet sich! Da beginnt in breitspurigem Anstieg, der den turmhohen Bergtannen den gääche Chehr zum Tanneblatz oder aber gäge Biel zue zu nehmen gestattet, die Dessebärg-Strooß ihre stubenhoch aufgemauerten Ränk. Und die sie Befahrenden wissen auch der Rank z’fin͜de oder z’näh, um der noch so knapp gemessenen Stunde eine feuchte Freipause abzugewinnen. Die westwärts an die Straße stoßende Häuserreihe aber bietet bloß noch für den Kundigen und Findigen drei steile Durchgänge bergwärts: hin͜der ụụse nach dem Auslauf der Gï̦ï̦rsche̥ne ( S. 140), nach dem schwankenden Steg als unterstem Schlu̦cht-Brï̦ggli, und nach dem Anstieg des Grogg ( croc, s. u.). Reizvoll sind alle drei, das isch de nn wohr! Und Kinder kennen sie trefflich, wie wir bald sehen werden.
Einen schönen Freiplatz wird einmal — wann, das wäiß der lieb Stäffe! sintemal das Warten auf ein gewisses Ereignis d’Sach ụf e länge Bank zieht — der Ausbau des jetzigen Bahnhofplatz gewähren. Schon dieser macht es an͜ders Hefti seit 1911, wo der vormals an die Mu̦ßgarte-Reben angrenzende Mußgrabe ausgefüllt und mit einer Reihe wilder Chestelebäïm samt Blumen als Unterstammhülle nebst dazwischen gestellten grünen Ruhebänken besetzt 124 wurde. Der alsdann einheitliche, bloß von der Bahnhofzufahrt durchschnittene Platz wird dem Stedtler zeigen, was auch Dëërfler an Erweisen des Schönheitssinnes z’wägbringe. Unverdrossen arbeiten unterdessen die Ligerzer am Ausbau ihrer öffentlichen Plätze, die schon von Natur zu Ruhepunkten für Auge und Seele ausersehen sind.
Auf solche «Lungen» eng geschnürter Orte warten auch Kinder, denen des Einzelhauses Enge so wenig Spielraum bietet. So i der Gaß zu Li̦gerz, so in der Doppelreihe der Twanner Häuser. Zumal auf der später überbauten Bärgsịte Twanns. Drei Wịrtshị̈ị̈ser, vier Läde, zwe Schuester, der Barbierer, der Chieffer, der Schmịịd, der Spängler, d’Post sind es hier einzig, die nicht den Dorfgenossen mit dem «Bettler und Hausierer» i äi ns Ban͜d nähme. Vor allen andern Häusern muß auch der Noochbụụr läuten: d’s Lị̈ti in Bewegung setzen, worauf er am verriegelten Haustürschloß ’s g’chëërt chlepfe, ụụschlepfe; der Riegel springt klixend auf. Der allenfalls durchs Fenster zuvor orientierte Hausbewohner hat am Gri̦i̦f oben a der Stäge Droht u Chetti mit einem Ruck gezogen und kann nun den Eintretenden begrüßen: Eh, bisch dụụ’s? Chụmm! Chämmet ịịne! Vielleicht wird p’här G’spaß (neckend) gefragt: Chụnnt nịịt Bessers nooche? Sind aber bei strengem, fernem 125 Tagewerk oder sonntäglichem Ausflug die Häuser entvölkert, dann mag der Neuling auf das twannerische ụụfdue, auf das — auch 1 in Ligerz vormals zu hörende — dụụsse warten bis An no Tụ̆́back oder bis d’Chue e Batze giltet. (Der raschlebige Seeländer drückt diese Vertröstung ad calendas graecas auch mit recht sarkastisch betontem doo chaasch Giduld haa! aus.)
Ähnlich ist es teilweise auf Twanns Seeseite bestellt, wo auch d’Metzg, ferner fünf Kaufläden und drei Wirtschaften zum Hereinspazieren 126 einladen. Allein die hier ursprünglichsten Twannerhäuser zeigen mit ihrer einstigen Hauptorientierung uf e See eine ganz andere Anlage. Die seit einem halben Jahrhundert zum Dorfstraßenstück erhobene Gasse, nunmehr mit g’schlagne (g’schlagnige) Stäine b’setzt (also als B’setzi), wie vormals nur mit spitze Stäine (mit Chi̦i̦slig), bot ein vom hï̦tige ganz verschiedenes Aussehen. Es nahm sich jedenfalls malerisch vorteilhafter aus, zeigte aber ein gewaltiges Verkehrshindernis. Von der Gasse her führte eine holzigi — selten wie im ehemaligen Beghinenhaus und heutigen Bäärnerhụụs eine stäinigi 127 — Stääge empor zur holzigi Lạube, von welcher sich’s durch die eng aneinander geschmiegte Reihe kleiner Fänster traulich in die Stube schaute. Alte Häuser in den engen Quergäßchen zeigen diesen Zustand teilweise noch heute. 1 Die Lauben bildeten, wie noch heute da und dort an der Gasse in Ligerz, eine förmliche Brücke von Nord und Süd her; oder sie boten doch die Möglichkeit, enandren ï̦ber d’Gaß ï̦bere d’Han͜d z’recke. Von Haus zu Haus der nämlichen Reihe aber führten Seitentüren, so daß die Nachbarlichkeit auch hier 128 nichts zu wünschen übrig ließ. Besonders uf der Bärgsite, wo die Chu̦chchi sich völlig in den Berg hinein zu bohren gezwungen ist und mit dem vorelektrischen Liecht auch tagsüber kärglich genug sich erhellen ließ, muß die Weiblichkeit stark genug nach dem Verkehr auf oder über der Gasse b’b’langet haa. Der aus dem weiten, stäinige Cheemi, dessen Falle zum ụụf- un zuedue eingerichtet war, vom Wind niedergeschlagene Rạuch brachte doch das Departement des Innern stets wi̦deru̦mme in Erinnerung; und der Regensegen der Dächer, dessen rinne und tropfne erst seit Engel-Feitknechts Zeiten durch die bläächige Dachchäänel und Abflußrohre in die beiderseitigen Schaale der Gasse und damit in den See geleitet wird, trieb ebenfalls in die nicht allzu heimelige Häuslichkeit zurück.
Als aber 1839 der Straßenbau Biel-Neuenburg (s. « Verkehr») die Erweiterung der Twanner Dorfgasse zur Straßengasse forderte (die Ligerzer Gasse konnte durch die südwärts der beiden Häuserreihen neu erstellte Seeuferstraße umgangen werden), doo häi d’Lạube fu̦rt mụ̈eße. Die Einfassungen und Sinse der Fenster mit ihrem Hauterive-Gelbgrau und die grünen Schalụsịịlääde, zwischen deren Grün etwa das Fuchsia und der Granium einer Blumenfreundin hervorschaut, zeigen seitdem die einzige Unterbrechung der städtisch hohen, eintönig g’wị̆ßgete oder mit grauem Bääsewu̦u̦rf getünchten Gassenfront. Um so vielgestaltiger entfaltet sich das Bild, welches ein Eintritt durch das Stadttor — wollte sagen: die auch zur Einfahrt mit kleinen Wagenlasten geschaffene Hụ̆sdï̦ï̦r dem Besucher des schattigen Vorder- und des sonnigen Hinterhauses bietet. Wir fassen als Exempel das Haus ins Auge, an dessen Wand der «Téligraaf» und auf dessen Dach der Telephonständer mit den 65 Chachcheli («Tassen», Isolatoren) auf ziemlich regen Verkehr deuten. Da ist von b’schließe keine Rede; ung’chlopfet und auch ung’lị̈tet — wer wett i̦s o g’chëëre! — treten wir ein und sind über die Führerschaft des kleinen Tru̦u̦deli nŏ́ so froh! Da stoßen wir zuerst auf das Depot der landwirtschaftlichen G’nosseschaft. Auf kleine Land- und Gartenwirtschaft deuten auch das dem sonstigen Kloakensystem noch vorenthaltene, sanitarisch ein wenig anfechtbar eingerichtete Sänk- und B’schï̦ttiloch, sowie die im weitern Verlauf des Ganges anzutreffenden, durch dicke Mauern und Ventilation so gesundheitsmäßig als in alten Gebäuden möglich eingerichteten Stääl für 1 bis 5 Chïeh, Gäiße, Sëï. Ganz dicht abgeschlossen, nur unter einiger Platzverschwendung in der Anlage, bieten und bergen ihre Gaben d’s g’welbt G’mïes- und d’s Wi̦i̦chällerli, indes der weitaus größere Drï̦el, an alte Weinbauzeiten gemahnend, in 129 der Hauptsache als Werkstatt dient. Es isch e Hobelbank drin und andere stumme Zeugen, wie erst recht im klein-landwirtschaftlichen Betrieb d’Ax (d’s Bieli) den Zimmermann ersparen muß. Vom Hausgang aber führt eine steinerne Treppe zum Bị̈ị̈roo und zum Loschịị (í, logis). Den kleinen Hofraum zwischen Vorder- und Hinterhaus überdacht, von hölzernen Pfëste getragen, das ebenfalls hölzerne Läïbli, welches nach der seewärts gelegenen Stube führt. D’s Gäärteli aber, will sagen: das von Spalierreben umrankte, sonst allseitig offene Gartenhaus mit anstoßender kleiner Pflanzschuel für bewurzelte Rebenstecklinge ( Bụ̆́drette, poudrettes) leitet über zum äußerst sorglich gepflegten Gemüsegarten. Auf seinen Dung deutet die von zierlichen Faare- oder Faarnechrụt halb verdeckte Schoorete unter dem Holzbï̦hneli. In der Nähe findet sich, zweckdienlich beschattet und verëërteret, nur im Freien verbringbares G’rï̦mpel u Gg’räbel.
1
Vgl. «alte Gasse in Twann» in
aBl. Taf. 23.
Die Steilheit ( Stotzigi) des Südgehängs der Seekette vereinigt mit Felstrümmern die «Elemente» Erde und Wasser zur Tripelallianz gegen rebmännischen Kulturfleiß. Im aaberü̦nnle übt sich der Äntner (Tw.) oder Entner (Tü., Vg.), auch die Äärdbru̦st (der Erdbruch) 1 geheißen, indem der Boden übermäßig viel mit Schlamm verdicktes Wasser loot ụụslạuffe. Vor der Juragewässerkorrektion galt für den 130 Schiffer und Fischer das Naturgesetz: Wenn der Äntner stoßt, so stịgt der See. 2 Geschah dies an lauen Wintertagen, so verbargen sich am Seestrand bei der Brunnmï̦ï̦hli (zwischen Ligerz und Twann), bei der Bachte̥le (zu Twann, S. 137) und z’Gu̦felä́tt (zwischen Tüscherz und Alfermee, S. 120) die heißen Quellen, die man bei ni̦derem Seestand in kälterer Jahreszeit g’seht bu̦u̦rble (gurgelnd und Blasen bildend emporquellen). Eisbildung, sowohl die spiegelglatte, wie sie z. B. im Winter 1879/1880 bei 0/ 23 R eine Dicke von 45 cm gewann, wie auch die durch nächtlichen Schneefall am Morgen gru̦u̦belet, grï̦ï̦belet gewordene, verdeckt natürlich solche Gefahr dem ungewarnten Schlittschuhläufer. Mehr als ein junges Leben ist ob derart achtlosem schlịịffschuehne dem tückischen Element verfallen.
Wie aber der Strand innert der Wassergrenze solch warmes Wasser emporbrodeln läßt, so auf der Landseite herrlich kaltes, zum Trinken ganz außerordentlich geeignetes Quellwasser: echten Bergschweiß. So auch wieder z’Gu̦felä́tt. Hier sicherten sich drum in der außerordentlich mühsamen und kostspieligen Arbeit 3 der Jahre 1914/1915 Tüscherz und Alfermee die Quelle seiner Wasserversorgig, welche Twann und Ligerz dank der Energie zumal Engel-Feitknechts (dää isch dranne d’Schuld: das daherige Verdienst gebührt ihm) schon seit 1885 besitzt. Seitdem die Brunnmï̦hliquelle diese beiden Orte versorgt, weiß hier kaum noch jemand, wo die vormaligen öffentlichen Ziehbrunnen ( Sëëd) ihr Wasser lieferten; Wasser, das bisweilen dem Straßenablauf glich, in welchem es beim Fußaufsetzen glụntschet u chnätschet. In Kalkgebieten zumal des Jura mit seinem zeitweilig empfindlichen Wassermangel kann aber so n e Sood, bzw. durch ihn sogar mühsam aus großer Tiefe pumpbares Wasser einen so großen Fund bedeuten, daß der Name seines Entdeckers durch ihn unsterblich wird. So ward 1472 an Lissers Halde hinter dem Ried zu Biel ein Waldbruederhü̦ttli und dabei Lịsis Brunne erstellt. Der Name geht zurück auf den 1390 als Bürgermeister von Biel verzeichneten Johannes Lisser. 4
Dḁrfï̦ï̦r ( en revanche) gäit mḁ selbst an öffentlichen Brunnen wie den Jaquemars in Neuenstadt (Ins S. 57) und dem recht schönen granitnen Brunnestock vor der Handlung Irlet in Twann es Tags es Dotze Mool achtlos vorüber, wenn nicht ein dringender Anlaß zum Verweilen nötigt. Und doch, wie augenfällig breitet sich unter der menschenkopfgroßen Chru̦gle das altertümelnd gemeißelte Kapitäl am Oberende der runde n, klassisch leicht ausgebauchten Säule das Dwanner Wa̦a̦pe: von arabeskenartigem Kramä́nzel eingefaßt der symmetrisch 131 zwiegeteilte Schild mit je zwei übereinander hängenden Trị̈ị̈bel und seitlich u̦ssertsi zwei voneinander abgekehrten Rä́ bmụtze (Rebmessern). — Bloß um den leeren oder vollen Brunnedrog und den (kunstwidrig g’chrümmte) Auslauf der Rëhre, die am quadratischen Sockel iig’steckt ist, interessieren sich spielende Kinder. Das vormals anstoßende chlịịne Drëëgli diente vorzugsweise als Chin͜degụ̆tschli und Ort zum baabele.
Fast meh wäiß mḁ von «Brunnen» als von Quellen ( Ins S. 55), wie ämmel aafḁ den Gu̦ldbrï̦nneli. Eine Quelle, welche nun in unsichtbarer Leitung den Kapfbrunnen speist, hat gleich der danach benannten Gu̦ldbrï̦nneliflueh ( S. 134) ihren Namenskonkurrenten in dem Wässerchen, welches auch der Fluebach heißt. Sie nennt sich aber kürzer d’s Brï̦nneli und deutet damit auf die Seltenheit solch unentbehrlicher Gaben eines Bergasyls. Das tut übrigens auch der Wortteil Gold- mit seiner Deutung auf das kostbare Metall statt auf umgebendes Geröll ( Ins 33). In ihrer Art bekräftigen das auch der Schänzlisbrunne (1712: Schanslisbrunnen), der Maarterbrunne und der Eselsbrunne oder Mălehụsbrunne inmitten einer außerordentlich anmutigen kleinen Blï̦tti des Tüscherzer Mălewald. Auf einer flach daliegenden Kalkplatte gewahrt man zwei Auswaschungen, welche in Form und Größe grad brezis ụụsg’seh wie die ostwärts gerichteten rechtsseitigen Huftritte eines gemächlich ausschreitenden Esels, der allerdings recht gewichtig ụụfg’setzt het, um in harter Flueh e Spur («es G’spoor») z’hin͜derloo wie i hertem Schnee. Nun, die vom Tier getragene Last war wenigstens mystisch-weltgeschichtlich von entsprechender Schwere: die Eselin, die den Heiland nach Judäas heiliger Stadt getragen, trug ihn auf seinem symbolischen Zug um den Erdkreis auch über den uralten Bielwääg nach der Metropole des Seelands. Einem aufgeklärten Bewohner derselben war allerdings daas z’dumm. Er ging, nachdem der vierte Eselstritt längst abgebröckelt war, und versetzte mit einigen Stï̦pf dem ebenfalls unschwer zerbrechlichen dritten Eselstritt — den Eselstritt.
1
Wie brechen = ahd.
brëstan, mhd.
brësten, nhd. bersten (
Kluge 49) und Gebrechen = Gebresten, gebrechlich =
brästhaft. Vgl.
schwz. Id. 5, 858-861.
2
Albert Krebs.
3
Sie kostet 90,000 Franken.
4
Taschb. 1903, 157.
Den Abschwemmungen der Berggewässer kam einen kleinen Teil des Weges die Aufschwemmung des Sees entgegen. So bildete sich der Strandbode, welcher infolge der Tieferlegung des Sees nun z’säge gäng trochche daliegt. Durch die Anhäufung organischen Materials sehr fruchtbar, bildet der Strandboden teils die untersten Partien des Rebgeländes, teils die gleich sorgfältig gepflegte Reihe der Strandgärte. Aber auch die Straßendörfer und Weiler Wingräis, Dwann, 132 Bru̦nnmü̦̆hli (Brunnemï̦hli, ï = ü), Bi̦ppschál (Bi̦ppschool, Bi̦ttschool) und Ligerz ruhen auf angeschwemmtem Boden von unbekannter Mächtigkeit, indes ihre nördlichsten Gemäuer sich in das Gestein eingraben. So in sichtbarster Weise Ligerz und d’s Stedtli von Twann. Des letzteren Dorfes mittlerer Teil: d’s Moos ruht auf torfigem Untergrund. Chlịịnne Dwann dagegen ist hingebettet auf einem alten Geschiebekegel, dessen Material aus der vom Twannbach ausgenagten Rinne dem See zugeführt worden ist, um nach eingetretener Seesenkung z’trochchne. 1 Die Lagen von San͜d und Grien, welche bei Bi̦ppschól auf eine Tiefe von 2 m abwechseln, machen den Eindruck eines sehr alten Rutsches, der, ähnlich wie bei Ängelbärg, als Nase weit in den See hinaus vorstieß. Nicht, ohne Katastrophen zu veranlassen. Am 23. Juli 1878 versank ein Haus von Bippschol samt vier Mannwerk Reben, und das unterste Haus erhielt einen 133 noch heute nur kärglich übertünchten Riß i der Mụụre. Zwei Kinder kamen damals um; zwei mit ihnen versunkene konnten gerettet werden. 2
Während das ältere Vịnge̥lz und das neuere Dïscherz und Hälffe̥rmé ebenfalls dicht am See liegen, haben das ursprüngliche Tüscherz und Alfermé die soliden Kreidefelsen erklettert. Ähnlich Schärne̥lz über Ligerz, während Geicht mit seiner Moränenebene gewissermaßen ein kleines Abbild des Dessebärg darstellt.
