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In genauer Zeitabgrenzung läßt unsere Sprache den Wein durch den Augste chochche, durch den Herbstmonḁt bra̦a̦te, durch den Wịịmonḁt zịtige. So bestimmt konnte das alte Deutsch nicht reden. Ihm war unser Wịịmonḁt (Oktober) der «Weinlesemonat»: windumemânôt, windemânôt (aus lat. vin-dēmnia, 1 vendange, die ostschweizerisch-alemannische Wi̦mme̥te, der Wï̦mmet, Wü̦mmet). 2 Er konnte aber in den mittelalterlichen herbest-mânôt hineinfallen, der eine Zeitlang alle Monate vom September bis zum Dezember umfaßte, und mußte später mit ihm zusammenfallen, da der «Herbstmonat» unsern Oktober bedeutete. 3 Dieser letztere alte Sinn stimmt denn auch zu dem des Wortes Herb-st als Zeit des «Pflückens» ( carp-ĕre), 4 im Weinland speziell als Zeit der Weinlese, des Lääset, wohl mit Hilfe der Herbstschääri.
Noch herbstet man hier, spricht vom hụ̈ụ̈rige und fäärnderige Herbst, von der Zeit vor und na ch Herbst, vom vollendeten (1795) und «vorhandenen» Herbst (1591), den der Rebmann no voorständs het, der auf den und den Tag fallt und an diesem Tage dịnnen ist. Dann ist der «Rechtte» (1533) oder «vollkommene Herbst» (1533) da, an welchem die grundherrlichen Wịịzinse entrichtet werden vom Herbst als Weinertrag, als Herbstraub, Raub, wie das Herbstbüechli oder Herbströdeli ihn verzeichnet. Verkäufe von Reben mit sannt dem Raub (Tw., Li.) oder Herbst (um Erl.) sind eine gewöhnliche Veräußerungsart.
358 Tatsächlich decken sich der heutige Wịịmonḁt und der ehemalige Herbstmonḁt als der Oktober und damit als der Weinlesemonat in der Regel. Im Jahr 1825 wurde erst am 25. Oktober mit läsen aagfange; 1805 am 24.; 1481, 1743, 1785 am 21.; 1809 am 20.; 1783 schon am 2., weil die Trauben faulten. So geht es z’ruck in den September hinein: den 29. (im Jahr 1774), den 26. (1761), 25. (1807), 24. (1781). Auch in dem berühmten Weinjahr 1811 begann man den Leset zu Twann am 26., zu Ligerz am 25., zu Neuenstadt am 24. September, wie an letzterm Tag 1921 am See überhaupt. Ja, 1806 fing man am 10. an. Auch vom Jahr 1778 hieß es: Der Herbst überschleicht jedermann so, daß er bereits am 25. September beginnen muß. 5 Daran war das frühe rịịffe (rị̆ffe) selbst der ganz spa̦a̦tlochtige Trauben d’Schuld. Allein auch das «Leserfieber» kann, wie 1827, «auf einmal in die Leute fahren» 6 — sie chönne’s fast nid erwarte, bis e̥s ihm rü̦ckt — so daß sie gar noch g’mischleti Trụ̈ụbel (reife und unreife) abrụpfe. Das geschah z. B. am 24. August 1779 zu Twann. Und wenigstens zu Ligerz, erklärt die Rebgesellschaft, 7 hätte man in dem ebenfalls berühmten Weinjahr 1834 mit dem Leset besser noch einige Tage gewartet, da die Trauben an Güeti und Vi̦li noch gewonnen hätten. Vollends «als Anno Elf gekeltert war», beichtete Rückerts weinender Trinker in herzbrechender Reue, was er z’gränne häig:
Daß wir zu früh gekeltert han,
Deß wein ich armer alter Mann.
(Nun, der wußte doch, was er oben abe g’schüttet het.)
Selten finden wir verzeichnet, wenn (wann) mḁn isch fértig worte z’lääse. In Mißjahren heißt es auch hier: chu̦u̦rzi Hoor sị glịị ch bbü̦ü̦rstet. Sehr ergiebige Weinjahre dagegen können oder konnten doch auch bei Anstellung eines großen Leservolks bis drei Wụche dụụre. Und das gibt bei den Launen des Wetters e stränge Herbst! Denken wir an die Hitze und Wespenplage eines Leset, der in extremen Jahren wie 1637 am 29. August zu Aarberg Most 8 und 1610 am 7. September guet verjäsne Wịị 9 zu trinken erlaubte. Denken wir umgekehrt an den 1. November 1860 und 1899 und ähnliche Lesertage, wo mḁ z’erst der Schnee mueß ab de Stöck schüttle, um zu den Trauben zu gelangen. Da tschụụderet’s äi’m (einen)! Da möcht mḁ äberhụtigi Tu̦lpi- oder Tolpihändsche ch (bloß 359 für den Daumen gefingert) aalegge wi für i’ n Wald, oder doch Fingerhändsche, wenn sie auch schließlich als Halbhändsche die vordern Fingergelenke frei geben, verbunden mit Händschli oder Mịtli ( mitaines).
Danach gestalten sich auch die Vor- und Nachspiele des eigentlichen Läset. Jedenfalls lịst mḁ gäng z’erst d’s Roote, weil das meh im Abgang isch (eher fault). Früher (bis um 1890) gab es um Ins auch mit Lesefreiheit bedachte Vorräbe mit etwas früechere Trụ̈ụ̈bel. Ihr voor ewä́gg genommenes Lesen wird nun bloß ersetzt durch die Vorlese, Auslese, den Ausbruch oder das brächche, vor dem Leset unternommenes, alles aarüehre mit de Hän͜d vermeidendes Auswählen und Pflücken besonders schöner und ausgereifter Chlepfer ( S. 287), sowie anderer Brächtrụ̈ụ̈bel als Geschenke, Tafeltrauben oder Määrittrụ̈ụ̈bel. Solches voor ewä́gg lääse entbindet aber die Rebhüter ( S. 352 f.) aller fernern verantwortlichen Aufsicht über das abgesuchte Stück.
Näh, was über blịbt, d. h. was die Leserleute nid häi welle oder chönne fin͜de, heißt rapple ( grapiller, S. 277). Fleißige Rappler bringen mitunter eine ganz ansehnliche Rapplete heim — beträchtlicher sogar als der eigentliche Leset von g’fählte Johr in dem zu Lüscherz humoristisch als Rappetaal bezeichnten Rebberg. Frühere Zeiten gestatteten solche Nachlese als Gegenstück zum Ährenlesen im Getreidefeld. Da es aber zumal in städtischer Nähe zu einem zügellosen schnạuse oder schlü̦ü̦rme (Lü.), zu einer Schädigung von Stöcken und Mauern u. dgl. führt, ist nun alles rapple in fremden Weinbergen vo G’mäins ’twäge verboten.
1
Vinum d-ēmere: Wein weg-nehmen.
2
Patoisformen:
Gign. 26:
Bridel 404.
3
Die verwickelte Bedeutungsgeschichte siehe im
mhd. WB. 2, 2, 55 ff.
4
Walde 134;
M-L. 1711 f.;
Kluge 205 .
5
Irlet.
6
Ebd.
7
Am 11. August 1835.
8
Forer.
9
Taschb. 1900, 277.
Und wie nun vollzieht sich die Traubenlese? Vor allem durch möglichst viele Läserlụ̈t. Denn bei der Ernte und Verarbeitung der Trauben größerer Rebgüter mueß es goo, wi d’Redli vo mene Zịt in enand grịffe. Das ist auch eine prächtige Gelegenheit für Schulkinder, nach Art der Heftermäitli ( S. 323) e Batze z’verdiene: es Taglöhnli vo äim bis zu zwäine Fränkli (wie um 1820 von 3½ bis 8 Batzen) oder im Akkord es Feufi (Fụ̈ụ̈fi) für 4 Liter oder es Fränkli vom Züber voll, in schlechten Jahren: vom Manne̥rt, geschnittener Trauben.
360 Namentlich Läsermäitli stellen sich aus dem ganzen weinlosen Seeland ein; heute auch ab em Dessebärg, dessen frühere Bewohner bloß für z’bättle si ch zuechegloo häi.
Die Läserlụ̈t bewaffneten sich vormals im vorụụs selber mit Schäärine oder ( Rä b-) Mu̦tze für die zääche oder zääje Elsäßertraubenstiele; lieber nun doch mit handfesten hạuige Mässer. Ụụsg’lachet wird, wer einen schlechten Hegel, sogar eine Gịịge mitbringt, die (wie der Fidelbogen hin- und herfahrend) bloß săgt (Erl.: sa̦gt) statt mit einem Hieb zu schneiden. (Es schlächts Mässer hạut nu̦mme, was es g’seht.) In den Jolimontgegenden werden die Trauben stets mit dem Dụụmmenagel abg’chlemmt.
Die Läser-G’schi̦i̦rnli (Ins) fü̦r drịị z’läse: d’s Läserchü̦beli oder -zü̦berli oder Chesseli finden die Wịtere (von ferne Gekommenen) am Ort; die vom Ort sälber bringen sie mit.
Und die letztern, namentlich Schuelmäitli und Schuelbuebe, werden natürlich doch z’erst aag’stellt. Man stellt sie unter die Führung einer längst bekannten und vertrauten Person aus Erwachsenen, die ebenfalls recht (in Ins: verfluecht oder gottsjämmerlich) 1 gern hälffe lääse. 2 Solche Führung ist ganz e Pflicht: sie ist f rịị, f rei, f rei e chlịị (Erl.: frei e chläi) schwer. Gilt es doch, Oornig z’haa, ohne den Kleinen d’Fräüd z’verdeerbbe. Die sị jo scho langisch ụụf’gu̦mpet und um enan͜dere (Tw.: um enand) g’rennt wi nid g’schịịd u häi das Ku̦nzärt aag’stimmt: Hụ̆derịịị! am Määntig duet mḁ lääse!
