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Gemalt von W. Gorgé

Ligerz und die Petersinsel

Der Bielersee.

Sein Spiegel.

Einen in Pracht gehüllten See hat das schweizerische Mittelland an seine March nach Westen hingepflanzt, einen nicht minder stattlichen an die Nordostecke vorgeschoben. Eine Reihe kleinerer Seen ließ es zu Paaren nach einander sich in das Voralpengelände einschneiden, ein solches aus dem Bernerland dem Königssitz der Berner Alpen sich entgegenstrecken. Ein anderes Paar aber breitete sie neben einander dicht an den Fuß des schweizerischen Westjura hin. Unser Besuch gilt dem kleinern von ihnen: einem so kleinen, daß ein ordentlicher Fußgänger ring (leicht) i ’mene Daag um e See ummḁ maa g. Und doch ist dieses Seeli eine ganze kleine Welt für sich, die dem Beschauer eine reiche Folge interessanter Szenerien bietet. Welche Reize, wenn es lächelt — welcher Anblick, wenn es zürnt!

I.

’s ist eine schöne Mondennacht. Der See
Liegt ruhig da als wie ein ebner Spiegel.

So konnte Arnold von Sewa in Schillers «Tell» auch vom Bielersee gesagt haben, wenn er in mị̈ị̈slistiller Nacht an der glátt stille Wasserfläche vorbeigewandelt wäre und den Zauber gesehen hätte, mit welchem das Licht des vollen Mondes und das schimmernde Silber des riesigen Spiegels Zwiesprach zu halten schienen.

Ein andermal aber kann der See im Widerglanz des schiefergrau behängten Himmels aussehen, als hätte eine Jünglings- und Jung­frauen­schar ihr künftiges Geschick zu erforschen begierig hier g’andreeslet, 1 aber die Figuren wären zu einem einzigen bleiige G’sị̈ị̈n (Gesicht) zusammen­geflossen.

Dann wieder geschieht es, daß in einer Art Widerspiel des erhabenen Alpenglühens der abendliche See der Jungfrau gleich die Wangen rot 2 und röter glühen läßt. Da geht das Farbenspiel zu Ende, und züchtig hüllt der See sich in sein Nachtgewand.

Zu einem verfrühten Friedensfeste schmückte er sich an jenem Abend des 4. Juli 1915. An den schmalen Ufersaum zwischen Twann und Wingreis, belebt durch winzige Wälleli, wo sich e chläi, chläi g’chrị̈ị̈selet häi, bahnte sich erst ein orangegelber Strich, dann ein schwarzblauer Schattenstreif, am Südrand durchwirkt von heller Spiegelung der Reben und Gesträuche und Obstbaum­gruppen. Es folgten schweerzeri und ng schweerzeri Schätte bis ans rechte Ufer, wo ein breiter, silberweißer Strich sie plötzlich durchschnitt. Leben aber brachten in diese stille Farbensymphonie leise dahinschwebende Wäideli, gelenkt von Lị̈tli, deren Angelegenheiten ï̦s gar nị̈ị̈t aagange.

Wären wir übrigens g’wun͜derig, die stille, reine, durch den heutigen Bäärgluft sụ̆ber gewordene Abendluft würde uns zwischen den noch so sị̈ị̈ferli (leise) geführten Ruderschlägen auch das Geplansche zutragen. Sie brauchen dert ääne nur etwas dị̈tlig z’chị̈schele, so dringt das Geflüster aus dem kaum noch sichtbar fernen Nachen unzerflossen i d’Hëëchi un i d’Wị̆ti. 2

Darum dient der Schall über den See als Wetterzeichen. We nn mḁ der Zug vo Bärn uf Nëieburg g’hëërt fahre: ahá, es chu̦nnt cho rägne! Hört man zu Ligerz die Weideglocken der Inselkühe: Gäbet Acht! Die Luft ist bewegt, ohne daß wir es g’spï̦ï̦re. Der Albluft ist im Spiel.

Der Luft zieht im See: nun sagt es uns das Auge. Wir gewahren, wie der noch so leise Wind die unsagbar bewegliche oberste Wasserschicht in Bewegung setzt: in «Fluß» bringt oder in den Runs, den Ru̦ngß, etwa auch: den Ru̦nz. 3

Das gibt nun wieder ein Schauspiel, wie etwa ein großzügiges Friedensmanöver es uns vorführen kann. Da stellt sich ein nach Millionen zählendes Heer handhoher Wellen über die ganze Breite des Sees hin in dichter Front, durch ebenso tief gestaffelten Nachschub im Rücken gedeckt, gegen den harmlosen Wind. Man hört weder diesen noch das auch sonst irgendwie bemerkbare Kommando, das doch mit unfehlbarer Sicherheit befolgt wird. Ein Scheingefecht, das uns den Ruf entlockt: Es isch ’ne nid Äärnst, aber grad drum isch es schëën!

Dann lösen einzelne Wellen am Ufer sich los und treiben u̦f äigeti Rächnig Kinderspiel. Glucksend rollen sie einher und suchen plitsche platsche plauschend dir den Fuß zu netzen. Jetzt gibt sich eine als Gigampfiroß hin an eine Tauchente oder ein Wasserhuhn: nimmt 3 sie Rị̆ti Rị̆ti Rëßli uf e Rï̦gge. Über dem Reiter aber schwebt als Flieger eine Libelle: eine als Wasserjumpfere bezeichnete kleine, oder eine als Tịịfelsnoodle von Mädchen gefürchtete große — ihr Räuberleben 4 führen beide Grazien.

Wenn nun aber schaumgekrönte Wellen ụụfglu̦ntsche und Gï̦mp nä̆hmme wie junge Lämmli oder angehende Schääffli uf der Wäid; wenn diese Wellen ihre Kronen im Sonnenlichte silberig erglänzen lassen: dann werden, wie das Auge, auch das Ohre̥ und der Wärmesinn allgemach auf ihre Rechnung kommen.

Noch mitten in Frieden und Stille der nassen Flur meldet ein anderer Vorbote, es chënn eppḁ de nn eppis choo. Das ist der Wätterstrich. Da er eben nur bei hellem Himmel sichtbar wird, heißt er auch der Schëën­wätter­strich. Es ist ein andersfarbiger Wasserstreifen, der etwa hundert Meter vom linken Ufer entfernt i der Bräiti von kaum einem Meter die Länge des Sees durchzieht. Er ist immer glatt, d. h. eben, wenn auch zur Linken und Rechten die Wellen hụụshëëch danze. Es ist dies nämlich die Linie, in welcher die von Norden oder NNW und die von Süden oder SSW her wehenden Luftströmungen sichtbar — weil bei dem Schweremaximum über dem Wasserspiegel am wirksamsten — sich ausgleichen.

Diese Strömungen sind die in « Ins» 62 ff. beschriebenen Lï̦ft. Der Bärgluft bringt, wenn er am Oobe (Abend), lsó vo de Vieri dänne, aber nid witer weder bis mitts i’ n See ụse wääit (weht), als Schëënwätterlu̦ft schönes Wetter. Sein wääie am Morgen dagegen verkündet, unterstützt von dem faarbbige Ring um d’Insel, wïest.

Seine morgenliche Gegenströmung: der Albluft kann gelegentlich im Aabụtsch gegen das Ufer als recht chalte r Bloost stoße und wie ein Nachtgesang der Bäume hăgụ̆́tte, daß der nicht an ihn Gewöhnte tụụbedänzig (dụụbetänzig) wird.

In der Regel doch ein harmloser Südwind, wird er etwa auch als d’Landbịịse bezeichnet und damit in Gegensatz gestellt zum Bịịsebäärgluft (dem schwächern Bäärgbịịseli), dessen Wehen von Osten her ein noch sichererer Schönwetterprophet ist.

Vom Albluft unterscheidet sich durch seine bekannten Eigenschaften 4a der Föhn, Fëhn, auch etwa (z. B. 1809) als der ober Luft bezeichnet und gleich den andern Hauptwinden zur Orientierung herangezogen. (Oberwindes halb: Twann 1526.) — Von Freiburg her weht der Frịịbe̥rgluft, von Burgdorf her die Bu̦u̦rtle̥fbịịse.

4 Wild geworden, kann jeder dieser Winde als bëëse r Luft für Wald und Baum, für Tier und Mensch und sonderlich für den Fischer und Schiffer sich geberden.

«Ein Erschröklicher Sturmwind» trieb am 31. Oktober 1775 ein Twanner Lastschiff nach dem Gu̦felä́tt (zwischen Tüscherz und Alfermé, s. u.) und beraubte es der Segel sowie aller Sitzbretter. Am 27. November 1776 hielt die Bise ein Weinschiff zwei Tage zu Sant Jhánns (am obern See-Ende, s. u.) fest. Der Bergwind konnte Twanner und Ligerzer als Werkleute im Äänerland (rechts des Sees) zwingen, im Hagneck­kanal oder z’Möörge auf ihrem Schiff zu übernachten; und Tags daraus kamen sie statt i Zịt e̥ne̥r e̥ Stund nach vier Stunden heim. Wie oft auch in der Gegenwart gibt es ein langes Warten uf der Insel; und dahäim d’Chin͜d u d’s Vịịh!

So kann der See toben. Stu̦beshëëch türmt er da seine Wogen und warnt: Chụmm mer nid z’nooch! Bleib mir drei Schritt vom Lịịb — nein: drị̆ßg!

Und hüte dich insbesondere vor dem sichern Anzeichen, daß das Zürnen ein Rasen wird: wenn gegen Erlach hin der See aafoot grị̈entschele und bald an das grị̈en Fị̈ị̈r im Auge eines dämonisch Besessenen erinnert. Das kann auch den Beherztesten mache z’fërchte. Denn solches Grün, das sonst des Auges Labsal, ist nun der Spiegel folgenschwerer Kampfrüstung in den obern Luftregionen. 4b

Die gibt sich auch dem Ohre kund: Es donneret i der Rï̦ndi. Hagel und Ungewitter begleitet den wị̈etige Sturm, der nun ab der Chetti ist. Das wilde Spiel der Brandung überflutet unversehens die Läntine und stellt die Schiffahrt in Frage. Unter heftigem wị̈ele beim z’ru̦ckschloo der Wellen wird San͜d und Grien (Kies) weggespült. Das Wasser feckt die Seemauern und un͜derfrißt die Ufer. Gefährdet ist hiedurch besonders die Landbucht Bịppschól (s. u.).

Die hier verlorenen Menschenleben erfahren fürchterliche Mehrung durch die so häufigen Opfer im See u̦sse ( Ins 65 f.), deren das nasse Grab recht viele ni̦mme meh 5 z’ru̦ckgi bt. Der nach gelegentlich angeschwemmten Leichen so geheißene Tootenegge der Insel läßt ahnen, wie viele Menschen schon der Oberlauf der Aare, dann auch der See unerkannt verschlingt. So wieder am 14. September 1911 nahe der Insel den Desser Pfarrerssohn Fayot als Gymnasianer und seinen Kameraden Pfosy. So drei Männer mit einander am 29. Oktober 1917. 5 Einer von ihnen war der geschickte Ligerzer Schreiner Arnold Delapraz. Von drei zwölf Jahre zuvor im See ertrunkenen Lüscherzern wurde einer im Schiff gefunden; seinen Vater und seinen Bruder zu bergen blieb unmöglich.

Häufig aber, wie Unglücksfälle, kommen auch Rettungen vor. 6 Rettungen, die lang nid alli i d’s Blettli chämme, oft nicht einmal i der Gägni bekannt werden; verschwige dee nn, daß das Carnegie-Prämienkomitee sich mit dem Fall befaßt. Dem See noo g’heit mäṇge r drịị, u mi zieht ’nḁ ụse u säit nịịt. Der Rettende sorgt nur, daß er mit lufterfüllten Lungenflügeln: mit ụụfb’blooste n Lu̦ngi (s. u.) i d’s Wasser springt. Dann wird er den instinktiv mit Armen u Bäi ihn Umklammernden mit ebenso wohlgemeinten wie wohlgezielten Püffen dänne stoße u luege, ’nḁ bi’m Äcke z’näh, wi d’Chatz di Junge. So zieht er an ĭhm, bis das s er ’nḁ dobe het. Ohne solche Vorsicht würde er ja zugleich mit ihm kabụ̆́t goo: zugrunde gehen. (Ein Schiff, welches, wen n es e Jụck g’gää het, mit dem Vorderteil: dem «Kopf» [ caput, cap] ï̦berg’nepft [kentert], fait capot, 7 wie bildlich auch der ökonomisch Ruinierte kabu̦t gäit.)

Ohni z’erchlï̦pfe, erklärt der Mutige angesichts eines Notfalles mit der nüchtern-besonnenen Entschlossenheit eines Tell: I gangen i’ n See. Auch in den zürnenden, den tobenden, den rasenden See. Und Retter und Geretteter gewinnen das Ufer. Denn jener konnte mit edlem Selbstbewußtsein erklären: I g’chenne der See, un är g’chennt mịị. Er ist mir von Kindsbeinen an vertraut.

 
1  Vgl. «Berner Woche» 1917, 570 f.; Gw. 604.   2  Vgl. Meiners 1, 192. 216.   3  Vgl. schw. Id. 6, 1142 ff.   4   Schmeil 401.   4a   Gw. 666. Vgl. Les noms des vents im Bull. 2, 63; 3, 3 ff.   4b  Vgl. als Gegenfarbe das auf Chrieg deutende Root des Murtensee. (Bächtold 13.) Über dessen Algen als Burgunderbluet: schwz. Id. 5, 222.   5  «nicht-mehr mehr». (Ausdruck­verstärkende Einstülpung.)   6  Ein Schiffmann in Lachen hat 35 Menschen gerettet. (Anz. von Saanen 1893, 34.)   7   Seiler 3, 168.  
 

II.

Girízzi uf em See,
Si machen alli butte butte he!
Änte schnäädere uf em See
U machen alli pfuderi dee!
Chunnt es Hundeli: wu wu wu,
Machen alli: tschu tschu tschu!

Eines dieser Väärsli begleitet das erste Untertauchen des erstmals zum Bade mitgeführten Kleinen durch seinen Patron oder die Patronin, welche ihm zunächst die natürliche Schị̈ị̈chi vor em Wasser benehmen wollen. Hat dieser oder dieses Kleine doch bisher den Hooggemaa fürchten müssen, der mit sịm länge Hooggestäcke Kinder abḁzieht, wenn die sich unbefugt und unvorsichtig dem gefährlichen Elemente 6 nähern. Zudem macht ja die erste oder nach langem erneute Bekanntschaft selbst mit lääiem Seewasser den Emporgetauchten z’schnattere (im Emmental: z’schnădele: mit den Zähnen zu klappern) und «z’schnópfere» (nach Atem zu ringen). Jedenfalls sorgen genaue Kindeskenntnis und weise Behutsamkeit dafür, daß solch erstes «sich bis an den Hals benetzen»: solches sich erli̦cke 1 (im modernen Ligerzerisch erlü̦cke aus vermeintlich zu rundendem ï̦) mit Lust statt Leid geschehe. Ein Kind, welches dääwääg einmal erli̦ckt (erlückt) isch, kann ein Geschlecht wahrer Wasserratte fortsetzen, deren Nachgeborne fast ehnder schwimme, gob sie chënne lạuffe. So sind namentlich die Ligerzer (mehr als die Twanner) fast alls geborene Schwimmer, waren es besonders vor Straße und Bahn.