Was nun der so günstigen klimatischen Beeinflussung dieser ständigen Wohnsitze erst noch recht Vorschub geleistet hat, ist die von riesigen Wasserkräften unternommene Abtragung der vormaligen ersten Jurafalte bis auf den verbliebenen Räste. Der besteht im Walme, welcher un͜der em Wasser du̦u̦r den Neuenburgersee in seiner ganzen Länge durchzieht, im Aufsatz des Jolimont ( Tschụlimu̦ng), im Häidewääg (Inselrohr), in der chlịịnni und großi Insel des Bielersees, in der un͜der em Wasser 1 km lang und sich zuspitzende ostwärts anschließenden Aauele mit dem Aufsätzchen des Eglistäi ( S. 66), und 134 schließlich im Brüggwald und dem einst mit ihm zusammenhängenden Büttebärg, welcher gegen Pieterlen hin sich abdacht. Die von hier bis Beezinge (Bözingen) so monoton verlaufende Talenge setzte sich also vor der Gletscherzeit fort bis gegen Iferten hin, gäge d’Su̦nne abgeschlossen durch den bis über 1200 m sich erhebenden Wall der vormaligen ersten Jurafalte, gegen Norden durch die Seechetti, welche bloß mittelst der Risse der Tụụbelochschlucht, der Twannbachschlucht, des rue de vaux («Talbach») usw. — seit kurzem begehbar gemacht — sich nach dem St. Immertal (dem Taal, dem vallon) und dem Tessenberg hin öffnete. Der Rhonegletscher leistete auch die weitere Arbeit, die Fu̦u̦r che des Neuenburger- und Bielersees, die Talungen der untern Schụ̈ụ̈ß (Schị̈ị̈ß) und der ostwärts gegen Längnau hin abfließende Längene ( longa aqua) ụụsz’hoble.
So schuf in jahrtausendelanger Arbeit — es het ị̆hm nịịt ’pressiert — der kalte Reifriese (der größte Lehrmeister auch des Menschengeschlechts) eine der reizendsten Schaubühnen unseres Landes. Er gestaltete diese zugleich als Tätigkeitsfeld für ein Völklein, das «zu Win und zu Wasser», im Blau des Sees und im Grün der Rebberge gleich heimisch, mit Ruder und Netz und mit Stickel u Bickel gleich emsig schaffet. Und ungehindert überschaut zumal in der reinen Luft eines Spätsommerabends das Auge von der Insel und vom Äänerland (jenseits des Sees) auf das unsagbar stimmungsvolle Gelände am See und über ihm.
1
Baumberger 152 (7).
2
Taschb. 1878, 328.
Dieses Auge gleite jetzt von der Schlucht des Twannbach (s. u.) rechts hinüber nach den gut mundartlichen Schluechte, 1 in welchen es der Urwortform gemäß 2 ein wirkliches «schlụ̈ụ̈ffe», schlị̈̆ị̈̆ffe (schlüpfen, im Gegensatze zu schlị̆ffe als schleifen) gibt. Zwischen dem Kapf und der Twanner Schloßflueh heben sich von der undeutlich verlaufenden mittlern die wirklich romantische un͜deri Schluechte und die durch Mannigfaltigkeit schöne oberi Schluechte ab. Die letztere Bezeichnung wird dadurch auffällig, daß sie zugleich einer aus dem Waldrevier hervor tretenden kleinen ( eppḁ ne Jụụche̥rte umfassenden) Ebene gilt. Nordwärts an die urgeschichtlich bedeutsame Gu̦ldbrï̦nneliflueh (Reginastein: Ins 4) angelehnt, erstreckt sie sich südwärts bis an die (noch ungesichert gebliebene) Oberkante einer mehrfach chilchtu̦u̦rnshëëche, 135 senkrechten Felswand. Für den etwas vorsichtigen Besucher ein herrlicher Fleck Erde! Da schweift der Blick über den von waldigem Berghang verdeckten Weiler Wingräis hin über das «große Auge» der Gegend: den zu jeder Stunde schönen Bielersee von dessen Ostgestade bis zur Petersinsel; über dessen uralte Pfahlbaustätten Täuffele-Gerlafinge, Mörige, Lattrige, Su̦tz; über das östliche Seeland und das vielgestaltige Bernergelände bis zum Alpenwall.
Und an einem der Sonnentage des Herbstes 1914 belebten geschäftige Twanner den Vordergrund des unvergeßlichen Bildes. Einer ist hierher uf e Bärg go gạume: er besorgte das Dürrfutter, das er (als Äämd) z’mornderisch einzubringen gedachte. Er war am ä̆mte (Tw.) oder äämde (Tü.). Ein anderer het Härdepfel g’grabt. Am Abschlag (Gehänge) der nördlichen Fluhwand weidete ein schöner weißer Saanemu̦tti und züngelte angestrengt, als wäre er mit einem zueläuffige Lätsch geschnürt, g’lustig nach einer schwer erreichbaren Grasbu̦schle. Eine kleine Mädchenschar, mit seiner Hut beauftragt, geleitete uns nach der urzeitlichen Nachgrabungsstelle und kletterte wie Gemsi uns voran auf die volle Höhe des ihn überdachenden Felsens, wo der freie Blick gradụụs zum Dwannbärg emporschaut: dem Kụrhụụs, das dem Auge drei dahinterliegende Bụụrehëëf verdeckt.
1
Kluge 340.
2
Die mhd.
sluft wurde «Schlucht», wie neben «Neffe» «Nichte», neben engl,
soft (und sa-n-ft, sanft) «sacht», neben mhd.
swiften (stillen) und ahd.
swiftôn (stille sein) «beschwichtigen», neben
ê-haft (gesetzlich) «echt» usw. aus dem Niederdeutschen eindrang.
Wählen wir den Heimweg über Gäicht, so kommen wir an der Burg vorüber. Der sprachlichen Gleichheit von «Berg» und «Burg» 1 entspricht der Sachverhalt insofern, als es sich bei der Twanner Burg um ein ebenso imposantes wie malerisches Naturgebilde handelt, welches allerdings in die enggeschlossene neue Straßenschleife wie hineingebaut erscheint. Ihre südliche Steilwand, welcher wi z’Trutz allerlei Zwerggehölz in sieghafter Gstrackti sich entwindet, blickt fü̦rnähmm und stolz auf das von ihr beherrschte Twann und ein großes Stück des Seegeländes hinunter. Und wie aus ehernem Mund einer Riesenkanone hallt der an ihr abprallende Schall (das Echo) des Peitschenknalls (das Chlepfe) der Tessenberger Fuehrme; da prasselten salvenstark zur Zeit der marinen Flößerei des zu Twann massenhaft verladenen Bergholzes die taktmäßigen Peitschenkonzerte 2 der weinselig heimkehrenden Montagnards; da widerschlugen an der Flueh auch die Flüech der Wältsche, lebhaft wie Italiener Mundkrieg, nu̦mme no lị̈̆ị̈̆ter.
Nun deuten kleine Funde darauf, daß die natürliche einst auch als künstliche Burg gedient hat, und das rechtfertigt ihr Zusammenstellen 136 mit der allerdings noch keine Funde gewährenden Schloßflueh in nächster Nähe der obere Schluechte. In die Gewährung einer herrlichen Aussicht teilt sie sich mit der ganz nahen Mätteliflueh, mit der ebenfalls urgeschichtlich bedeutsamen Rappeflueh bei Wingreis, sodann mit der Naseflueh zu Alfermé, welche nicht ganz so weit nach dem See vorspringt, wie vor dem Straßen- und Bahnbau der dortige, schlechthin als Flueh bezeichnete Vorstoß. Aussichtsreich erhebt sich über der Twann-Ligerz-Straße die hëëchi Flueh, auch Schï̦tzehị̈ị̈sli-, Schï̦tze̥lli n-, Bammerthị̈ị̈sliflue geheißen. Unfern stehen die Bänkliflueh und das Wi̦i̦rbflïehli. Die Verkleinerung leitet über zum Begriff der Flue als eines losgesprengten Feldstückes bis zur Chlịịnni eines Schuesterstäi (zum Läder chlopfe), ja eines gewöhnlichen Feldsteins.
Diese Begriffsvariante legt sich dem Anwohner des Jura-Südgehängs um so näher, da Verwitterung, Zerbröckelung und Felssturz hier eine große Rolle spielen. ( Ins S. 33.) Von ihr redet die Chrị̈tzflue über Wingreis, wo einst ein Kreuz und eine Kapelle ( Cháppe̥le) von angerichtetem Unheil zeugten; von ihr die nahe Stelle i den Uụf̣brï̦chch; von ihr der wunderlich geformte Felsüberrest der Ankeballe oder des Dootestäi, der wirklich an ein aufgerichtetes G’ri̦pp erinnert. «Beim sog. Todten-Stein» stand «ein Kettibaum» (Quittenbaum, Chi̦ttenebạum), und vor der Weinlese von 1744 wurde «vom Todtenstein bis zum Hŏliloch» (s. u.) d’s Most verchạuft. 3 Den heute lieber als Ankeballe bezeichneten turmartigen Aufbau ersteigen Kinder mit Unternehmungslust von der Bachsịte her, und hier vereinigen sie ihre räine (hohen) Stimmen mit dem rauschenden Baß des Wildwassers. — In gleicher Linie mit diesem Ruinenstück erhob sich einst am See der Schŏre, dessen Name (ahd. der scorro: scorrên, fram-scorran, furi-scorran, ubar-scorran, ûz-scorran, d. h. hervorragen) 4 lediglich «Hervorragung, Klippe» bedeutet. Der heute noch bestehende Name gilt dem zu unbestimmbarer Zeit abgetragenen und als Dorfteil des twannerischen Kleintwann überbauten Strandstück. — Deutliche Verwitterungsspuren zeigt auch die Trëmmelflueh, kurz: der — ober und un͜der — Trëmmel zunächst der Windsaagi (s. u.) ob dem Kapf und den Schluechte. Der Name erinnert an den Träämel als Sägebaum. 5
Das Rutschgebiet des Gu̦ldibärg (Geröllhalde: Ins 33) bei Vingelz zeigt über den Reben eine besonders hübsche natürliche Bastion 137 und unweit davon eine kabinettartige, mit Efeu ( Ääbi) überkleidete Felspartie. Dergleichen anmutige Gebilde zieren überhaupt recht manche Stelle des in wunderlichen Zipfeln nach dem Waldrevier vordringenden Rebgeländes und reden mit von der Zähigkeit und Ausdauer des Wịịbụụr als friedlichen Eroberers der Wildnis.
1
Kluge 48. 79.
2
Vgl.
Lf. 282;
Gb. 520.
3
Irlet.
4
Graff 6, 539;
schwz. Id. 8, 1204.
5
Vgl. das in der Mehrzahl «Trümmer» steckende Trumm, das
Troom als Faden-Endstück und das
vertrome (Tw.:
vertrenne) eines Kleides zu Ersatz- und Flickstücken.
Eine Wildnis war, wie noch das geologische Verwerfungsfeld des Tschamór ( champ mort) mit der von Botanikern als überaus interessant geschätzten Felsenheide darlegt, auch der Chapf über Twann. Wie schon der Name sagt, handelt es sich um einen zum Kapfen, chapfên (altdeutsch für gaffen) 1 besonders geeigneten Aussichtspunkt. Unser farbiges Bild vom Bielersee am sonnigen Morgen ist denn auch dort entstanden: der bis 1918 mit seiner Frau, der Germanistin, dort wohnende Förster und Maler Dr. Ernst Geiger hat es äxbräß so demonstrativ angelegt, daß man beispielsweise auf Irlets Dach sogar die fị̈ị̈f Lị̆ggäärnli ( petites lucarnes) bemerkt. An der Chapfblatte vorüber führt den Schluechte- und Schloßfluh-Besucher der U̦mplischụụrwääg zunächst nach dem U̦mplischụụr (ụ̆́-), Ụmpe̥lischụụr, Rú̦mplischụụr, auch das Mú̦mplischụụr geheißen, welch letztere Form über das «Momplischu» von 1783 auf « mon bijou» zurückgeleitet werden will. Diesen Namen rechtfertigen vollauf die entzückende freie Aussicht nach Süden, der idyllische Umschwung von Kleinwald, Wiese, Garten und Weinberg mit dem alten, kleinen Gehöft im Hintergrund, und die noch durch eine lange Wegmauer gesicherte Stille. Hier schaffet denn auch auf seinem im Vordergrund abg’stellte n Sommersitz Dr. phil. h. c. Gilliéron, der Sohn des uns aus «Guggisberg» 2 bekannten Geologen, der sozusagen ebenfalls als Gesteins- und Schichtenforscher die Volkssprachen-Romanistik behandelnde Professor am Pariser Institut des Hautes Etudes und Urheber des großzügig angelegten Atlas linguistique de la France.
Wie vom U̦mplischụụr, führt auch vom Chapf ein reizvoller Fußsteig westwärts ab nach der Chroos. Dieses ausgiebig «ausgenagte Tal» ( Ins 21 f.) führt sein Wässerchen ( d’s Chroosbechli) von der Chrooshalde weg nach dem Chrooswääg über der Twanner Kirche und durch die Bachtele in den See. Sachverwandt mit «Chroos» ist die Gụmbe ( combe) 3 über dem Ligerzer Ru̦mbụụ ( Rond bois) und die Gäichter- Gu̦mme mit dem Gu̦mmezält (will sagen: Gummenzelg, 138 (s. u.). Zu «hehlen» stellt sich die Höll 4 als eingeschnittene Brütteler Dorfgasse nach dem Wald hinauf und die Bieler Hëll als von der Untergasse überführte Schlächterei. Näher beschäftigt uns auch hier 5 die Balm. In erster Linie denken wir an die hinter dem neuen Ligerzer Straßenhaus sich bergende und dieses mitbenennende Boome ( Baume) unter dem stimmungsreich anmutigen Pilgerwägli (s. u.) zwischen Klein-Twann und der Ligerzer Kirche; an das trou de la Baume zu Neuenstadt; an den gouffre insondable de la Baume am Chasseral; an die vielleicht hundert deutschen Balmen. 6 Unterhalb des Holiloch (s. u.) breiten sich die Balme- oder Palme-Räbe, kurz: d’Palme. Als solche «Palme» deutete man 1308 und 1309 auch die unbenannte Burgruine am Hügel Burghalden, östlich von Oberhofen über dem Riederenbach. 7 Über «die Balme» 8 gedeiht die Mißdeutung weiter zu Balbe («zu Balbe») im Amt Kyburg und «der Balber». 9 Alles aber ist unsere Balm, wie auch eine Häusergruppe zu Meiringen (1362) die Mannenbalm 10 heißt, wie es ferner ein Balmhorn in der Blümlisalpgruppe, einen Balmberg zu Oberbalm, ein Ferebálm und ein Grindelwaldner Hobalm gibt, die dortige Nellenbalm nid z’vergässe.
1
Kluge 156;
Gb. 28. Vgl. die
Wart als l.
specula: Spiegel und umgestelltes
speluga als Splügen und Spöl. (
Gatsch. O. 153.)
2
Gb. 28.
3
Lf. 640;
Gb. 660.
4
Vgl.
Lf. 641.
5
Vgl.
Gw. 679.
6
Der alpine Ausdruck «Balm» setzte sich von der Schweiz aus fort nach Westen und Süden: als alpin lombardisches
balm, als sonst westschweizerisches
barma, als südfrz.
baumo. Nach J. Jud in der Ztschr. f. r. Phil. 38, 4 f., und
Atl. ling. 204 s/v. caverne. Nach
M-L. E. 222 und
Wb. 912 könnte ligurisches oder gallisches
balma dem seit 6. Jhd. bezeugten Wert zugrunde liegen. Vgl.
schwz. Id. 4, 1215;
Gb. 643;
Ins 20; «Alpenrosen» 12, 178; 18, 70; Buck in der «Alemannia» 12, 260.
7
Habsb. Urb. 477, cf. Jahn Chr. 99 und
Font. 4. 384.
8
Rohrdorf 36;
Ryhiner 1, 167.
9
Habsb. Urb. 1, 308. 330.
10
Font. 8, 445.