Äntlige un äntlige chunnt der Määntig ḁ’ m Moorge. Mi züntet d’s Liecht aa, stäit ụụf u läit se̥ch aa, aber dick! Mi wäiß, wḁrum. Mi zwängt öppḁs wenigs z’Moorge zue n ĭhm (sich), p’hackt sịni Sache z’säme u luegt, obb (Erl.: gobb) ämmel de nn d’s Zwänzgi (Zwanzigrappenstück) no gäng im Naselu̦mpe ịịg’chnü̦pft (ịịg’lịịret) sịịg. (Ins.) De nn nimmt mḁ d’Tü̦ü̦rfalle (Tw.: der Schlängge) 361 i d’Hand, säit ắdie̥ uṇ gäit — zum Räbheer? De nn wohl! Aber z’erst jetze zur Chräämmeri, sịg es d’Salzdante oder sü̦sch äini. Do zieht mḁ d’s Naselümpli fü̦ü̦re u nimbt das Zwänzgi us em Chnopf u säit, mi well — Schŏ́ggelaa? oder Tääfeli? Wa̦rum nid gar! a me̥ne Lääset? Do chạuffe doch Buebe, o ch wenn ’ne sụsch söttigs großhanse nie i’n Sinn chunnt, es häärtigs Pfịffli fe̥r n es Fụ̈ụ̈fi (Ins und Tü.: Feufi) un es P’häckli Tụ̆́back (Tw.: Tụbáck) fe̥r n es Zäächni (Tw.: Zääni), gwohnlich Bŭ̦́rụß, Bụ̈ụ̈s oder Mắriland ( Maryland), u mit dem letz̆te Feufi es Druckli Zü̦ndhölzli, we nn mḁ die nid da̦häime g’stịbịtzt het. So cha mḁ mit rüeijigem G’wü̦sse si ch zu n ere G’chu̦ppele Buebe g’selle, wo zi̦mlich sicher im glịịche Rŭ̦́nzi̦vall sịị. 3
Jetz chöömme (Tw.: chämme) us de Hụ̈ụ̈ser vo de Räbheere d’Ụụfseeijer (Tw.: Ụụfsäher) u täile di Lụ̈tli ịị. Die näh z’sämen e Joon (Arbeitsstreifen, wie auch zum hacke, hefte usw.) vo zwo Rángscheie ( rangées, in Tw.: Reie). Bloß bi G’hü̦ü̦rschräbe (Ins, vgl. S. 307) cha de nn daas es drịị u drụụs gää: es dri̦nn umme väspere (fi̦spere). 4
Aber g’su̦u̦chet (sähet) dier jetz nụmme, wi di Lụ̈t das Zụ̈ụ̈g aap’hacke! Bi der Räben aachoo, 5 wirt sófort die Doornvermachig wägg’risse oder d’s Dü̦ü̦rli gläitig ụụftoo; u wi uf ene Festung, wo z’erstü̦ü̦rmen isch, gäit di tapferi Schaar los.
Äi Stock um der an͜der wird ergrịffe. Der li̦ngg (neu Tw.: link) Aarm wird vo voor um ĭhn g’schlage, u mit dem lingge Chnäü het mḁn e̥m vo hin͜der in Eegi. Mit dem rächte Fueß verstellt mḁn im Bode. I der rächte Han͜d häi si̦ d’s Mässer u trönne (trönni 6 ) dem arme Bu̦u̦rsch Gli̦i̦d um Gli̦i̦d abb, biß er ganz blu̦tt isch.
Jetz strecke si e chlei ihres Chrụ̈tz. Si g’seh dḁrbịị, wi d’s G’schi̦i̦rnli si ch foot aafoo 7 (Erl.: sich aafoot) fü̦lle, un der G’lust isch da̦a̦. Si mache’s nid wi di Große, wo in allem läse vo jedem Trụ̈ụ̈bel d’s schönste Beeri bi̦cke. Äine um der an͜der steckt d’s Mässer in e 362 Räbstickel u langet i d’s Chü̦ü̦bli oder was es isch un äßt un äßt (Tw.: ịßt un ịßt), 8 bi̦ß 9 er fast b’blääit isch. (In italienischen Weinrevieren bekommen wenigstens die Leserinnen Mụlchrätte vorgebunden.) 10 De nn wirt wi̦der g’lääse u wi̦der d’s Mụụl u der Bụụch g’füllt. De nn lange d’Buebe i d’Täsche, zieh d’Pfịffli fü̦ü̦re, fü̦llen ịị, zü̦nten aa u rạuke wi d’Rịịnbuebe 11 (in Tw.: wi d’Tï̦ï̦rgge), bis afange der B’ringst (der Schwächlichste) ’s nü̦me het (aushält). Er wirt chrịịdewị̆ß un wirt öppḁ de nn dem Ueli rüeffe. 12 Mi macht ’nḁ de nn z’rapple (um Chur: «zsüechle»); de nn chan n er de nn öppḁ n i mene stillen Eggeli sịner (Tw.: sịni) Scheßte (« gestes») mache.
Äi ns wü̦ssen o scho di junge Lüt: daß mḁ nid im Tau soll Trụ̈ụ̈bel ässe. Sü̦st gi bt’s Bụụchweh, öppis grụ̈ụ̈sligs. U das s mḁ käini unb’rägneten ißt, ohni si brav z’schwänke ( S. 341), wäiß mḁn oo. (Schon eine Zwischenmahlzeit mit ungewaschenen Händen in den frisch g’spri̦tzte Räbe brachte einer Frau nach zwei Tagen den Tod.)
1
Ein im
flueche (vgl.
Ins 560) so bewanderter Ort hat eine Reihe Ausdrücke, die anderwärts auch im Bernerland als sehr starke Kraftwörter gelten, zu Synonymen mit «sehr» (das ja selber einst «wund» und «krank» bedeutete) abflauen lassen.
2
Das folgende nach Lehrer
Anker aus Ins. Die Mundart ist hier, der Sachlage entsprechend, ein Kompromiß mit dem modernen Twannerisch. Echtes Twannerisch siehe dagegen z. B.
S. 115 ff.
3
Im gleichen «Fall» (Ins). In Tw. aber bedeutet das Wort humoristisch einen Rückfall irgend welcher Art. So weit ging hier die Verflachung der ergreifenden Tragödie von Rolands Niederlage und Tod (778) im Tal Ronceval (
Roncevaux) in den Pyrenäen. (Vgl.
schwz. Id. 6, 1167.)
4
Vgl. z. B.
schwz. Id. nach 1140 den ordnungslosen Lärm der
Metti (Frühmesse,
matutina) als Gegenstück zur Vesper (Abendmesse — besonders der sizilianischen von 1282).
5
Arrivé à la vigne (Ablativus absolutus).
6
Bemerke die Satzassimilation hä
i und trönn
i (statt trönn
e).
7
Einstülpung wie
du̦ geit er du̦ ga-gḁ säge...
8
Das neutral statt faktitiv gedeutete
æßen mit (ich)
iße aß âßen (
mhd. Wb. 1, 759. 761) vermischt wie hangen mit hängen, verdärbe mit verderben u. dgl. Vgl.
Ins 419.
9
Mhd.
bi ze.
10
«Anz. v. Saanen» 1885.
11
Drollige Verallgemeinerung (vgl. tubacke
wi ne Stier u. dgl.) des im Fluchen, Saufen u. dgl. sich übernehmenden Flößers (
schwz. Id. 4, 939).
12
Lf. 471.
Aber mueß de nn o grad alls i de Räbe g’ässe sịị? Ißt mḁ d’s Obs (Erl.: Obst) o alls ab de Bäum? Nääi, die tued mḁn uf d’Hu̦u̦rd, für das s mḁn im Winter ó het. Wa̦rum de nn d’Trụ̈ụ̈bel nid? «Die b’häigi si ch ni̦i̦d?» Frịịli, die b’häi si ch u blịịbe no im Mäien u̦sse fast so frisch wi am Stock, wenn si̦ ämmel i der Tröchcheni g’wachse sịị. Mi mueß si nu̦mme i der Chüeeli verchehrt, der Sti̦i̦l nach u̦nte, ụụfhänke u mache, daß si nid g’frụ̈ụ̈re, u si de nn (zwecks Ausscheidung der aaggri̦ffnige) gäng erläse (sondiere, d. i. sortieren), 1 u mache, daß sị enand nid aarüehre. Di Alte häi si i Wasser g’läit, wo sụbere Lätt ohni San͜d drin isch verrüehrt gsi̦i̦; de nn häi sĭ̦ si̦ uf eme Lade tröchnet un 363 in es Faß gläit. Oder si häi öppis Räblaub dḁrmit g’schnitte u d’Beeri i Wachs ’tunkt. 2 E söttige Wachsüberzug häi si̦ jo scho vo Natur; das isch ihres Tạu, wo ma frịịli liecht cha abwüsche.
Das häi di alte Wịịheeren o gwüßt, wo häi Strạuwịị 3 g’macht. Si häi Trụ̈ụ̈bel u̦f Heu oder Strạu (Stroh) g’läit, daß käine der an͜der aag’rüehrt het. So ṣịi die blịịbe li̦gge bis im Horner oder Meerze. Erst denn het mḁ si z’erst g’rappiert (der Kämme entledigt) oder g’stru̦pft (daher auch der Name Stru̦pfwịị), u de nn trüelet. Das het weeneli, weeneli Wịị g’gää, aber starche! Mi cha dänke, wi do d’s Wasser fast alls verdampfet (verdunstet) gsị isch. 4 Aus solchen, von Herbst bis Weihnacht auf Stroh gelegenen und alsdann mit Leintüchern ausgepreßten Trauben wurde um 1829 in der Mittelwalliser Gemeinde Savièse Malwasier g’macht. 5
Der Irlet z’Twann het a der Bärner Ụụsstellig 1914 söttige Wịị vo 1746 ụụsgstellt. Mi sött mäine, dää wäär luem u faad gsi̦i̦, wi gstan͜dnigs Wasser. Aber u̦haa! Das isch z’trinke gsi̦i̦ wi Malwasier, aber starch wi n e Schnapswịị.
Di Bärner, wo albe vo Schu̦gg här ganzi Trụ̈ụ̈belwäge voll vo dene süeße Frücht häi ’berchoo, wenn si der Schu̦ggerheer ( S. 210 f.) e chläi vorhär i rächt schöne Brieffli g’frogt g’ha häi, wi ’s ihm de nn äigetlich o gang, häi di Trụ̈ụ̈bel o nid alli i äi’m Tag möge. U der Landvogt vo Nidau die Trụ̈ụ̈belchöörb voll o nid, wo n ihm zum Bịịspi̦i̦l 1790 der Schaffner Irlet «durch den ordinäri Trụ̈ụ̈beltreeger Wilhälm Ruedi» (Wilhelm Küfer von Gerlafingen) het la̦ zuechoo.
