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Vorwort

(um 1923)

Ein Dichter ist, wie jeder Künstler, ein Mensch, welcher ein völliges Weltbild in sich trägt, das er durch seine Werke irgendwie darstellt. In vernünftigen und sittlichen Zeiten stimmt das Weltbild der großen Masse mit dem seinigen überein, in unvernünftigen und unsittlichen Zeiten lebt der Dichter mit seinem Weltbild ganz für sich.

Viele Dichter werden dadurch in ihrer Arbeit nicht geändert. Dieses Glück habe ich nicht gehabt. Die Art meiner Begabung brachte es mit sich, daß ich erst spät, mit fast 40 Jahren, das erste Werk fertigstellte, das mir selber bis zu einem gewissen Grad genügte; so konnte ich nicht mehr jenes naive Selbstgenügen erringen, das von der Torheit der Außenwelt gar nichts merkt; ich mußte immer erstaunt mich fragen, woher es denn komme, daß ich so in allem anders fühlte als die anderen Menschen, und lange habe ich in mir selber die Schuld gesucht, bis mir endlich die völlige Läppischkeit unserer Zeit klar wurde.

In die Dichtung darf solche Arbeit der Auseinandersetzung nicht eingehen. Was herauskommt, wenn das doch geschieht, das kann man an Kellers Salander sehen: Keller hat in diesem Roman sein Talent vernichtet. Ich hoffe, daß ich mich in meiner Dichtung freigehalten habe von dieser Zerstörung. Aber die Auseinandersetzung war doch nötig; ich nahm sie in kleinen Aufsätzen vor, die in Zeitungen erschienen.

Ich mußte in ihnen vorsichtig sein, damit die Herausgeber und Schriftleiter nicht merkten, was ich eigentlich sagte, sonst hätten sie die Aufsätze nicht gedruckt, und so steht denn das Wesentliche in diesen kleinen Arbeiten zwischen den Zeilen. Inzwischen ist nun die Revolution und der Beginn des allgemeinen Zusammenbruchs gekommen; ich sammle die Aufsätze in einen Band, und vielleicht ist nun heute ganz klar und unmißverständlich, was zwischen den Zeilen steht, die damals in den bürgerlichsten Blättern von der Welt abgedruckt wurden.

Sonnenhofen b. Königsdorf

Paul Ernst


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