Wie das reizvolle Schluchtgelände des rue (rivus) de Vaux zwischen Lignières (in Tw.: Lị́nieri, in Ins: Linieri) und Neuenstadt das westliche Dessermoos entwässert, so entfließt dem östlichen Teil dieses Moränebodens die Azillières. An ihrer südwärts gerichteten Umbiegung bi de Mühline n ( aux Moulins) unterhalb Lamlingen ( Lamboing) nimmt sie den Namen des Dorfes an, welches sie, dem See zufließend, quer durch schneidet: La Douanne, der Twannbach. Das abgeführte Wasser fließt in der Regel so reich, daß es bi’m Bach um ene Chụtte chelter isch als in den übrigen Teilen Twanns und namentlich in dessen eng geschlossenem Ostteil: dem Stedtli. 1
139 Wirkungsvoll also einladend zum chïele oder erchuele von Stirn und Scheitel, zum Ergreifen der Gelegenheit, go z’erchuele, spendet der Twannbach freundliche Chị̈eli; er sendet e chuele Luft oder doch es chuels Lï̦ftli wie an stillen Abenden, wo ’s g’chuelet het auch in sonnenverbranntem Gelände.
Wie aber dem Wärmesinn, kommt der Bach auch dem Auge̥ und dem Ohre̥ mit jetzt freundlichen, jetzt mächtig ergreifenden Eindrücken entgegen. «Flüssigen Donner» 2 sendet er als Gruß hinüber nach dem Menschenwerk des Hagni-Kanals ( Ins 223 ff.). Hier hinwieder schicken an stillen Abenden, in lauen Nächten über den See ihren Gegengruß der Riesenlichter Geblitz, der Turbinen Gebrumm, der Staufälle vieltöniges Rauschen. Und welch ein Anblick wieder am Tage, wenn zu erfolgreichem Antrieb der mächtige Quell von Licht und Kraft in majestätischem Schwall sich in den See hinauswirft! Aber arbeitsreiche Kunst machte sich auch dran, das mit der Bözinger Tụụbelochschlucht ( Ins 28) an romantischer Schönheit wetteifernde Naturgebilde der Twannbachschlucht dem Menschenauge zu erschließen. Es geschah dies durch den uf der lingge Sịte des Bachlaufes angelegten, 1 bis 2 m breiten, durch Brï̦ggli, Stäge und Galerien abwechslungsreich gestalteten, wo’s rï̦tschlig (rutschgefährlich) ist, durch einfaches Eisengeländer gesicherten Fußsteig. Vollendet ward dieser im Jahr 1890 aus den beschränkten Mitteln, welche eine kleine Dorfgemeinde wie Twann auf dem Wege nüchtern berechnender Freiwilligkeit aufzubringen vermag und unter dem Einsatz großer Opfer an Zeit und Geld durch eine kleine Zahl von Naturfreunden als führenden Männern. Das waren der Handelsmann Karl Irlet-Feitknecht, der Twannbergwirt Fritz Hubacher, die Lehrer Huguelet («Hügli») in Deß 3 und Giauque in Lamlingen, Rebbesitzer Albert Krebs und andere Mitglieder des Komitees, aus welchem die die Arbeit finanzierende Aktiengesellschaft hervorging. Der Erbe der letztern war der Verchehrsveräin Twann, welcher zugleich als Verschönerungsveräin, gleich seinem Nachfolger in Ligerz, kräftig fortwirkt. Sein ständiger Angestellter: der Schluchthüeter (gegenwärtig der Jö̆ggeli, der Jö̆ggeli-Hụbler) dient im Summer (im Winter ist die Schlucht wegen Vereisung vermacht) zugleich als Führer für Nicht-Einheimische. Von diesen zieht er es Zää chni ịị (zehn Rappen) zuhanden des Vereins. Wer zur Umgehung der Straßenschlange Twann-Lamlingen der Chï̦ï̦rzer wott näh, wählt den Schluchtweg, wenn’s häiter isch und wen n är 140 nïechter isch. Vor weiterm warnen ihn traurige Unfälle. Wie viele landschaftliche Reize aber bietet diese Schlucht! Sie beginnen gleich auf der schmucklosen Straßenbrücke über dem Bach, vom See entfernt um die Breite der südlichen Dorfstraßenhäuserreihe und der vom Bahnkörper durchschnittenen Strandgärte. Nordwärts gerichtet, gäge’m Bärg, schauen wir ein nach Jahreszeiten und Jahres läuften sehr verschiedenes Bild. Im heißen Hochsommer ist der Bach ụụstrochnet, und die Dorfjugend durchrennt, den Fußsteig verschmähend, das von trochchene Flïeh (Steinen) übersäete Bett.
Wie anders um Mitte Jäner An no Zää chni (1910), zu Anfang also des traurigen Überschwemmungs-, und Weinfehljahres! Da fanden es die einen unerchánnt schëën, schụụderhaft schëën, die andern, nịmme schëën! Es goß unendlicher Regen herab auf die Schneefelder der Chasseralkette, des Spitzebärg, der Seekette, und g’hu̦ffet voll entsandte jedes Greebli, jedes Chri̦nneli, jeder Wildbach 4 schlammiges Wasser und zornigen Gischt nach dem Hauptkanal des Twannbaches. Der stürzte, in der Höhe Weg und Steg überschwemmend, unter Donnern und Toben, Brausen und Kreischen über das sonst durch einen vorragenden Felsen zwiegeteilte Bett in einem gigantischen Bogen zu Tal und hastete un͜der der Brï̦gg du̦u̦r dem See entgegen. Aber mehr. Linkerseits ( linggs, links) ein wilder Nebenstrom, rechterseits deren zwei noch ungestümere: die Gï̦ï̦rschi̦ne 5 (s̆s̆). Grund genug, daß die Twanner Fị̈ị̈rwehr zur Wasserwehr eine ganze Nacht u̦f d’s Pịgeet g’stellt blieb.
Wirklich schön dagegen, weil die Wege maßvoller Kraftentfaltung beschreitend und innehaltend, ist der Twannbach an Tagen wie um Mitti Mäie 1915. Da senden etwa vom Oobe nd de fị̈ị̈fen aa bis in den hellen Morgen hinein beide Gï̦ï̦rschi̦ne, tagsüber jedoch bloß die dem Bachbett nähere, ihre gewaltige, hoch aufspritzende, blitzend silberigi Wassermasse talwärts, indes der rechtsseitige Begleiter des Baches als winziges, aber munter kosendes Bechli seine vielfach verschlungene Furche ( Fu̦u̦re) zieht. Geheimnisvoll wie sein Ursprung scheint auch der der Gï̦ï̦rschi̦ne. Als ständige Quellen 6 stehen sie mittelst eines verdeckten Spaltensystems in unmittelbarer Verbindung mit der Südseite des Chasseral. Und zwar samt dem Wasserhŏliloch, dessen Höhle sich durch das Einstürzen ( z’sämeg’heie) der stark gegen den See hin fallenden Schichten stets vergrëëßeret. 7
141 Daher der zeitweilig imposante Vollerguß der Gï̦ï̦rschene selbst zu Zeiten, wo der im untern Ende dicht ( ganz nooch) an sie herantretende Twannbach wenig Wasser führt.
Diese Wasserarmut würde sich in vermehrtem Maß einstellen, wenn zumal das westliche Dessermoos über Neuetstadt völlig versumpfte, was nun aber die ins Werk gesetzte Trockenlegung verhindert.
Beschreiten wir nun den aussichtsreichen Fußweg, der vom Chanzel an der ersten Straßenwindung über dem Dorfe westwärts nach der Schlucht abbiegt. Doch nur vorwärts um en Eggen um, und wir kommen dem Geheimnis der Gürschenen-Ergüsse bald uf d’Spur. Unter einer vierstämmigen Buchengruppe spiegelt sich deren junges Lạub in einem ebenso winzigen wie anmutsvollen Seeli, auf dessen Grund mḁn e̥s jedes Stäinli cha zelle. Das ist das Wasserholiloch ( S. 140, Ins 29), ein richtiges Rĕ́serwaar. Zur Abfuhr seines buchstäblich so zu heißenden Überflusses hat es sich südwärts einen unterirdischen Gang du̦u̦rg’frässe, der die Güürschenen speist. Es verrichtete aber noch andere I̦nschi̦nëër-Arbeit: nordostwärts breitet sich eine geräumige, mittelst Liecht bis auf 150 m begehbare Grotte, als die Chammere oder das Zimmer bezeichnet. Das prächtig blaugrüne Wasser gerät aus anfänglichem Stillstand ( b’stecke blịịbe) allmählich in Zug und verdäilt si ch in Strähnen durch es Halbdotze Lü̦cke zwischen bogig vorgelagerten, bemoosten ( mieschige) Steinen. Die zierlichen kleinen Fälle vereinigen sich in einem glatten Wasserspiegel, von dessen gesenktem Rande silberner Gischt in gäächem Fall unter dem dritten Brï̦ggli durch reihenweise, wie künstlich ụụfg’stellti Felstrümmer aabụtscht. Hier in trotzigem ụụfechlättere, dort unter ingrimmigem ụụsrï̦tsche, jetzt einen wütenden Ansturm versuchend, dann wieder in weit ausgeholtem Bogen sie zu umgehen unternehmend, geberden sie sich wie die Belagerer einer Festung. Nun gelingt es einer hoch empor geschleuderten Strahlengarbe, äänen ï̦ï̦bere z’choo; wieder einer! und durch heimlich erschlichene Pfade gelangt ein anderer Teil zum Zwäck (zum Ziel). So weit das Auge abwärts blickt: ein Wellenspiel, ein Wogentanz.
Fort, endlich fort! Ab Fläck un áb de Schi̦i̦ne! Vorüber an einer siebenstämmigen Buchengruppe, die zu einem gleich seltenen Waldgenossen: der Eibe, Eue und der kleinen Eibe: dem Euli hinübergrüßt. Groß und großmütig machen sie allermeist Platz dem pflanzlichen Kleinvolk: der Schnu̦derchängele n und dem Schlï̦sselblïemli ( Primula officialis und acaulis), dem Haselblïemli ( Anemone hepatica), dem Eselstritt, Eselsfueß, Zịtrëëseli, T’heeblïemli 142 (alle vier svw. Huflattich), der Strị̆tele ( Vinca minor) und gar dem Schlangechrụt ( Helleborus foetidus), dessen Geruch si ch nid loot verchï̦ste, und von dem es g’hëërig übertreibend heißt: das schmeckt mḁ scho vo zwoo Stun͜d wịt; es g’schmuechtet äi’m d’rabb! Eine Pflanze allerdings, die mit ihrem winterlichen Blütenschmuck in der Bluemewaase ( vase) sich wi ’ne Südpflanze ausnimmt.
Von der Weitherzigkeit Großer profidiere denn auch gemäß dem Satze «wer uverschant isch, chunt am beste du̦u̦re» («läbt di̦ß baas») kleine Majestäten wie jene Dotterblueme, die ihr doppelt groß geratenes Haupt in der Sonne und den Fuß im Wasser badet. Wie bescheiden lieblich dagegen jene blühende Gruppe Sauerklee ( Gu̦ggerchlee, wie der Sauerampfer oder der Sụ̆́rimụụri, ein Kindernaschwerk)!
Gelegenheit bietet zum Fußbad jenes chlịịne graaue Wässerli, das in einer Art Weierli sich sammelt, um dann in drei Stürzchen auf das eben beschriebene Schauspiel si ḁfange vorz’ïebe.
Wie wir weiter steigen, verengert sich die Schlucht. Wi n e Pfịịl schießt d’s Wasser du̦u̦r, aber nicht ohne aller Gattig Manëëver un Maniere, mit deren Beschreibung es Buech z’rede wär. Hier ein senkrecht glattes, dort ein schief ( tschäärpis) sprudelndes Fällchen. In einer halb versteckten Nische studiert e̥s Wässerli, was es eppḁ well fï̦ï̦rnäh. Ein anderes umgeht in zierlich ausgeführter Roßịịse-Form ein Felsstück. Auf erhöhter Platte hat sich ein Stauseelein gebildet; das entsendet fị̈ị̈f besonders anziehende Sturzbächlein: drei gägen enand g’chehrti — mi wäis nid, äb si zangge (zanke) oder lieb lieb mache wäi — und zwei seitwärts abgewandte — wie wenn si wette sääge: machet’s z’säämen ụụs, ’s gäit ị̈ị̈ ns nịịd aa. Eine zweite Verengerung empfängt uns beim roote Brï̦ggli, dem Übergang nach dem Ried, dem Grogg (s. u.) und der Häusergruppe Schää rnelz ( Cerniaux, s. u.).
Ein neues Sturzgebiet belebt eine kleine Szenerie mystischen Angedenkens: wie ein regelrecht zugemeißelter Altar steht, in Brusthöhe dicht an den Fußsteig hingepflanzt, der Täïfferstäi da. Hier, heißt es, haben verfolgte und geflüchtete Protestanten heimlich Gottesdienst und Taufe gefeiert. 8 Ähnliche, nur noch größere altarartige Steine finden sich weiter oben, ohni das s mḁn eppis d’rụs macht.
Kriegerische Erinnerungen dagegen weckt die Bulverstampfi. 9
Am zweiten roote Brï̦ggli und der Abzweigung nach dem Äi chholz vegetiert lebensfroh, den turmhohen Stamm fast cheerzegraad 143 aufrichtend, eine Tanne ohne Stock ( Stumpe), indem sie den untern Stammteil erst waagrecht ins Freie hinaussendet. Weiter oben zieht ein stolzes, saftstrotzendes Buechli seine Nahrung aus kahlem, stu̦u̦beshëëchem Felsgeröllstück auf haushohem Fußgestell. Zu doppelter Haushöhe ragt in der Nähe eine senkrechte Felswand empor. Ein hier oben — für wäm ächt? — Meerzeglëggli Suchender stürzte ab und fiel mit dem Gesicht auf einen Stein des Bachbettes, ist aus seiner Betäubung erwache n und häi mg’gange, ohne andere Spur des Unfalls als eine eben merklichi Lehmi.
Die Dessebärgstrooß gewinnend, lassen wir in der Schlucht, die mit ihren Reizen es uns so völlig angetan, allerdings auch manchen vom wilden Wasser angerichteten Wirrwarr zurück. Hier ein Haufen durcheinander gewirbelter Äste, dort ein Gewirr angebleichter Stämme längst weggerissenen Holzes, alls tschäärpis u bäärzis durenand. So will’s die Natur in diesem ihrem kleinen Reservat.
Auf der Straße nun ein völlig verändertes Bild! Ein behendes Laufen der Chlammerguege (des Hirschkäfers), des Roosechääfer, der schwarzen Räägeguege und des Gu̦ldrëßli, auf welch letzteres z’trappe wir uns wohl hüten, da es sonst uns flugs den sonnigen Tag in einen Räägedaag verwandeln würde. Auch zu diesem Blin͜dsti̦chch, der so behaglich sich sonnt, wäi wer Sorg haa! Am schwer beladenen Holzwagen ziehen Roß oder aber g’jochet Stiere, angetrieben unter hị̈ị̈!, gelenkt mit hï̦st! und hott!, still g’stellt mit hu̦u̦! Ein Heulen, sodann ein Kreischen, brïele, schnelle, Rauschen, Jammern, Schwappen, Stampfen lenkt unser Ohr auf die Zirkularsaagi (Fresse, fraise) der nahen Sägemühle ( Sa̦a̦gi) bi de Mï̦ï̦hline n und am Aufstieg zum Twannberg.
1
Über diese charakteristische Bezeichnung
S. 100.
2
Spitteler. (Auch «Niagara» ist der Donnerer.)
3
Der noch die schöne Baumallee Dieße-Nods gepflanzt hat.
4
Vgl. Jegerlehner in
BW. 1912, 392.
5
Der Name erinnert an it.
corsia (Strom) zu l.
cursus (Lauf)
M-L. 2417.
6
Nach dem Ausweis der ersten Erosionstöpfe (Trockentöpfe) unter der ersten Brücke. Baumberger 186 (44).
7
Ebd.
8
Vgl.
Gb. 618.
9
Vgl.
Gb. 47. 95. 610.
Wo die Tessenbergstraße nach Lamlingen umbiegt, zweigen ein Fußsteig und ein Chaarwääg rechts ab und führen durch den äußerst anmutigen Nordzipfel des Täätsch nach dem Dwannbärg. An einer 1913 neu angebrochenen, ganz nịịdere Hëhli (alt Erl.: Hü̦ü̦li) vorüber (nahe dem Punkt 865), haben wir vor uns eine alte Schmugglerniederlage, welche einst in ihrer Weise den Verkehr zwischen Bischtum und Bern, dann zwischen altem und neuem Kanton vermittelte. Wir schreiten gleicherweise an dem länger bekannten Bääreloch vorüber und pilgern dem allzeit offenen Gasthause zu.
144 Seinen ersten Aufschwung verdankte dies dem schulfreundlichen Großrat, Gemeindschreiber und Burgerkassier Fritz Huebacher von Twann. Er lebte 1846 bis 1899, d. h. bis der fabelhaft gewandte Läïffer und Steiger an der Gamchilücke wị̈est gfallen isch und einen traurigen Tod durch Erfrieren fand. Zu den Hauptverdiensten dieses sinnigen Naturfreundes gehört die Erschließung der mächtigen, langen Dwannbärghëhli, welche unterhalb des Gasthauses gegen Osten hin ein imposantes, über hundert Meter weit sich hinziehendes Felssystem eröffnet. Längs desselben brach Hubacher durch wildes Gestrüpp das außerordentlich anmutige, mit Ausbuchtungen und Ruhebänken komfortabel gestaltete Bänkliwäägli.