Wohl z’brụụche wußte sicherlich seinen Herbstraub auch der Meyer und Eigenmann Ruedi vo Ligerz, der von den Freiherren von Ligerz ( S. 196) 1404 das Recht erworben hatte, in gewissen Weinbergen allherbstlich nị̈ị̈n Chëërb voll Trị̈ị̈bel zu brechen. 6
Alle diese Traubenesser gewahrten und bewährten an sich die Gesundheitsförderung, welche das herrliche Edelobst bringt: den hohen Gehalt 364 an Nährsalzen und nährendem Traubenzucker, an erfrischenden Fruchtsäften, an nervenstärkenden Beigaben von Kalk und Kali, Natron und Phosphor! Mit Taten statt Worten kämpfende Alkoholgegner täten ein gutes Werk, wenn sie Wịịbụ̈ụ̈rline, denen es si fast nit der wärt ist, ihre Traubenernte in Wein zu wandeln, die letztere preiswürdig abchiefe und um wenig Geld in Armen- und Krankenstuben lieferten.
1
Das prüfende
sub-undare (untertauchen),
sonder (die Sonde = Senknadel einführen) wird umgedeutet als «aussondern» nach Sorten (frz.
sortes).
2
Columella. 12, 43.
3
Ins 513, wo falsch als «Strohflaschenwein» gedeutet. Vgl. dagegen Frey, Jungfer v. Wattenwyl 386.
4
Daher sp.
vino seco, frz.
vin sec, holl.
sec, Sekt als Trockenwein. Vgl.
Kluge 424.
5
Alpenrosen 1829, 319.
6
Grunau 15, 200.
Als en alti Regel het g’gu̦lte: Bim läsen ässe, aber nụ̈ụ̈t mit äi’m (sich) fu̦rtnäh. 1 Aber wenn’s o mit dem ässe d’Chin͜d e chläi z’guet mache, so säit der Ụụfsäher öppḁ: La̦ ß g’seh, Bü̦ü̦rsteli, singet äis! Natürlich: wen n öppis zum Mụụl uus gäit, gäit nụ̈ụ̈t drịị, un umg’chehrt.
U söttigs singe isch doch o hundert Mool besser, weder — was die Chlịịnne gar nid sötti g’chööre! — uf d’ Tätschwịịberart z’tätsche u z’pralatzge u d’Mụ̈ụ̈ler (d’Gfrääser, d’Lafeete) z’füehre u d’Lụ̈t z’verhandle un ihri Sache z’verlaafere un es G’chnätsch drü̦ber aaz’stelle. Das macht e Seeländerläset zu n eren Ämmetaalerbrächete. 2 Es isch nu̦mme guet, daß d’Neuigkäite schangschiere un daß es nid so lang gäit, biß wider en an͜deri Glogge lụ̈tet un en an͜dere n Esel mit no lengeren Ohre dur d’s Dorf chu̦nnt.
Zum Glück gi bt’s für di Mụ̈ụ̈ler un di Mụ̈ụ̈li no n es an͜ders «ụụsmache»: es ụụsässe (leer essen) vom Täller wi albe̥z früecher o im Seeland vom G’schi̦i̦rn, wo n e ganzi chlịịni Tischete (s̆s̆) g’mäinsam drus het g’ässe. Mi het hie o der Brụụch g’haa, u̦s der glịịche häärtige Schü̦ßle (Erl.: Tä̆r rịịne), Suppen u G’mües u Brei u Milch mit ịịsige runde Löffle z’löffle. 3 I Zinkblatte het ma d’s Fläisch ụụfträit, i Zinkschü̦ßle d’s Vorässe ( ragoût); u de het en iedere ụụseg’noo uf sịs Zinktäller mit dem schön kramänzlete Rand. Jez ’berchu̦nnt es n ieders sis äigete wịße häärtige Täller für d’s ganze — rächt guete — z’Midaag mit Läsetwịị (Herbstwịị), we nn mḁ na̦a̦ch bim Hụụs li̦s’t un e Räbe fertig het oder e Mụụr (Tw.: e Mụụre: ein unten und oben von Mauern eingefaßtes Stück). Li̦s’t mḁn e chläi wịter dänne, aber doch ḁ lsó na̦a̦ch, daß mḁ d’s z’Midaag cha warm’s häre draage, so gi bt’s Böhneli, u de nn nid nu̦mme d’s Bödeli verdeckt! u g’schwelltni (gesottene) 365 Härdöpfel (Ins: Hördöpfel) u Chääs. No n es chü̦ü̦rzers z’Midaag: Chääs u Brot u Wịị nimmt mḁ sälber mit äi’m, we nn mḁn e Stun͜d wịt oder no wịter gäit go läse. Das isch de nn glịịch wi für d’s z’Im biß: ’s z’Nüüni u ’s z’Vieri. Aber item: we nn mḁn ohni Brotcharte wi z’Wältchriegszite e feermi Jante Brot tarf abhaue, ma g mḁ ’s ó erlịịde bis zum z’Nacht. Für daas mueß de nn der (männliche oder weibliche) Chu̦chimu̦tz oder Schü̦ttstäig’sell si ch scho meh rüehre. Do mueß wär wäiß wi vill Milch erwallet wärte — we nn mḁ si̦ het! — un wi vil Gaffee im Haafe (i der früechere Dreibäichanne) 4 aag’schü̦ttet, für z’erst aafḁ di g’weermte (mit Schmalz aufgewärmten) Bi̦tzli (Kartoffelstücke) oder — i der gueten alte Zit ohni Fettcharte — d’Rüebli mit Späckbröcheli (-möckli) aaz’füechte. Der Späck- oder Chü̦michueche am Läsetma̦hl no Herbst wird de nn ehnder mit Wịị abeg’schwänkt (hinuntergespült). — (Vgl. le ressat, reça [aus receptum] der Welschen.) 5
1
Vgl. 5. Mos. 23, 25 f.
2
Lf. 365.
3
Lf. 329;
Bridel 328.
4
Lf. 321.
5
Favre;
Gign. 33.
Öppḁ n u̦f vier Läserlüt chunnt e Bräntetreeger. U wenns dem Räbheer guet gäit, häi die böös! G’sehsch de̥, wi die chụ̈ụ̈che (Erl.: chịịche) u schwäänle! (Ins. Wie ein Schwan den Hals strecken, um Hals und Brust frei zu bekommen.) Si müeße grụ̈ụ̈sli Sorg haa, für uf dene schmale Stägli, wo no’m Räge un erst rächt bi langer Tröcheni ganz g’schli̦i̦ferig sịị, nid ụụsz’rü̦tsche. Drum waggele si̦ mit langsamme Schritte dḁrhär, we nn’s nó so ti̦figi Manne sịị; u das prächtige Bụ̆ggee ( bouquet) vo Blueme, wo öppḁ n e «Jemandin» g’stiftet het, stimmt nid gäng mit dem G’müet vo däm ’ploogete (Erl.: ’bloggte) Treeger. Dää hässelet öppḁ n äinisch oder an͜derisch: I cha doch nid alls im Schnụpp näh! Lööt mi um der tụụsig Gotts 1 wille e chläi verschnụppe! Aber wen n er de nn di rụụchi Sị̆te gnue ụụseg’chehrt het, isch er de nn ó wider guet z’Gäggels u jụchzget (jụzget, jụtzet) äis, wen n er lạuft, fü̦r äis Chü̦beli um d’s an͜dre i d’Bränte 2 z’lääre.
366 Dieses aus Holz gebaute vierz’g- oder jetzt fü̦fz’glị́terig Rückentraggefäß von halbovaler (auf der Tragseite abgeflachter) Form dient als Most- oder Trụ̈ụ̈bel- und als Wịịbränte, im wohlbestandenen Alter etwa noch als B’schü̦ttibränte (um «Brühe», d. i. Jauche) zu tragen. Seine schmale und hohe Gestalt aber verliert es im Bụụreland an die nun meist zinnigi, bläächigi, um Aarberg: stu̦u̦rzigi, aus Stu̦u̦rz gefertigte, 3 «stürzerne» (Tw. 1829) Milchbränte von größerer Breite und reduzierter Höhe.
Diese seine Mostbränte stellt der Träger auf eine eben gemachte Stelle und verstellt sie mit einem Sti̦ckel, füllt sie noo t noo (Ins; in Li.: noo ti noo; in Tw.: noo di noo) mit Trauben und nimmt si ụụf, wobei zwei nahe stehende, vielleicht auch «nahe stehende» Leserinnen rasch oder vielleicht etwas «umständlich» ihre Hilfe leisten. Mit drei Fingern nach dem im Boden ịịg’hạunige Gri̦i̦f tastend, rückt der Träger das Geschirr zurecht und trägt es zu den Zü̦ü̦bere (s. u.).
Etwa 8 bis 9 oder mehr gefüllte Züber laden Mostfuehrme als e̥s äispännigs Fueder u̦f d’s Wịị ngü̦ü̦fi (Tw.: Mostgü̦fi) vom Mostwage (s. u.) u seege dem Bränte ntreeger, er söll vom Ụụfseeijer (Tw.: Ụụfsäächer) e n Mostcharte n häüsche n (s̆s̆: heischen). Es isch das e n Charte n, wo der Ụụfseeijer drụf schrịịbt, wi mäṇ’ge n Zü̦ü̦ber daß si häi n i’ n Trüel z’füehre, dḁrmit si im Trüel nu̦mmḁ grad vo n der Charte chäü (Ins; in Tw., Li.: chënne) uf d’Taafele a der Wan͜d ụụfschrịịbe, wi män’ge r näüe r Zü̦ü̦ber Most ummḁ aachoo isch, u das s mḁ de nn am Oobe nd gäng wäiß, wi vill mḁ i däm u nd däm Rääbedag g’lääse het u ’s i d’s Mostbüechli cha ịịschrịịbe. Deeweeg (däärwääg) cha nụ̈ụ̈t ụf d’Site choo. D’Züber, wo nid voll sịị, wärte mit dem Mäßstaab g’staabet oder mit dem Lịterchübeli ụụfg’mässe (Tw.), um g’naau als Bruchteil eines Hekto [hl] berechnet zu werden.
1
Verstehe «Christi» und ergänze «Wunden».