Lustig erzählen sie, wie die Alten unversehens enand i d’s Wasser g’sprängt häi. Wie ein durch das Versprechen, einem andern dure̥wägg (überall) hin zu folgen, sich gebunden Fühlender ihm ganz selbstverständlich vo der Sant Jhánns-Brïgg i d’Zihl abḁ nochḁg’gu̦mpet ist. Wie übermütige Junge d’Chläider uf en Äcke b’bun͜de häige un uf d’Insel ï̦ï̦bera g’schwumme sị̈ge go Chi̦i̦rße stähle, dann, von des Schaffners ihnen aag’hï̦tzgete Hund verfolgt, von einem über das Wasser hereinhängenden Ast abḁ g’gu̦mpet u fu̦rt sige, den Hund durch un͜derḁtü̦nkle zurückhaltend. Einem Ligerzer vo der Festi, der in Lüscherz auf Freiersfüßen ging ( ’karisiert het, vgl. caresser), wurden einmal die Ruder versteckt. Was tat der Mann? Band sich einfach das Schiffschetteli um den Leib und zog, die dort fast einstündige Seebreite durchschwimmend, das Fahrzeug hinter sich her. Man berichtet übrigens von einem kleinen Ligerzer Mädchen, das schwimmend ein Schiffchen mit Mu̦pf u Stu̦pf vor sich her gestoßen habe. — Von Maler Anker als Meister im Schwimmen erzählten wir im « Ins» 358.

Solche Wasserkünstler sind natürlich auch geschickte Ruderer. Sie wissen Bescheid in der Rhythmik und Dynamik der Wellen, wonach gäng nị̈ị̈n chlịịni Wälle u̦f drei große chämme; und sie sorgen, daß in jedem Augenblick das Fahrzeug von wenigstens zwei Wellen getragen wird. Sie sagen sich ferner, daß di grade Lï̦ft (die geradlinig heranwehenden Winde) nid vi̦i̦l mache (schaden), wohl aber die Wirbelwinde: d’Stëëß zu fürchten sind. Mit solcher Nautik wagen 7 Schiffer in «Nußschalen» von kaum ihrer eigenen Größe und die bloß zwei bis drei Zoll ï̦ber d’s Wasser ụụf luege, aufrecht stehend zu fahren. 2 Es gab und gibt aber auch Frauen, welche glịịch stark u tï̦fig wi d’Manne eine ganze Anzahl Personen von Länti zu Länti übersetzen.

Drum gibt es auch recht viele Seeanwohner, welche im Milidäär Pu̦ntenier sịị. Für tüchtigen Nachwuchs an solchen pontonniers sorgen in Biel zwei Ruderklubs: der Seeklub, welcher z. B. 1914 vier fagnons als schöne Auszeichnung davontrug, und l’Etoile de Bienne. Die beiläufig 150 Mitglieder beider Vereine turnen auch und fahren Ski ( nöbler 3 ausgesprochen: Schịị). Sie pflegen Gemeinschaft mit ähnlichen Vereinigungen.

Seit 1896 besteht der Pu̦ntenier­fahr­verein Ligerz. Er muß sich auf den Ort selbst und dessen ländliche Umgebung beschränken, da die starke Tagesarbeit jahraus, jahrein städtische Elemente ausschließt, welche die Übungen zu Sport und Feete ( fêtes) z’mache Zeit und Lust fänden. Trotz solcher Knappheit der Vorübungszeit errang er 1907 zu Schaffhausen den vierten Rang unter dreißig Vereinen. Das Jahr zuvor brachte ihm eines seiner schönsten Feste: er het der Fahnen ịịg’weiht. Der Männerchor Ligerz isch ĭhm Gëtti g’si̦i̦, die Arbärger Bläächmụsig Gotte. Die wurde natürlich aus Pu̦ntu̦u̦ (wie auch trefflich französisch Sprechende für ponton sagen) von und nach Hagni g’fergget. Schön begleitete sie denn auch den Zug durch das bekränzte Dorf, vor dessen Häusern Tannli g’stellt und Guirlanden g’hänkt waren. Ihr folgte der an keinem Pụntenierfest fehlende Ligerzer Baachŭ̦ß (Bacchus): eine aus Holz geschnitzte Figur, deren Chopf en an͜derhalbjährige Chindschopf sein könnte. Natürlich hocket (sitzt) er auf einem Feßli und hat vor sich eine Flasche. Im Umzug folgte die Fahnenwacht: ein Rị̈ederli (kleines Ruder) und ein Stachchel. Es folgten zwei Füllhörner und es vierliterigs Loogeli. Daß es halbs Tụusig Fläsche Ehrenwein gespendet waren, sei dem Leser bloß ins Ohr geflüstert.

Gesagt sei aber zugleich, daß dieser Verein auch je und je nette Seefest wäis s aaz’gattlige, worin z. B. ein Matrosentanz auf fliegender Brücke selbst anspruchsvolle Zuschauer erfreute. Patriotisch gestimmt war das Fest von 1912 mit den lebenden Bildern der Helvetia und des Rütlischwurs. — Erwähnt sei ferner, daß der Verein keine Rettungsarbeiten versäumt, und daß Personen, die sust den See gewaltig fürchten, sich, wenn’s sii mues, sogar mit einem Kind im 8 Chindswäägeli dem Fahrzeug eines «Brückenbauers» getrost anvertrauen.

Für sich allein aber kennt ein solcher wohl keinen glücklichern Ausspann, als nach der Weise eines Rousseau 4 im leichten Schiff behaglich z’fehrle und wohlig z’li̦gge.

 
1  Vgl. schwz. Id. 3, 1249. «Sich erlicken» ist Reflexiv zu ahd. lekjan benetzen ( Graff 2, 100), mhd. lecken, wozu die lecke: Benetzung besonders mit warmem Badewasser ( Wb. 1, 956). Sofern «Wasser durchlassen» (rinnen, rü̦nne. basl. dä Ziiber rindet) zur Bedeutung von mhd. lëchen (leck sein, einen Leck haben, erlächchne) gehört, kann dieses gleich wie lech-zen ( Kluge 282) als nächstverwandt gelten.   2   Wagner 12.   3  Vgl. dagegen Gw. 80.   4  Vgl. seine 5 me Rêverie; dazu Wagner 46.  
 

 

III.

Ebenso g’mị̈etlïg läßt sich aber zu gewissen Zeiten über den See lạuffe (gehen) oder ụf Reeder statt mit Rueder fahren. So im Hoorner (Februar) 1830, um d’s Neujohr 1868, im Winter 1879 auf 1880, in den Tagen des Meerze 1895 und 1916. Vom 7. bis 12. Dezember 1917 ließ sich auf dem See bei Erlach prächtig schlịff­schuehne. Im Jäner drụụf verhinderte das Eis die Schiffskurse Neuenstadt-Erlach. Weitere Fälle datieren vom Februar 1907 und für den Murtensee vom Februar 1888, wo die Eisdecke 6-7 cm dick war. 9 Im Februar 1541 aber waren sämtliche Schweizerseen zugefroren. Das sind die Tage der Seeg’frë̆ë̆rni. Sie brachten im erstgenannten Winter sächzäächezëllnigs Ịịsch (53 cm dickes Eis), wie 1895 e Schueh dicks.

Bacchus

Holzskulptur aus dem 17. Jahrh., im Besitze des Pontonier­fahr­vereins Ligerz

Daas gi bt es Lääbe! Der erste, der sich drüber freute oder noch freut, ist der Inselwi̦i̦rt. Der belud sich drum vor Zeiten gerne 10 mit der niene g’schri̦i̦bne, aber gleichwohl unvergeßnen Servitut, dem zuerst uf em g’froorne See Angelangten es Määs Nu̦ß (15 l Baumnüsse) zu spenden.

Ein solcher Ankömmling wird in der Regel Schlị̆ffschueh goo. Aber häimlich macht’s erst recht, der Schlitte (in Ligerz: die Schlitte als la slittà 1 = la luge des alten Patois) fi̦i̦rḁ z’näh. Voraus geht ihnen, wenn Schnee gefallen ist, als Wegbahner der von zwei Roß gezogene Schneepflug: die Treibe. Dann folgen die Schlitten, wenn nicht wie 1830 ein mit schwäärer Last g’laadne r Drei­spänner­waage oder eine Anzahl leichterer Wääge. Rennschlitte aber, bei wehender Bise mit einem Segel oder in Ermangelung eines solchen auch nur mit ụụfg’spannetem Pắrisool ( parasol als Regenschirm) beflügelt, gange wi ’ne n Ịsepahn! Selbst der Schlittschuh­fahrer läßt sich mit einem solchen billigen Kohlen- oder Kraftsparer befördern. Rụụchs Ịsch (rauhes Eis) aber gestattet ein Spazieren in ganz gewöhnlichen Schueh — sogar in Ballschuhen und dem Festgewand, wie jener dreißigköpfigen Hochzeits­gesellschaft (kurz das Hŏ́chzị̆t geheißen) am 16. März 1895. Das Wagnis kostete einen abdrappeten Absatz und den nassen Fuß einer Dame, mit dem sie in einen trügerisch verdeckten Spalt aba drappet isch.

Außer dem Wirt der Insel macht bei solchen Ausflügen ein Dorfwirt seine Geschäfte. Auf dem Eis fortgeschobene und da und dort stationierende Tische, Bänke und Vorratskisten erlauben ein särwiere und ein kalátze auch, wo man ohni nịịtsans rien»), d. h. ohni eppis mit äi’m z’näh, ausgezogen ist.

Bei mangelnder Warnung und Vorsicht kann allerdings Wasser i’ n Wịị und selbst in den Leib gelangen, das neumḁ, neimḁ, neuḁ ( ne weiß man) etwas unerwartet und unerwünscht kommt, und welchem Trotz zu bieten doch nid giengti (anginge).

So breitete sich 1830 auf dem Eis eine trügerische Schneedecke, welche mit ihrem fụụle dem Boort noo bis zwänz’g Schueh breite Spält erzeugte und Unvorsichtigen Verderben brachte. Um diese einem vielleicht 73 m tiefe n Grabe zu entreißen, wurden über die Spalten Laade oder Läitere g’läit.

Am Merze-Bielmärit 1880 war es der Frịịbe̥rgluft, welcher dem trügerischen Eis, wo nie het fu̦rt welle und nur den Schiffsverkehr 11 ụụfg’haa het, plötzlich der Gắrạus machte. Da sah man mächtige Wellen mächtige Ịịschbi̦tze von St. Johannsen her nach dem Möörgen-Egge und gegen Biel hin tragen. Wer hätte gewagt, auf einem dieser ihre salti mortali ausführenden Rësser der Rị̆ter z’mache?

Ein geflügelter Schwarzrock unternahm es. Mit selbstverständlicher Sicherheit und sichtlichem Vergnügen, woran sich männiglich ergötzte, het auf einer rasend daher treibenden Scholle dä Chrääi g’gịgampfet.

 
1  Vorgerm. slídh gleiten setzte sich fort in mhd. slîten sleit sliten (gleiten; vgl. ’s lo schlittle: bei einer verfahrenen Angelgenheit gleichgültig zusehen). Dazu flämisch sledde, engl. sled, sledge, sleigh, ahd. der slito und häufiger die slita. « Der» setzte sich fort in mhd. slite, slitte, Schlitten, « die» z. B. in der ital. und südostfranz. Entlehnung la slitta. ( Kluge 403; Graff 6, 792: mhd. Wb. 2, 2, 405; M-L. 8024. 8033.)  
 

Sein Eiland.

I.

« D’Insel.» Ein intensives Wertgefühl beseelt den Namen. Was im Gemüt des Besuchers, der Besucher sich regt, bevor und wann es zum Entschlusse kommt: í will, mier gangen u̦f d’Insel, ahnt freilich nicht, wer im Schnụụß d’s Schwịtzli durchautelt und allenfalls unserm Seeli entlang den Chrụmp zu nehmen geruht. Wie kann er groß dänke vo diesem Glü̦nggli! Und wie erst von dem verkleinerten Abbild seiner Proportionen in seiner Mitti: dem Högerli, das sich etwa ausnimmt wie ein Gŭ̦fechnopf als das Ende einer gegen Erlach hin gerichteten Stecknadel.

In Wahrheit ist ja das Eiland, seitdem der « Häidewääg» (s. u.) aus seiner Versenkung aufgetaucht ist, eine bis in halbi Seelengi vorgeschobene Halbinsel. Zurzeit aber, als der Name wirklich isch wohr g’sịị, gab es zwo Insle, indem auch der heutige Landweg zwischen beiden untergetaucht war. Man redete denn auch genauer vo der großi Insel oder der Insel schlechtweg und vo der chlịịni Insel.

In der Regel verstund man unter der letztern bloß die kleine Landerhöhung, welche mit ihren steil abfallenden Seiten dem Unkundigen als es großes Pụụrehụụs erscheinen kann. Es ist der Hụụbel der Anwohner, welche dagegen un͜der der chlịịni Insel das Gelände des «Heidenweges» mitverstehen, auf dem sie ihr Gemüse pflanzen und Heu und Streue gewinnen.

Was dagegen d’Insel sịịg und was l’Île, ist wịt umenand in deutschen und welschen Landen wohl bekannt. Ist es doch selbstverständlich die im Bielersee gelegene Bieler-Insel! Der Geschichtskundige kennt auch den schriftdeutsch klingenden Namen Sankt Peters-Insel, l’Île de Saint-Pierre, und er wäiß, worum si so häißt.

12 Vor unbestimmter langer Zeit hatte das obere See-Ende noch wịt gäge d’Landere hi̦i̦ einen Bogen um ein zweites eingeschlossenes Landstück geschlagen: auch eine «Insul». Auf dieser «Sant Johanns-Insul», und zwar auf dem gleichen Platze, wo heute die Zwangs­arbeits­anstalt Sant J̣hanns (Sankt Johannsen) sich in den alten Räumen halbwegs modern eingerichtet hat (s. « Ins»), wurde zu unbekannter Zeit dem Täufer Johannes zu Ehren ein Benediktiner­kloster abg’stellt. In dieser wirklich nachmals zu großer weltlicher Macht gelangten Abtei sollte der geistesmächtige Vorläufer Jesu es ganz es an͜ders Denkmal erhalten, als der größte Nachfolger ’s ’berchoo g’ha het in der bescheidenen Petruskapelle auf dem vermuteten heidnischen Opferplatz auf der Bieler-Insel: der Petrinsula als dem Begräbnisplatz der einstigen Pfahlbauer. 1

Solche Bescheidenheit entsprach ja allerdings der Geisteshoheit des Apostelfürsten aus dem Fischerstande, der «Silber und Gold nicht hatte», noch zu haben begehrte; und sie setzte sich fort und durch in der allzeit bescheidenen Weltstellung dieser Stiftung. Damit die überhaupt eppis vorstelli, schenkte der Burgunderkönig Konrad sie im Jahre 957 dem ältesten Kloster des Jura: Münster-Granfelden. 2

Am Platze der Kapelle steht seit 1107 das Chlëësterli. So lautete sonst der seiner Größe angemessene Name. Vollmundiger heißt es nun allerdings d’s Chlooster — auch heute, obwohl es si̦t langem (s. u.) eine Wirtschaft und nunmehr ein modern komfortabler Gasthof ist, ohne sein charakteristisches Äußere verloren zu haben.