Dasselbe mündet in die neue Straße nach Gäicht (Gaicht), wie diese in die Tessenbergstraße. Der letztern talwärts folgend, gelangen wir in kurzem nach der Burg ( S. 135). Dort ladet ein steiler Fußweg zum Abstieg nach der Chroos ( S. 124) ein. Ungefähr in der Mitte dieses Tälchens, wo der liebliche Fußweg zum Chapf sich abzweigt, und wo der Auslauf der Chroosflue nahe an das Chroosbächli herantritt, bohrt sich eine der geräumigsten und wohnlichsten Höhlen in den Fels. Sie öffnet sich nach Südwest und erhält durch den weit ausladenden Felsvorsprung einen geräumigen, niemals naß werdenden Schäärme. Kein Wunder, daß dieses nach dem Eselshị̈ị̈slimannli ( Ins 450) benannte Eselshị̈ị̈sli gäng eppḁ bewohnt war. So vormals von einem alten Frạueli. Das hatte sich die hohen Innenwände mit Lade vertääfelet, allerdings wohl lodelig genug. Die Hauptbewohnerschaft pflegte indes aus Gesindel zu bestehen, von dessen Leben und Treiben allergattig isch g’mu̦gglet, ja es Buech b’brichtet worte. In dieser Bande von Zi̦gị̈ị̈ner, unter welchem Namen allerlei Volk familienmäßiger Landstreicher verstanden wird, gab es der bunten Bilder genug zu beschauen. Hier, alläini gelassen, dieser rumpelsụu̦rig Mu̦tti oder Dickwantsch und dieser mit dem Augspiegel sein Schielen verbergende Schï̦li̦binggel. Dort der mit Asthma Leidende, der chịịchet und bei jedem Atemzug si ch beeländet, daß er mueß u̦mmemụụdere un -chụụdere und d’s «Hụụs» hị̈ete, wenn er nicht im Bett g’naaglet isch und dabei noch im Verdacht steht, er fắndasti. G’speeretig (gliedersteif), mit jedem Schritt Gidult z’gää genötigt, hütet jener ein zum Stubehocker werdendes Großkind. Ein Holzdroogli drooglet, indem er unter dem gni̦ppsen uṇ ggnappse eines Lendenlahmen mit seinen Holzbëëde weit hörbar abdrappet; oder er schlaarpet mit seinen Schlaarpischueh, seinen Schli̦i̦rpe. D’Schueh uf d’Sịte tschaargget hat 145 dieses Weibsbild, bi dem es überhaupt schị̈tzelig, schị̈tzlech hootschelet. Der rächt wi der lingg Strï̦mpf lämmelet oder laamelet aabe und «zieht Wasser» — es chu̦nnt cho rägne! Die Gestalt ist aagg’läit wi nes Vogelg’schï̦ï̦ch, nu̦mme so flauder. Ein Riß ( Schrịịß, Schranz, Mehrzahl: Schränz) am andern deutet auf Anleihen aus der Altzị̈ị̈g-, Schwărzzị̈ị̈g-, G’rï̦mpelchammere. Ein Anzug ist ịịg’gange, so daß der Humpelrock ein Hosebäi darstellt; dieses schlecht geschnittene Hemm dli isch ehnder (ennder) e Härdepfelsack, und dieser schlecht schließende Rock gịffelet. Und dieser Hëïel ungeordneter Haare! Dieses Weib ist e Chụtz, «wie er im Buche steht». Und zu de Schueh ụụs schauen die Fetzen einstiger Strumpf-Fäärsere. Also eine Muesle in dreifachem Sinn: dick ( si hét no d’s Määs!), fụụl, und u̦sïïferlig. Daß aber ein dahinzielender Vorwurf sie erchlï̦pf, sie mach z’erchlï̦pfe, vo däm isch käi Reed! O nääi, dụ hesch si ch nịịt z’schịniere! (So zu Safnern.) Daß in der Tat etwas sie schinieri, erzäigt sie mit keiner Miene. Sie spricht eher nach, was «der Dichter so schön sagt»: Wäge dessi gi bt’s käi Nessi. — Grad d’s Gŭ́nträär diese allzeit so sụ̆fer und äigelig gekleidete, nicht ụụfbï̦tzerleti Tochter mit dem bronzenen Gesicht, dem rabenschwarzen Haar und den funkelnden Augen, eine Königin in Lumpen: mit jedem Fähnli isch si aagg’läit. Das halbwüchsige Mädchen hat die verdrießliche Aufgabe, ein auf dem erbettelten Spreuersack liegendes Kind z’gạume, das fortwährend mit verdrießlicher Mạuggere in den Rï̦ï̦f (Schorfen) seines Scheitels chnị̈ị̈blet, eine Zänne, es Zännig’sicht macht, zwänggrin͜det und nid wäiß, äb’s well plääre, briegge, räägge, gränne oder sï̦ï̦rmle. Die Tochter gibt sich alle Mühe, es z’g’schwäigge, bis sie endlich unwillig ruft: schwị̆g dị’s Mụụl! 1 Sie löffelt ihm Milch ein; es verzatteret die Hälfte auf den Gäïferlatz. Sie stammelt in der Kindersprache mit ihm: dääderlet mit ï̦̆hm und sucht es zu lallendem Plaudern ( chääderle) zu bewegen. Sie stellt vor ihm ein schmales Gerät auf und bloos’t ’s um, daß es Kandholz macht (umpurzelt). Sie reinigt ihm das Gesicht mit ihrem Naselï̦mpli. Verloren scheint alle Liebesmüh. Stille Trauer senkt ihre Schatten über das sonnige Antlitz. Ach, mi̦ n g’chennt mi ch nu̦mme fï̦r d’s Zi̦gịịnermäitli...
Wie, wenn die Bitterkeit dieses Empfindens das Schicksal brächte, dem vor wenig Jahren ein lebensmüder, junger Twanner unfern der genannten Höhle erlegen ist?
146 In der Örtlichkeit vermutet man aber sogar ein uraltes Asyl. Die Bäume, die vom überhängenden Fels ihr langes Astwerk bis vor die Höhle heruntersenden, sowie die davor stehende Nußbaumgruppe schaffen so gedeihlichen Schutz vor Wind und Regen, daß die im September 1914 durch Bildhauer Karl Hänny bis auf 120 cm angebrochene Schichtenfolge von Humus, Läim (Lätt) und Löß vollständig trocken befunden wurde. Die darin entdeckten Kulturspuren harren der Äufnung und Deutung durch fachmännische Nachgrabung.
Über der Höhle liegt, auf hübschem, kleinem Fußweg erreichbar, eine kaum bewohnbare zweite. Zwei nebeneinander birgt die Hï̦tteflue weiter unten.
1
Zusammenschluss von
swîgen (sich des Sprechens enthalten) und
sweigen (schweigen machen). Oder Kontamination: schwig! und häb dis Muul!
Zwei besonders schöne abris sous roche und zugehörige freie Felsaltane darüber — es isch óbe dru̦ff, obe nooche, obe fï̦ï̦r no schëëner weder un͜der — begegnen uns auf dem Wege nach der Schloßfluh. Ein ferneres Gebilde dieser Art ist die Hëhli unter dem Twanner Schulhaus, hart an der Straße. Ein ideales aber treffen wir an, wenn wir, an Wingräis und Engelberg vorüber wandernd, zur Linken den Chappelerääbe folgen und dann gradụụf durch das sehr steile Waldgehänge steigen. Am Gefällsbruch durchschreiten wir das Trümmerfeld der Roggete ( Ins 15. 34), wo beinahe hị̈ị̈sergroßi Blëcker haageldick beieinander liegen. Der durch sie verurkundete Bergsturz alter Zeit legt den Seebụtze ähnliche Bedrohungen auch in Zukunft nahe; und der 1888 bis dicht an die Häuser Merz und Schneider Engel gerutschte Gäisbärgerstäi (Granitblock) malt Ängstlichen immer wieder das Schreckbild vor: d’Ankeballe chunnt! d’Burgflueh chunnt! (Vgl. S. 135.) — Ihr westlichster Kopf wurde im Winter 1917 auf 1918 g’sprängt.
Über der Roggete nun, oder über dem Bruch, reihen sich vier oder fünf abris aneinander. Durch einen wandschirmähnlichen Felsvorsprang gegen den Luft gedeckt, bietet die westlichste Partie dieser Rappeflueh ein besonders vorzügliches Asyl. Derart sicher vor Wetter und Menschen, daß der Brandstifter Schmalz hier sich so lange Zeit aller Nachforschung entzog, bis der Rauch seiner Chocherei ihn verriet. Einen gewissen Eindruck der Behaglichkeit empfängt aber die ganze Asylreihe durch die aus den hohen Wänden herauswachsenden Aäbi- (Efeu) Stämme, Ranken und Gezweige: sie trëchchne, und sie tapezieren.
Kein Wunder, daß die bis auf 130 cm Tiefe gediehenen Nachgrabungen, welche Irlet und Schott im Jahr 1912 vornahmen, e ganze Choorbb voll neusteinzeitlicher Scherben (Einzahl: das 147 Schi̦i̦rbbi) u. dgl. zutage förderten. Hännys Fortsetzung von 1914 läßt ahnen, daß auch hier einer Arbeit, wo z’Bode gäit, eine schöne Ernte beschieden sei.
Eine Viertelstunde von der Burg dorfwärts der Straße folgend, erblicken wir rechter Hand an der für uns (aber nicht für Seebụtze!) schreckelig, grị̈ị̈slig, schïtzlig, wïetig stotzige Berglehne unmittelbar hinein in die Häidehëhli, gewöhnlich jedoch das Hŏ́liloch genannt. Sie heißt auch das Tropfstäiloch nach den prachtvollen Wasserstäine (Stalagmiten), welche wie geweihte Kerzen über den altarähnlichen, riesig langen Felsentisch herunterhängen. Als noch keine der apaartig schönen Tropfstäine abhanden gekommen waren, konnten die Besucher z’vollem ausrufen: der Taag i mị’m Lääbe han i nị̈ị̈t soo g’seh! Den Eindruck einer Häidechilche vollendet das steinerne Chänzeli links vom imposanten, torbogenähnlichen Eingang. Die als Aufstieg zu jenem Chänzeli augenscheinlich eingehauenen Stäägedritte finden eine denkwürdige Wiederholung in dem dreieckig eingeschnittenen und mit Handgriffen erleichterten Kanzelaufstieg einer ähnlichen Höhle in Les Beaux (Provence). 1 Eine Mauer vor der Höhle, welche verhindert, das s es na̦a̦cheschï̦ttet oder noocherï̦tscht, verdeckt nunmehr eine dicke Schicht verbrannter Kohlen und Wiederkäuerknochen, welche auf Opfer deuten. Die zum Nachgraben an dieser Stelle vorgesehenen 20,000 Franken werden sich lohnen! Einen Anfang solcher 148 Arbeit, auf 5 m in die Tiefe reichend, unternahm man 1873 zwecks Erstellung des Schịịbehụụs, mit welchem, wie uf den Achere über Tüscherz, Vaterland und Kirche sich in den gleichen Platz teilen. Von diesem Echokasten herunter dringt denn auch der Schall der aufschlagenden Schüsse, wie der Widerhall jener Peitschenkonzerte ( S. 135) mit Macht zu den «Mannen am See» hinunter. Im Notfall würden die Buchstaben auch an diesem Scheibenstand als «ABC des Völkerrechts» ihre Deutung finden. Eine gewisse Währschaft bieten die auch hier gelegentlich aazu̦ntne Augstefị̈ị̈r der Bundesfịịr. Noch wirkungsvoller brannten diese freilich 1916 auf der Windsaagiflueh und grüßten hinüber nach dem majestätisch flammenden Chrị̈tz am Hagneckwerk.
Wieder absteigend und das ebenfalls interessante Lapisloch über Engelberg diesmal linggs liegen lassend, gewinnen wir die Thomasgasse: Tŏmegắsse (Tw.), Tŭ̦́migaß (Tü.). Ihr gutes altes Steinbett und die um 1600 ihr zugehörige Tŏmegásse-Länti charakterisieren sie als einst bedeutungsreichen Verkehrsweg. Nach welchem auf Bergeshöhe gelegenen Ziel? Mit ihrer guten Anlage und Unterhaltung kontrastiert beinahe schreckhaft der mitten im Bergwald von ihr abzweigende Fäärggerewääg, welcher rechts ab i d’s zwäit Mŏ́ntree ( Montreux): nach Tüscherz führt. Wie anmutig biegt dagegen hier unser Weg links um nach dem offenbaren einstigen Ziel der Schloßflueh! Und hart an seinem linken Rande hält er uns eine Überraschung bereit, welche die bunte Reihe twannerischer Felsgebilde effektvoll abschließt. 2
Da liegt in stiller, verträumter Einsamkeit ein erratischer Block, der laut Aufschrift seit 1870 dem Naturhistorischen Museum Bern gehört. Es ist der Hŏlestä́i ( Ins 50). 3 Die muschelig abgerissene Granitplatte, im Durchschnitt meterdick und so umfangreich, daß auf ihrer annähernd quadratischen Fläche hundert Schüler stehen können, ruht in einer nordsüdlichen Neigung von vielleicht 40° so gnapp auf einem riffähnlichen Kalkfelsen, daß scheinbar die ganze nördliche Hälfte, in die Höhe gehoben, in freier Luft schwebt. Es isch äi’m, jetz mïes er í̦bergnepfe (umkippen), wie ein durch schwache Hand aus seinem Gleichgewicht rückbarer Wagstein ( Waggelistäi). Allein, man darf ihm trauen und zuversichtlich in dem so gastlich gebotenen Schatten u Schäärme Bergung suchen. Das taten denn auch, wenn nicht bereits neusteinzeitliche Menschen, doch 149 Kelten unter ihren Druiden in feierlicher Sammlung. Ja, auf eine Opferstätte deutete noch vor wenig Jahrzehnten der das Naturgebilde nach Art eines Stonehenge oder Cromlech einschließende Ring von kleinern Granitsteinen, wie deren noch etwelche verstreut herumliegen. Die andern wurden an einen Tessiner (Albisetti) verschachert für — Stäägedritte.
1
Bildhauer Hänny.
2
Wir ergänzen unsere Notizen aus einem hübschen Aufsätzchen in den kleinen Blättern (1912, Nr. 25) zum «Berner Intelligenzblatt».
3
Er liegt aber eine gute Stunde vom Twannbach ab.
Da oben wohnt der Friede!
Ob die Lawine kracht:
Der Fels hat als Ägide
1
Die Hütte überdacht.
Diese Zuversicht des Alpensohnes eignete auch manch einem Troglodyten (Höhlenmenschen) der sonnigen Juragehänge, die in den geschilderten und manch andern Felsasylen äinisch z’grächtem oder doch es Wịịli, es Chehrli g’wohnt sịị, um dḁrnócher (dḁrnoo ch, nŏ́che̥rt) sie an behaglichere Plätzg zu tauschen.
150 Die sälbma̦a̦lige (dennzuma̦a̦lige) Unterschlüpfe erinnern mit dem G’spässige (Seltsamen) ihres Aussehens lebhaft an die b’rïehmte na̦a̦ch vo ( prés «de») Schaffŭ̦́se. Diese nun sind sịt langem abfotografiert. Die P hotografịịe erregten das Interesse von Seeländern, welche sich sagten: Die kunkeriere ja wääger (wahrhaftig) in ihrer Elti (ihrem Alter) mit den unsrigen. Und die mit Geld und Zeit guet b’setzte von ihnen machten sich z’dü̦r ụụf: sie sị i d’Heechi g’chräblet. Sie wagten es, in so eine Höhle ine z’gra̦a̦gge, wie Kinder vorwärts z’schna̦a̦gge, auf den Chnäïe in unbeschuhten Fï̦rfị̈eß z’rï̦tsche, in jener Einsenkung z’gru̦ppe (das meint: zu kauern) oder bu̦gglige z’goo, unter diesem überhängenden Deckenstück si ch z’bï̦cke. So hieß es, dŭ̦́r e̥ wegg am rï̦cke (ab Statt choo) sich verhindern zu lassen, mit kundigen Fingere da und dort z’grï̦ï̦ble n, um v’licht gar nị̈ị̈t abz’bringe und mit einem kopfschüttelnden «es träit nị̈ị̈t abb» talwärts ( ni̦dsi ch, aabe) heimzukehren. Wer freilich ’dänkt isch (von Sinn und Neigung erfüllt ist), wie ein echter Forscher, so daß das altertï̦mle ihm zur zweiten Natur geworden, der sucht wo möglich scho z’moornderisch = scho moorn einen Erfolg zu erringen ( ’s uf e̥ne Zwäck 2 z’bringe).
Und ein Triumph kommt: Jetzt wäis s i ch, was Gattigs! Was i ch gä ng bi n erwarte nd gsi̦i̦, hat sich bestätigt; da han i der Bịwịịstum! Es gibt allerdings ewige Zweifler, deene’s Chëpf nicht einmal zu ganz gesicherten Funden Fiduz häi. Oder sind das am Ende nur Verbënner? Verbị̈nstig Lị̈t, deren Verbụnst jedem Laien seine Erfolge verbënnt 3 und von jeher verbënt het? Hoffentlich nicht! Aber es gibt Gelehrte, denen selbst en uusg’machti Sach, wo mḁ drị̈̆ber ine g’heit oder troolet, wohl gar eine bloße Erdichtung: en Uussaag ist. Will man in einer Erörterung mit ihm z’Bode choo, so foot er bi’m Aafang aa uufhëëre u chlepft abb. Das macht ihm schịịnt’s en apaartigi Freïd. I ha mi ụs desse Grund (ụf 151 daas) langisch g’schochche (längst gescheut), ihm «derigs Zịịg» vorzubringen. Es dunkt mi ämmel, i brungti (brächte) das nid um tụụsig Wï̦ï̦rst z’wääg, mit angeblichen «Afflikaate Chï̦nst» länger bei ihm d’Zịt z’verplämpere (verplämpele).