2
Über den Namen:
Kluge 70;
schwz. Id. 5, 753-760;
M-L. 1285;
Gign. 26 f.; Wißl. Volksfr. 742. Der dreifache Wortausgang auf -ent, -end, -nz scheint auf vorgermanischen Ursprung zu deuten; die im Tirol und Trient als
brenta, in Friaul als
brente erhaltene Form drang mit dem Weinhandel um 1500 ins Schweizer- und Süddeutsche, während
brēnda im Wallis und Genf,
brēnd zu Grissach,
brānd zu
Lignières und Landeron heimisch wurde, trientinisch
brenz (Wasserkessel) aber die dritte Form forterhalten hat.
3
Lf. 317 f.
Großartig verlief das Einsammeln des Herbstraubes in großen Hereräbe wie z. B. zum Buchsi- und Fraubrunnehụụs. Da holte das große Herbstschiff in Gerlafinge (jetzt Gerolfingen) 367 die Läserlụ̈t (die Herbstmannschaft) ab. Das zählte z. B. 1824: 5 (mit 6 Batzen im Tag bezahlte) Trüeler (s. u.), 5 Bräntetreeger (zu 6 Btz.), 8 Zehntner (Tw. für Zehnder; 6 Btz.), 4 Schifflüt (6 Btz.) und eine Herbstchöchchi (5 Btz.). Ein Trüeler (Christian Christen von Torberg, d. h. im Toorbärg- oder jetzigen Wi̦tzighụụs zu Ligerz. S. 200) diente zugleich als Sịnner (s. u.). Dazu kamen 1800 drei Abtäiler, die zugleich als Uufsäher über das «Geles» ( G’lääs, die aus Ortsbewohnern bestehenden Läserlüt) einstehen konnten. All dieses Herbstvolk wurde vom Landvogt vernamset; und der wurde, samt dem Amtschrịịber, ebenfalls zum Leset in Twann erwartet. Das Thüringerhaus ( S. 204, Tị̈ị̈rigerhụụs) bestellte z. B. 1798 neben seinen 8 eigenen Läsern 2 Trüeler, 4 Brenten- und 2 Mosttreeger. Aufgabe der Abtäiler, Täiler oder Mässer war die richtige Ausscheidung des Ertrags der Halb- oder Drittelräbe ( S. 219 f.) für die beiderseitigen Berechtigten, indes die Zehntner (Zehnder) die Rechte des Staates vertraten. Gleich den Brententrägern zu Nidau i d’s G’lübd g’noo, kontrollierten sie die Größe der eigens beschafften Zehntner-Chü̦beli. Ein solches voll Trauben verabreichte man in schlechten Jahren als Lohnaufbesserung, wenn man diese nicht lieber ganz in Geld entrichtete. Auch nach der Aufhebung des Zehntel (Tw.) diente das Zehnterchü̦beli noch. An seiner Stelle dient heute der Zähntchï̦bel, welcher in 10 l abgeteilt ist, zum Ausmessen der Reste in nicht ganz gefüllte Weinzüber. Dagegen braucht man fast immer das erste beste Gefäß als «Ụụsglịịch-Chübeli»: zum verglịịche oder ụụsglịịchle (gleichmäßigen Füllen) der Züber (s. u.) derart, daß bei allen der Hundertliterpunkt handhööch unter der durchgesteckten Züber(trag) stange (s. u.) erreicht wird. Dieser Punkt wird durch Mösch- (Messing-) Negeli markiert. Daher die Redensart: äi’m d’s Negeli stecke: ihm ein «Bis hierher und nicht weiter!» gebieten.
Für all das Leservolk hatte die Herbstchöchchi zu sorgen. Alles dazu Nötige, selbst das Herbstholz, mußte durch den Schaffner nach dem Herbsthụụs geschafft werden, wo das Leservolk aß, aber auch schlief und die freie Regenzeit zubrachte. Zum schlooffe legte es sich auf Bri̦tsche, die mit Stroh belegt waren. Die ließen sich in Twann beschaffen. Die zum schangschiere nötigen Gewänder mußte das Leservolk aus seinen Wohnorten lo na̦a̦che choo. Bis Gerlafinge 368 wurde es mitgetragen, hier aber vom eigenen Plunderschiff abgeholt.
Eine andere Behandlung forderten natürlich die Vögte von (München-) Buchsi ( S. 202) und von Nidau, sowie ihre Begleiter. Die fuhren p’här Gụtsche bis Gerlafingen und in eigenem schmuckem Schiff nach Twann, um im dortigen Räbhụụs unter dem Herbsthụụs bewirtet und wohl auch in eigens beschafften Better beherbergt zu werden.
Eine ideale Stätte war der Gemütlichkeit bereitet im Tüscherzer Gŭfelä́tt ( S. 201) für die St. Urbaner Mönche, welche alljährlich zur Weinlese her choo sịị. Zehn bis zwölf dieser Pfarheere erschienen jeweils im Ornat u̦f zwo bis drei Wu̦che, die der äint u der an͜der vielleicht gerne mit sibezääche mu̦dibliziert hätt. Es waren 1 «2 Herren, 1 Bruder, 1 Koch, 1 Beck, 1 Küfer, 3 Trüeler, 2 Ambeyler (Faßfecker, s. u.) und 2 Brütschenmeister». Diese Bri̦tschemäister waren possenhaft vermummte Männer, welche als Waffe eine wuerbritschartige 2 Holzschaufel schwangen, um unter der Maske geizlosen Scherzes allzu zudringliche Trị̈ị̈belbättler (besonders aus der Umgegend von Landeron), uverschanti Trị̈ị̈belschelme und müßige Gaffer den arg belästigten Werkleuten vom Halse zu schaffen. Die sechs Mosttreeger (Bräntetreeger) dagegen wurden aus Tüscherz bestellt. «Alle werden von dem Kloster gespießen samt dem Haus- Schaffner. Die Ambeyler haben 2 Pfund per Tag. Die Rebleute liefern alles in die Bütte ( Bï̦tti̦) und erhalten per Züber ( Zï̦ï̦ber) 2 Pfund. Im ganzen Guth glaubt der Schaffner (1798) 30 Faß à 6 Saum zu machen.» Für das Lesen der Halbreben wurden als Lohn und zugleich als Ersatz eines Chlostermï̦tschli 7 Batzen vom Mannwerk bezahlt. Lesende Kinder aber durften no Herbst (nach der Lese) e̥s nie̥ders 3 Pfund Brot holen. Zudem teilte der z’Gufe̥lä́tt ständig wohnende Großchällner Helgeli aus. Dieser Pater Großkellner verschiffte im Frühling den abzogne Wịị nach Aarwangen, von wo dieser p’här Achs nach St. Urban wanderte.
1
Laut Irlet.
2
Schwz. Id. 5, 1022.
(Landoltofen)
Ein reiches Herbstleben sah auch die Insel z’frïechere Zịte. Wo heute Qualitätsobst und Hol länder Mertrị̈ị̈beli einen Hauptertrag 369 der Bodenwirtschaft ausmachen, lockten starke Weinernten ein großes Leservolk von nah und ferne her. Der Schaffner selber besaß vierz’g Mannert um d’s Chloster umma 1 ; und 320 Mannwerk älterer Zeit, welche in Jahren wie 1900 gegen hundert tụụsig Mooß Wein ertrugen, waren an ungefähr 30, später sogar an 52 Ligerzer und Twanner Winzer als Halbräbe ( S. 219) verpachtet. Das gab mäṇgs ụf d’Insel goo, um d’s ganz Inselmost go z’läse u d’s halbe häi mz’näh.
Versetzen wir uns in ein solches Herbstleben!
Der Inselläset isch aag’säit. Do chämme si̦ am Moorge frị̈ech vo Li̦i̦ge̥rz u vo Twann här, ganzi Schiff voll, äis no’m an͜dere. Das jụụchzet u singt uf em See, es tëënt z’ru̦ck vo de Flị̈e drei, vier, fị̈ị̈f Mool. Hie läntet’s u deert läntets, vi̦lịcht a si̦ben Orte fast mit enand. Un jetze gäit es stracks zue gäge di Däile vo de Räbe, wo jedes Trï̦ppeli scho wäiß (g’chennt); si häi scho vorfäärn u vi̦lịcht scho mäṇgs Johr dert g’läse.