Die Insel selbst heißt wohl auch die Grafeninsel, l’Île du comte. Der Graf Wilhelm III. von Hochburgund erkor sie nämlich 1107 zu seinem Lieblingssitz; und er war es, der auf ihr als ihre Zierde das heute noch bestehende Gebäude erstellte. Er widmete dies aber dem reformierten Benediktinerorden der Cluniacenser. 3 Von ihren um 1220 herum gezählten sechs Mönchen unter ihrem Probst, die etwa vier Jahrhunderte lang — bis zur Reformation — in der idyllischen Einsamkeit der Insel ihre Litaneien sangen und ihren Wein pflanzten, zeugen noch Reste des ehemaligen Kreuzganges und zwei mächtige stäinigi Sargdeckel. Jene kamen zum Vorschein beim Einbau der modernen Kühlanlagen mit Eismaschine in den Weinkeller des Ostflügels; diese lagen zwischen alten Grundmauern, welche bei der Wasser­leitungs­anlage im obern Teil des Hofes abgedeckt wurden. 4

13 Das Kloster Clüny dankte seinem Gründer zunächst damit, daß es auf der «Grafeninsel» die Gebeine des am 9. Februar 1127 zu Peterlingen mit zwei Getreuen ermordeten Grafen Wilhelms IV., Sohn des Stifters, beisetzte. 5 Fruchtbringender war der Schritt des Cluny-Klosters, als es die ihm ebenfalls geschenkte Stiftung Beḷḷmúnd bei Nidau, wo nie dḁrzue choo isch, si ch z’b’chịịme, zu des St. Petersklosters Gunsten het la̦ ịịga̦a̦. Dieses gelangte damit in den Besitz des profitliche Rechtes, gegen die Einsetzung und Besoldung des Pfarrers zu Port (s. « Kirche») Kirchengüter des Ortes z’nutze.

Um 1050 regierte die Grafenfamilie von Oltigen das rechte Aarufer. Zu ihren Hauptgütern gehörte nun auch die Petersinsel mit noch andern Liegenschaften Bellmunds. Die letzte Erbin Regina von Oltigen heiratete den burgundischen Erzgrafen Reinold II. von Mâcon. Nachdem dieser 1100 auf dem Kreuzzug umgekommen, trat sie in das Cluniacenser­kloster Marcenay in der Côte d’Or. So kam es, daß zeitweilig unsere Insel diesen Namen mittrug, bzw. als Marciniacum benannt wurde. 6

Eine Reihe Erwerbungen 7 z. B. z’Eiß, uf em Dessebärg, z’Lyß äufneten einigermaßen das Vermögen des allzeit bescheiden hinter St. Johannsen, Frienisberg, Gottstatt zurücktretenden Stifts. Das Burgrecht mit Biel, sowie der Schutz, welcher nachmals in der Vogtschaft der Grafen von Neuenburg-Nidau und Neuenburg-Aarberg bestand, fristeten notdürftig die Selbständigkeit des unordentlich verwalteten Klösterleins und seine Möglichkeit, doch ihrere fịịf statt der vorgesehenen sechs Mönche zu erhalten, bis zur Aufhebung am 14. Dezember 1484. Von diesem Tage an bis zum 1. Juli 1530 unterstand es dem Chorherrenstift des Berner Münsters. Dieses übertrug die Verwaltung während 13 Jahren dem St. Johannser-KIoster. 1530 fiel das Chloster an den Berner Burgerspital.

Daß die Insel zum Einwohner­gemeinde­bezirk Twann statt zu dem des nordwärts gegenüber­liegenden Ligerz gehört, het gäng eppḁ z’b’richte g’gää. Der Volksmund erklärt es aus der willkürlichen Option eines Inselschaffners zur Zeit der noch in Fluß begriffenen Bildung politischer Gemeinden. Dokumente fehlen. Bei einer Streitigkeit mit Ligerz wurde folgendes festgestellt: 1704 erklärte der Berner Rat den Inselschaffner für nutzungsberechtigt am Twanner Burgergut, wen n er schriftlig chënn biwịịse, daß er zu Twann «kilchspänig» sei. 8 1711 verklagte der Inselschaffner Hans Jakob Gerster (Gäärster, an welchen noch die Gäärstere als Länti an der Südseite erinnert) die Twanner, sie hätten ihm zugetragene Sti̦ckel ’pfändet. Der Landvogt von Nidau entschied: Wenn die Stickel aus Twanner Wald kommen, sind sie herauszugeben. Ausfuhr von Stickeln u̦s der G’mäin ụụse dürfen aber die Twanner zum Zweck der Waldschonung verbieten. 9 1743 ordnete die Obrigkeit für den Bau der Strooß Nidau-Aarberg eine Güterbesteuerung an. Da lieferte auch der Inselschaffner wie 14 selbstverständlich ( är het nịịt an͜ders g’wi̦ßt) seinen Teil in Twann ab. 1783 steuerte die Berner Regierung an die renovierte Twanner Chilche ein Fänster mit dem Inselwa̦a̦ppe auf Schliffscheibe. Noch 1818 hatte dieselbe Regierig einen Chilchestuehl für die Insel in Twann, in Ligerz aber keinen. 10

 
1  Vgl. Hans Bruggers schwungvolles Gedicht in der Bw. Petersinsel: AhV. 1, 33. 351. 368. 372; 11, 562; 12, 309-335.   2   Wurstemberger 2, 419; Mül. HS. 1, 139 f.; Dr. L. S. v. Tscharner in Grun. 10. Heft 1, S. 163-170.   3   Mül. HS.   4  «Bund». Vgl. den Vortrag von Prof. Propper (mit Lichtbildern) in Bern.   5   Font. 1, 393.   6  Weiteres: Hink. Bot 1903, 76; Font. 1, 359; vgl. Taschb. 1883, 173.   7   F. 2, 235. 428; 3, 35. 213, 590 verzeichnet.   8  Twanner Holzordnung vom 31. Okt. 1704. ( Schlafb. Tw. 194.)   9  Ebd. 198.   10  Twanner Holzordnung vom 31. Okt. 1704. ( Schlafb. Tw. 266 f.)  
 

II.

Der Inselschaffner erhielt seit 1813 zum allherbstlichen Wohnungs­genossen den ebenfalls von der stadtbernischen Burger­spital­direktion bestellten Verwalter. Im 17. Jahrhundert gab es auch einen eigenen Rä̆bmḁ, 1 der die 264 Manne̥rt des Jahres 1803 het un͜der ihm g’haa. Die mit 1883 beginnende Reihe der Weinfehljahre machte den Weinberg zu einem Sorgenkinde der Verwaltung, führte aber dank dem Weitblick derselben statt zum völligen ụụshacke zur neuen Unterstellung des Weinbaues unter einen eigenen Räbeverwalter (gegenwärtig Fritz Cosandier zu Schaffis) zwecks rationellster Pflege der noch geschonten 105 Mannwerke.

Der herrliche Äichen- und Chestenewald beschlug 1803 39 Jucharten. Der früher auch hier für Acherum (Eichelweide für Schweinemast) wichtige Eichenbestand wurde 1841 durch neu g’setzti Äichli aufgefrischt. Dazu kamen (1845) junge Weimuthstanne, während auf der kleinen Insel die Fụụlbäum gediehen, desgleichen hier, bi der Naase und im Morgetaal gäge’m alte Häidewääg die jungen (Obst-) Bäï̦mli. 2 Unter dem Kleinwuchs suchen Bieler und Anwohner das Aroonechrụt (den Aaronsstab, Arum maculatum) mit dem oxalsauren Kalkgehalt seiner Blätter heraus, um d’rabb z’trinke und damit d’Lungi z’bu̦tze. Die spinatähnlichen Blätter dienen zudem als erster Ersatz des Spinats ( Spĭ̦ne̥lz), wenn der stabähnlich aufragende Blütenträger noch nicht mit dem wundervollen Maiflor der Insel in Wettstreit getreten ist.

Ihre beste Medizin holt sich freilich die Großzahl der Inselbesucher aus den Kellern (s. «Wein»), zu welchen 1557 die Spitalverwaltung die abg’schetzti Chilche umwandelte, um anstatt Gäistlichs Gäistigs zu bieten. Immerhin erinnert an den alten Charakter des Chlooster das neu Tu̦u̦rnzịt von 1841 mit der d’s Johr drụụf von Solothurn beschafften und seither am Zwëlfi geläuteten Glogge.

Der Geschichtskenner aber erfreut sich an dem auch im neuen Hotel so sorglich in seinem alten Zustand erhaltenen Rousseauzimmer ( Ins 32) 15 oder vielmehr Wohnigli mit dessen kleiner Ausstellung alter Sessel und Nachttischli, der Chuchchi mit zï̦ntrotem Ziegelbode und dem Fänsterg’räis, das sich außen malerisch in die erneute Südfront einfügt.

Wir erwähnen gleich hier auch der schönen Rousseau-Büste, welche aus Veranlassung des Professor Dr. A. Rossel durch ein Initiativkomitee am 26. Juni 1904 auf dem lauschig freien Platz an der südlichen Länti aufgestellt worden. Sinnvoll ist das ernste Antlitz des vom Schicksal und vom Unverstand seiner Richter gehetzten Erdenwanderers seiner welschen Heimat zugewandt. Am Nachgeschlecht ist es, den unvergänglichen Lebenswert auch dieses Kindes seiner Zeit dem Staub und Kot der Lebensstraße zu entheben und das Ewige an ihm als Licht auf den Leuchter zu stellen. So an den Rousseaufeiern, wie z. B. am 23. Juni 1912 von Neuenburg aus. 3

Die wohlig sonnigen Pensionszimmer des alten Gasthauses, welche, unter der 1841 doppelfrontig erneuerten Voogeldi̦i̦li durch, mit ihrem herrlichen Blick auf Wiesen und See und das Mittelland bis an die Alpen sich aneinander reihen, die Seebeeder, die ehemaligen Tanz­gelegenheiten u. dgl. zogen bereits die moderne Welt an. Gleich die baulichen Neuerungen von 1840 veranlaßten das Insel-G’sangfest vom 1. Juni 1841 und den Inselschießet von 1843 — zur Zeit der Ruderboote, denen zu jeder Abendstunde der Überfall von Sturm und Wetter drohen konnte. Es isch käi Vergli̦chch zu den Fahrten der heutigen Dämpfer-Flotille (s. u.), welche auf das nunmehr 4 winterlich vereinsamte Eiland an schönen Herbst- und Su̦mmersuntige ganzi Schiff voll Besucher werfen. Wie viele derselben auch als ganz ordinäri Bummler gleich Distelköpfern de̥su̦mme waije̥schiere, es gi bt e̥re doch gäng, wo n e̥s Auge häi für die in keine Worte auch der reichsten Sprache zu fassende Anmut dieses Fleckchens Erde, und die für dessen Bewahrung vor Hoch­konjunktur­projekten einer schwindelhaften Hotellerie der gut altbernischen Eigentümerin Dank wissen.

Wie mängisch hätt der Burgerspital d’Insel chënne unerchannt tị̈ị̈r verchạuffe! E franzëësische Graf het si ch aanerbotte, d’Insel rund um un no i d’s Chrị̈tz mit silberige Fị̈ị̈flịịber z’b’legge. 16 Aber d’Bärnburger häi g’säit: Mir vermö̆ge sḁ z’b’halte! (Und nach eigenem Urteil der Gegenwart anzugleichen; S. 12.)

Wirklichen Verkehrs- und nicht sinnlos protzenhaften Vergnügungs­bedürf­nissen, ganz besonders aber der Ausspannung abgehetzter Leibes- und Seelenkräfte genügen vollauf die Schiffe (s. u.), welche von Ligerz und Neuetstadt her vor der Insel und von Hagni her hiṇder der Insel zuechḁ gange und eben dorthin abbfahre; Privatschiffe ihrerseits landen am chlịị n Ort (a der [Wätter-] Luftsite) oder am groß Ort (Bịi̦sesite). Für die Dämpfer aber genügen vollauf die Nord- und Süd- Länti samt dem neuen langen Dammweg. Dem örtlichen Bedürfnis dienen die Rollbahn zu den Weinbergen, wie vormals das Schenk- und Tanzhụụs auf der Anhöhe. Die neue Schï̦ï̦r aber, aus deren Ställen z’Mälche nszịt wohlgelungene Juchzer zur benachbarten Bäärgliwäid hinaufdringen, um von «der glatten Rinder wohlgenährter Zucht» nach bestem Können beantwortet zu werden, führt von der modernen Landwirtschaft hinüber in das Reich der Idylle, die hier einst ausschließlich geherrscht hat. Zustimmung zugleich und Widerspruch zum Satze, daß «alles verderbe unter den Händen der Menschen», erweckt das Rousseau-Denkmal ( S. 15) unter der lauschig-stillen Baumgruppe, welche von riesenhaften Saarbäï̦m umstellt wird. Der von der Nordlänti sich abzweigende neu Häidewääg (vgl. Ins 24), auf welchem in trockenen Sommern eine Anzahl fleißiger Ligerzer und zwei Twanner Familien ihre Armut an Pflanzland ersetzen, führt dicht vorüber an dem steilen Molasse- Hï̦ï̦beli der chlịịni Insel ( S. 11), welche Rousseau so unglücklich glücklich mit seinen Nagern bevölkert hat — einer willkommenen Beute der Füchs, welche während der Seeg’frü̦ü̦ri den Weg über das Eis nach der Insel, aber nid zru̦ck fanden (vgl. Ins 341). Bas freut uns heute der stimmungsvoll einsame, doch von wechselreichem Vogelgesang belebte Weg nach der lauschig winzigen Waldwiese, aus deren Umrandung aus gedeihlicher Dickete heraus zwei kurznadelige Lärchen ( Leerche) wie jubelnd den kahlen Kamm erklettert haben und triumphierend ihre den Stamm umhüllenden buschigen Kronen im Winde wehen lassen. Dann aber erfreut sich das an der Einzelschau gesättigte Auge am Hinschweifen über der großen Insel saftige Matte, deren Grün ins Blau der Seefläche hinüberspielt, an den kundig bestellten Achchere und dem ebensolchen Hausgarten, an dem gleich sorglich gehegten Wald mit seinen aarvelige Riesenstämmen und wunderlich verschlungenen Kronen. Für sich allein schuf die Natur die durch stotzigi Böschungen abgegrenzten kleinen Ebenen des groß und chlịị Ort. 5 Aber Hexen hätten die 17 erstere Stelle zum Häxeplätzli oder zur Häxematte gemacht; entweder als fröhlich tanzende Elfen, oder de nn als traurige Opfer jener Justiz, die grad in unserm Seeland die meisten ihrer Scheiterhaufen errichtet hat.