Unserm so sprechenden Dilettanten kommen zwei seelische Vorzüge zugut. Äinisch (erstens) darf er sich auf seine Augen verlassen, und er weiß sie zu brauchen. Wo er steht und geht: är achtet sich allem. Wo andere nichts gewahren, ergï̦ggelet er eine ganze Tru̦ppele u Tschu̦ppele interessanter Dinge. Alli Bott het er eppis erli̦ckt un eppis ụụse d’di̦ftelet. Hie heltet er der Chopf wi n e Fŏ́to̥graaf, wo eppis rächt schaarff wott i d’s Auge̥ fasse. Deert luegt er mit äi’m Auge ï̦beréggs, wi wen n er schĭ̦leti. Oder är gu̦gget tụụsig Mool fï̦r äinisch dŭ̦r ch d’s glịịch Lëchchli du̦u̦re, wo schier so chlịịn isch wi n es Chịịmmeli (Chëërneli) Salz. U das alles ohni Augspiegel! Jää, das isch drum no äine wi n e Vorfahre (Vorfahrer) zu Grosmueters Zịte, wo nid schier äxbräß (wie absichtlich), us Flạuse oder su̦st us Dummhäit siner Auge verdeerbbt het. Är hed o in der Daat e Grosmueter g’haa: es chlịị ns, runds, dicks Ru̦nggeli (schier wi n e Ru̦nggle, Runkelrï̦ebe), wo no nị̈ị̈nz’gjährig ohni Brille g’lääse het un achtenachtz’gjährig der Stëtzliräin ụụf u̦f e Dwannbärg isch. Was isch de nn die erst i den Achtzgi, stịff i de Sibezgi, i de Sächzgi, i dene chreftigi Fị̈fzgi g’sịi̦!
Un d de nn (zweitens): wi n en Uusdänkte r isch ị̈ị̈se n Altertï̦mmeler! Wenn äär no me̥ne glï̦cklige freie Daag sị Sammelsack g’stacket u g’stụnket (g’stụngget) voll zue n ĭhm ( «chez lui») b’broocht het, do gi bt’s bi n ihm gäng e Chiltoobe nd (wo mḁ lẹnger 152 liechtet). U doo macht er den n es Heft, wi wen n er nu̦mme ganggleti mit sine Funde. Er schịịnt ganz naar ( fou) woorte z’sii ab ’ne; es isch grad wi bi ihre zwäine, wo n äär ganz naar isch in ihns. Warum o ni̦i̦d? Sịịder das s i wäis s, was i wäis s, hu̦lf i oog (wäre ich auch dabei), wen n i darzue chäämti. — Und wie wenig kostet die Pflege solcher Altertï̦mmer! Si frässe weder Hëï no Strou.
1
Das wie eine Ziege (gr.
aig-s) schreckhaft zottige, meckernde Ungetüm als Schützer der Herde und des Hirten gegen reißende Tiere, woher die
aigis (Ägide) als Schutz überhaupt.
2
Man denke an den Zweck-Nagel in der Zielscheibe.
3
Über diese Wortsippe aus
an (Gunst) s.
Gb. 127.
von der Festi gesehen
Gemalt von A. Jaeger-Engel, Twann
Auch das Seeland kennt die Übertragung des Begriffes «Heide» auf alles, was in unbestimmbarer Ferne zurückliegt und damit in gleichsam verkürzter Perspektive als unverhältnismäßig großzügig, als imponierend, als Staunen und Verwunderung, Bewunderung oder Entsetzen erregend dem phantasiebegabten Betrachter entgegentritt. Von unserm häidemäßig starch, tị̈ị̈r usw. zu schweigen, erinnern wir bloß an Örtlichkeitsnamen wie den des Häidewääg 1 alter und neuer Bedeutung, wie der Häidechi̦lche ( S. 147), wie des Häidestäi. Wir begreifen, wie solche Benennungsart auf die Zweifel hindeutet, wo historisch veranlagter Volkssinn all die rätselhaften Gebilde der plastizierenden Naturmächte und der ersten menschlichen Eingriffe sëll hi̦ n due. Mit der Vorstellung vorchristlicher und damit uralter Volksgruppen 2 verband sich der germanische Volksstammsname der Hünen 3 (vgl. althiunisch, svw. altfränkisch), welcher, mit dem altdeutschen Namen der ungarischen Hunnen als Vernichter der Burgundionen zusammenfallend, 4 den Nebenbegriff des Riesenstarken und Riesengroßen, überhaupt Unheimlichen herzubrachte. In das letztere Attribut aber teilt sich mit den Riesen das Gegenbild der Zwerge als Besitzer rätselhaft erworbener und gehüteter Schätze. So hausen am Häidestäi im westlichen Teile des Längwald zwischen Mett und Brügg chlịịni grüeni Mannli. Von Riesen aufgetürmt und von Zwergen bewohnt können gleicherweise isolierte Rundhügel sein wie der «Ung’hụ̈ụ̈rhu̦bel» oder das «Ung’hụ̈ụ̈rschloß» im Großen Forst. Kommt zum Unheimlichen für das Auge die so vieldeutige Sprache der bewegten Luft, die in der wilden Jagd ihr bekanntestes Gepräge gefunden hat, so sind die Zeichen für an͜der Wätter fertig, wie für den Pieterler der Büttebärg mit seinem Chlosterhubel sie nach dem Jäisbärg wịter gi bt. Der wilde Jäger und der grüne Waldmann aber verbinden sich zu dem bekannten éinen Unhold, nach welchem 153 die vielbesprochene Tụ̈ụ̈felsburg bei Rüti ( S. 102) und die Tüüfelsbu̦rdi auf dem Jolimont ( Ins 50) 5 benannt sind. Wie der Böse sich hier versteckt, um seine Opfer zu belauschen, so macht er sich anderwärs das Vergnügen, als überhaupt nirgends gegenwärtige Macht schwache Menschenkinder böser Menschengewalt preiszugeben.
So in der bloß von Heuern und Holzern aufgesuchten, für den Naturfreund so reizvollen Gegend zwischen Gäicht und der Schloßflueh. Da̦ het mḁ, wird erzählt, 6 es Chin͜d lang gäng niene g’fun͜de, bis es äntlich u̦f der Flueh zum Vorschịịn choo isch. Mi het’s g’frogt, wi n es ihm de in der länge Zịt g’gange sịịg. He, het’s g’säit, e Maa het mer z’ässe ’broocht, das s i nie bi hungerig worte. «Uṇ g’schlooffe, wo hesch?» He, i der Hëhli dert. «Aber wär isch dä Maa g’si̦i̦?» Das han i nu̦mme gar nie chënne vernäh. Är isch choo uṇ g’gange wi ne Wink. — A d’s glịịch Ort isch es erwachse’s Mäitli g’fïehrt worte von äi’m, wo n ääs vo Hụt u Ha̦a̦r nịịt b’chennt het. Är het ihm nịịt welle sääge, wär er sịịg. Äs het z’ru̦ck g’haa (widerstrebt) un z’ruck g’haa, was es sịs Lịịbs vermëëge het — es het alls nị̈ị̈t g’hu̦lffe: es het mị̈eße mit ihm goo, äb’s het wellen oder nit; en innere Zug het’s vorwärts d’dri̦i̦be. Äntlich chämme si mit enand an e hëëchi Flueh. Die tuet sich blëtzlich mit eme Spalt vor ’nen ụụf. Do innen isch es Zimmer mit silberige Wän͜d, wo g’schu̦nne uṇ g’schimmeret häi wi a der Sunne. Z’mitts isch e Disch gstan͜de, un drumm um sị Manne g’hocket. Uf em Disch isch es offe’s Buech g’läge. Do het äine mit em Finger uf ene P’hunkte n zäigt uṇ g’rïeft: So, Tëchterli, schrịb do dị Name! Aber mit dị’m Bluet! Gịm me̥r dịs schëëne Handeli, das s i di do mit der Gu̦fen e chläi, chläi cha i’ n Finger stäche. Es tued nịịt weh, käis Brëësmeli! Är wil l ere d’Hand näh. Aber däm cha nn sie du̦ fest i d’Auge luege, u si het uf der Stell g’seh, was Tru̦mpf isch. Si isch erchlï̦pft, [daß] d’s Härz het ere welle still stoo. Aber es het ere Zịt g’loo, daß si zuglịịch mit eme Brïel het mëëge greedi ụụse rïeffe: Nääi! Du̦ isch es ere trïmmlig worte. Aber wi si wider zue ’re sälber choo isch, isch si vor der Flue u̦sse g’läge, ganz ḁläini. Die frischi, räini Luft het ere guet too. Si isch uụf̣, het g’merkt, wo si isch, het sich ganz guet ụmme b’chennt (sich orientiert) uṇ g’seh, daß ere ganz un͜d gar nịịt fählt. So isch sie wi̦der gäge häi m zue.
Im Verein aber mit Hexen hält der Teufel uf em Häxeblatz der Bielerinsel (sowie gelegentlich an der einstigen Pfahlbaustätte zu 154 Mörigen) Tänze und feiert Bacchanalien. Das niedliche Eichenwaldplateau der Insel ist ja eine ebenso geeignete Stätte hierfür wie einst für die keltischen Verehrer der Haingottheit.
Wie im Schwarzwald, hießen sonst auch zwischen Twann und Bipschol die kleinen Donnersteine oder Belemniten (kegelförmig versteinerten Teile vorweltlicher Tintenfische), die sich aus dem kahlen, schwarzen Fels löö fü̦regrü̦ble, Tị̈ị̈felsfinger. Mit gleich unheimlichem Empfinden erzählte man von glüeijige Chrotte, die z’Nacht am Zwëlfi am Fuß der hëëchi Flue ihr Wesen treiben. Es mag sich um heruntergefallene Johanniswürmchen ( Schịịnguege) handeln. Spinnele hinwieder nannten Kinder versteinerte Seeigel, während Rinchonellen und Terebrateln gemeinsam auch von Erwachsenen als Räbhïenli bezeichnet werden.
Als Kraftgestalt mußte der só wi so auch in der Volksphantasie mehr und mehr verdunkelte Satanas für die Bibelkundigen seine Rolle an den Rị̆se Góliath 7 abtreten. Der wanderte in der Vorzeit, als «noch» keine Bielerinsel aus dem Seespiegel emportauchte, durch die ewig kotige Moränenlandschaft des Äänerland oben um das Ufer und kam auf dem Fußsteig, der nachmals als das Pilgerwäägli die erst moderne Uferstraße ersetzte, über Bipschól auf die hëëchi Flue. Da fiel ihm endlich der Kot, der sich an seinen rechten Schuhabsatz geheftet, allzu lästig. E Schlu̦ngg, und die Stolle (Scholle) fuhr mitten in den See hinaus. Das gab die chlịịni Insel. Wi het ihm das g’liechtet! Aber um so fühlbarer hing der viel größere Klumpen am linken Absatz. Ein zweiter Schlu̦ngg! und wohlgesetzt breitete sich neben der kleinen die großi Insel als die eigentliche Mu̦tte: l’îsle de la Motte. Aber o weh! Im Rückzug des Fußes von dem doch etwas kräftigen Wurf löste sich der Schuh und fuhr hoch im Bogen über das Ried hin in die Twannbachschlucht. Da liegt hart am Fußpfad, vom Anprall an den Felsen doch etwas stark deformiert und der Deutung Kundiger bedürftig, der Goliathschueh.
Aber noch spukiger weiß der örtliche Volkswitz die Goliathsage zu gestalten. Dieser Philister hatte sich vorgenommen, die ganze Talfläche und das Hügelgelände zwischen dem Chaumont und der Grimsel in ä́im Schritt zu überqueren. Allein, o wetsch, der Große war hierfür doch zu klein! Er mußte bereits z’mitts im Bielersee abdrappe; und da er Dräck a de Schueh g’ha het, ließ er den am Absatz hängenden Kot als di chlịị Insel, den die Sohle beschwerenden als di groß Insel zurück.
155 Doch nein, nicht einmal so weit reichte der Riesenschritt. Goliath mußte dort mit äi’m Fueß abstelle, wo jetzt der anderhalb Stunden breite Neuenburgersee sich dehnt. Langsam zog er den Fuß wieder aus dem Moränensumpf. Daas het quackseret u g’gu̦u̦rglet! In das zurückgelassene Loch zog sich von oben und unten, von rechts und links das Wasser zusammen; es entstand der acht Stund läng und an͜derhalb Stun͜d bräit See als Nachbar des bereits bestehenden Bielersees. Diesen überschreitend, het er du di bäiden Insle als Dräck vom Schueh ab’zatteret. 8
So der Volkswitz als Erweis, daß unheimliche Übermächte, die unsern Vorfahren Furcht einjagten, in unserm Geschlecht nur das Bewußtsein geistiger Überlegenheit wachrufen. Doch «nŭ̦mḁ nid z’fast pëchelet!» Auch unser kulturstolzes zwanzigstes Jahrhundert stäit mit dem äinte Fueß noch im vorigen, wenn nicht in einem viel weiter zurückliegenden, und mehr als ein Witz über Furchterregendes erinnert an den Knaben, der nachts im Wald sich Mut ansingt, fï̦r si ch nid mïeße z’fërchte.
Daß auch in diesem Betracht zwei Seelen in einer Brust wohnen können, lehrt z. B. das Unheimliche, welches noch jetzt an der Umgebung des einstigen Eselshï̦ttli-Asyls haftet. Drum das Gewebe, das hier äi Lu̦u̦gi ï̦ber di an͜deri spinnt; Lŭ̦gine, an die der Lu̦ggner schließlich selber glaubt.
Äine r isch fueßwarm cho bb’richte, är sịg e̥mene wältsgroßen Ung’hị̈ị̈r ebchoo un häig vor Angst u Furcht d’Sääge̥ze fu̦rt g’schosse. An͜deri, wo näị̈me ( rather) nid so chlï̦pfig häi welle sịị, häi d’rabb i d’Wält ụụse b’brïelet, was si häi i d’Lu̦ngi broocht, fïr z’lache; un häi b’blagiert, es n-ieders Chin͜d dëërffi jo dert ụụse z’mitts i der Nacht. Äine het p’hụckt un pochig g’rïeft: Dụ säist nid d’Wooret! Das isch eppis nịịtigs! Das isch Gŭ̦́mpi̦sch ( compôt) u Mŭ̦́mpi̦sch (s̆s̆, Mumpiz)! I glạube niemmerem eppis so! Mi soll si ch doch nid abb jeder Chatz fërchte! Dier sịt mer jetz no Fërchtihanse!
So redete Hanse Beeters Koobi. Und das war äine vo de Bessere! Im übrigen e schaffige Maa, der sich vom arme Bueb zum hablichen Kleinbauern aufgeschwungen.
Dää isch eppḁ z’Dwann i mene Wi̦i̦rtshụụs blịịbe hocke ïber e Fïroobe. De nn het er eppḁ Fandást d’dri̦i̦be: es sịg so fịịster un är sịg nid rächt wohl. Es chënnt ihm uf em Wääg i sị Chrụtze (hier: 156 schlechtes Bett) eppis gää. Er het im Sack (Bieter) u̦mme g’nu̦u̦schet: Han i ächt es Bitzli Brot bịị mer (zum Schutz gegen böse Geister)? Beetli (die resoluti Wirtstochter), du settisch e păr Schritt mit mer choo.
« I̦i̦g un dụ̆ụ̆ z’sämme, um die Zịt? So spoot? Das miech e lätzi Gattig!» Eh, nu̦mme bis bim Chilchhoof vor bịị!
Dort angelangt: «Soo, jetz chu̦mm guet häi!» Gäll, du chu̦nnst no bis zum Leïestäi!
«Eh, dụ fërchtist di joo ni̦i̦d!» Nä̆ nääi, i fërchte mi ni̦i̦d. Aber wenn d’ no bis zu de Nußbäim chäämisch?
«Loos, Kobi, das schickt sie näime nịịt.» O, chumm jetz no bis zum Eselhïsli!
«Eh, du bisch jetz g’raad (bald) dahäime!» Es wott mer näime so drï̦mmlig wärte! Du muest di no chläi mier (oder mịịnere) aanäh!
«Eh, es gäit nid um’s tëëde!»
Jetzt im Flüsterton, auf hundert Schritte hörbar: 9 G’sehsch nit deert? Dää deert?
Des baumstarken Mannes Riesenhand umklammert krampfhaft Bethlis Arme. Dää het äi ns g’angstet! Bethli aber lacht aus vollem Halse: «Loos, doo du̦u̦re (in dieser Beziehung) bisch doch e chläi e Schlu̦u̦fi! G’sehsch nit, daß daas der Wi̦lli̦ isch?»
Der Willi i der Chroos kennt das längst. Lachend übernimmt er den Rest des Geleites.
In der Wirtschaft g’helkt (geneckt), sucht er die Heldengeschichte z’verschëënere und z’vermịnggmänggele und lạuft darvoo wi nid g’schịịd.
1
Vgl. das berndeutsche Gedicht von Walther Morf in der «Berner Woche» 1916, 28. Okt. ff.
2
Schwz. Id. 2, 985-990.
3
Kluge 216.
4
Mhd. Wb. 1, 692.
5
S. Robert Scheurers schwungvolles Gedicht in der «Berner Woche» 1921, und das Bild dazu.
6
Jahn KB. 78.
7
Der
«Rịse» Goliath: bemerke die halb schuldeutsche Ersetzung des
«Rịịs.»
8
Vgl. Georg Küffers Bielerseesage im «Kleinen Bund» 1920, S. 62.