D’Mäitli, eppḁ n ihre zää chni, stelle sich ịị, nähmme d’Mässer us ihrne Bieter (nur alt Tw.) fï̦ï̦re u schnịịde drụf loos. Lustig isch das frịịli nid grad! Der Näbel li̦ggt no uf der Insel u het d’Stëck tropfe ntnáß g’macht. Darvo wärte d’Chläider o du̦u̦r u ddu̦u̦r naß u hangen am Lịịb wi n en Umschlag. Aber äntlige, gäge di Zää chni, chunnt d’Su̦nne dŭ̦r de n Näbel du̦u̦r ch z’sï̦chchere. 2 Das isch es prachtvolls luege, wi si i dä Näbel ịịne schịịnt un ’nḁ n a lsó macht z’weefele, 370 daß er i d’Hëëchi gäit schier ḁ lso, wi wenn d’Ähri ïber n es großes Choornfäld ịị im schwache Luft Wälle mache. 3 Do trochne d’Chläider; der Lịịb u d’s Härz wirt warm, un i der Seel gi bt’s jetz ó Sụnne. Äis foot aafoo jụchzge; es ị̈bermị̈etigs Desse̥rli (aus Diesse) loot e Brïel ụụs, un äis vo Lattrige antwortet ihm. Und jetzt gäit’s an es bradle, Dütsch u Wältsch dur enand. Äini vo Lamlinge säit zu äire, wo schịịnt’s vo wịt har chụnnt: Du, Mäitli, tụ nid gäng Trü̦ü̦bel frräß! Hesch dụ nüüte z’Moorgge g’haa? Dụụ sing, ii ó hälffe sing! Das gi bt u̦mme: «O, wen n i nid besser Dụ̈tsch chönnt, i hielt mị Laafe̥re!» «Still, still!» chu̦nnt äine vo dene drei Bräntetreeger ’s cho g’schwäigge: «Mach mer jetz do käi Wuesch t i d’Milch! Gi̦b dụ me̥r dịs Chï̦ï̦beli! Aber g’sehsch, es isch bloß no halb voll. Jää, vo jedem Trị̈ị̈bel es Mụụl voll, das zụụnet, aber am lätzen Ort. Lueg mḁ do das ti̦i̦fige Chrottli, das het scho g’hụffet! Das isch drum äini vo Lï̦sche̥rz (s̆s̆), gäll? E, bisch dụ de nn nid es Gri̦mm-Mäitschi? Un eppḁ no gar d’s Beetli? Es isch mer fast.» Das Mäidschi het der Chopf nid ụụf; es li̦st u list u tummlet si ch; fast i jeder Sekunde fallt e Trị̈ị̈bel i d’s Chï̦ï̦beli. Der Bräntetreeger luegt ĭhm en Augeblick zue uṇ g’wahret, wi un͜der em root u wịß g’hị̈ị̈slete Chopflumpe ( S. 294) d’Backen e chläi, chläi si ch rëëtele. Aber do rïeft’s: au brandard! dert: lääre! Aber niemmer het gäng wider so gläitig voll wi d’s Beetli. E neue Blick vom Ruedi. Er chunnt dem Mäidschi vor wi ne stächchige Schịịn vom Brennglas. Es chrï̦mmt si ch no äinisch so täïff wi vorhär u schaffet wi d’s Bịịsewätter. Der Ruedi g’seht nịịt meh als der Chopflumpe vo hin͜der. «I ha voll!» tëënt’s wider; «hurti, hurti!» Aber Beetli’s Chï̦ï̦beli stäit no vëller uf em Bode. Das Mäidschi het beräits der Schu̦u̦rz ó no g’fï̦llt; u dää gi bt ó n es Chï̦ï̦beli voll. Der Ruedi chunnt: «Läär me̥r dịs Chï̦ï̦beli!» «Do stäit’s.» «I cha nn doch nid mit der volle Bränte z’Bode recke, du Gganggelụụri!» Chụụm isch das g’säit, so isch äini vo Lị́nieri ( Lignières) doo u läärt Beetlis G’schi̦i̦r: « V’là, M’sieur.» «Merßi, Madamoasell; wu̦u̦s eesch descha wụ̈ụ̈?» «Böd ēt, jê pă!» «Brr, abb!» Die ma g äi’m d’s Mụụl ó nid gënne. Aber Beetli, do hanget e Trị̈ị̈bel hin͜der án de̥r. Nääi, nu̦mmen es chlịịs, chlịịs Grịtzeli, es het 371 fị̈ị̈f Beeri. Aber dụ wäisch, d’Beeri gää der Wịị! D’s Beetli suecht. Un wi’s der Schade g’seht, langt’s dḁrnoo. Aber Ruedi isch ó gläitig u het d’Han͜d darvor: «Halt, jetz isch das Trị̈ị̈beli mịịs! I gĭ̦be ’nḁ, aber tị̈ị̈r! Wäisch de̥, was er chost?» D’s Beetli wäiß’s; es het’s fäärn g’seh. Wi ne Späärber no’m Rootbrï̦steli, haftets no dene păr Beeri. Aber Ruedi het gueti Wacht. Wi zwe Fächtmäister luege di bäide enand u̦f d’Auge un u̦f d’Han͜d in äi’m. Beetlis rächti Han͜d zitterlet; ïber d’Auge schießt’s wi ne dï̦nne, lustige Schläier; un e Blick wi u̦s bitten u bbätte z’sämmeg’setzt schịịnt z’sääge: Gäll, naai! Der Ruedi loot blëtzlich lu̦gg, setzt hastig abb, u d’s Beetli nimmt das Trï̦ï̦beli — ohni Chạufbrịịs.
Der Ruedi lạuft u lạuft u träit u träit u läärt i d’Zï̦ï̦bere u stampfet u stu̦nket u mostet do dri̦i̦, daß chụụm vo dene tụụsig Beeri äis ganzes blị̈ị̈bt. Aber d’s Beetli li̦st bloß no i d’s Chï̦ï̦beli u nimme hr n i’ n Schu̦u̦rz. D’Hän͜d schaffe in äim ịịne, aber sị verrichte ni̦mme ganz, was su̦st. U wenn der Ruedi der Chehr macht, so läärt es ganz oordli, wi wen n es dä Mentsch do vo Hụt u Hoor nịịt b’chennti, i d’Bränte. Der Ruedi het si̦ daar, u g’seht blëtzlich dert am Schụlimu̦ng ääne oder u̦f em Schalterä́in eppis, wo ’nḁ schrëckeli Wun͜der nimmt. Er lauft abb, u nid es Wëërteli hätt er g’redt. So macht er’s zwäi Mool. — D’s dritt Mool erli̦ckt er e Blick us Auge, wo schịịne z’frooge: «Zü̦ü̦rnsch?»
D’s nööchst Mool isch es, wi wen n es um das Mị̈ị̈li um grad ḁ lsó um d’s meerke zucketi; un der Blick dụụret e Sekunde lenger u schịịnt z’frooge: «Zü̦ü̦rnsch?»
Un es dritts Mool isch es, wi wenn doo epper mit e̥mene fịịne fị̈echte Dị̈echli ï̦ber Beetlis G’si̦chtli g’fahre wäär; un u̦s den Auge luegt ḁ lsó n es wehmị̈etigs lächle wi vo der Oobesu̦nne, wenn si̦ no äinisch du̦r n es liechts blaaus, halb verzụụslets Wï̦lcheli du̦u̦reschịịnt; un u̦s den Auge lịst der Ruedi ụụse: «Zü̦ü̦rnsch?»
Aber der Ruedi säit nịịt, un was um ihn u̦mme gäit, merkt er nịịd. Er merkt nịịt, wi doo hin͜der ere Noosere (aus Nods) e große, schëëne Trị̈ị̈bel hange b’blịịben isch. Die gï̦ggelet zur Noochbḁri ị̈ị̈bere u macht u̦f nooserisch, was dị̈tsch häiße wu̦rd: «Dää g’seht doch nịịt, dä Lappi!» Wohl, wohl, der Ruedi g’sehts schoo. Er gäit, rịßt mit äim hässige Ruck der Trị̈ị̈bel abb u bängglet ’nḁ der Noosere in ihres Chesseli. Si̦ wird fị̈ị̈rroot, u darnoo wi n es Bläikiduech. Si bịßt d’Zän͜d ị̈ber enand, macht es Zännigfrääs, u z’letz̆t e 372 Mạuggere. Aber so n es Häärzeli bricht nid so hurti. Es gi bt no meh Bräntetreeger...
U jetz g’seht si̦, was dert ääne loos isch. Äini vo Schị̈ị̈re het ó äine lo hange. Ihre Bräntetreeger merkt, was Trụmpf isch. Är het scho zum Vorụụs d’s Mụụl b’bï̦schelet (s̆s̆) wi n en uụṣg’schloffeni Tụ̈̆lipaa u nochhär g’spi̦tzt wi ne Hu̦rrlibụụß (Brummkreisel), u fahrt jetzt u̦f di Läsere loos. Die stäit ụụf wi ne Schwi̦ck, loot Chï̦ï̦beli Chï̦ï̦beli sịị u d’s Mässer g’heie u bächchiert wi ’ne Wätterläich du̦r d’s Most ( S. 263) u du̦r d’s G’lääsne, du̦r Rääben u Chị̈ewäid wi ’ne Haas vor em Jaaghun͜d. Wo ’s i Stock u Stickel e Dï̦nni gi bt, macht si̦ Zickzack gï̦mp un ertwitscht dem Verfolger, wo mit sị’r Bränten am Rï̦gge schwitzt u chị̈ị̈chet wi n e Tanzbär, gäng grad denn, wo n er si a däm wịte Gloggeneermel vo der Blụụse het e rwi̦tscht u g’fasset g’haa. Aber si̦ isch mị̈ed u gäng u ggä ng mị̈eder worte, un am Änd — es isch no zum verwun͜dere gläitig dḁrzue choo — het si̦ das «Strafe muß sein» lo ï̦ber sich ergoo; und daas jetze grad äxbräß drei Mool anstatt äinisch. Wo dä Schnạuz — der Këëbel het’s dennzumool g’wagt, e Schnạuz z’haa, är isch drum frisch us dem franzësische Sëldnerdienst z’ruckchoo gsi̦i̦ — wi n e wandelnde n Urwald uf ihri Läspi zue g’fahren isch, het sie e Ggëiß ụụsg’loo, mi het’s vom Bäärg (Jura) g’chëëre dëëne. Bi’m zwäite Mool isch sị scho g’fasseter g’si̦i̦; warum o ni̦i̦d? Si̦ het si ch blëtzlich an e P’hänsionsfrï̦ndin b’su̦nne, wo ihre i d’s Ohre g’chï̦̆schelet het, wi mḁn afangen a Papa’s Chläiderbï̦ï̦rste chënn probiere, wi daas äigetlich e Sach sịịg. U d’s dritt Mool — — lueget, lueget, dert isch ó eppis loos!
Der dennzumoolig Inselschaffner het ó gluegt, aber nịịd dḁrzue g’säit. We nn mḁ vom Manne̥rt du̦r u ddu̦u̦r acht Zï̦ï̦ber zu sächz’g Mooß (zu an͜derhalb Liter) macht, wi dennzumool — im Nị̈ị̈nhunderti (1900), wo mḁ drei Wuche lang g’herbstet het, meh als zächetụụsig Liter — so loot mḁ di Lị̈tli scho e chläi lo gạuggle u ganggle. Un är het sịni Läspi o bbï̦schelet — zum pfịfferle.
Taag fï̦r Daag isch vo̥rbịị g’gange mit läse. Un äntlech isch der letz̆t doo gsi̦i̦. Der Ruedi het si ch g’stellt wi n e Held, vill g’wäärchchet u weeni g’redt; d’s Beetli no strenger si ch dḁrzue g’haa u no min͜der g’säit. Aber wo n es ihm am letzte Daag d’s letz̆te Chï̦ï̦beli voll het daarg’streckt un äär ihm’s het abg’noo, isch doch schịịnts eppis doo un͜der 373 em Schịlee un un͜der em Blụụsli voorg’gange — item, es gäit i̦s gar nịịt aa! Un di Lị̈t um si̦ ụmme häi si ch ihrere o nịịt g’achtet; si häi vom Läsersunntig g’ha z’brichte. U mier häi ó nịịt g’seh u g’cheert, weder daß der Ruedi us em beklommene schwịịgen ụụse un͜der äinisch frogt: Wäi mer d’s Zeeri-Beeri 4 ässe? D’s Beetli säit nịịt, käis Wëërteli fiṇdt der Wääg ï̦ber di Lippen ï̦ï̦bere. Un ach, iez flị̈ị̈gt dem Mäidschi no ’ne Mụgge oder wär wäiß was fïr ne verspätete n Insekt ( S. 334) a däm Oktoberdaag i d’s Auge. Es chehrt sich ämmel um u zieht sị̈s frisch gwäschnige g’hị̈ị̈slete Naselï̦mpli us em Bieter. Derwịịle stellt der Ruedi d Bränten ab, li̦st der prächtigst Trï̦ï̦bel oben ab ụụse, het ’na daar u rïeft: Wäi me̥r?