Die durch das Korrektionswerk gebrachte Seesenkung ließ und läßt zeitweilig früher verdeckte Naturkunst­erzeugnisse zum Vorschein kommen: die nach besonders lebhaftem Wimmeln von Barschen benannten Eglistäine (s. u.); d’Rụssoohë̆hli am Nordabhang gegen Neuenstadt hin; die von Dr. Theophil Ischer angelegentlich erforschten, uf der hin͜dere Site befindlichen Pfahlbaustellen. Beiderlei Merkwürdigkeiten entgingen natürlich dem scharfen Auge des Malers, welcher auf dem fast die ganze Ostwand des Inselsaal bedeckenden Gemälde mit einer von uns nicht genug zu verdankenden Genauigkeit auch alle zu seiner Zeit bestehenden Ort u Eërtli am gesamten Bielerseegestade ụụfg’ma̦a̦le het.

Jetzt noch ein Rundgang um die Insel, links den See im Auge, rechts die Inselmụụr, deren tadellose Unterhaltung nichts von ihrem Alter verrät. (Sie wurde 1770-1775 erstellt.) Noch ein kurzer Hock auf dem Bank, wo der Blick hinüberschweift nach den freundlichen Fensterreihen der großen Häuser des langgestreckten Ligerz, nach dem uralten Weiler Bi̦ppschól und nach dem Dächergewirr von Twann; noch eine Erfrischung in der ausgiebig angerauchten schwarzi Stu̦u̦be der Wirtschaft, und wir vertrauen uns dem Dämpfer an: wir dampfen abb.

 
1   Mül. 431 ff.   2  Irlet.   3  Von W. Henzi in Nidau erschien: Rousseaus Aufenthalt auf der St. Petersinsel und in Biel (Biel, 1913). Das Wohlwollen des Nidauer Landvogts von Graffenried, der Herren Wildermeth aus Biel, Kilchberger aus Bern und des Solothurner Geschäftsträgers Bartles, welche so unfreiwillig des Heimatlosen Elend in Biel hervorriefen, wird in dieser Schrift neu beleuchtet. Dazu Sigmund Wagners hier öfters zitierte Schrift.   4  Der Inselschaffner und -wirt Irlet hatte selbst nach dem unsäglich traurigen Sommer von 1846 noch eine sehr ansehnliche Winter-Loosig.   5   Das und der Ort als Spitze, Kunst, Rand: Kluge 338; vgl. Gw. 680.  
 

Schiff und schiffen.

I.

Dert ääne der Lustpark des immergrünen Eilandes, hienooche und zu unsern Füßen das Festland, dem wir unser täglich Brot abringen — darzwï̦sche die viertel­stunden­breit uns trennende Flut — wer zum Ausspann aus des Tages Mühsal von diesem Hemmnis uns befreite!

Hätt ich Schwingen, hätt ich Flügel — doch das Flugzeug könnte sie mir ersetzen, wen n es si ch der wäärt wäär, für den Hasensprung die Stämpeneie vorzukehren. Aber ein Wasserwelo mit recht breiten Gatschụụ-(Kautschuk-) reeder? Oder Wasserlạufschueh, mit Preßluft gefüllt? Beide sind erfunden, bieten aber natürlich gegen Sturm und Wellen gleich wenig Schutz wie der geistreiche Einfall des 18 Ligerzer Schreiners und Pụnteniers Walther Dịtsch, nun in Luzern. Der konstruierte sich zwäi Miniatur- Schiffli von einem Meter Lengi und einem Fuß Bräiti. Jedes betrat er mit einem Fuß und schob es so langsam vorwärts im Dammbereich der Ligerzer Wi̦i̦rtshụụslänti.

Eine praktisch verwendbare und in alli Spi̦i̦l dienende Wasserfahrkunst beruht noch heute lediglich auf der uralten Idee, auf einem schwimmenden Gerät sich und eine allenfalls mitgeführte Last vom Wasser lo z’traage (alterlachisch, lo z’trooge). Solch rein passiver Art, das Wasser zu «üben» (um 1460), huldigen auf ärztlichen Rat — zumal lungenschwache Personen in beschaulichem do lịgge im Wäidli, von der so bekömmlichen sonnigen Seeluft sich umfächeln lassend. Wer dagegen auf dem Wasser vorwärtskommen will, muß dies erreichen durch Bewegen und Lenken des Fahrzeugs: des homerischen Wasser«wagens». 1 Rudern und steuern muß er, soweit ihm nicht das erstere durch Fultons geniale Erfindung (s. u.) abgenommen wird.

An mühsames «schleppen» scheint die Schắlụppe und das kleine, den Lastbarken als Rettungsboot angehängte Schălụppli zu erinnern. Beide gehen nämlich durch die Form « Schălụ́ppe» zurück auf frz. chaloupe, saloupe, wie dies auf holl. sloep (sprich: slup). 2 Man spricht spaßhaft auch von einer alte Schắluppe als einer «alten Schachtel».

Uralt 3 ist die Barke: d’Baarchche als Lastschiff mit Chammere für drin z’chochche und z’ässe u z’loschiere. Solch großi Baarchche für drei und mehr Ruderer und mit Brä́ụgụụ (s. u.) führten vormals ( S. 28) Salz und Wein des Waadtlandes über Iferten nach Nidau und bis Solothurn. Schön kontrastierten ihre weißen Segel mit dem Blau der Seen und des Zihlflusses. 4 Auch Halbbaarchche (1766: demi-barques), nahmen, mit drị̈ị̈ Faß Wein beladen, diesen Weg; und Platz für sieben bis acht Personen boten, obschon im Keller verbringbar, die zwischen 1781 und 1833 uns häufig begegnenden Baarchchli («Pargetli»). Die nunmehr als Motórli mit Benzin getriebenen Motorbarken (und Boote, s. u.) nehmen bei Bedarf ziemlich große Dimensionen an.

Klein-Twann

Der Weide im ältesten Sinn des Fischfangs 5 dient der zunächst oberrheinische Wäidlig (vor Anfangs­konsonanten des Folgewortes Wäidli) und das kleine Wäideli. Der Fischerwäidli(g) für 2-3 Mann wurde aber auch, und in der Folge hauptsächlich, als Lastschiff und 20 Personenboot, das vormals bis vierz’g Sonntagsgäste u̦f d’s Mool nach der Insel überführte, verwendet. An Werktagen hinwieder fuhren äxtra großi Wäidlige als Lastschiff von Twann in’s Äänerland (s. u.) und zurück. Zued’deckti Chammere voor am Spitz boten Schäärmen und sogar Platz für z’schlooffe, warum denn nicht für z’choche und z’ässe, sowie für Aufbewahrung von Chläider, Vorräten, Gerätschaften. Mit Weinfässern beladene Herbstwäidlige verfrachteten die Weinernten nach Lattrige u Gerlḁfinge, heute Gerolfingen (s. u.), von wo sie p’her Achs weiter wanderten.

Der Wortbedeutung nach u̦s liechtem Holz 6 gmacht, ist doch die Gắlääre ein großes Ruderschiff der Mittelmeerfahrer mit niedrigem Bord und mit zwei Masten, dessen Bedienung eine Anzahl besonders kräftiger und entbehrungs­fähiger Männer erheischt. Mangel an solchen führte in Frankreich zum Zwangsdienst der Galeerensklaven und -sträflinge, indes Bern in den Jahren 1665 bis 1672 seinen große und chlịịne Bär samt drittem Fahrzeug für Kanonen an die Spitze einer Flotille von fü̦fz’g Schiffli stellte. 7 Als flachbödiges Lastschiff hinwieder stationierte vormals zu Mäieried die Gắlääre, welche der ehemaligen (1900 durch einen Neubau am Kanaldammweg ersetzten) Wirtschaft den Namen erteilte. Es ist dies Dr. Schneiders Geburtshaus (vgl. Ins 126), wie eine anmutige Inschrift am Hause besagt.

Das elementarste «leichte Holz» fü̦r dru̦ff z’schwimme ist gewiß das simpele Brätt als Vorbild des Flooß. 8 G’flooßet wurde vor Tieferlegung des Bielersees auch auf diesem. Knaben im Moos ersetzten sich dieses Balkengerüst durch die Mi̦sthu̦u̦rd (s. u.), indes die zum spielenden schi̦ffle dienende Wëschbï̦tti uns die Grundbedeutung von Schiff u G’schi̦i̦r (in Ins und z. B. 1548 auch in Tw.: G’schi̦i̦rn) als «Gefäß» veranschaulicht. Das Gefäß aber ist in seiner Urform ein ausgehöhltes ( ụụsg’hï̦ï̦lets) Holz, wie der Einbaum der alten Pfahlbauer und der noch heute dem Hecht- und Rötelfang mit dem «Seehund» obliegenden Fischer auf dem Ägerisee ihn uns vorführt. 9 Es ist der Tootebạum der Volkssprache. Tootebäümli aber heißt der lange und schmale Nachen der Ruderklubisten. Auch dieser «Nachen» und der ihm wortverwandte «Nauen» (vgl. das Halb-Nauwen-Schiff von 1718) 10 ist nach der Grundbedeutung «der Ausgehöhlte», 11 so z. B. der Uri Nauen. 12

21 Aus g’spaltnigem Holz 13 zusammengefügt ist dagegen das Boot und das Bootli, wie nach der Form des Trinkbechers 14 g’modlet die Gondel. Ein «Gefäß» ist der Kahn, 15 ein speziell als Pokal 16 geformtes Gefäß gerade das Schiff und Schiffli, welches uns nicht bloß im allgemeinsten Sinne Fahrzeug, sondern auch Gefäß bedeutet. Im letztern Sinn hat «Schiff» neben sich die Schwesterform das «Schaff». 17

So ist ja auch le vaisseau soviel wie Schiff und Geschirr. Es geht zurück auf das vascellum als Verkleinerung von 1. «der» vāsus oder «das» vāsum (Gefäß, Gerät). Als Nebenbedeutung sind uns geläufig: frz. le vase, der oder das Waase (Bluemewaase) und das Wääseli (Bluemewääseli), baslerisch und anderwärts die Waase.

Die Verallgemeinerung von «Schiff» als Fahrzeug ist so weit gediehen, daß es vom Schiffli der Nähmaschine an alle Bestimmungen, Formen und Größen annimmt bis zum hausgroßen Dampfschiff (Dampfer, Dämpfer) für Großhandel und Weltreise.

Zwischen inne stehen die leicht bewimpelten Kielschiffchen, wie sie als Mignon, Flot d’Azur, Flèche, Reine du Lac u. dgl. z. B. im Neuenstadter Hafen ihrer Eigner harren. Sie verhalten sich zu den Meerschiffen wie zu den «schwimmenden Häusern» die Hï̦ttli 18 idyllischer Art, die man als das Lŏ́gett, das Lŏgéttli oder Lŏ́gettli bezeichnet. 19

Ein anderer Name für Logettli und Logett ist Änteschnäpf. Dieses Änteschiffli, das gerade für den Wildentenjäger, sein Gewehr und seine Beute Platz bietet, erinnert mit den vom Eigner ihm erteilten blitzschnellen Bewegungen bald nach dieser, bald nach jener entfernten Seite an den Schnepf oder «die Schnäpf’ im Zickzackzuge». (Ahd. der snëpso und die snëpfa.) Nach einem andern Tier ist endlich der Bock benannt. Das «bockbeinige» Tier (Schaf- und Ziegenmännchen), das mit verstellten Gliedern sich so stetig weigern kann, dem Führer Folge zu leisten, gibt ja auch den Namen her für den Saagbock des Holzers, den Fị̈egbock des Küfers usw., 20 warum denn nicht für ein Lastschiff mit breitem Vorder- und Hinterteil und flachem Boden, welches 22 ähnlich dem Raselier­schiff sich besonders bequem beladen läßt. Ein solcher Bock befuhr seinerzeit all Frịtig den Twanner Markt (s. u.) mit Lebware, mit Gemüse u. dgl. von Gerolfingen her, unter Führung der Seebuebe: Seehans u Seepeeter.

 
1  Odyssee 4 (Jordan 477). Vgl. Goldschmidts und Vanderhagels Güterzug zu Land und Wasser.   2   Kluge 390, M-L. 8034.   3  Nämlich als das bari der koptischen Nilfahrer, gr. bāris. l. bar-ica, barca. ( Walde 83; Seil. 2, 171; Kluge 139.)   4  Sigmund Wagner 12.   5   Kluge 486.   6  Gr. das kālon: Brennholz: l. cala Scheiter; daraus byzantinisch galáia. ml. pv. galea, it. sp. galéra, frz. la galère. ( Walde 111; Seil. 2, 171.)   7  Näheres: E. v. Rodt, 3, 172. 182.   8  So nannte Spitteler (Olymp. Frühl. 12) den Nachen des Charon.   9  Vgl. schwz. Id. 4, 1234; Hoops I. 537 ff.   10   SJB. A 665.   11  Vgl. Meringer bei Walde 509 f. unter navis (gr. naus, woher Nautik, nautisch).   12   Hoffm. 81.   13  Nach Hoops 1, 304. wo mittelengl. bot (vgl. Seil. 4, 424) auf germ. « boito» und dieses auf « bhid» (spalten) zurückgeführt wird.   14  Gr. kondy; Seil. 3, 264.   15   Kluge 223 f.   16  Gr. shyphos, vulg. lat. skipo, gat. skip. ahd. scif. ( Seil. 1, 101; Kluge 397.)   17  Mhd. schaf, schaff, ahd. scaf, schaph neben gr.-l. scapha und Nachen.   18  Ursprünglich ein mit Laubzweigen bedachtes Gemach: eine Laubhütte, ist die Laube, ahd. laubja, woraus frz. loge, loger, logis ( Loschịị, í) wurde. ( M-L. 4936.) Die Verkleinerung logette ist ein Rettungsboot, dann ein selbständiges kleines Boot. Das deutsch gesprochene Logett wurde als Logettli nochmals verkleinert.   19  Irlet.   20  Vgl. schwz. Id. 4, 1125.  
 

II.