9
Franzos
Als reiches Arbeitsfeld liegt vor dem erwachsenen Seebụtz südwärts der See mit seinen rechtsufrig ihm verbliebenen Geländen, nordwärts das Juragehäng mit seinen Reben, über ihm die Hochebene als Futter- und Gemüsespender. Aber wo solli de nn d’Chin͜d sịị? Wo können diese lääbige, die quäcksilberige Lị̈tli ihrem Bewegungstrieb ein Genüge leisten? Wo kann das Geschlecht von morgen ( moorn) sein hị̈t als Vorbereitungszeit auf den Ernst des Lebens in arbeitendem Spiel, in spielender Arbeit verbringen?
157 Antwort: Ämel aafḁn i der Schuel. Und auch für die Arbeitszeiten der eigens für sie geschaffenen sommerlichen Feeriẹ ist die Frage bald gelöst: si g’chëëre derthi, wo di Große. Wo in deren Berufstätigkeit der und die Kleine unmerklich ịne wachset, zuerst mit erlustigtem nooche mache (nachahmen), dann mit dem Äärnst der Kraftanstrengung (des chrafte) und schließlich mit stolzem Blick auf den Wert des Erreichten: da ist des Kindes gedeihlichster Spielplatz.
Und wo wäre der gedeihlicher als im Bauerngehöft, diesem glücklichen Gegensatze zur Stadtgasse? Noch einmal so gedeihlich ist er aber im Wịịbụụreland, wo käi Máschine der Hand ein noch so pressierigs Wäärch abnimmt; wo darum, wenn nicht ganze Reihen übler Fehljahre die Jugend von dieser Hochschule der Intelligenz und Ausdauer wegscheuchen, der Räbmḁ zum tauglichsten Lehrmeister seiner Kinder, die Winzerin zu ihrer trefflichsten Lehrgotte wird.
Wo dagegen gehört die Jugend hin, wo ihr Sein, Tun und Reden mit den Alten nicht taugt? Wenn d’Stube nid g’wụ̈scht isch? Da treibt das städtische Winzerdorf sie in die Enge. Weniger geweckte Kinder würden in dieser Platznot verkümmern; Seebụtzechin͜d wußten schon in den frühern, noch ungünstigern Zeiten sich zu helfen.
Sie entdeckten die Gasse und erfanden die Flucht in die Öffentlichkeit.
Was hindert sie, die da gläitig wi Häxli bächchiere und mit grëëster Fräïd unmittelbar vor dem Herannahen der rasenden Auto no äinisch du̦u̦rezụụne, ’s no äinisch du̦u̦razwänge, die gelbe Gefahr? Was schreckt sie das ratternde Dampfwelo? Die Twanner Gasse und die Ligerzer Strooß sind ganz selbstverständlich doo fị̈r Spi̦i̦l z’mache. Berechtigten Einwand erheben die Erwachsenen Twanns nur gegen allzu lautes G’chessel und läärmidiere und das stadtmäßig wïest Gassentreiben bis i d’Nacht ịịne.
Unter den daherigen Vorbehalten lebe das Kinderspiel! Nur schon, damit auch Mädchen als nachmals bienenfleißige Jungfrauen und rüstige Großmütter in fröhlicher Beichte gestehen können: Mier Stru̦pfmäitli! Wi häi mier nid d’Zịt verschli̦i̦rzet mit Spargamänter 1 un an͜deri Flause! Was häi mier umenand g’grăgeelet (dumm ’too)! Äi ns Ggrăgeel (sich närrisch gebärdender Mensch) 2 het d’s an͜der g’luegt du̦u̦r z’due.
Zunächst einmal in erlustigtem nooche mache (Nachahmen) der Großen. Kaum hat der Dorfwäibel zum ụụsschälle oder uusdri̦ngele 158 einer örtlichen Bekanntmachung die Glocke geschüttelt und sịs G’satz g’säit, so ist so n e Lụụszapfe, so n e Schnu̦u̦deri ( gamin) hinter ihm drein: «Heute! kann man! an der Bärelänti! Käse kauffe̥e̥n! das Pfund zu! fünfundneunzig Rappe̥e̥e̥n!» Oder: «Morrgen von acht bis eilf Uhr wiirtt das Wasserrr abgesteellt!» Daß namentlich schrille oder brummende Autosignale zur Nachahmung reizen, versteht sich. Eine Kụmpḁnei von vier Dreichääshëëch ist im Schnụtz (Schnụụß) z’sämet’ru̦mpeetet durch einen fünfjährigen Hạup tmḁ. Die ist groß genug zu Aufsehen erregendem G’wehrlis mache. Die klaffende Öffnung eines g’spaltne Räbsti̦ckel war durch ein Bänggeli mit umg’lịịreter Schnuer gesperrt. Dies soldatisch geschulterte Gewehr wird nun gegen ein Ziel gerichtet. «Achtung — Fị̈ị̈r!» Die Schnur wird gezogen. Daas chlepft! — Unversehens aber wird g’revolụtzt: zum Gegenhauptmann wirft sich ein Entschlossener auf, und ein Duell entscheidet, wo der Gwalt d’s Rächte n ist. Als Rapier dient der Räbstickel, der eben noch G’wehr gewesen. Und Handkehrum ist er d’Trụmpeete, auf der man Zapfesträich und Tagwacht in die selbstgeschaffene Bläächmụsig einwebt.
Mädchen aber machten vormals in der «Hublergasse» (dem von mehreren Hu̦bler bewohnten Burgwääg) Lehrgottlis. Eine gleichaltrige Lehrgotte leitete auf Stääge un Lạube der malerischen alten Häuser die freiwillige Arbäitsschuel (für li̦i̦smen un nääije) der hụffeswịịs eingefundenen Schulmädchen. Auch un͜der em Dächli bi’m Räin (Rain) war Arbäitsschuel, geleitet durch die zwölfjährige Mueti: das raan und chlịịn, aber rạubạuzig Idi Mï̦ï̦rßi (Mürset). Und die häin ihm g’folget! In der wohlverdienten 159 Pause diente dann der graau Stäi rechts am Burgweg-Aufstieg als Roß, auf das man mit der Selbstverständlichkeit einer Amazone sich gri̦ttlige hinsetzte. Nach dem «Ritterlich» aber kam das «Feierlich»: eine z’nëëchst aufgeschichtete hohe Laadebịịge diente als Chilche, in welcher unter Zuziehung neugieriger kleiner Gëttine Dạuffi gefeiert wurde. Das Urdorf erhielt seinen Ausbau durch die Chräämerei, in welcher flache Stäinli das Geld, ein Rindenstück der Schu̦blaade, winzige Mauerpflanzenblättchen Gaffee und Schị̆ggo̥ree vorstellten, während mit Dëërn auf Wegerichblättern vermerkt wurde, wär häig dings g’noo, ’s lo ụụfschrịịbe, ’s ụf e Bänggel g’noo oder u̦f e Chneebel, 3 oder um wieviel jedes beim Krämer i der Dinte sịịg. Denn namentlich Kinder durchleben ja den Humor der Reden: Wär Gält hed, cha Wï̦ï̦rstli chạuffe, oder: cha Pfị̈ffli chạuffe. Doch, wär käis het, pfị̆fft su̦st. Und Hụụse die, wo Hị̈ị̈ser häi! mier wohnen im Stëckli.
Auch Seeländer Kinder hụụse übrigens in der Ledernot den Eltern brav durch sommerliches blu̦ttfueß goo.
1
Vgl.
Gw. 194.
2
Vgl.
schwz. Id. 2, 722.
3
Vgl. die Walliser Teßlen und das Kerbholz.
Die Nachahmung macht aber bald Platz dem sälber erfin͜de. Die Twanner Dorfgasse bricht einigermaßen den scharfen Luftzug durch 160 ihre gewellte Anlage, der sich die Häuserreihen durch vor- oder z’rucktreten der Straßenfronten anschmiegen. So entstehen scharf und tief eingeschnittene Hụsegge. Worfür nur, mëcht i g’frogt haa, sind diese da, wenn nicht um Bli̦nzimụụsis oder Versteckis, Verstecklis (in Erlach: Versteckligs) z’mache? Zu solchem dient ganz besonders auch eine Ladentüre der Handlung Irlet, wie zu Übungen im chlättere die eiserne Tragsäule des Balkons. Ebenso selbstverständlich wird im Frühjahr (denn die Spielzeit der kleinen wie der großen Kinder hat ihre Saisons) mit dem Gu̦mpisäil Säili g’gu̦mpet. Ein Parallelspiel der Knaben ist das Bëckli ggu̦mpe und d’s läng Roß, 1 wobei der seinen Sprung Verfehlende als neues Böcklein oder als das dritte bis siebente der in äi’m Satz zu überspringenden Pferde herhalten muß. Verwandt damit ist d’s Meel, d’s Meeḷḷ. Der Herausgelooste muß vor einem kleinen Hindernis si ch chrï̦mme und wird übersprungen durch die ganze Reihe der Spielgenossen, deren letzter dabei «Zi̦i̦bele» ruft. Unterläßt er’s, so tauscht er mit dem «Roß». Dieses entfernt sich jetzt um einen Schueh vom Anlaufspunkt und wiederholt dies sechsmal. Die sehr bedeutend gewordene Sprungweite darf nun in mehreren Sätzen überwunden werden, aber nur in der vom «Roß» diktierten Zahl. Wer diese am stärksten überschreitet, muß für die Fortsetzung des Spiels Roß sịị. 2 Zum Ballerị̆terlis bilden sich durch wechselweisen Heranruf zweier Führer die Partei der Rësser und die der Rịter. Wer letzteres sein dürfe, entscheidet die Fallweise eines hingeworfenen Messers. Der Grëëßi noo werfen die Reiter einander eine Balle zu, bis einer, statt sie zu erhaschen, sie fallen läßt. Nun ein Abspringen und allgemeines Gejage nach dem Ball. Die Partei des ihn Aufhebenden darf nun Reiter sein. — Beim Spitáljagis jagt der Knabe, auf den beim abzelle von 1 bis 20 das zwänz’g gefallen ist, indem er, um den gebildeten Kreis laufend, unversehens einem mit der Hand einen Brätsch versetzt, womöglich i d’s Bäi. Der Getroffene verhe bt mit der Rechten oder Linken den «verletzten» Körperteil und sucht, trotz der Lehmi im Kreis laufend, sich ebenfalls sein Opfer. So kommen schließlich alle in den Spital. — Wirkliche Verletzungen können bei mangelnder Vorsicht (die es eben sich anzueignen gilt) beim Raṇgo vorkommen. Auf einem hingestellten Blëchchli (Rundholz) von Ellenhöhe ruht die Moore: ein eigroßer Stein. Jenes sucht unter dem Warnruf Rango, Moore schloo, Mätz schloo! kurz auch nur: 161 Rango! einer nach dem andern mit einem kindskopfgroßen Stäi aus etwa 5 m Entfernung umzuwerfen, ohne die Moore zu berühren. Wem letzteres bassiert, der hat das Vergnügen, d’s Blëchchli gäng wider ụụfz’stelle un d’Moore d’rụfz’legge. — Ein zierlicheres Werfen bringt das Bänggelispi̦i̦l. In einen improvisierten Kreis tritt der allenfalls Herausgelooste und bringt ein handlanges, beidseitig zugespitztes Chneebeli (Bänggeli), das er erstmals zwischen zwei Fingern hält, dann aber immer wieder im Fluge trifft, mit dem halbmetrigen Bänggel zu fortwährendem Schwirren in der Luft von ihm ewägg. Wer von den Umstehenden es in den Kreis zurückzuschlagen vermag, darf an des abgesetzten Künstlers Stelle treten. — Kantëënlis: Ein Knabe oder Mädchen wirft den Ball an eine Hauswand und rị̈eft: Bärn! Waadt! oder dgl. Wer in der vorausgegangenen Zuteilung den so urplötzlich herausfordernden Kantonsnamen erhalten hatte, fängt blitzschnell den Ball auf, zwingt mit lautem Halt! die bereits Dḁrvóg’sprung’ne zum Stehen und wirft den Ball nach äi’m. Für jeden Fehlwurf wird ihm ein Stein als Gräïbi (Griebe) hingelegt. Sind diese Schuldmarken auf drei gestiegen, so muß er si ch chrï̦mme und sich von jedem mit dem Ball bewerfen lassen. — Besonders Ligerzer Mädchen üben das Härdepfeli-, das Hoppe- oder das Wuchespi̦i̦l. 3
Das Wochenspiel machen wir häufig im Sommer. Wir haben große Freude daran. Am schönsten geht es, wenn nur zwei miteinander spielen. Wir zeichnen die sieben Wochentage auf den Boden, indem wir kleine Vierecke machen. Nun beginnt das Spiel. Wir werfen den Stein in den Montag. Wenn er darin ist, hüpfen wir durch alle Häuschen, und im Sonntag setzen wir ab. Auf dem Rückweg nehmen wir den Stein in die Hand und hüpfen hinaus. Nachher in den Dienstag usw. Im Donnerstag nimmt man den Stein schon im Gehen und in den folgenden Tagen auch. Wenn man das gemacht hat, nimmt man den Stein auf den Kopf und läuft sachte durch alle Häuschen. Im Sonntag darf man den Stein anders machen. Nachher nimmt man den Stein auf den Rücken der Hand und läuft abermals durch alle Häuschen. Wenn man das gemacht hat, setzt man den Stein auf die Spitze des Schuhs und läuft wieder durch alle Tage. Wenn man dieses Spiel fehlerlos gemacht hat, darf man sich den Namen machen. Man darf ihn machen, wo man will. Es darf dann in diesem Häuschen ruhen, und die andern müssen es überspringen. Man darf mit dem Fuß keine Grenze der Häuschen berühren, wie auch mit dem Stein nicht.
E. S.
162 Das nämliche hi̦mpe oder hoppe (einbeinig hüpfen) und erlaubte absetze (normal gehen) durch alle Hị̈ị̈sli «Määndig» bis «Sunndig» heißt d’s Himmelspi̦i̦l, wenn die Querleiste Samstig-Donnstig noch einen (Regen-) Boge über den Frịtig aufgesetzt erhält.
1
Vgl. Ingo.
2
Die Twanner Schüler Robert Beutler, Werner Christ, August Engel, Fritz Mürset, Adolf Roth, Elsa Stamm (s. auch Note 3) machten sich und uns die Freude, diese und die folgenden Spiele zu beschreiben. Wir müssen wegen Stoffüberfülle die Aufsätzchen stark konzentrieren.
3
Wir bringen hier wörtlich samt beigefügter Skizze die Beschreibung des Spiels von der lediglich durch andere Mädchen belehrten, obwohl sich als Mitspielerin einführenden, zwölfjährigen Elsa Stamm.
Der Stoffandrang all unserer «Bärndütsch» erlaubt uns bloß noch die Erwähnung des Spielkügelchens. Es heißt der Määrmel oder das Maarmeli, zu Madrätsch der Chlü̦ger, im sonstigen untern Nidauamt: der Chlụcker (Chlu̦gger) oder das Chlu̦ckerli. Das Spiel damit: das chlu̦ckerle, chlï̦ckerle oder määrmele, wurde noch vor drei Jahrzehnten z. B. zu Ligerz von Mädchen wie von Knaben mit wahrer Leidenschaft getrieben: mi het e vëlligi Ratz dru̦ff ghaa. Die doch allzeit hungrig die Schule verlassenden Kinder häi drob ’s z’ässe vergässe, bis Vater oder Mutter si̦ sị cho zuechḁ bääse. — Ein größeres Spielkügelchen heißt der Bu̦mmị oder der Spịcker. Mit ihm wird, we nn mḁ z’grächtem Bï̦mmispi̦ckis macht, das Kügelchen zwische Dụụmen und Zäigfinger g’spickt. Scharf wird dabei aufgepaßt, ob nicht eins durch stoße der Hand (durch mu̦pfe) b’schịịß.
Bloß noch mit den Nääme dürfen wir einige Nummern aus dem schier unerschöpflichen Katalog twannerischer Gassen- und Straßenspiele anführen: Räüberlis, Fängerlis; Zi̦i̦lwächterlis; Handwäärkerlis, Härdepfel-verchạuffis, Vëëgeli-verchauffis; d’s Bï̦chse-, Faarbbe-, Hëëche-, Holz-, Hydrante-, Ịịse-, Luft-, Pfị̆le-Spi̦i̦l, Schattejaagis, Spitaljaagis (s. o.); Fuchsjage oder Fuchs us em Loch! Tëtzelis; Schwaarzmaa; Schaabụụ; Tag un Nacht; Ring zieh; Ballegrị̈eblis; Chï̦schelis; go schụtte (in Erlach für Fußball spielen; engl. shoot, schieße).