Do isch di Mu̦ggen us em Auge n ụụse gsi̦i̦. Klar u frisch wi d’s Gfrääseli vo mene häärzige Bụtzeli, wo rooti Bäckli g’schlooffe het, het d’s Beetli z’erst a sịs Lï̦scherzer-Häi ị̈ị̈bere gluegt, un darnoo u̦f dä herrlich lieb blaau Bielersee un a dä frï̦ndlich blaau Himmel ụụfe un z’letz̆t i zwee Stäärne ịịne, wo z’mitts im Daag a menen an͜dere Himmel g’schu̦nne häi. Un är nimmt d’s erste Beeri, un ääs sófort 374 d’s zwäite, un äär d’s dritte; u so isch es g’gangen u g’gange, bis äär’s schlaauer Wịịs het g’wï̦ßt ịịz’richte, das s ääs d’s letz̆te ’berchoo het. Was het ächt dä Kärli im Siṇṇ g’haa?
1
Die Schaffnerfamilie Louis in Schaffis erteilte uns schätzenswerte Auskunft über ältere Insel-Lesetfeste. Vgl. daneben die blühende Darstellung von Sigmund Wagner,
l’Isle de Rousseau (1780) 33 f.
2
«Sickern» emment. «süchchere» (von fließenden Geschwüren).
3
Vgl. Wifeli:
Gb. 56. Eine prächtige Schwesterform zu «weben» als «in kleinen Bewegungen hin und her fahren»; vgl.
mhd. Wb. 3, 611.
4
D’s «Maaß ässe» am Thunersee. Ihrer zwei zupfen Reih um Reih je eine Beere von der dargehaltenen Traube.
Wie der Su̦mmer als Futter- und Getreideernte, ist der Herbst als Weinernte eine strenge Arbeit. Allein die wältschi Art und die von ihr durchtränkte seeländische Lebhaftigkeit schafft der Mühsal ein Gegengewicht durch frohe Ausklänge jeder Tagesanstrengung. Nämlich wen n es si ch der wärt isch und weder Mißwachs noch böse Zeitläufte allen Mut auf die Erfüllung saurer Pflicht zurückschrauben. Solches «Wenn» behaftet alle die blühenden Schilderungen glänzender Winzerfeste auch im Seeland mit einem wehmütigen «früecher». Einen schwachen Nachklang alter Herrlichkeit brachte der z’Blätze-wịịs wieder ordentliche Ernteertag von 1915. Da bestiegen das letzte Mostfueder eines größern Rebbesitzers seine singenden Läsermäitli in Gesellschaft der von Kindern bekränzten Bräntetreeger. Fläschen und Trụ̈ụ̈bel schauten aus dem mit Sidebapịịr-Schnitzereien geschmückten Tanntschu̦ppli hervor, das die letz̆ti Bränte voll krönte. Das durfte eine Miniaturausgabe des sonntäglichen Winzerumzuges z. B. vom 13. Oktober 1912 — um nicht zu sagen: des Viviser Winzerfestes genannt werden. Besser verglichen sich wenigstens mit ersterm die ehemaligen Ligerzer Umzüge, an deren Spitze ein Wagen den Gipsabguß eines kunstvoll geschnitzten, riesigen Baachŭ̦ß (Bacchus) führte. Dieser gehört nun dem Pontonierverein Ligerz ( S. 9). Die Staffage bildeten singende Trụ̈ụ̈belbättler aus Landere und dem Dessebärg, welche Gegenden sich nun einer gehobenern ökonomischen Lage erfreuen.
Die Hauptfestlichkeiten wickelten und wickeln sich immerhin als die Läsersunntige zu Twann und u̦f der Insel ab. An ersterem Orte gingen zu den Zeiten des Trụ̈ụ̈beljoggi (s. u.) die Fü̦rnämmere zue n ihm in seinen damaligen Gasthof Räbstock, während dennzumal für di G’mäine der Bääre gut genug war. Im Bären aber häi am lez̆te Läsersunntig di alte Wịịber ’tanzet oder ämmel es Dänzli g’fiegget.
In weiten Kreisen bekannt sind freilich bloß die Läsersunntige u̦f der Insel. Unbekannt ist dagegen zumeist ihr religiöser Hintergrund, welcher an die Kirchweih als Urgestalt der anderwärts gefeierten 375 Chi̦lbi, sowie an das Auseinandergehen der kirchlichen und der kaufmännischen Messe ( Mäß) erinnert. In Wahrheit liegt den großen Inseltagen die vormittägige Ablaßwallfahrt nach der Ligerzer Chilche (s. u.) zugrunde. 1 Wer nach Erledigung seiner seelischen Angelegenheiten auf der herrlichen Südterrasse des Gotteshauses sich erging, konnte unmöglich dem Reiz des Sees und seines idyllischen Eilandes widerstehen. Massen wälzten sich am Nachmittag dorthin in leichten Gondeln, in schweren Barken. So entstand der erst Hĕrbstsu̦nntig als der Sunntig no’m Bättag, also ein Septemberfest. Ihm folgte mit der Zeit der letz̆t Herbstsunntig: vier Wochen nach dem ersten, also zu Ende Oktober. In diesen Rahmen fügen sich drei Lääsersŭ̦nntige als sonntäglicher Ausspann des Weinerntevolks, dem sich aber «allerlei Volk» aus allen Berufsständen beigesellt. Die Unterscheidung der Herbst- und der Lesersonntage ist damit zusammengeflossen in die fị̈ị̈f Su̦nntige, von denen bloß noch der letzte die auszeichnende Signatur trägt, daß man an ihm zu Twann i’ n Räbstock und Bäre gäit go der Herbst vergraabe. Die auswärtigen Besucher tun dies am Nachmittag, die einheimische Jungmannschaft mit der ihr «zugewandten» Weiblichkeit am Abend. Und bloß die erste Bestürztheit des Unheilsjahres 1914, nicht aber das wieder erlangte seelische Gleichgewicht im Folgejahr verhängte über der Insel und ihrem Umgelände den Bann des winterlichen Schweigens. Ja, d’s Gäägedäil: die Insel war der Mittelpunkt eines vergnüglichen Lebenskreises, der seine Radien nach allen bewohnten Stätten des Seeufers zu ziehen schien. Was ein Stedtli oder ein nennenswertes Dorf zu sein beanspruchte, bekundete solches Anrecht laut durch Rößlispi̦i̦l und Läbchuechereedlistan͜d: mi isch go rößle und go reedle. Im goldenen Zeitalter dieser beiden Künste gab es zu Ligerz zwe Läbchuechestän͜d. Der eine gehörte der Kắroline z’Ligerz, welche gäng so gueti mu̦u̦rbbi Sache g’cha het; an dem andern waltete seines Amtes das Beetli von Twann. Später het’s bloß no äi Stan͜d mëgen erlịịde, wi jetzen oo. Unverkürzt dagegen fristen ihr Leben die Rößlispi̦i̦l. Da kostet es Gutschli es Fị̈ị̈fi, wie sonst auch es inners Reßli. Auch das erheischt nun aber es Zää chni wi n es ụssers. Das war zu allen Zeiten tị̈ị̈rer, weil es da Ringe z’stächche gibt. Wer der gääl erwï̦tscht, ’berchu̦nnt es Fähndli und cha d’s nööchst Mool vergääbe rị̆te.
Wie da d’s Gält flääderet, beweist die einer erwachsenen Äänerländeri unter dem Siegel der Verschwiegenheit noochezellti Ausgabe von si̦be Fränkli, die die Kavalleristin verrëßlet und 376 verläbchïechlet habe. Solches Nachrechnen war allerdings nur Genossinnen möglich, die di tị̈ị̈ri Zịt zum bloße zueluege verurteilt hatte. Entschädigung bot solchen das 1915 in jeder Wirtschaft äinisch im Herbst erlaubte Tanzen. Bestreitet die Kosten doch hier der Kavalier, der als billigen Ausgleich einzig die in stolzes Schweigen gehüllte Einwilligung fordert, daß die als Schrịịs (Schri̦i̦s) bezeichnete Aufforderung zum fahre für eine Tụụr nicht ausgeschlagen werde. 2
Die herbstlichen Danzsunntige müssen in den Seedörfern nunmehr auch die vormaligen, si̦t dem Nị̈ị̈nhundert (1900) vergangne Tanzgelegenheiten auf der Insel ersetzen. Da steht am Kreuzweg auf voller Höhe über dem Hauptgebäude verlassen und geschlossen das ehemalige 377 Danzhụụs, dessen Inneres dem Gwun͜derige auf sein fröögle nichts weiter zeigen würde als die Reste des Gịịgerstuehl und den abg’fieggete Tanzboden. Ihn beleben gelegentlich noch Vereine, die ihre eigene Mụsig, u̦f d’s mindst doch ämmel o einen Handhäärpfeler mitbringen. — Die heutigen Lääsersunntige auf der Insel sind daher bloß in der Besucherzahl vergrößerte Wiederholungen ehemaliger Szenerien, deren eine wir im folgenden uns von Augenzeugen «in die Feder diktieren lassen.» 3
1
Wagner 30 f.