Vergegenwärtigen wir uns rasch die Bestandteile eines gewöhnlichen Bootes! Über dem Bode breitet sich die Brü̦gi oder (häufiger) die Bü̦hni 1 vom Schiffhinterteil oder vom Schooß (1829: hin͜deren Ụụfzụụg, an welchem man das Schiff ụụfzieht, d. h. halb us em Wasser ụfs Land zieht, verläßt und besteigt), nach dem Vorderteil: dem Spitz oder Schnu̦rfel hin. Zwischen Boden und Bühne bleibt aber ein Zwischenraum, aus welchem Regenwasser oder allfällig von unten durchsickerndes Wasser nach dem von der Bühne nicht bedeckten Bestandteil am Spitz abfließen kann. Aus dieser Schöpfi oder (1829) dem Ziehbrätt schöpft man das Wasser mittelst eines Goon oder Gööni, wenn nicht der Schueffe oder des Schueffli. Letzteres ist eine im Verhältnis zur Breite ziemlich hohe Holzschaufel, nach deren Gestalt man eine unschön groß geratene Nase, besonders eine Schnu̦pfnase ebenfalls als Schueffe oder Schueffli bezeichnet. Der besagte Zwischenraum wird hergestellt und unterhalten mittelst mehrerer Range. Eine solche Range, 2 welche an ihrer untern Stelle auf dem Schiffsboden angenagelt ist. die Bühne trägt und den erstern mit den steil auswärts ansteigenden Wän͜d des Schiffes verbindet, ist ein natürliches Krummholz. Schiffschrü̦mp dieser Art werden u. a. in Lüscherz verfertigt; auch in Lattrigen, in Twann usw. Sie werden am besten aus dem hierzu geeignet g’wachsnige Geäst eines bäi ndicken Äichli herausgehauen. Da solche Geschenke der Natur freilich immer seltener werden, behilft man sich mit Boden- Tráwäärße (Rị̆gel) und Wandleisten, welche durch starke, g’schwäisti Eisenbänder verbunden werden. 3 Die aufsteigenden Teile des Chrump bestimmen die Bauart des Schiffes als so oder so stark oder schwach ụụfzoge. Steilwandige, also im Vergleich zur ordinären Norm z’vi̦l ụụfzogni Schiff fahre schööner; sie sind aber in dem Maße, wie sie in der Enge und Höhe sich der Gestalt des « Tootebaum» ( S. 21) nähern, mehr Gefahren des unruhigen Sees ausgesetzt, als die z’weeni ụụfzogne. D’Wän͜d 23 bestehen aus waagrecht aneinander gefügten Laade. Diese können beim Trockenliegen des Schiffes erlächche und zwischen sich Chleck lassen. Sie erfordern dann ein neues aneinander schiebe wie bei den Schieb- (oder Tschüepe- 4 ) Laden ausgetrockneter Zimmerböden und -decken. Eine solche Schiebi läßt sich aber leichter und dauernder häile durch ein ebenfalls als Schiebi bezeichnetes Stopfmittel (zum verschoppe): das Lint als aus Linden­bast­fasern bestehendes Flechtwerk.

Fischerboot mit Ausrüstung

Bei gewissen Schiffsarten, wie dem Wäidli und dem Bock, wird auch die Vorderseite durch ein Wän͜dli abgeschlossen. Bei spitz zulaufenden Schiffen aber, wie namentlich den Baarche, werden die Seitenwände vereinigt durch den Schiffs­schnabel; den Spitz oder den Schnu̦u̦rfel, der, in jedem Fall aus Hartholz bestehend, vorn schräg ansteigt und bei Zierschiffen in irgend ein Schnitzwerk ausläuft. Der Stamm deutet, wie bei den guggisbergischen Schnäärpfe 5 und der emmentalischen Schnääre, 6 auf die charakteristische Chrü̦mmi. 7

Der Schnabel kann sich auswachsen als Grans, Grangß, Graus (s. u.) im Sinne der im Schiff sich an ihn anfügenden, wenn nicht 24 selbständig schwimmend verankerten Fischdrucke. Im erstern Fall dient er, gleich der noch umfänglichern Chammere der Barke, statt des simpele Ladli kleiner Fahrzeuge als Sitz.

Wo nicht die Strụụbe oder die Reeder des Dampfbootes die Vorwärts­bewegung besorgen, muß dies der Rieme oder aber das Rueder tun. Der aus einem Holzstück bestehende Rieme, 8 womit der Flußschiffer reiset 9 (statt rudert), geht durch die holländische riem zurück auf eine Entlehnung aus dem lateinischen remus, 10 älter: « retmos». Mit diesem ist dagegen urverwandt 11 das germanische rô-thra (Werkzeug zum ruedere), ahd. ruodar, Rueder mit seinen zwei Stücken: der bis 3 m langen und armsdicken Stange und der an ihrem Ende ụụfg’naglete Schụụfle oder Laffe. (Vgl. das Laffli als Schweins­schulter­blatt.) Als Handhabe erhält die Stange d’Schwiirble. 12

Der Fischer, welcher äinzig (ohne Beihilfe) Ne̥tze setzt, schneidet das Wasser und erleichtert sich das Steuern mittelst eines in der linken Schiffsseite ịịg’steckte Ladli oder eines ganz kurzstieligen Ruders: des Zwingrueder. 13 Damit ersetzt er sich das Ziehrueder voor im Schiff, womit er sonst zieht: das Fahrzeug vorwärts bringt, während das zum fahre dienende Fahrrueder hin͜der im Schiff zugleich die Richtung bestimmt.

Seine Kraftwirkung als einarmiger Hebel erhält das Ruder (der Rieme) durch den Drehpunkt in der Gable. Das ist eine vom Ständerli am Schiffsrand, und zwar an dessen brustwehrartig erhöhtem Zieh- und dem Fahrbrü̦stli, getragene drehbare, eiserne Halbschlaufe. An ihrem Platz diente früher der aus Wịịde oder aus Waldrebe, Niele, Schlingbạum (1780: Schlindbaum) gedrehte (d’drääit) Wäidligring, Ring. Dieses kleine Kunstwerk 14 war aber raschem Verderb ausgesetzt: es ist du̦u̦rg’ri̦p̦set worde, het gäärn lo goo, isch verrisse, und setzte damit den Schiffer in bittere Verlegenheit. Es mußte daher stets in beträchtlicher Anzahl zur Hand sein. Jede Mußeminute diente zum Anfertigen eines Ringes. Bueb, mach e Ring! hieß es, wenn einer müßig herumstand. Die Vorräte wurden im Fischchaste geborgen, wenn nicht im Brunnetrog vor em ụụstrochchne bewahrt. Ein Kunstgriff war es auch, das Ruder regelrecht i ’ n Ring 25 z’due, kürzer: es ịịz’due. D’Lï̦scherzer häi das an͜ders g’macht weder d’Twanner; und wi mḁ’s macha söll, konnte, wenn die Illumination vieler Köpfe mit vielen Sinnen einen gewissen Grad erreicht hatte, zum Gegenstand eines erregten dischbidiere werden. Einfacher machte sich die Sache, wenn zum Notbehelf statt des Ringes ein Säili durch das Loch im Schiffsrand gezogen wurde.

Aber auch das ruedere 15 (übertragen als das umenand ruedere fahriger Mädchen) geschieht nach verschiedenen Methoden. Vor allem stän͜dlige (stehend) ruedere wird der einzelne Fischer schon wegen der bessern Überschau des Reviers, und weil er den Armen mit dem Leib na̦a̦chehilft. Zugleich rudert er, um dem Fischchaste möglichste Ruhe zu sichern, Schooß voraa, also hin͜dertsi, statt Spitz voraa: fü̦re̥tsi. So wird sein Rudern ein stooße statt zieh, um dem breitern Schiffsende im schwierigeren Schneiden des Wassers kräftiger nachzuhelfen. Er rudert in diesem Fall über Chrụ̈tz.

Der Ruderschlag heißt der Sträich. Er ist der Schritt des Fußgängers, genauer: der in seiner Länge scharf bestimmte Soldatenschritt. Wie daher die Meile eine Weglänge von tụụsig Schritt ( millia passuum) war, so betrug dem alten Schiffer vor Straße und Bahn z. B. die Entfernung von Twann nach Gerolfingen so und so mänge Sträich. So manchen Streich mußte er gää, ohne aber nur einen z’fähle. Das verwirrte nicht nur die Rechnung, sondern solche buchstäblich verstandenen Fählschleeg sind bekanntlich auf unruhigem See g’fährlig. Auf den normalen Sträich bei ruhigem See können aber bis drei bei stürmischem See kommen. Das wott g’naau i der Rächnig g’haa sịị.

Als Schifferausdruck erinnert der Streich an das Stri̦chch haa oder Strịịche haa zu sicherer Steuerung bei schwieriger Fahrt. Da zieht man das Hinterende des Ruders durch einen Eisenring, insbesondere das des Steuerruders durch den Strịịchring (1835: Streichring), daher benannt, daß das stụ̈ụ̈re oder räise manchenorts seemännischer strịịche heißt. Handelt es sich um solches Steuern, speziell das chehre eines vierruderigen Schiffes, so ruft der Hintermann dem Voordere n zu: Gi̦b nooche! Der Vordermann entgegnet dem Hin͜dere n: Häb án di ch!

An Segelschiffen wird solches Bräṇgụụ haa mittelst des Steuerruders ersetzt durch die Wendungen eines ungefähr Quadratmeter großen Brettes, das an zwei Chlö̆ö̆be an der fast oder ganz senkrechten 26 Hinterwand hängt und so i d’s Wasser abe langet. Über die Wand hinaus ragt die eiserne Spi̦ndle, in welche die meterlange Stange zum drääie eingreift. Diese Steuervorrichtung heißt das oder (häufiger) der Bräṇgụụ; auch etwa der Bréṇgŭ̦, welches -ŭ̦ als labialisiertes ẹl aufgefaßt wurde, so daß man «richtiger» und «schöner» Brängel spreche. Um Ägerten spricht mḁ Bri̦ṇgụụ. Die Variante Prämgụụr erinnert leise an den holländischen bram oder das bramzeil (Bramsegel, Richtungssegel, voile de perroquet) und die bramsteng, Segelstange. 16

Das Segel selbst oder vielmehr der Säägel (wie altdeutsch) ist entweder ein Dreieck- oder ein G’viert-Segel. Am Segelbaum (1829) oder Mastbäümli, welches im Sitzbrett aufgepflanzt wird, hängt das Segel mittelst des Sägelchnächt: eines zwei bis drei Meter langen Säili, und wird an diesem mit dem kleinern Sägelsäili oder der Lịịmme aufgezogen. E graade n Luft, der z. B. von Mörigen grad übere nach Twann bloost, chu̦nnt zwäärisch i d’s Sägel des z’dụụr ab oder z’duur ụu̦f fahrenden Schiffes. Bei Segelfülle fährt man bi ’m Luft; gegen den Wind fahrend, sticht oder het (hält) mḁ darggääge. Die jeweils erwünschteste Windrichtung ist die, welche hilft, von einer Anzahl Wellen gäng di si̦i̦beti und erst recht die drịzäächeti als ungewöhnlich hohe von der Seite her z’schnịịde. Wie es als alte Seemannsregel gilt, daß jedes Fahrzeug jeden Augenblick von wenigstens zwei Wellen getragen werde.

Als festliche Ausstattung eines Schiffes finden wir 1783 in Twann den Harlekin 17 ( arlequin, Possenreißer, 18 hier wohl buntscheckigen Wimpel) und Flaggen erwähnt.

Gaase, d. i. aafäärbbe mit Gas, will sagen: mit Stein­kohlen­teer aus der Bieler Gasfabrik, erhält das Fahrzeug lange Zeit. Es unterbleibt darum am Unterteil auch dann nicht, wenn der Oberteil mit dekorativer Ölfarbe gestrichen wird.

Zum abstoße vom Ufer und von Untiefen, sowie zum aafahre (zu fahren beginnen) überhaupt dient das Schaltli oder die (zu Ägerten: der) Schalte. 19

27 Der Flußschiffer unterscheidet (um Ägerten) der Wäidligschalte oder der bräit Schalte mit zwei bräite Zän͜d von der gewöhnlichen Schiffsschalte. Alle Schalten aber zeigen einen eigens geformten Hoogge, oder, wie bei den Pontonieren, einen Stachel. Im Wasser festgehalten wird das Schiff dagegen mittelst des Anker oder des Ankerli, dessen drei oder vier Schaare (wenn nicht zwei Schaare und der Stab) in den Grund sich einbohren. Stark wie d’Ankerchetti ist die Chetti für d’s Schiff aaz’bin͜de. Eine Anzahl Schiffringe in Läntimụụre bis in nächste Nähe der Häuser weist auf einstige Seehöhe. 20

 
1  Im bayrischen Sinn: Kluge 77.   2  Im schwz. Id. 6, 1054 nur «der Range». Das Wort gehört mit ringen und renken, Rank zu germ. wringan (drehen): Kluge 971; Stucke S. 184 f.   3  Nach dem jungen Pontonier Paul Krebs in Twann, dessen Liebens­würdigkeit wir überhaupt die einläßlichste Belehrung in dieser Partie verdanken.   4   Lf. 198. 603.   5   Gb. 673.   6   Lf. 309.   7  Mhd. ( Wb. 2, 2, 448 f.) snirfe, snarf, gesnorfen: sich krümmen, sich biegen, sich zusammenziehen (unter gelegentlichem Schnarren).   8  Ganz verschieden von Riemen als breitem Band.   9  Lieni Hans.   10  Dies ist it. remo als Werkzeug zum remare, frz. ramer. woraus la rame rückgebildet ist. ( M-L. Wb. 7204.)   11   Walde 648; Kluge 378.   12  Svw. Rundholz: vgl. ahd. der swarp (Wirbel) zu mhd. swirbe swarp swurben ( Wb. 2, 2, 844): sich «wirbelnd» bewegen. Vgl. auch das ungestüme hastige «schwaarble» Lf. 514. (Das bewegliche s = sch gehört in die Grammatik.)   13  Vgl. «Striichrueder» im schwz. Id. 6, 633.   14  Vgl. die Schweiffle ( Gw. 255) als Haagringe.   15  Erinnernd an das Schwimmen z. B. der Enten, deren frz. Name can-ard vom holländ. kaan (Kahn) hergeleilet wird. ( Kluge 244.)   16  Vgl. Kluge, Seemannssprache (Halle 1911) s/v. Nach Karl Irlet und schwz. Id. 5, 738 ist «Branggu̦» der entstellte Zuruf prends cours! an den Steuermann.   17  Irlet   18  Der frz. arlequin, harlequin geht über it. arlecchino und älter frz. hierlekin, hellequin, ellekîn zurück auf den dänischen elle-kong (Erlkönig) als den Schauder erregend durch die Erlen wehenden Wodan. Im Volksglauben als der wilde Jäger fortlebend, wurde Wodan in kirchlicher Herabsetzung erst zum gefürchteten, dann zum dummen und seine Spässe vollführenden Teufel. (Vgl. Seil. 3, 299.)   19  Auch altdeutsch die scalta, schalte. Dagegen sagte man «der schalte» als der Kahn und «der» scaltich, scheldech, bayr. Schelch (Nachen, der durch ein unbefestigtes Steuerruder gelenkt wird). Graff 6, 485: mhd. Wb. 2, 2, 80. Zu schalte: stoßen, schieben, nachhelfen (z. B. auch dem Feuer durch Nachlegen von Holz): Kluge 390.   20  Über sagenhafte uralte Schiffsringe hoch über dem heutigen Normal­wasser­stande berichten wir im «Saanenland».  
 