Wer möchte den gewaltigen Einfluß solcher die stramme Arbeit in Schule, Haus und Feld durchwebenden Spiele verkennen? Wer die die seeländische Rauheit veredelnde kameradschaftliche und nachbarliche Gesinnung? Die Promptheit und Gewandtheit gegenseitiger Hilfeleistung? Kaum ist vom Berg ein Fuder Heu eingebracht (s. u.), entleert sich der Wagen, mi wäiß nid wie; und man freut sich hoch, an͜derne Lị̈ts Sache so freundnachbarlich behandelt zu sehen. Dieses chrumme Frạueli trägt i der Hutte eine sperrige Bu̦u̦rdi Ụụflä̆sholz. Sicher trägt ihr eine aasäheligi Frau das Verzatterete nach, und diesem Mädchen chunnts in Si̦i̦n, die Hauspforte speer aa, speerangel aa, speermangel aa ( toute grande) ụụfz’due. Das 163 sind und gibt die nämlichen Seeländer, die bei dorfgenössigem Hausbau einander Gratisarbeit und Gratisfuhr leisten. 1
Twanner Kinder entdeckten auch entlegenere Spielplätze. Am Chanzel ( S. 123) arbeiteten Buebe an einem Drohtsäilbähnli nach dem Muster des eben vollendeten Fụ̈̆ni ( funiculaire) Ligerz-Prägelz, bis das Hantieren mit Hammer und Meißel am herte Stäi ’ne verläidet isch. Ausdauernder wird an der Ausbuchtung der Schlucht westlich des Wasserholiloch ( S. 140) g’jeegerlet, Jeegerlis (in Erlach: Jagigs, wie Indianerligs u. dgl.) ’gmacht. Zu weiblichem chochche und abwäsche dient dagegen, ähnlich der Bärebütti am See, der Schï̦ttstäi ( évier) und der Chachchelbank in der Schlucht. Zum Lohn für solche Frauenarbeit darf dann zur Winterszeit im Verein junger Kavaliers hier zịịberlet werden. Auf einer zum Sitz erkornen Flueh ( S. 136) wird zur Abwechslung abeg’schli̦ttlet. Eigentliche Dorados für Mädchen aber sind die seit langem durch aafiegge und rị̈tschle und abeschlịịfere marmorglatt abgeschliffenen Rị̈tschi- oder Rị̈tschliblatte am Grogg westwärts der Schlucht, sowie an der Chapfblatte.
Vollends ein Kinderparadies scheint die oberi Schluechte zu sein, auf der wir oben ( S. 135) die kleinen Ziegenhüterinnen trafen: sächs alä̆rti (vgl. Ins 469) Twanner Mäitli, fünf- bis zwölfjährig. Um en Egge biegend, hatten wir die kleine Bande überrascht und in ein leises gï̦ggle (kichern) versetzt. Da lagen sie hingestreckt oder halb 164 sitzend am besonnten Buchenwaldsaum: eine heimische Ferienkolonie — einer auswärtigen bedurften die nicht!
Ein Blick auf zwei G’frääseli wi Mäiechääfer, wo i d’Sunne luege und auf vier Hände, die an enand u̦mme taargget häi, verriet zwei Eerzfrï̦ndinne, die enand gäärn ’berchoo häi, zu n enand b’su̦n͜ders nätt g’si sịị. Ein anderes ließ mit rangge und scharwänzle erkennen, daß es als Drittes im Bunde den andern vorgezogen werden möchte: es hätt den andere gäärn meege voorzieh. Die drei übrigen häi mit enand g’naaret: La lá Bị̈ị̈ßeli, bụụß, bụụß! bëësi, bbeesi Chatz! Zwischen hinein het’s e chläi rạuzig ’tëënt: La̦ ß g’seh, Anni, streck mer nid dịni Haxe (Kniekehlen) bis uf d’Schoos! Das alles war eben noch zu erhaschen; weiteres verstunden wir nicht: mier sị nid nooche choo («nachgekommen»). Deutlich dagegen hörten wir jetzt die Kleinste einem eben ergriffenen Schnägge das Sprüchlein zumurmeln:
Schnägge, Schnägge, Hiisli,
Zäig mer dini Fießli!
Dini vier Pariisli!
Zäig mer dini Heernli!
Sust schlon i di uf ene fiirige, fiirige Stäi,
Daß de brielisch wi n e Lei!
Die ï und ë klangen freilich modern «twannerisch» als ü und ö, der Lëï demnach als Leu usw.
Nun aber gab es Gratisvorstellung. Eins ums andere schaukelte sich, zwei herunterhängende Zweige einer Buche erhaschend, über einem ansehnlich breiten Graben: si̦ häi rị́ttig’gampfet. Dann stellten sie sich zu einer Gruppe und sangen das in der Schule gelernte Küherlied: Un uf der Wält si kener Lüt... Es folgte: Wo Berge sich erheben am hohen Himmelszelt... Hierauf gab’s Ringeltanz: Ringe ringe Reeie. Aber bald verlebendigte sich der gemessene Seitenschritt zum Hopser, mit dessen Gipfeln und Wellentälern sich die stark akzentuierten des Liedes deckten:
I der Schwiz, i der Schwiz, do si mer dohäim,
Si mer dohäim
Uf de Bärge. Häi juhäi!
Doo si mer e mool uf Basel abe choo,
Basel abe choo
U häi e lustigi Musig mit is g’noo.
Häi juhäi! häi juhäi!
Doo si mer dohäim
Uf de Bärge. Häi, juhäi!
165 I der Schwiz, i der Schwiz, do si mer dohäim,
Si mer dohäim
Uf de Bärge. Häi juhäi!
Jetz tanze mer äis im Sunntigs-Sunntigchläid,
Sunndigs-Sunndigchläid
Un gange nimme häi, bis der Gugger-Gugger schräit.
Häi juhäi! häi juhäi!
I lipfe der Fuess
Un tanze äis bis gnue.
Wie vom Jụzhu̦bel herab, der den schönsten Überblick Biels gewährt, tönte der Sang in die im Doppelsinn räini (reine und dünne) Luft hinaus. Noch hatten und haben ja auch diese Kleinen die Ihrigen daheim, die nicht ihr Blut verspritzen müssen im Dienste verrückten Übermenschentums.
Noch ein Fragen nach der Uhr: Chënnet e̥r is eppḁ sääge, was’s fï̦r Zịt das s isch? Ein herzliches danke! meerßi! und wir trennten uns.
Für sie langte es noch zu einem Spiel, das des einleitenden Abzählens bedurfte:
Limeli Lämeli lauf!
G’moole, g’stohle, g’chauft!
Chiinig, Chäiser, Heer, Buur,
Bättler, Schelm!
Mit der folgernden Apostrophierung: Du hast also z. B. deine Brosche g’stohle! Oder: du bist ein Bettler!
Das Mätteli aber mit dem südlichen Hintergrund der Burg ( S. 144) und der Waldrand über dem Chapf ( S. 137) am Beginn des Lachewääg, der sich so anmutig gegen Wingräis hinunterschlängelt, sehen Sonntags fröhliche Knabenspiele mit dem ernsten Hintergrund der Gegenwart. Spiele, von denen dringend zu wünschen wäre, daß ein milidärisch geschulter Jugendfreund sich ihrer annähme und sie aus kindlicher Launenhaftigkeit, Unbeständigkeit, Zerfahrenheit zu etwelcher Zielstrebigkeit und Straffheit, zum Drill im guten Sinn des Wortes hinanführte. Wi guet’s Holz da zu bearbeiten wäre, mögen folgende Soldatlis-Szenen dartue.
Je nach «Volkszahl» und nach Übereinkunft gibt Dwann hienohet dem Bach di rooti, geben d’Ligerzer änen am Bach di wị̆ßi Armee ab; oder bloß d’Dwanner gangen i’n Chrieg. Die Ligerzer sind neutral: sie «stan still». In diesem Falle stehen d’Dorfer zwischen Schulhaus und «Bären» den Chlịne-Dwánner zwischen Gäärsterhụụs und Bach als geschworne Feinde gegenüber. D’Bahnhëëfler samt den Mëëser taugen als mitten inne liegende Friedensinsel zu Schiedsrichtern, wenn nicht Macchiavellsche Diplomatie sie u̦f di äinti oder an͜deri Sịte herüberzieht.
Es gibt ja alleweil schon unter Jungen ụụsdividierti (ụụsg’studierti) Lị̈t, die wi̦sse, der Heer wäiß waas, 1 scho un͜derhä́nds und im Gu̦u̦sel häi — mi chu̦nnt nid u̦s ’ne. Si̦ sị gắr äigeti Lị̈t. Will man, um sie zu durchschauen und gleichsam seelisch vo na̦a̦chem z’g’seh, sie in ein Gespräch ziehen: mueßfrï̦ndlich nehmen sie eine dringliche Angelegenheit zum Fï̦ï̦rsoorg («zum» Vorwand) und kneifen aus ( verwï̦tsche). Derweil haben sie wie Kundschafter dir Schritt un Tritt abg’luegt. Sie ni̦cke de̥r noo ch und lächeln. Das heißt in Wahrheit: es lächeret si̦, daß du das bereits abgekriegte B’räämi («Rußflecken», mit dem man einen verb’räämt) nicht gewahrst. Aber plötzlich — äi ns Gu̦u̦rß («Gu̦u̦rts») 2 — wirst du inne, wie man dich g’fu̦xt, am Naaresäil umme g’fị̈ehrt und obendrein u̦u̦sg’macht (ụụsg’spottet) het. G’feligerwịṣs, wenn scho n (obwohl) erst in zwölfter Stunde, entdeckst du das Janusgesicht, das auch hin͜der ụse luegt. Das ist der einstige Duckmäuser, der kein Wässerlein trübte; wi het dää g’änderet!
167 Nun also Waffenwechsel: auf Wörter die Schwerter, post verda verbera.
Die Schwerter sind natürlich wieder Räbsti̦ckel, doch ordonnanzmäßig zugehauen und zugespitzt. Aus Holz, von einem schnitzkundigen Schüler bearbeitet, besteht auch die Lafette der Kanone, für deren Rohr jedoch die Rumpelkammer eines Mechanikers es ịịsigs Gußrohr geliefert hat. Sogar zwei gußeiserne Reeder fanden sich vor. So fahren die Kleintwanner ihr schweres Geschütz heran. Ein stattlicher Hun͜d, dem wäädele na̦a̦ recht stolz auf sein Ehrenamt, zieht es bergauf. Auf dem vermutlichen Schlachtfeld wird es ịịg’grabe und g’lade. Daas wirt chrääschle uṇ chroose, wenn’s äinisch loosgäit! — Solcher hëlziger Kanonen besaßen letzten Sommer die Kleintwanner sogar zwoone; aber eine schenkten sie dem bloß über Infanterie verfügenden Feind. Weniger aus Großmut als aus Tapferkeit: der sicher zu erwartende Sieg sollte nicht ein allzu leicht errungener sein. Sie wollten gehörig Widerstand erfahren und Gägestand läiste.
Im vo Han͜d gezogenen Proviantwagen, begleitet vom Intendanten, in dessen Schiebtäsche (Busentasche) wohlverwahrt die Chriegskasse und die Requisitions- Zedeli ruhen, führen ihrerseits die Dorfer ihr Wäärli mit. Darunter fehlt nicht die zum abchochche dienende Góggasse ( cocasse). Mit der läßt sich, wenn eine kundige Hand d’s Fị̈ị̈r aazu̦nte het 3 und die zu kochende Speise richtig ist ụff gsi̦i̦ (ï̦bertoo g’si̦i̦), ein keineswegs windig’s z’Oobe (alttwannerisch für Mittagsmahl) aagattlige. Sie brachten wirklich einen ganz famëëse Pfannejoggel seine Art Brotrëësti) zustande, wozu freilich das Brot nid schëën vergnägglet wurde. Auf Feindes Seite war es schlimmer bestellt; man gewahrte es an dem appetitlosen drị̆nn ụmme mäütscherle. Was war es denn? Ein so sich nennender Brei, eher erinnernd an eine schlappigi (dï̦nni) Suppe; es war ein G’schlaarg, gut zum schlaargge und schli̦i̦rgge. Nur in einem hatte der Koch aag’wändt: der Brei war fürchterlich rääß. Sogar das G’gääder («Waaueliwachs», die breiten Sehnen) zähsten Fleisches wären annehmbarer gewesen. Das erregte nun die wirkliche Großmut des Feindes. Für jeden der also verkürzten Esser wurde e Bitz Brot abg’schränzt (nicht bloß es Schni̦i̦feli): do nähmet! Wie gerührt wurde da d’danket und beigefügt: Chä̆met’s de nn cho ịịzieh! Mier wäin e̥ch de nn o ’ne Stäi (i’ n Garte) bänggle!
1
Statt «wäiß der Heer waas»: Attraktion des Numerus.
2
Gurt (
schwz. Id. 2, 444) iSv. «Schlag, Chlapf» (vgl.
uf äi Chlapf) hier lässig ersetzt durch
Gu̦u̦r.
3
Wie basl. aazunde. Vgl.
zinde, zant, zunden (brennen) und zünden im
mhd. Wb. 3, 895 ff.
Doch, diese Kappeler Milchsuppe fügt sich erst ans Ende der zwäite Schlacht bäi Twann. Vorher war dazu weder Gelegenheit noch Stimmung.
Da riefen ánstatt der Trommel zum Streite die hölzernen Castagnetten, zwischen Mittel- und Zeigefinger ebenso zum chläffele gebracht, wie das mit dem Dụụme und Schläckfinger geschüttelte Chläffeli. Und dringend riefen sie! Galt es doch Revanche für die ungerechte und ungerächte Niederlage, welche die Dorfer e Wuche z’ruck (vor einer Woche) häi müeßen erlääbe! Wie, wenn der Spruch: Was si ch zwäiet, das dri̦ttet si ch, sich bewahrheitete!
D’s sälb Mool häi si Bächch g’haa; es isch lätz ’gange; si̦ sị im Rú̦nzivall g’si̦i̦ nicht bloß in der zu «unwohl» abgeflauten twannerischen Bedeutung. Ein an sich klug ausgedachtes Manöver hat die Lage nu̦me verbëëseret, so daß es heißen mußte: jetz isch’s bëës, das isch bëës’s Mähl! Si häi nid mëge b’choo; sie mußten abgää ben und hin͜der ab näh.
Das war um so bemühender: es hat um so mehr sie piggiert, es het si mëëge, da die Streitmächte zu ihren Gunsten unglịịchlig verteilt waren. Bildeten doch die Chlịne-Dwánner — auch die Ligerzer änen am Bach mitgerechnet — die erheblich schwächere Partei!
Es hatte an der Aufklärung gefehlt. Der Kleine, dem die isch ŏblääge (ä́) gsi̦i̦, war nicht bi Zịte gnue dohäime fu̦rt. Ja, er hatte nicht einmal rechtzeitig ụụfg’haa (sich vom Liegen im Bett oder sonstwo erhoben). Ihreri baar (einige) sị dụ go stäinle (Steinchen nach seinem Fenster werfen) und, da leises bëpperle an der Türe nịịd hed abträit, ordentlich stark go poldere: jetz hị̈ị̈, Schï̦mmel! (Ans Werk!) Solche Verspätung, verbunden mit z’weeni g’meerkigem Sinn, hat bereits im Anfang der Sach der Boge g’gää. Mit dem Chrí̦i̦s- oder Chreisbääse (Besen aus Tannreisig) hält mḁn ihm sëlle vom Hụụs zï̦nte! Anstatt, wi mḁ het verabbreedet g’haa, speetistes am zää chni, isch äär dụ am halbi endle̥fi go ụụsstụ̈ụ̈bere un ụụsspịnoofle, äb (oder gäb) der Fi̦nd um e Wääg sịịg, un u̦f weel chem Hin͜derumewääg er eppḁ chääm. U wo n er dụ het solle b’richte, het mḁ nḁ niene g’funde; är isch drum vo Nienefin͜de g’si̦i̦.
Derwịịle sị d’Chlị̆ne-Dwanner bim Schï̦tzehụụs dur e Chrachen ụụf un bi’m Schị́oggstäi 1 us em Wald ụụse choo. Du̦ sị 169 si̦ deert i d’s Äichebannholz ịne un darnócher der Wääg ụụf bis zum Brï̦nnelizält (zur Brünnelizälg, S. 131.), ïber d’s Gäichterfäld der Tschï̦ppeliwääg ab i d’s Geichterstrëëßli, fï̦r deert im Versteckte de Dorfer z’basse. Die sị versträït uf állergattig Wääge gäge d’Burg zue, un häi g’gï̦ggelet, äb ächt der Find nid baal d un͜derfï̦ï̦re chẹẹm.
Un͜der äinisch, wo si no dranne g’sị sịị, ihri holzigi Kanone ịịz’loche, un si ch drụf g’frëït häi, wi daas de nn wärd poldere i äi’m ịne, gi bt’s e häidemä́ßige Grampool (ó), es isch äim dur Maarch u Bbäi gfahre. E ganzi Trịịbete isch darhäär cho z’joggle. D’Chlịne-Dwanner si de Dorfer i’ n Rïgge g’falle un häi si vertëfflet, daß ’s e Grụụs isch g’si̦. D’Dorfer häi̦ si ch däilwịịs brav g’wehrt; aber z’letst häi si doch der Déwang aag’schlage, was gisch, was hesch. D’Chline-Dwanner ụụf u noche. Wäär (wen) si erwï̦tscht häi, die häi ne mïeße Spitzeruete lạuffe. Darzue häi d’Si̦i̦ger Chatzemụ̆sig g’macht. Der äint mit der Mụụlhaarpfe; der ander het dị̈ị̈derlet mit sim Gịịgli, wo n er g’macht g’ha het us Niele (Waldrebe) oder us Rëhrli (Schilf), wo n er mit dem Vatti isch go rohre. Hie het’s ’gixet un deert het’s ’gaagget, das s mḁ het müeße frooge: Wär het ’nen ächt d’s Broot g’noo?
1
Denkstein des dort mit Fuhrwerk tödlich verunglückten Lehrers
Giauque-Botteron.