2
Zu burschikosen Benennungen des Tanzens wie
fiegge, schreegle gesellt sich
schrịịße. Ein sich zierendes oder wirklich
schụ̈ụ̈chs Meitschi, das drum doch nicht
d’Wan͜d hälffe z’vertäfele willens ist,
’berchu̦nnt Schrịịs: ein Bursche, der für eine
Tụụr «es z’fehre» (
Lf. 636) begehrt, «führt» es zum Tanz:
l’y «conduit» mit der alten Bedeutung von l.
con-dūcere: «mit» sich «ziehen» — vielleicht unter etwas jovial ungestümem
La
ß g’seh, chu̦mm! Und es beginnt der mehr oder weniger kunstgemäße
Walzer: man
walzet im Sinn des alten
tûmôn (
si
ch drääije), vgl.
tumil-on (sich) tummeln, oder aber ein
Ggalópp, ein
Hopser im Sinn der gleich alten
leichan (vgl. der
laiks,
Leich. Laich
S. 62), oder des romanischen
saltare (sauter), entlehnt mhd.
salzôn. Solch kunstloses
ggu̦mpe, hopse ward aber durch das mit der Zeit auch volksmäßig nachgeahmte höfisch-ritterliche
danser, danzare, dance ersetzt: das ebenfalls romanisch gewordene, aber urdeutsche und nun rückentlehnte
danze, tanzen. Die aus «dehnen» erweiterte Grundform
atthin-s-an (zu sich heranziehen, entsprechend l.
ten-d-ĕre) bedeutete ein «spannendes (vgl. ‹ge-dun-s-en›) ausreckendes», aber nun rittermäßig feinfühliges
zieh mit der zum und im Tanz «führenden» Hand. So gestaltete sich der
hovetanz zum volksmäßigen
Danz, z. B. auf den
Danzmatten wie zum beruflichen des Dänzer, Denzer, Denzler. Durch den vormals glänzenden Prager Hof kam nach Paris und zu uns der im
3/
8 Takt sich bewegende Nalionaltanz der Masuren im ehemaligen Herzogtum Masowien: die polnische Masŭ́rek, die russische Masŭ́rka, die
Mắsu̦kaa oder
der Masuka(-Tanz). Geradezu «Polin» (
polonaise) bedeutet der Name der im ¾ Takt sich bewegenden
Bolka (des Polka-Tanzes). Von Nordwesten kam uns der
Schottisch. Der Polka-Halbschritt erinnert an den «Kleinschritt» des Menu-étt. Diese bei richtiger Leitung so anmutvollen Massenbewegungen weichen nun mehr und mehr entweder kunstlosem
trample oder nachgeäfften «Bällen» als anderm Extrem des
«d’Bäi schli̦ngge» (was das gr.
ball-izein bedeutete). Von den alten
Dänz unterschied sich der «gesungene und gesprungene», wohl auch «getretene» (
’trappet) Reihen, Reigen,
reige, reie als «der Hände lange Kette» einer Menschenmenge, welche urspründlich zur Feier des
Meie durch Feld und Wald zog. Heutige Nachklänge sind der Flurumgang,
d’s Maieli singe und der anmutig kindliche
Ringeli Ringeli Reie (
S. 164); ein solcher des 16. Jahrhunderts aber war der frz.
viri-lai (-Tanz), der entlehnte
vir-le-fanz, geleitet vom «Meister Firlefanz», dessen Titel und Kunst fortlebt im
Fĭ̦rli̦fanz. (
Walde 244. 771;
Kluge 137. 370. 454;
Ulfilas 244. 285;
Graff 5, 424:
mhd. Wb. 2, 1, 655 f.; 3, 13 f.;
Seiler 2, 118; 3, 160 f.; Gertrud Züricher, das Ringelreienlied;
Meiners 1, 315;
Heyse 566. 720.)
3
Sachlich nüchtern und dafür um so zuverlässiger instruierte uns hierüber vor allem die Schaffnerfamilie Louis. Einzelne Züge lassen wir einfließen aus Sigmund Wagners blühender Darstellung (S. 35 ff.).
Da isch ó scho früech alls u̦f de Bäi: im Chlooster un im Wald un im Danzhị̈ị̈sli. Was Hän͜d u Füeß het, träit Chëërbb u Chëërbbli u̦mme und aane. Bi allem un trotz allem sị si̦ scho sụ̆fer (neu: sụ̆ber) u propper aagg’läit. O beräits am Morge chämme Schiff mit Lị̈t, wo der ganz g’schlaage 1 Daag u̦f der Insel z’dïe häi, oder settigi, 378 wo jetz no chläi aläini wäi u̦f der Insel umme drappe u drampe, öb si de nn i dä ganz Brägel ịịne g’roote. Mụ̆́sig isch o scho doo; z’erst eppḁ ihre drei; noo di noo rï̦cken an͜deri aa bis ihre es Dotze sịị. Epper von ne bloost uf em Flascholett, un es băr Päärli danze, wo’s jetz no ohni G’stu̦ngg (neu: G’stunk) abgäit. Dert li̦ggen es baar uf der Matte u p’hacken ĭhri Äßru̦stig ụụs, wo si häi vo dohäime b’broocht. Aber d’Gaststube wirt ó bi längem voll. Do hocken es păr Frï̦̆nde bi n enand, dert es baar, wo hï̦t enand zum erste Mol g’seh, aber glịị äinisch gägen enand tị̈e, wi wenn si enand scho lang g’chennti. Do nimmt e schwääre dị̈tsche Wịịbuur oder Änerländer mit sịm Rï̦gge so bräit wi n es Dennstoor mit bäärzen u chältsche (hüsteln), nụmme doch wills Gott nid mit lụtem wueste, Platz. Er chunnt näbe ’ne flingge, läbige Wältsch z’sitze, foot aa, es Wëërteli z’rede, lost, was der an͜der dḁrzue sääg un nimmt eppḁ sịs Franzë̆ë̆sisch fï̦ï̦re, wo n er uf em Määrit oder su̦sch eppḁ g’lehrt het. Un der Wältsch verzieht im Versteckte d’s Mụụl bi mene rächt lustige Verschụụs, wenn der Dị̈tsch vo sir Frau eppḁ erzellt, sie häig di ( g’schäidni) Milch lo divorcer; oder si häig dä Morge no mị̈eße peindre des haricots de café (Gaffeebohne mahle), gäb si häig chënne d’s strodlig Wasser dra secouer ( schï̦tte). Aber der Wältsch verstäit ’nḁ rächt guet; un i sị’r fịịne Wịịs nimmt er, was der an͜der wott sääge, i sị äigeti schëëni, flï̦ssige Sprooch ụụf u hilft ihm däwääg ụf d’Spur, ohni ’nḁ lo z’merke, daß er ’nḁ korigier. Jetz chunnt di langisch b’stelltnigi Mooßgu̦tteren uf e Disch. E jede wott zahle. Der Wältsch zieht es hoffäärtigs Poortme̥nee mit vier arpártige Fächli fï̦ï̦re. Der Dï̦tsch nu̦u̦schet an ere Sëïbla̦a̦tere u̦mme, so groß wi ne Tụ̆́backseckel, u säit: Do isch nị̈ị̈t Zahligs fï̦r euch, das isch mị Sach! Der Wältsch wott no gueter alter Manier halbiere, aber es träit ĭhm nị̈ị̈t abb. Z’letsch säit er i si’r Sprooch: He nu, d’s nöchst Mol isch es de nn a mier. «Zahlit de nn, wenn’s Schampánier gi bt!» macht der Dị̈tsch, u jetz mache mer käi Ku̦määrsch meh; « allons, trinquons!» Guet, si bụtschen aa, u d’Reed lạuft wi n es Reedli.
Aber i der Gasch tstube, un eersch rächt vorụsse un͜der der schëëne bräite Laube, un un͜der em Nußbạum mit dem grị̈ene Bänkli drum un im Hof un im Chäigelri̦i̦s un un͜der em Bäsebi̦rlibạum un de große Obschbäüm, wi bradlet das du̦r enand; dessebärgerisch un änerländisch un (alt-) bielerisch u twannerisch un neueburgerisch: es ganzes Babylon. Mi verstäit chụụm sị’s äigete Wort, verschwige den n es an͜ders. Und doch verstan͜de hï̦t alli enand; d’Lị̈t sị äis un äinig i der Fräïd a mene guete Herbst. Es het wóhl ụụsg’gää! Drum ma n 379 es o eppis rächts erlịịde a d’Gable un un͜der d’Zän͜d. Ganzi Bịịgete Strị̈ị̈bli marschieren ụụf u Schlị̆fferli (Erl.: Schlịfchüechli, aus bandförmig langgezogenem Teig, deren eines Ende man durch den Schlitz des andern macht dụụrez’schlịffe, «durchzuschlüpfen»), u Chueche. Do loot es Mäitli der ganz Daag der Trëëlnagel (das Wallholz) nid us de Fingere, u d’Chị̈echlimueter oder d’Strị̈ị̈blimueter (so säit mḁn o e̥re n iedere dicke, feste Frạu) het der Strị̈ị̈blitrachter (Trichter zum Formen des spiraligen Gebäcks) gäng ïber der Pfanne. Sị sị guet, u di b’bachchne Fisch oo, nụmme fïr zum Wịị vil z’hert g’schmụtzget (mit zu viel Fett gebacken). Das gäit zum Mụụl ụụs un ịị, daas sụụret u sụmmet wi i mene Imp.
Aber jetz ganget wider ụụse n a’ n See: gäge Dwann oder Gerlafinge oder Lï̦sche̥rz (s̆s̆) oder Erlḁch oder Nëïetstadt oder Tschaafĭ̦z oder Li̦i̦ge̥rz oder wo der wäit: e ganzi Flotte vo Schiffli schwimmt dḁrhär. E simpeli Fischerbaarche isch g’stacket voll Dëërfler; es nimmt äi’m (einen) nụmme wun͜der, wo si̦ Platz häigi zum stoo. En äinzige ( enzige) tu̦mme Dritt (oder du̦mme Tritt) von äi’m, und di gánzi Mụsig gieng z’nịịte. Aber di Lị̈t häi Verstan͜d u häi Oornig; u dem waggelige Stan͜d z’Trụtz singt daas u johlet u holeeiet ï̦ber e ganze See. — Dert chämme Stedtler. Die wäi Grị̈ens g’seh u Grị̈ens haa um den äigete Lịịb: Räblaub un Ääbi un wilde Wịị. Täili häi Fräid, mit G’wehr u Bistole d’s Echo (der Wi̦derschlag) am Bärg z’wecke; zwischen ịịne tëënt ĭhri Mụsig. — I mene chlịịnne Wäidlig, wo di rooti u schwaarzi Faarbb un͜der Sịdeband loot fï̦ï̦re gu̦gge, u wo mit faarbbigi Dị̈echer ï̦berspannet isch, hocke 2 Herrschafte. Es sị vornähmmi Ju̦mpfere us de Heer rehị̈ị̈ser am See mit ihrne Ggawắliẹ; äini von ’ne het, wi’s schịịnt als «Drach», ihri fïfz’gjährigi Ju̦mpfrạu (Magd) mit e̥re g’noo — oder mị̈eße näh. Täili si Bäärner u Bäärneri, täili Nëïeburger u Nëïeburgeri, wo jetz de nn wider in ihri stedtlige Winterhị̈ị̈ser hälffe zï̦ï̦gle. Z’Nëïetstadt sị sị i Gụtsche z’sämmechoo, u jetze zu̦u̦ge si̦ vom Schiff gäge’m Pavillon zue. Deert häi si̦ ihres Rendez-vous. Was wette si̦ o fï̦r n es an͜ders u gäbigers chënne fin͜de? 3 Dert chënne si̦ ihri Menuett tanze u su̦sch alli di fịịne Dänz, wo ’ne ganz en ụụserläsnigi Mụsig ụụfmacht.