Liimme zieh und raseliere.

I.

Uf em Tanneblatz beim Twanner Bahnhof werden mächtige Bauholzstämme vom Dessebärgwald und Spitzebärg verladen, um nach aller Herren Ländern verfüehrt zu werden. Nach Bauplätzen wie Biel dagegen führen Roß und Wagen die Stämme, deren Längi für den aus dem Fenster Schauenden mäṇgisch nid höre wott.

Was so auf Bahn und Straße p’her Achs reist, war vormals Gegenstand mühevoller, aber einträglicher Wasserfahrten. Unternehmer wie Wilhelm Krebs lieferten solche Tannenstämme als Marineholz, marinierts Holz, zu Flöße n gefügt auf Schiffbauplätze, wo man namentlich die Masten gerne dem langsam hoch gewachsenen Jurabestand entnahm. Das Holz ward also g’flöößet, g’flööset oder g’flooset. Das ging bi hööchem Wasser wi vón ihm sälber. Anders bei mittlerem oder sogar niedrigem Wasserstand, sowie bei widrigem Wind und Wellenschlag. Da galt es, vom damaligen Tanne- oder Holzblatz aus, der die Umgebung des neue Schŏ́ri [-Haus], d. h. des Bahn­wärter­hauses Schwörer bei Twann bildete, mit Zugkraft nachzuhelfen. Pferde oder gar Stiere aber hätten auf diesem unsichern Strandboden nicht Fuß gefaßt. Eher war das auf der später erstellten Seestrooß (s. u.) möglich, soweit diese dem Wasser na̦a̦ch gnue sich hinzieht. Aber auch die schmiegsamere Menschenkraft konnte an einer so tief ausgreifenden und sumpfigen, schilfbestandenen Landbucht wie b’im Ängelbarg nicht aushelfen; da blieb bloßes schalte 28 (mit der Schalte, S. 26 f.) als notdürftige Fortbewegung übrig. Um so wirksamer griff der Gänsemarsch der sechs bis acht Twanner ein, welche, auf der hierzu erstellten breiten, niedrigen Mauer Fuß fassend, zoge häi vom Tannenplatz bis Wingreis und von Engelberg bis zur Flue bei Tüscherz, welche vor dem Straßenbau i’ n See ụse g’reckt het. Sie luden sich hierzu auf eine Schulter die bis 50 m lange und wäscheseildicke, schließlich auch als Weschsäili benutzte Leine: d’Lịịmme 1 (vgl. das Lịịmmefahr, s. u.). So häi si Lịịmme ’zoge. Der beim Lịịmme zieh, beim Lịịmmezug betretene Weg: die erwähnte Mauer war d’s Lịịmmewäägli oder der Lịịmmepfad. Der wurde, wo durch näben u̦u̦s trappe der Männer oder abe g’heie der Leine Schädigung der Reben zu befürchten stand, etwa durch einen äichige Stụụd abgegrenzt,

 
1  Leine (wie Linnen aus linum, Lein, d. i. Flachs), mhd. line zu Liimme, wie umgekehrt Lehm = Leim zu Lein und Liin (Liinacher), mieten zu niete, wie Turm = Turn usw.  
 

II.

Der Lịịmmepfad erstreckte sich übrigens mit den oben angedeuteten Unterbrechungen dem ganzen linken Seeufer nach: von Biel bis Neuenstadt. Es gab nämlich, wie Flöße, auch Warenschiffe z’zieh. Unternehmer wie letztlich Bellenot (s. u.) und Constançon zu Iferten, wie Marcelin Chipot zu Nidau spedierten dorthin von Iferten her den beiden linken Seeufern entlang regelmäßig Waren auf Barken mit Breụgụụ ( S. 26), Schalte, Segel und der über den Mast geschlungenen Lịịmme. Das gab auch Männern aus Nidau und Brügg Verdienst; die begehrten 1749, daß denen von Iferten verboten werde, mit ihren Barken wịter weder go Nidau z’fahre. 1

Auch die Berner Regierung schaffte auf solchem Wege Lebensmittel nach der Hauptstadt. So aus dem Oberland 2 Milchprodukte auf den obrigkeitlichen Thụner oder Tụụnerli, deren Bauart und Name auch auf dem Bielersee heimisch wurde. 3 Das Waadtland aber lieferte Wein und das Salz der Werke von Bex. Da waren denn bei dem wechselnden Wasserstand und bei den Chrü̦mp (z. B. dem Häftli der alten Zihl, namentlich beim Faanel s. u., und beim Grịssḁch-Chru̦mm), wie zwischen Brügg und Meieried, die Hilfszüge erst recht nötig. War doch obendrein Meyenried die Stelle, wo die alti Zi̦hl ihren spitzwinkligen Aabụtsch an die alti Aar, welche stromab über Büren nach Solothurn, stromauf aber über Aarberg nach Bern weist, so empfindlich het z’g’spü̦ü̦re g’gää. (Vgl. Ins 91. 131.)

29 Da fuhren aber von Iferten her über Neuenburg, Biel, Nidau, Brügg, Meieried go Sollo̥du̦rn abe oder go Bärn ụfe Lastschiffe, zu deren Schleppen es Roß b’brụụcht het. Riesige Barken trugen bis achtz’g Landfaß Wịị, mächtige Salzladungen, aber wohl auch Gụtsche mit gemächlich reisenden Herrschaften. Die häi ’ne (sich) Zịt g’loo! Die einstündige Strecke Brügg-Meyenried wurde bisweilen kaum in neun Stunden, ja oft erst während zwei bis drei Tagen durchfahren. So het das g’stotzt u g’stotzt. Es kam vor, daß d’Schiff u̦ff choo sịị und zu ihrer Flottmachung neu aag’hänkte (aag’setzte) Zug verlangten. Da mußten Roß und Mann bis mitt’s i’ n Lịịb im Wasser lạuffe, und von den armen Tieren ging je und je eine Anzahl zu Grunde. Die herzlosen Schiffseigner aber entschlugen sich gegenüber den durch Vertrag gebundenen Pferde­besitzern jeglicher E ntschednuß. Selbst für den immensen Verbrauch von Lịịmmen u Stricke «häi si nụ̈ụ̈t chönne», so wenig wie für den leihweisen Ersatz mangelnder Pferde und für Einstellung von Erntetaglöhnern, die Heu und Chorn vor dem verfụụle retten mußten. Es hieß einfach: We nn mḁn e̥ uch rüeft, so sollit er doo sịị; dir wüssit’s! Im Vertrage vom 6. Dezember 1794 stand es ja klipp und klar: Für jedes der sieben Pferde zum Ziehen der bloßen Barke gi bt’s zääche Batze und fe̥r nen iedere Chaarer e Batze. Die für jede Weinladung und von ihr einbedungenen zääche Mooß Wịị aber wurden, schäbig gnue, ersetzt durch einen Mischmasch von e chläi hunds­schlächtem Wịị, Wịịgäist und Wasser.

Über solche Behandlung klagten endlich am 8. Februar 1813 4 die beiden Fahrg’mäine Brügg und Meyenried. Die bernische Schwelli­kumission untersuchte die Sachlage, und am 10. März 1817 ( es het jo nid g’sprängt!) setzte der Berner Rat für eine zweijährige Probezeit den Roßlohn auf 15 statt 10 Batzen fest und befahl Verabreichung von Drụ̈ụ̈belwịị. Für je zwänzg Mütt blu̦tti Frucht 5 war e̥s Roß meh und für die leere Barke waren acht Roß aaz’setze.

 
1   NB. 2, 265.   2   DuB. (1732).   3   Taschb. 1900, 271.   4   ABN. 2, 408-414.   5  Wohl: ohne die Spreu des Dinkels, also Weizen, Roggen, Hafer u. dgl.  
 

III.

Eine Barke aber, die mit mehr als 300 Mütt Getreide oder einer gleich schweren Last beladen war, durfte seit 1817 nur noch mittelst eines Raselierschiffs durch Pferdekraft [an der] Lịịmme ’zoge werden. Was bedeutet das? L. radere (raire, radieren mit dem Ratiergu̦mmi) ist schaben, rasus abgeschabt, abgestrichen, it. a raso b’stri̦chche voll, 30 pv. ras ein Hohlmaß (1801 zu Línieri 6 Mäß Weizen); 1 frz. rez dicht am Boden hin, rez de chaussée zu ebener Erde. 2 So war das Raasi die ohne Anfahrt erstellte Notbrücke zwischen Cornaux ( Gŭ̦́rnau) und Bä́tle̥häm (Bethlehem zu Gals) während der Kanalisation der Zihl. Als Schiff aber war es das flachbödige, bloß nach hinten etwas aufgeschweifte, sehr breite «Dennsdoor» («Scheunentor, cotschaira, porte cochère») 3 welches sozusagen als Trajektschiff ohne Umladung ganze Heufuder aufnehmen und an brückenlosen Stellen quer über Flüsse tragen konnte. So wurde Gri̦ssḁchmoos-Heu zu seinen Eigentümern nach Gals hinüber g’fergget oder koliziert (colliciert, collocatum). Die in diesem Moos weidenden Fü̦li (Füllen) wurden nicht anders befördert, und Personen zahlten gerne e Batze für diesen «nicht mehr ungewöhnlichen Weg». So auch wurden z. B. 1703 4 Steine und Grien von St. Blaise in sechs «Rasselier-Schiffeten» nach dem Fäälbaum an der Broye befördert. Auch das Wistenlach kennt ein rasel, 5 ein deutsches Rasel (1682), 6 wie das einstige Kanalstück von Entreroches (s. u.) ein razet. 7

Ein solches Raselierschiff nun — auch etwa Uberládschiff geheißen — fuhr auch bei Meyenried vor überlastete Barken heran und erleichterte sie durch abnäh entweder um den Großteil ihrer Ladung, oder es nahm ihnen dieselbe ganz ab, bis das Reiseschiff, wieder flott geworden, allein weiterfahren konnte. Däm het mḁ der Ụụsdruck g’gää: raseliere. 8 Zu Meyenried ging dieses schwere Werk ringer von statten, wenn die «Gắlääre» ( S. 20), in dessen schön gewölbtem Keller s. Z. der Ritter Hetzel von Wengi 9 auch richtigen Seeländer 10 liegen hatte, die von Wasser triefenden Leute mit anderm Naß tröstete.

 
1   Lign. 12.   2  Näheres: M.-L. 6987. 7082.   3   Bridel 84.   4   EB. A 343.   5   Bridel 315.   6   SJB. A 425.   7  Mit westfrz. Wegfall des l (vgl. Bégré aus Bequerel) und willkürlicher Ersatzschreibung.   8  Vgl. Schwyzerfreund 1817, 15.   9   NSW. 1911, 290.   10  Bähler 6.  
 

IV.

Hören wir nun unsern bereits aus « Ins» (S. 539) bekannten Ägerter 1 Johannes Kocher: den Lieni Hans (25. März 1820 bis 1917) erzählen und noch unterm 25. März 1916 munter ergänzend nachtragen, wie er, der Fischer, Schiffer und Küfer, an den vier böse Blätze zwischen Brügg und Meyenried häig g’hu̦lffe (Tw.: hu̦lffe) 2 oder hälffe raseliere.

We nn mḁ het chönne un es öppis ab’treit het, so het mḁ z’Nacht vorhär, wen n es Schiff het sölle choo, d’s Thun-Wasser lo louffe 31 (nicht «lạuffe»), für das s e̥s [das Schiff, navem] lü̦pf. Aber mängist ist d’s Wasser dóch z’chlịịn b’bli̦ịbe. De nn het mḁ müeße go raseliere. Eim vo dene vier böse Blätze (s. o.) het mḁ d’s Mü̦ü̦rgeli g’seit; d’Zịhl macht dert zwüsche Schụ̈ụ̈re u Meieried e Chehr. Am einten oder an͜deren Ort het mḁ dem g’ladne Schiff mäṇgisch zweu Mool hin͜der enan͜dere müeßen abnäh.

Wi het mḁ daas fü̦ü̦rg’noo? Es baar (einige) sị uf e Stan͜dlade u hei abg’noo, was mḁ ’ne vom (Reise-) Schiff ụụs zue’tröölt 3 oder sü̦st zueg’fergget het. De nn het emel afḁn es starchs u g’schịịds Roß zụ̆che («hinzu») müeße. Längi Johr isch e̥s d’s Schü̦̆meli («Schimmelchen») vo Meieried g’si̦i̦. Das het man a d’Woog, oder besser g’seit: a’ n Chloobe — er het richtig heidemäßig starch müeße sịị! — aag’setzt, für dä Zu̦u̦g vor ihm zu̦che in Egi z’haa (seine Richtung zu beherrschen). A beidnen Orte z’u̦sserist am Chloobe het mḁn e starchi Lịịmme vo g’spu̦nnenem Wäärch aag’li̦tscht u mit eme dü̦ü̦r chg’steckte Chloos oder Chlotz darfü̦r g’sorget, daß si nid abrü̦tschi. Vor em Roß zu̦che hei di beide Lịịmme d’Schääri g’macht (sich gekreuzt), für das s mḁn uf zwo Sịte chön n aasetze u doch nid ei Reie hie u̦me ziej u di an͜deri döört ume.

Jez het mḁ an en iederi Lịịmmen es Roß aag’setzt, u vor daas zu̦che ó eis u vor das ŭ̦́me n eis, bis’s gnue isch gsịị. Aag’li̦tscht het ma d’Zu̦ụgstricke vom vordere Roß am Chome̥tring vom hin͜dere, u daas ḁ lsó, daß der Schwanzriemme guet het e ntgääge g’haa. Für rächt wüetig starch Laste, wi n es mäṇgist het g’gää z’schleike, hei e ganzi G’chu̦ppele Roß zu̦che müeße: bis drịịßgi, ohni daas am Chloobe. Das ist es fuehrwä̆rche g’sịị!

Gäng vier Roß sị ḁ nmene Fuehrmḁ ubergää g’sịị. Für de n Faal l, daß’s a menen Ort öppis lätzes gääb, isch am G’schi̦i̦r vom hin͜deriste Roß e hölzige Hammer g’hanget. Mit däm het mḁ der Chloos ụụseg’schlaage u d’Lịịmme loos g’loo. — So isch dä Zug dü̦̆r d’s Wasser g’wattet, bis das s mḁ d’s Raselierschiff u̦mme het chönnen ablaade (entladen).