Un ịịse r Dorfer Hạupmḁ, was het dää darzue g’säit? Dää het äi’m dụụret (= bedụụret)! Är isch es dïechtigs Bï̦ï̦rstli gsii un gar nit eppḁ uf e Chopf g’stellt. Un ggụraschiert isch er g’si̦i̦! Un darnääbe käi Ung’heite (es ließ sich vielmehr gut mit ihm auskommen), un nid wi ne grandige Heer, wen n er scho a ls der Schëënst im Dorf het ’gulte. Wen n äär i sị̆r z’sämmeg’schuesterete Mu̦ndụ̆r — mit Epoletten us Silberbapịịr (Stanniol) un mit der bạu mwo̥l lige Zottle oder Pụßle uf dem bapịịrige Zwäispitz — bim Soldatlismache vor sir Kumpḁnịị g’stan͜den isch uṇ g’ku̦midiert het: La̦ ß g’seh, Manne, chämmet! do isch es mị̈ị̈selistill worte. Un es isch ihm es Chlịịs g’si̦i̦, di ganzi Bande in Eegi z’haa. Darzue het äär a sị’m Lị̈tenant — wo nummen alti Läderli als Epolette träit het — en ï̦berụụs guete G’spaane g’haa. Die Zwee häi z’sämmeg’haa wi Gịịgehaarz. Nie häi si eppḁ Händlete g’haa mit enand, oder es G’haader oder gar no ’ne Raach (rachsüchtigen Haß) gegen enand wi Zwee, wo enand verhasse (hasse).
Aaber 1 wenn ’nḁ n epper verdäipt un ḁ lsó bombetaub 170 g’macht het, das s ihm d’Gallen ï̦berg’gangen isch, de nn het mḁ si ch de nn chënne zï̦pfe 2 vŏr ĭhm! De nn het er Aïger (Augen) g’schnitte, das s mḁ scho bi dä́m d’s Fïị̈r im Elsĭ̦ß g’seh het. De nn isch er bi̦’m Haageli, bi̦’m Haageli (bi’m Haagelischieß) uf der eersch Best loos wi ne Wätterläich, wi ne Hawä́i («Habicht-Weihe») oder wi wen n er d’Stägen ab g’schosse (gekollert) wäär; das isch g’gange wi tụụsi g tạub. Bi äi’m Hoor hätt er ’nḁ n erhu̦dlet, verzụụslet, vertëfflet, versalbet, wenn nid gar erwëërgget oder vermasakeriert oder z’Habermähl verri̦sse (verschlage).
De nn isch de nn sị Lị́tenant sị̈ị̈ferli choo un het ihm i d’s Ohre g’chï̦ï̦schelet: «basta! baschschaa! baasis!» (genug). Der Haupmḁ isch blëtzlich do gstan͜de wi äine, wo mḁn us em Schloof ụụfpopplet. Är het stächchig u̦f e Bode g’luegt, wi wen n er eppis am große Nagel ụụfg’hänkt hätt (als wäre ihm ein Gegenstand zu Boden gefallen). Der Lị̈tenant het ihm no äinisch g’chï̦ï̦schelet: «Dụ machsch e wäärklichi (seltsame) Gattig! Lue nu̦mme, fï̦r g’wiß isch es wohr! Du bisch lätz dranne! b’haar nid drụụf un hä́b nid drụụf!» Du isch es dem Hạuptmḁ gsi̦i̦ wi äim, wo bi’m rede der Gedankefade verlore g’ha het un jetz wider u̦f d’s Droom choo isch. Fï̦r wi lang ächt? Item (ja nun), 3 en Augeblick het er’s du̦ lo guete, ’s lo guet sịị; es het e chläi g’guetet. 4
171 Aber baal d drụụf isch er u̦mme raasig worte wi der lëëtig Tị̈ị̈fel. Er het ’too wi verruckt un b’brï̦elet, was er ḁm (oder zum) Mụụl ụụs b’bra̦a̦cht het, u Maniere g’macht, un u̦mme g’ụlahneret (u̦mḁ g’landeret). Er het g’fluechet wi ne Rohrspatz (vgl. Ins 259), daß der Bode ’zitteret het, daß es der Bode g’hu̦dlet het. E Krawall aag’schlaage het er, abg’stellt het er mit dene Lị̈t, oben aabe g’gää het er ’ne, wiesch g’säit het er ’ne fï̦r guet u fest! Das isch, hälf mer Gott, es loose g’si̦i̦!
Jetz isch er u̦mme un anne g’lï̦ffe, het d’Han͜d a di fị̈ị̈rhäißi Stirne g’haa, het ganz stober a’ n Bode g’luegt. Der Lị̈tenant het ihm d’Han͜d gnoo, het ihm e länge liebe Blick g’gää uṇ käis Wëërteli g’säit. Der Haupmḁ schï̦ttlet der Chopf: Es wirt mer afánge z’dick! Es verläidet me̥r! I taarf’s standhaft u frääveli (fräävelig) sääge: Das chriegen isch nịịt fï̦r ị̈ị̈ser äin! Das isch allme̥z (albe̥z, in Li.: albe̥, vormals) an͜ders ’gange: i ha’s g’chëërt, no vórggester, ab mier sälber (mit eigenen Ohren), wo mi Vatti b’brichtet het. Mier gää denen Alte no láng gäng nid Fïeteri! Die häi g’seh, wo du̦u̦re n es pfị̈fft, u bi dene het’s g’häiße: haa oder la̦a̦! Aber do het äine der an͜der schëën g’rangschiert! Das isch mer blịịbe hocke vo der Schuel nooche. Der Lị̈tenant macht: «Joo, i sääg’s oo! Aber wäisch, mi wirt g’waaglet un lehrt o eppis.»
Si solli en an͜dere Haupmḁ näh; i ma ni̦mme!
«Was mḁ hasset, mueß mḁ haa! 5 Dụ wäisch jo, wi mḁ daas u̦f wältsch säit: On ne dit pas: Fontaine, je ne boirai pas de ton eau.»
Es nimmt mi numme d’s Tị̈ị̈fels wun͜der, wär di Lït ụụfg’stichchlet häig un ụụfg’holzet un si unbändig g’macht, daß si so wohlg’mäint (stolz) un u̦s lụter lëëtigem Hochmuet der Chopf mache un mier z’läid läbe! Mäinen eppḁ di Ttonners Hắnaagge, si müeßi mier z’t’ halbe 6 pariere? Eh, so g’heie si doch (packen sie sich)! Es het käi Gattig uṇ käi Art, wi si nịịt 172 folge! — Un wider het der Haupmḁ ganz hässig un tạub un hëhnn ụụseg’luegt. Un ụụstu̦nneret uṇ g’schumpfe 7 und g’schnaauet het er.
Der Lị̈tenant: «Es g’schŭ̦ch (geschähe) ’ne rächt, wenn’s e chläi meh Stra̦a̦ffe gääb: fï̦r die, wo’s (die Reihe) an ’ne wäär, uf d’Wacht. Oder e chläi go hocke, es baar Stun͜d abhocke un d’Nachtchappen aalegge i der Cheefi; i d’Chrääze go Chrääzedienst tue. (In das ‹Erholungsheim›.) Oder am Änd i d’s Indianerhäim dert bi’m Zält, wo me̥r g’macht häi am Lachchewääg! Dert isch d’s Loch, wo si̦ si̦ ch dëërnle (sich an Dornen stechen), wenn sie gradụụf stoo wäi.»
Nu̦ guet, Bï̦ï̦rsteli! rïeft der Haupmḁ un nimmt vo de Schuldige äinen um der an͜der z’wääg, daß si ganz verdatteret do stan͜de, wi wenn si̦ d’s Eël verschï̦ttet hätti. Un der Lätsch (die Unterlippe) löö si hange, mi chënnt e Träämel dru̦ff chehre.
Un jetz ’berchụnnt e jedere sị Stra̦a̦ffwacht fï̦r am neechste Sunntig.
Dụụ Gëëli doo mit dị’r lëëlige Gattig, wo gä ng so tschäärpis dri̦n isch un alles z’tromsig i d’Fingere nimmt un es Hi̦i̦rni het wi ne Schụụmchelle un u̦s lụter Dummhäit gäng alles vertu̦mmet: dụụ gäist uf di oberi Täätschblatte. Aber lue, was de machst, sust legge de̥r de nn n es Umschwingerli (Windel mit Band) aa, und de nn chaast de̥ n i d’Chrutze 8 go schla̦a̦ffe. Was hesch dụ fï̦r Sachen aag’stellt! Eh, du verru̦ckti Pasteete! Eh, dụ häiliger Bi̦mbam! 9 Un jetz hesch no g’schu̦nne ( semblé) z’lache! Un was der g’säit haa, nu̦mmen ï̦ber d’Achsle z’schla̦a̦ un nị̈ị̈t d’rum z’gää! Isch es de̥r eppḁ nit d’rum? Erfri̦ch’ 10 di̦ nu̦mme̥!
Und dụụ, fï̦ï̦rschï̦tzige (voorschï̦tzige) Schu̦tzgatteri, dụ Jạusti, dụ Jaagi, dụ Schwaadli, wo gäng nu̦mme schu̦tzgatteret un jạustet un schwadlet und drị fahrt, gäb (bevor) er nu̦mme wäiß, wăs Gáttigs: wo soll di̦ ächt hitue? Gang dert i d’Haslen ụ̆fe!
Und doo dä Schlaabi, dä Schlăwáck, dä Dräll, dä Trappi, dä Trápp drịị, dä Gstăbli, wo nid wäiß, wi g’stăblig (g’staabelig) är will abtrappe un tschalpe un (schlürfend) schlaargge oder (wie ein Lahmer) darvó gni̦pfe uṇ gnappe, wi ne Hi̦mpi darvó hịmpe un mit de n (einwärts gekehrten) Schinke (grob für Beine) 173 und Scheiche (grob für Füße) määije. Du gäisch u̦f di un͜deri Täätschblatte! — Dää doo chniepet ó soo, wi d’Erlḁcher sääge (er geht schwerfällig). Und dḁrzue isch er e Chnielpi (Chniepi) bis äänen u̦mme. Er chnielpet (arbeitet unentschlossen und lässig) un träiset un tringelet un li̦i̦ret un zaagget, un er verzaagget (erlachisch: verzögert) e jederi Ku̦mission (Auftrag). Un er wäiß nie, wo n er si̦ni Sache het; er verni̦stet («verzaagget») un vernu̦u̦schet alls. Gang dert u̦f Langäärtige z’Tï̦sche̥rz! Verlạuff di nit! Uṇ ghei nid um! Susch chönnt’s der de nn d’s Bu̦ggeli greede! Jo, radikál (ganz gewiß)!
Dụụ Graad’naus, wo so g’satzmäßig dḁrhäär chu̦nnt und dḁrbịị so g’herrschelig (s̆s̆) un zịmperlig duet wi ne ku̦moode Heer, wo doch nu̦mme Fụụlkĭ̦t un es fụ̆́länzigs Wäse dḁrhin͜der steckt: dụ chaasch grad e chläi dert uf d’Tï̦sche̥rzer Loost, dä stäinig Räbbärg un͜der em Wald, wo das schmale Fueßwäägli un͜der der Flue du̦u̦r gäit. Do chaast de nn zääberle (trippelnd eilen) wi d’Schnellere oder d’Schnällschnịịdere!
Enérschsch mueß mḁ sịị, un enérschsch hin͜der alles goo, was mḁ soll. Dụụ do, dụ Trechchni un Trï̦cki, wo nid wott ụụsreede, [sondern] wo gäng u̦f d’s Muul hocket un hin͜der u̦mme gäit mit der Sach. Sëttigs lamaaschigs Zị̈ị̈g, wo alls nu̦mme so mïejsam nu̦u̦rxet, han i uf der Latte! Es du̦nkt mi, i sëtt Sëttigi mit dem Holzschleegel tï̦tsche un ’ne zï̦nte, un un͜dere fị̈ị̈re, fï̦r sị i d’Sätz z’gää. Gang i d’s Längsti̦cki! Oder hesch eppḁ d’s Ohremï̦nggeli? 11 Oder d’Rị̈maatis (G’sï̦chti)?
Und dụụ i d’s Tï̦scherzer Lịịnstï̦ck, du Plumpsack! Du bisch wi ne Plättere. Wenn die i’ n See fiel, er wurd ï̦berlạuffe. Lạuf dụụ stịff, wi wenn d’ e Stäcke oder es Schịt im Rï̦gge hättisch, oder der Häxeschu̦tz (Äckegstabi) im Äcke (Nacken)!
Doo dä Spränzel, dä Stäcklispringer, wo so raan isch, mi chënnt ’nḁ mit der Gäisle abenand chlepfe (daß der Zwi̦ck der Peitsche ihn entzwei schnitte), dää het’s (hält es) mit der Lengi. Sịni Bäi si wi Weschstŏchle (Wäscheseilstützen), un wen n er i d’Stube chụnnt, so schießt er am Drääm (Unterzug) aa. Fï̦r daas chan n er jo rịchtig nị̈ị̈t. Aber er brụụcht nị̈ị̈t ḁ lsó ne Gaabli z’sịị, wo mit de Hän͜d redt un sịni Arme mueß um enand g’schlu̦ngge haa, wi wenn’s nid sịni wäri. Är cha nn i’ n Ligerzer Lï̦tsche̥t, dert wo ’s gäge Präge̥lz ụụfe gäit.
174 Aber wo soll i dä Stu̦mpe doo hi schicke? Dä Chni̦irps uṇ Chnị̈ị̈ßer, wo nid e Si̦i̦bechääshëëch isch, nääi, nu̦mmen e Dreichääshëëch. Dụ wachsisch jo z’Bode. Gäll, drum tïe di ch di An͜deren ụụszäpfle un mache di ch zu mene Schị̈ị̈chpï̦̆ntel. Aber du muesch tääfel (munter) sịị un zäige, daß du Gäist hesch un erwache (geweckt) bisch! Wo wottsch hi̦i̦? säg’s sälber! I d’Nasche (s̆s̆), aha! i di gueti Räbe dert näbe der Festi? Botz nŭ̦́! Das isch z’wịt! Gang i d’s Rị̈scheli (s̆s̆) verstande? Nid eppḁ go Biel i d’s Rị̈ị̈schli (s̆s̆)!
Dụ bisch ó so ne Gu̦mper oder e Gï̦mper, un mager wi n es Schi̦i̦rbbi. Dụ chaast go Ligerz i d’Watte. Bist de̥ di̦ ch dert bikannt? (Kennst du «dich» dort aus?)
Und du̦, holzbolzige Grobian, dert i di stotzigi Sü̦̆mmerroode, wo d’Ligerzer dä guet Wịị häärnäh. Dert chënne sị di̦ ch g’schạue, was de̥ fï̦r n-en ungli̦mpfige (grobhëlzige) Bï̦ï̦rstel bist! Mi het di ch am grëberen Ort abg’sa̦ggt!
U jetz no do dä Läcker vo Pralátzgi (Pralaatschi), wo dä Brụụch het, z’bralaatsche un z’braatsche un z’blagiere un z’blappere u z’tschäädere u z’schnaable u d’s Mụụl z’fïehre un in äi’m ịịne d’Lälle z’rïehre wi n es Fị̈ị̈rläïfferli un wi ne Tụụsiglu̦ggner. Hilfst de n eppḁ n o uf em Platz der Dorfkaländer mache? Muest de̥ gäng der Baar re zäige («das Gehege der Zähne»)? Schị̈ị̈chsch de̥ di ch de nn käi Broosme, es G’laafer aaz’stelle un noochez’gaagge, was epper Bëës’s ab äim redt? Es wär mer lieber, dụ wärisch pru̦nt (kurz angebunden) wi n e Nooser 12 und en ŭ́ nsëëde 13 wo so mene Zuetreeger rundamänt ụụsesieg: Mit dị’m Dräck chan n i nid g’schi̦i̦re! Jetz han i̦i̦ ch’s mit dier ḁ lsó. Dụ g’cheersch dert un͜der a’ n Tiergarte z’Dïsche̥rz. Abb!
Die Woche verrann, und stramme Arbeit sänftigte den Dorferhạupme. Am Sonntag war abermals der Lị̈tenant sị guete Gäist, und die Mannschaft stellte sich wie die Helden von Murten. So gewannen die Dorfer die zwäiti Schlacht bäi Twann: si häi’s g’wunne.
1
Das folgende Paßt nun nicht auf den Dorferhauptmann von 1914.
2
Emmenthalisch:
si̦ zụ̈pfe:
Lf. 314.
3
Dieses so beliebte
«item» als «je nun» erklärt sich aus dem Lesen oder Vorlesen von Gemeinderechnungen, welche lange Reihen gleichartiger Posten immer wieder mit «item» (svw. desgleichen) einführen. Das Überspringen all dieser Item führte zur Deutung «kurz, gleichviel, gleichgültig, je nun»,
Schwz. Id. 1, 603 f.
4
Was nun folgt, entspricht vollends in keiner Weise der beobachteten kindlichen Persönlichkeit. Wie aber die ganze kriegerische Szene offensichtlich genug eine Einbettung twannerischer Ausdrücke ist, die am besten eben hierher passen, so ist die folgende Sammlung von Hieb- und Stichwörtern, durch welche ein lebhaft sprudelnder Volksgeist sich so besonders scharf charakterisiert, nirgends füglicher unterzubringen, als in diesem Reflex furchtbar tragischer, ja katastrophaler Weltereignisse. Was wir einem tapfern Knaben in ernst genommenem Spiel unterlegen, glauben wir aus dem Mund eines wackern Heerführers nach verlornem Feldzug herauszuhören.
5
Ins 468.
6
Vermischung von «mir z’lieb» und miinet-halben.
7
Mhd.
schimpfe schampf schumpfen: spassen, scherzen: erst nhd. höhnen, schimpfen.
8
Das Understooßerli:
Gw. 469;
Gb. 393.
9
Zwei Importe.
10
Nach dem Typus «nehmen».
11
Die Ohrspeicheldrüsenentzündung: den Mums (
Hoops 3, 245), mhd.
ornmückel, oremutzel usw.
12
Aus Nods; vgl.
Besson 20.
13
Der «sich nicht sieden läßt»,
un dur à cuire
Besson 4.
Schwz. Id. 7, 317 ff.