Alli an͜dere zieh u zï̦ï̦gle gäge’m Chlooster zue. Dert isch’s si̦der fertig g’ässe. Mi het abg’rụụmt u d’Tische z’sämmeg’stooße u het ụụfg’stuehlet 380 wi zum wi̦sche. D’Spịịssääl si Danzsääl worte. 4 D’Mụsig setzt ịị. Jede reckt na der Han͜d vo sị’r Neechsti. Die macht e käini Fläns! Si̦ trittet aa, un e flotte Walzer schließt di Lị̈t zu mene läbige Ring. Aag’schlosse! rieft der Danzmäister vo Zịt zu Zịt, u brätschet dḁrzu i d’Hän͜d, wi wenn zwoo hụụshëëchi Wällen im See z’sämmeschlïegi. Es gi bt e Drinkp’hạuse. See, chu̦mm! La ß g’seh, Rëësi, zueche mit de̥r! säit hie u dert e vierschrëëtige Bu̦rsch zu n ere währschaffte (s̆s̆) Bụụretochter. «G’sundhäit allne Ledige, u mier z’eersch!» rïeft äine lụt ï̦ber e Di̦sch e̥ nwägg, u dḁrn̦a̦ zu sịr Tänzeri: «Gäb dụ̆́ no z’haa wäär’sch, wäiß i nit. Darf i der neechst o mit der haa?» «Mier wäi luege; wenn d’ oordli tuesch, wi bis jetz...»
Aber am läbigste zue gäit’s bi’m Danzhị̈ị̈sli (vgl. S. 377) uf der Hëëchi obe, wo der Wääg angänds i’ n Wald ịịne gäit. Uf dem Gịịgerbank het di fï̦ï̦rnähmsti Mụsig si ch postiert ( S. 378), un jetze setzt sị mit eme Bolka ịị:
Ach, ich bin so müde, ach, ich bin so matt!
Möchte lieber schlafen gehn
Und am Morgen früh aufstehn.
Isch daas wahr? fra̦ge di Blicke vo dene junge Her re ihri Du̦lzinẹe̥. Un wi wenn die Ja̦ siege, schwänke si̦ di Dëchterli ḁ lsó ganz hï̦bscheli, hï̦bscheli wi i nere Waagle hin u häär u mache darzue: Bsch, bsch! srr, srr! Nu̦nneli, Bu̦tteli, Äugeli zue. Wo daas dene «Chin͜d» afangen e chläi z’dumm wirt, schlöö si noo ti noo e läbigere Schritt aa u rịssen am Änd di Here in e Wi̦i̦rbel ịịne, daß das nu̦mme so hasplet u zwasplet u zwi̦i̦rblet. D’Mụsig merkt’s u setzt mit eme Galopp ịị, daß mḁ mäinti e Schwadron Tragụụner z’g’chëëre. Un am Änd un͜derschäidet si ch das gar i nịịt meh vom Chnächtedanz im Tenn un͜der. Dort mëge si der Schottisch danze oder der Mássụkaa 5 — der Schlaarpidanz, wi si̦ n ĭhm spëttisch sääge —: Das isch es ụụfschloo mit den Absätz, wi wenn es ungiduldigs Roß im Stall der Bode stampfet. Die Hëre g’schweigge ihres G’wisse: «Gäng oordli tue isch doch o längwịlig.»
Doch, si̦ dïen e Blick uf di fï̦ï̦rnähmme Matrone, wo da̦ im Freien uf Stüehl u Bänk im Kräis um zueluege, un en an͜dersartige Blick, wo schịịnt z’sääge: sịt ier ó äinisch jung g’si̦i̦? uf di alte Here, wo täilwịịs stän͜dlige e zwäite Kräis um der erst um mache. D’s Auge von äi’m lịịchtet u glänzt ganz arpaartig. Warum? Wenn sịs Dëchterli im Ring um an ihm vorbịị chu̦nnt, so fählt es si ch nit, daß ’s ihm mit 381 drei b’bi̦schelete (s̆s̆) Fingere e̥s Mï̦ndschi zuebängglet; oder wen n es gar z’raasig vorbịịschnụ̆ßet, so suecht es ’nḁ n ämmel hurti, hurti mit den Auge u grïeßt mit eme Ni̦ckli.
Jez stan͜de dert es păr Jungi, wo z’erst sëlli lehre i der Oornig d’Nase schnị̈tze, gäb si tue welle wi di Große. Aber was macht dert äini vo dene fï̦ï̦rnähme Ju̦mpfere, u grad no di dëllsti von ’ne? Si̦ nimmt ḁ lsó ne Chnïïßer am Arm u säit: Lue, só gäit’s. U si het ’nḁ i der Luft: p’fụụụ! u walzet mit ihm u stellt ’nḁ n alben äinisch a Bode u lehrt nḁ der Schottisch. Aber jetz mach, daß de furt chu̦nnsch! befi̦hlt si̦, und d’s Bï̦ï̦rsteli folget.
Vor em Chlooster stan͜de derwịịle jungi Pụụrechnächten u Jumpfraue, oder trätsche de̥s u̦mme u wisse nid, was si mit ihrne Arme u Bäi un ihrem Läsersunntig wäi aafa̦a̦. Si̦ sị wi veri̦i̦reti Schëëffli, wo zu käi’r Heerd g’chëëre. Das g’seht äine vo der Mụsig im Tenn i̦nne, wo grad e chläi ụụse n isch go erchuele. Was macht er? Gäit u nimmt sịs Gŏ́rnee u stäit vor d’s Dennstoor ụụse u schmätteret e Schottisch i d’s Freien ụụse, daß es o dem g’staabeletigste G’staabi i d’Bäi fahrt. Ohni z’wisse, was ’nḁ n aachu̦nnt, schrịßt äine na̦’m an͜dere di ersti besti, wo n er grad am Eermel erwịtscht, u macht: La̦ g’seh, Anni! 382 oder: chu̦mm Bääbi! oder: zeig, was de̥ channsch, Trịịni! U g’chlopfet u g’stu̦ngget wirt jetz, daß der blụtt u bblooß Äärdbode zitteret, wi wenn’s äärdbebneti.
Aber di Mụ̆́sig lëëkt no an͜deri hääre, wo ganz g’wun͜derig chämme cho loose u luege. Da̦ isch e Moosbụtz vo Schụ̈̆sĭ̦ (Sụ̈schi, Sugiez). Sị’s runde Hị̈etli, das chu̦u̦rze Schị̆lee vo brụụner Wu̦lle, di wịte, wiße, zwilchige Schlotterhose stan͜den ihm gar chäibisch guet aa. Un är wäiß, daß er eppis vorstellt! Är luegt im Ring um, ob ĭhm epper guet gnue sịịg fï̦r das s er mit ere fahri. Da stäit es (Gast-) Stubemäitli, wo grad e chläi ụụsen isch ga̦ verschnụppe. Es feerms, dolls Mäitli. Är fasset’s i d’s Auge, un äs wirt es Fäärbbeli, Fäärbbeli rëëter. «Wottsch?» frogt sị Blick, und der Gägeblick isch nid Nääi. Dás isch es luege, wi di zwäi z’sämme drääije! E mene Danzlehrer u sịr beste Schị̈eleri z’Dru̦tz. E Guggisbärgeri mit chụụrzem Rëckli u chunstrịịchem G’stältli ’berchunnt ó äine u schließt si ch aa.
Nid wịt darvo rị́tisäile chlịịnni Mäitli im Chehr um a de Nest vo mene Bạum, un dert gị́gampfen ihre zwäi.
Aber blëtzlich foot es sị aa tschụụdere. Di große Dänzerinne in ihrne wịte wiße Hemm dli ’berchämme Hị̈ennerhụt, u d’Jụmpfere u d’Her re leggen un͜deräinisch Mänteli aa u Pĕ́lerine. Was isch das ämmel oo?
Aha, lueget d’Su̦nne! Si̦ stellt joo scho ab uf de hööchste Danne vom Bärg! U d’s Blaau vom See verfäärbt si ch: es foot aa rëëtele.
Scho Oobe? Der Tag het ja̦ chụụm z’grächtem aag’fange! Aber da̦ nị̈tzt jetz alles chlëëne nị̈ị̈t. Marsch, uf e See, äb blëtzlich der Bärgluft chunnt! ( Ins 64 f.). Auguste! Kaari̦i̦i̦! wo sịt e̥r? Dépêchez-vous! Nịịt doo! Allons, allons! Vorwärts jetz! Ab Stett!
Was z’säme g’cheert, fin͜dt si ch z’säme. D’Schiff wärte los’bun͜de: d’Chettine cheßle; mi g’cheert Ruederschleeg. D’s Wasser glu̦ntschet, wi wenn’s bb’richte wett u daarlegge, was es hï̦t alles g’chëërt häig u g’seh un i aller Stilli erggï̦ggelet. Un i dä still, schëën, rị̈eijig Ooben d ịịne zï̦ntet hëëch ïber e Gästler ịị e blanki silberigi Sichle.
1
Gleichsam so «gefüllt» als möglich wie etwa das Getreidemaß, dessen Füllung man durch Schlagen zusammenpreßt. Vgl. «gerüttelt».
2
Erst geleckt neutwannerisch durch
sitze verdrängt. Vgl. gut altdeutsches
hûchen (kauern, sich ducken, d. i.
grụppe, saanerisch: si grụ̈ppe).
3
Die Insel ersetzte alle die heutigen Modebäder, Sommerfrischen, Luftkurorte u. dgl., wie sie das noch heute zu tun in der Lage wäre.
4
Heute also wird auf der Insel gar nicht mehr getanzt. Das wäre angesichts der Besucherschaft, welche die Dampfschiffe heranführen (vgl.
S. 38)
gar nid z’mache.
5
S. 376.