Ist ieze d’s an͜der Schiff umme voll gsi̦ị, so het es de nn mängist nid grad u̦f der Stell aleini ab Fläck chönne. De nn sị de nn Manne zu̦che! Die hei Si̦lle 4 uber di linggi Achsle un uber d’Brust un͜der em rächten Arm dü̦ü̦r aag’leit. Di Sịlle sị breiti Bän͜der vo starchem Garn g’si̦i̦, wo der Seiler äxtra für daas ḁ lsó z’sääge g’li̦smet (gestrickt) het. Die het mḁ mit e̥menen eigete Chnopf (Knoten) u̦berụụs chu̦nstlig mit der Lịịme vom Schiff verchnüpft u no mit emene hölzige Chloos 32 verstellt, daß’s nid het chönne fähle. De nn het’s g’heiße: Achtung! Hụ̈ụ̈! u di Manne hei ’zoge, bis d’s Schiff aleini het chönne fahre.

Aber wi ist mḁ de nn i däm chlịịne Meieriedeli en iederi Stun͜d zu denen eine nddrịßg Roß choo? Jää, da sị z’ringet um Roß u Manne uf d’s Pigeet g’stellt gsịi̦ wi im Milidäär. Nụ̆́me scho z’Ägerten aleini hei näbe mier Chorrichter Hämmes (Abrahams) müeße gaa u der Sị̆me̥ Bängi («Simeon’s Bendicht») mit dem Roß. Un d’Roß sị im Chehr um ụụf’bote g’sịị. Mi̦ het sḁ vom Flueg dänne g’noo, we nn’s het müeße sịị. U d’Lụ̈t hei o nụ̈ụ̈t dḁrwider g’haa; warum, es het doch z’verdiene g’gää. U daas het mḁn i dene gältarme Zịten öppis g’schetzt.

 
1  Aus und zu Ägerten als Kirchort der Gemeinde Bürglen bei Biel.   2  Vgl. Braune ahd. Gr. § 323 A. 2.   3  Wir lassen auch hier das ḷ und ẹl weg.   4  Der Sil: schwz. Id. 7, 763 ff.  
 

V.

Bereits 1682 finden wir das rasel du Vanel erwähnt. Mit Raselierrächt, Fahr, Fischezen (s. « Fisch») und Wirtschaftsrecht verkaufte am 28. Juli 1783 der Iferten-Landvogt Gottlieb dieses Faanelguet der Stadt Bern. 1 Allein schon vorher übte der Berner Rat mittelst des Landvogts von St. Johannsen Aufsicht zumal über das dortige raseliere. So gleich 1683. 2 Da hatte zum Nachteil des Pächters der in der Nähe, nämlich im Mu̦ggehụụs, dem jetzigen Roothuus, angesessene Elias Escuyer von Altenryff unter allerlei trügerischen Vorgaben die Kunden vorweg abgefangen (abg’stohle). Da nahm sich der Vogt des Übervorteilten an. Er berichtete nach Bern, wie der Pächter bereit sei, «wo von nöhten auch noch ein Nauwen oder Halbschiff und gnugsam Volck» zu den bereits vorhandenen Transport­mitteln zueche z’due, obwohl der Gewinn sehr unsicher sei. Denn bei Hochwasser sei nit ein batzen zu verdienen und zur Zeit der Winterfröste fahren die Leute mit ihrer Haab über die Mööser. 1682 wurden zwei Gampeler gebüßt, weil sie denen im «Müggehuus» an einem Sonntag halfen raselieren.

 
1   EB. 2, 180.   2   SJB. A 417 ff.; RM. 12. Jan. (38).  
 

Kahnfahrten.

I.

Dem Lan͜d noo ch verteilte Stellen, wo mḁ zueche chaa, zueche het und wo d’s Schiff haltet, auch seit Jahrhunderten het g’haltet, wo man «ein- und ausfährt», heißt urgermanisch das us-far, schweizerisch das Ur-făr, entlehnt hochdeutsch das Ufer, 1 in Twann das Ụụffer. 33 Gut hochdeutsch ist das Gestade, das Stad (1533: zu Tüscherz an dem obern Stad), vgl. das Stadholz am Platze des nachmaligen Gottstatt. Es entsprechen (vgl. Ins 77 ff.) le Port (Nv.) und der Port von Nidau (1766), an dessen Platz der Industriehafen für Sand- und Kiesverwertung getreten ist. An all solchen Stellen läntet mḁ (was bildlich für finanzielles Auskommen gilt; aber auch, wer seiner Rede kein Ende, keinen Abschluß und keine Pointe findet, cha nid länte). Unzählige Schiffe sịị oder häị dert scho g’läntet. Man betritt eine « Länti oder Schwemmi» (1635), 2 welche erforderlichen­falls durch Dämme gesichert ist wie durch den Bääre­däntsch oder die Bärebrï̦gi beim «Bären» zu Twann. Ein so schöner Damm wie zu Erlach endet auch entsprechend mit dem Oberbau des G’wätt (1780: Gewätte).

Am Landungsplatz in Lüscherz

Einen immer schöner sich entfaltenden Quai mit Uferbeleuchtung hat Biel (s. o. und Ins 78). Von hier fahren in sommerlichen Kursen (s. u.) die Dampfschiffe nach den neuen Läntine Alfermé und Tüscherz, Twann (Bahnhoflänti), Ligerz (Láriau), Insel, Neuetstadt, Erlach.

Wie zahlreich waren gegen diese wenigen die Läntine der alten Zeit, da wirklich der See der Anwohner «Landstraße» war! Beginnen wir bei Alfermé (Hälffermé). Da ist — heißt es 1771 3 — vor etlich hundert Jahren vor dem Gottstatter Rebhaus als Zuflucht für Schiffe im Sturm ein kostbarer Damm von Quadersteinen in den See hinauß gebauet worden. Damit werden zugleich die Rebmauern und die nahen Gebäude geschützt. Tüscherz und Alfermé, welche daselbst «anländen» zum z’Predig goo aus Sụtz (s. « Kirche»), haben den Damm nach Vermögen unterhalten, können ihn aber, nachdem zwei Drittel der Steine versunken sind, aus eigenen Mitteln nicht vor gänzlichem Verfall bewahren. Nach langwierigen Unterhandlungen steuerte die Regierung 410 Kronen an die 710 Kronen kostende Herstellung. Noch 1841 hatten Tüscherz-Alfermé zwei Läntine. Die obere derselben: die Häuser des heutigen Straßendorfteiles Tüscherz hießen bei den Oberdëërfler kurzweg d’Länti.

Es folgten seeaufwärts: die Tomegásselänti; die Angelbärg- und Wingräiserlänti; die Schï̦pfilänti an der starken Seebiegung, die ein besonders häufiges Leerschöpfen der Schiffe forderte (vgl. die Schëpfibï̦ï̦ri unter «Wein»). Zum Dorf Twann gehören: die Bachtele-, Pfruend-, Ra̦a̦thụụs- oder Scha̦a̦l-Länti (Schŏ́länti), die als Bärelänti (s. u.) bezeichnte Seitengasse, die Moosgraabe-, 34 die Schoorelänti, dann die Kleintwanner großi Länti am Läntihụụs oder «Bernerhaus» (s. u.) gegenüber dem «Beghịnehụụs» (s. u.). Zur Weinlesezeit kam auch die Bippschóllänti zur Geltung. Ligerz hat, wie Twann, eine großi (oder Wịịrtshụụs-) Länti, eine Pfruend- (oder Pfarr-) Länti, eine Scha̦a̦l- (oder Platz-) Länti (mit dem Gemeindelokal für Notschlachtungen); sodann eine Bielerlänti (vor dem Bielerhụụs, s. u.), eine Hortinslänti (vor dem Hortinshụụs, 4 ) das Chääserlänteli. Am Schaffiser Pfahlbau liegt die Frieselänti (s. Friese unter «Weinberg als Brotkorb»).

Die Insel, an deren staatlichem Steindammweg nordwärts die Dampfschiffe von Ligerz und Neuenstadt her anlaufen, während die südliche Länti die Ausfahrt nach Gerolfingen, Hagneck und Lüscherz gewährt, hatte früher noch die Ligerzer- und die Neïetstadter-, die Häidewäg- und die Gäärstere-Länti, sowie südwärts den Neuenburgerdamm.

Sehr wichtige rechtsseeische Landungsplätze lagen zu Gerlafinge, 5 im Mörigen-Egge (s. u.) zu Lattrige. Hier gab es (z. B. 1854) sogar zwei Läntinen. An der mit mächtigen Steinen untermauerten größern stand noch 1828 das obrigkeitliche Chorn- und Läntihụụs neben dem Wi̦i̦rtshụụs für die Fuhrleute, welche den Seewịị über Aarberg nach (München-) Bu̦chsi (s. u.) und Bern verfrachteten.

 
1   Kluge 470; schwz. Id. 1, 887.   2   NB. 1, 25.   3  Wb. 6, 32-46.   4  Die bernische Familie Hortin besaß zu Ende des 18. Jahrhunderts zu Ligerz ein Haus.   5  Stich von König Lafond in Gobats Schweizer­geschichte.  
 

II.

Landungsstege sowohl wie Fahrzeuge, sie mögen Privaten oder Korporationen angehören, unterliegen vor ihrem Gebrauch und je und je während des Gebrauches einer amtlichen Prüfung ihrer Tüchtigkeit. Hierzu hat der G’staat das Recht und die Pflicht ebenso sehr wie zur Überwachung des öffentlichen Fahrdienstes und zur Verhütung eines fahrlässigen fehrle oder über e See setze. Es liegt dies im Interesse des Bürgers, während alte Landesherren auch den Verkehr phär See nur einfach für i’ n äigete Sack besteuerten. So zahlte z. B. 1396 und 1397 der Eißer Fehr auf der Bruije an Savoyen jährlich 12 Pfund Wachs. Bern forderte dann (seit 1474) bloß 8 Pfund, dazu aber das freie überfüehre obrigkeitlicher Personen nachts wie tags. 1 Der Schifflohn oder Fuerlohn für das berufsmäßige fuere, die Fuer, mußte ein mäßiger sein.

Gasse in Twann (Bärelänti)

35 Solche Fuere vollzog von Twann nach der Insel die noch lebende Frau Zaugg mit ihrem Vater und dann mit ihrem Mann und schließlich noch als Witwe, bis die von Wind und Sonne fast geblendeten Augen ihr bloß noch das grämple mit Viktualien erlaubten. Die Ligerzer Fritz Begré (der Schwịtzer) und Schwander und der Twanner Louis Mürset (Maaluịị) bezogen in ihre regelmäßigen Nidauer­fahrten auch die Besuche des Chlạusermäärit (s. u.) ein zwecks Versorgung ihrer 36 Kunden mit Sëïli für d’Hụsmetzg. Die Schiffmanne Samuel Gutmann zu Vinelz, Abraham Simmen zu Erlach (1831), Wißeier (Gebrüder) in Vingelz fuhren mit ihrem Boteschiff allwöchentlich nach Neuenburg, wie Straßer in Ligerz Wein bis Aarwangen verschiffte. In Gerlafingen machten sich um 1840 bis 1880 die Brüder Dasen oder die Seebuebe: der See-Hans und der See-Peter einen Namen.

Die Schifferin Lilly (Lisette Bovet, † 1915), welche regelmäßig und besonders an Markttagen Leute und Waren von Môtier nach Murten ruderte, leitet über zum Fehr, Fährmann («Ferge»), der eine Fähre oder ein Fahr bedient. Das ist eine durch den Anruf «ü̦ü̦ü̦be̥e̥e̥r!» geforderte und durch «Jooo!» (oder einen Pfiiff) gewährte Kahnfahrt über einen Fluß. So bis vor kurzem über die Saane in der Golatenau. So noch 1554 (vor Erstellung der Brücke, s. u.) das Sant-Jhánse-Fahr. 2 So das Fahr Gottstatt-Schụ̈ụ̈re, seit 1894 als Lịịmmefahr (mit Drahtleine) und seit 1897 mit elektrischer Anrufklingel. Dieses Vergnügen, noch immer i der Fähre z’rịte, ist ein Ersatz der durch schändliche Intrigue verhinderten, so notwendigen Fahrbrügg. Eine Viertelstunde flußaufwärts bestund um 1783 auch das Schwadernaufahr nach Zihliwil, 3 wie seit 1899 ebenso weit das Fahr Safnere-Meieried. Als Lehen des Schlosses Nidau betrieb bis 1754 ein Pächter bis z’Ooben am achti im Winter und bis am nụ̈ụ̈ni im Sommer das Fahr Brügg-Ägerte n. Dafür zahlte ihm um 1666 jeder Bụụr jährlich es Määß Chorn un es Brot. Der Pächter bat nun aber, für’s chönne z’mache (um sein Auskommen zu finden), um die Bewilligung, vo mene ganze Bụụr 4 statt des einen zwäi Määß zu fordern. Der Rat gestattete «einige» Aufbesserung. 5

 
1   Taschb. 1901, 13.   2   RM. 18. März (119).   3  RBS. 117.   4  Der in jeder der drei Zelgen wenigstens 10 Jucharten besaß; der halb Bụụr besaß, weniger. ( Schwz. Id. 4, 1514.)   5   NB. 2, 211-255. (23. März 1666.)  
 

III.

Neben jenen berufsmäßigen Botenfahrten sah der See zur Zeit der See­butzen­land­wirtschaft zu seiner Rechten Lastfahrten besonderer Art. Da spedierten zumal die Twanner San͜d, Mụụrhäärt, Stäine, Schorete, B’schï̦tti hinüber und Ernten herüber. «In ein Schiff wurden gewöhnlich bis zweihundert Brenten B’schü̦tti oder drei Fuder Heu oder Emd geladen, was als eine Tagesarbeit von vier Personen berechnet ward. Prächtig war es anzusehen, wenn bei einer sanften Bu̦u̦rtle̥fbi̦i̦se (von Burgdorf her wehend, S. 3) bis acht solcher 37 hoch mit Heu beladener Schiffe den See hinauf segelten und die jugendlichen Schiffer einander von Wäidlig zu Wäidlig neckten und in der Fertigkeit des Segelns wetteiferten.» 1

Überführung des Inselweins nach Twann (Inselfuhr)

Anlaß zum Wettstreit i der Flinggi gaben aber auch min͜der g’fräiti Anlässe: wie vor einem halben Jahrhundert im Seeland, zumal im Amt Nidau, unheimlich zahlreiche Brände. Es war die Zeit, wo nicht wenige Besitzer von Gebäuden, die sie gerne los wurden, solche dem Staat verchauft häi, und wo Spritzen­mann­schaften jeweils fragten: Wenn solli mer ume choo? Oder: Solli mer grad d’Spritze doo loo? Gleich schü̦tzig (schnell bereit) wie für solchen Sarkasmus waren die Twanner für den Wettstreit um erste Hilfe auf der Brandstätte «trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang» des nächtlich erregten Sees. Der Triumph, in Lüscherz nicht bloß vor Tüscherz, sondern selbst vor dem kirchgenössigen und die Vorteile des ebenen Fahrweges benutzenden Vinelz d’s erste Wasser z’gää, erfreute sie weit mehr als die damit errungene Prämie der Du̦u̦ble (Dublone, Duplone, 23½ Franken). Denn die von drị̆ß’g aus erstem Schlaf geschreckten, 38 noch schla̦a̦fstu̦u̦rme Männern bediente Schöpfspritze in passend ausgesuchtem Wäidlig zu laden, über den See zu rudern, zum brennenden Haus ụụfez’stoße und erst noch mittelst der mitgeführten Äimer zu füllen (während die Sụụgspritze mittelst der einen und selben Pumparbeit Wasser sụụgt u gi bt) war ein schwieriges Werk. Darum nach dem steten Ruf: Pressieret! der um so freudigere Jubel: Mir mëge g’choo! Mir sị di Erste! Ähnliche Hilfe leisteten 1834 die Twanner zu Madretsch, zu Meinisberg, zu Siselen, zu Leuzigen. 2

Lust- und Lastfahrten in éinem brachten Määrittage wie die zu Twann (s. u.) und zu Biel. Da wimmelte der See von Ruderschiffen aller Art. Das war ein Wettlaufen der dicht gedrängten Kähne, aus denen das starke und das noch stärkere Geschlecht sich gegenseitig mit mehr gesalzenen als gewaschenen Witzen bombardierten. Neckereien und Trümpfe flogen hin und her, wenn nicht aus jugendlicher I̦bermïetigi und I̦bersïïnigi einfach äine dem an͜dere b’bäägget het.

Wettfahrten nöblerer Art, deren Erfolge sich in einen Rang oder eine Reihe stellen: eine alte rîha oder rîga, die daher venetianisch als regatta und seither als Regatte bezeichnet werden, fanden je und je auch auf dem Bielersee statt. Die Zeitungen verzeichneten z. B. solche vom 23. August 1885 und vom Jahr 1911.

Geistlichen Charakter trugen hinwieder die Fahrten, welche 1482 und 1483 die Bieler auf Twanner Schiffen zum Altar des hl. Erhard in Nidau unternahmen. 3

 
1  Albert Krebs.   2  Derselbe.   3   Taschb. 1963, 165.  
 

Dampfschiffahrt.

Wäit e̥r uf d’Insel? Bateau neuf. Bateau neuf! Männer und Wịịber und Jungbursche aus Ligerz riefen es vor Zeiten den Sonntags­wanderern aus Biel entgegen, die zu Fuß vom Tor des Jura hergepilgert kamen oder seit der Bahnfahrt dem linken Ufer noo (s. u.) nach der zuerst noch einzigen Station Twann sich hatten fahren lassen. Wäit er nid uf d’Insel? So rief es der Straße entlang bis zur Boome, ja zur Bru̦nnmï̦hli hin aus Kehlen von Sonntags­schiffern, die bei der Holzhütte, auf der Mauer sitzend, uf ene guete Schịgg g’waartet häi, wenn so n e ganze Trăbánt häärchoo isch.

«Wäit er öppḁ n u̦u̦berḁ?» Die zwei stattlichen und stämmigen Brüder Marolf fragten es an den Läntine zu Erlach und Neuenstadt 39 gemessen freundlich und mit standesbewußter Zurückhaltung, wenn ein Reisender offensichtlich zum abgelegenen alten Grafenstädtchen hin oder von demselben wieder weg strebte. Einheimische setzten sich, ohne solche Frage abzuwarten, einfach in den bereit liegenden Kahn und vertrauten sich, der See mochte brüelen oder schwịịge, den an alli Wätter Gewöhnten mit einer Selbst­verständlich­keit an, als könnte unter ihrer Führung keinem je «was Menschliches begegnen». U wenn’s fähle sött — erklärten sie einst zwei bei fürchterlichem Bärgluft nach Neuenstadt Hinüber­geruderten lächelnd — mier häi scho im stillen ụụsg’macht g’haa, wel che r von ụ̈ụ̈s der äint, u wele der an͜der uf e Rügge nähm u mit ihm üübere schwu̦mm.

So der Vater und der Oheim des Kaapi oder Chappi: des noch gegenwärtigen ersten Dampfschifführers zu einer Zeit, da die Eisenbahn Biel-Neuenburg die ersten Versuche regelmäßiger Dampfschiffkurse ab der Tagesordnung gesetzt und deren Fortsetzung noch nicht hatte aufkommen lassen.

Bereits 1826 sehen wir nämlich die bahnbrechende Erfindung eines Fulton dem Verkehr zwischen Neuestadt, Insel, Twann und Nidau dienstbar gemacht. Fị̈ị̈f Batze zahlte im Oktober besagten Jahres der Schaffner Wilhelm Irlet für die Fahrt Insel-Neuenstadt-Twann, und auch im Juli 1826 fuhr der Dämpfer nach Nidau. Es wird dank der nämlichen neuenburgischen Schiffahrts­gesellschaft geschehen sein, welche bis zum Betrieb des linksseeischen Schienenstranges (s. u.) den ganzen Wasserweg von Iferten bis Biel befuhr, die Jurapforte zu einem bedeutenden Hafenplatz erhob und auch den Läntine Neuenstadt, Ligerz, Twann, Tüscherz Leben brachte. 1

Der Eisenbahnbetrieb ließ nur noch einige kleinere Schleppdampfer mit Mühe ihre Existenz fristen; und zwar das frühere Postschiff «Industrie», de nn no däärwääg, daß daas in seinem schwachen Alter der Lokomotive als seinem Todfeind Hagnitu̦u̦rbe zueche g’schläipft het zu allerdings bald als unzureichend erkanntem Steinkohlenersatz. Das nämliche Schiff, der als «Eländer» verhöhnte «Seeländer», erlag um 1876 vor Hagneck einem Sturm, doch ohne Menschenleben und Güter mitzureißen.

Ein Halbdutzend Jahre zuvor betrieb eine Gesellschaft mit dem halbgroßen Schrụụbedampferli «Schwalbe» dur d’Wuche du̦u̦r Steinschleppdienste und a de Sunntige Lustfahrten nach der 40 Insel, indes die «Caprice» ihr Glück im Fahrdienst Erlach-Neuenstadt versuchte. Kurz wie deren Laufbahn, war die des hübschen, kleinen «Neptun», der an jenem fürchterlichen 25. Juli 1880 (vgl. Ins 65) mit 17 sonntäglichen Fahrgästen dem Bärgluft zum Opfer fiel. Während der nun folgenden sieben Jahre konkurrierte bloß ein Neuenburger Dämpfer mit den Ruderbooten, Schaluppen und Barken, welche der Insel Gäste zuführten.

Da kam der 30. Januar 1887. Es war der Geburtstag der Dampf­boot­gesellschaft, welche noch am 1. Juli desselben Jahres das kleine, ohne Kajüte gebaute Dampferli «Union» in Betrieb setzte. Sitz der Gesellschaft war und ist Erlach, wo der Notar und Rechtsagent Witz sich auch für die Förderung des weltfernen Städtchens ins Zeug legte. (Vgl. Ins 174 ff.) Die mit der «Union» ausgeführten Querfahrten Neuenstadt-Erlach häi (allzu starke Eisbildung abgerechnet, S. 9 f.) si̦der nie ụụfg’höört. Im Gegenteil erhielt das Schrụụbe­dampferli bereits 1889 Zuzug in einem gleich gebauten Schiff, das aber statt 70 nünz’g Personen faßt und in der Ggä̆bine oder Kaihütte (Kajüte) Wetterschutz bietet. Es ist der «Jean Jacques Rousseau», wohl auch kosend als d’s Rụ̆́ssooli bezeichnet. Als dritte Hilfskraft wurde 1911, ein Jahr nach dem Beitrag von Fr. 6000 durch die Herbstg’mäin Twann, das kleine Motorboot ( Motórli) «Jolimont» eingestellt, welches, ebenfalls mit einer Kajüte, 60 Personen Platz gewährt. So konnten nun ohne Ụụfwand, d. h, Störung 2 selbst in der Not der Kriegsjahre zur Winterszeit täglich zehn Fahrten hin und rétụụr ausgeführt werden. Im Hochsommer steigt die Zahl auf drịzääche, und es schließen sich an diese Querfahrten täglich vier Weiterfahrten nach der Insel.

An no̥ Zää chni (1910) wurden die ersten Längsfahrten auf dem Bielersee gewagt, konkurrenziert allerdings von den neu aufgenommenen Neuenburger­fahrten Iferten-Biel bei nicht zu hohem Wasserstand, der ein dụụrfahre un͜der der Sant-Jhanse-Brü̦gg du̦u̦r verunmöglicht. Zum Zwecke solcher Längsfahrten wurde der Raddampfer « Cygne» vom Genfersee ( Jänfersee, Jämfersee) her nach Zürich befördert und dort als der Halbsalondampfer «Stadt Biel» umgebaut, am 12. Mai 1911 eingeweiht und am 14. in Betrieb gesetzt. Diese und der gleichzeitig von Stapel gelassene «Jolimont» (s. u.) häi ihri Sach ḁ lsó brav g’macht, daß die Gesellschaft 1913 wagen durfte, vom Genfersee sich auch den Raddampfer «Wilhelm Tell» zu verschreiben 41 und als den Halbsalondampfer «Berna» die flotte Flotille ausbauen zu lassen. Die «Berna» faßt 550 Personen, wie die «Stadt Biel» deren 300, und entfaltet eine Kraft von 300 Pfärd, wie letztere deren 160. Damit wurde ermöglicht, den hochsommerlichen Fahrplan mit dem Maximum von fünf sonntäglichen Hin- und Herfahrten Biel und Erlach auszustatten, mit Anhalt an allen den S. 33 genannten Stationen, bloß mit dem Tausch von Tüscherz an die neue Länti Alfermé. Verlegt wurde auch die Länti Ligerz und an gleicher Stelle erneuert die von Twann. Neu trat hinzu als sonntägliche Station die von Hagneck (Hagni).

Dieses Querfahrtstück Hagneck-Insel (von der letztern südlicher Länti aus) läßt sich denken als Fortsetzung der Querfahrt Ligerz-Insel (nach deren nördlicher Länti) und damit als eine Art Parallele zu Erlach-Neïe̥tstadt. Damit legt sich unter drei Schiffsführern über den Bielersee ein großmaschiges Betriebsnetz, welches sich an die drei Viertel des heute vollendeten eisernen Halsringes der Eisenbahn knüpft. Es wiederholt sich damit in etwas vergrößertem Maßstab das an die Broyetalbahn sich knüpfende Stationsgeflecht des Murtensees mit den Läntine Murten, Praz, Môtier, Faoug (Pfauen), Vallamand, Murten. Der Strang der Broye- ( Bru̦ije-) Fahrten verbindet dasselbe mit dem Betriebsnetz des Neuenburgersees.

Die Längsfahrten auf dem Bielersee aber scheinen sich auswachsen zu wollen zu einem Stück westschweizerischer, ja internationaler Wasserfahrt. Die Zukunft wiederholt auch in diesem Fall in größerem Maßstab und mit größern Mitteln ein Stück Vergangenheit.

Schon zu sehr alter Zeit wurde das begehrte Langholz der Jurawälder bis nach den Niederlanden verschifft und durch den Bielersee statt obenum über das heutige Landron oder un͜derum über Biel geleitet. Der die Transporte leitende praefectus barcariorum wohnte in Eburodunum: dem nämlichen Iferte, von welchem aus eine Neuenburger Gesellschaft ( S. 28) längst die drei Juraseen samt der Zihl und der Broye sowohl in Waren- als in Personen­transporten durchfährt, ohne aber in illoyaler Konkurrenz mit Biel-Erlach die Zwischenstationen zu bedienen. Ist nun einmal auch der Kanal von Entreroches, der von 1640 bis 1830 den Genfer- mit dem Neuenburgersee verbunden hat, erneuert, so ist damit die Rhone-Rhein-Schiffahrt ermöglicht und wird dem Kurs Yferten-Biel-Koblenz-Bodensee, wenn nicht sogar Basel-Bremen angegliedert. Die geniale Idee eines Dr. Schneider-La Ricca (vgl. Ins 136), welcher allerdings bereits um 1718 mit den Fahrten Nidau-Bern 3 stückweise vorgearbeitet war, wird damit großzügig erneuert werden.

42 So nach den Ausführungen des Bieler Stadtbaumeisters Huser als Präsidenten der bernischen Sektion des Rhone-Rhein-Schiffahrts­verbandes. Die Bru̦ije zwischen Murten- und Neuenburgersee, die Zi̦hl zwischen Neuenburger- und Bielersee, d’Aare zwischen Biel und Solothurn kommen dabei als natürliche Schiffswege in Betracht, wie als künstliche die Aare zwischen Bieler- und Brienzersee, sowie zwischen Solothurn und Koblenz. Für Schiffahrt, Industrie und Landwirtschaft fällt im Seeland ins Gewicht der Ausgleich zwischen der Aare einerseits, den drei Juraseen anderseits. Durch Ausnützung der letztern als Akkumulier­becken wird der Wasserstand reguliert und in den Flüssen die nötige Fahrwassertiefe hergestellt, wird die Hochwasserzeit verringert und die Dauer der Schiffahrt verlängert. 4

Mit diesem Werk steht in Verbindung das fertig­kor rigiere der Juragewässer. Die erste Periode dieses großen Unternehmens ( Ins 73 bis 146) bewirkte eine enorme Senkung des Seespiegels und Moosbodens. Die unerhörte Tröchcheni des Winterhalbjahres 1920/1921 legte Pfahlbauten bloß und schädigte Uferverbauungen. Die Föhn­schnee­schmelze füllte sodann derart den Bieler- vor dem Neuenburgersee, daß die Zi̦hl, wie 1885, rückwärts, also «obsig» in den letztern floß. Der Moosboden aber hat auch bei gewöhnlichem Wasserstand dermaßen si ch g’setzt, daß er mehrfach überschwemmt, in seinen Kulturen geschädigt und seiner Pflanzen­nähr­kräfte beraubt (ụụsg’schwemmt) wurde und wird. Unerläßlich ist daher: 5 Ausbaggerung der untern Broye und der untern Zi̦hl, Änderung der Nidauer Schleuse, Erweiterung des Nidau-Büre-Karnal, Aare-Korrektion Meyenried-Attisholz. So kommen insgemein auf ihre Rechnung der Flueg, der Chraftdroht und der Dämpfer — der letztere mit Recht den Namen tragend, bis den Dampfkessel der Akkumulator, di schwarzi di wịßi Chohle ersetzt.

 
1  Vgl. den Bericht des engern Ausschusses für neue «Dampfschiffahrt auf dem Bielersee» an die Mitglieder des Initiativkomitees. (Biel, Andres und Kradolfer, 1910), sowie Geschäftsberichte. Dazu die gütige Orientierung durch Herrn Finanzdirektor Türler in Biel.   2  Die sonderbar erscheinende Deutung wird durch «Auf»-schub und Vor-«wand» vermittelt.   3   NB. 2, 257.   4   Inschinö́r Peter im «Bund».   5  Nach Ingenieur Deluz.  
 


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