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Dieses Gespräch hatte stattgefunden an dem Tage, nachdem ich das Hotel verließ. Wie man sich vielleicht erinnert, übergab ich dem Portier die Schlüssel und sagte ihm, daß ich das Zimmer behalten wollte, bis ich von einem kurzen Ausflug zurückkäme. Meine Arbeit war schon getan. Wer von meiner Tat hört, wird sie sicher mit Abscheu betrachten, doch bitte ich zu bedenken, daß Dr. Gravenhag seiner rechtmäßigen Strafe verfiel. Das einzige unschuldige Opfer in dieser Tragödie war der Baron Marcus Friis. Mit ihm habe ich Mitleid, obgleich man Tote nie bedauern sollte. Dr. Gravenhag aber tut mir nicht leid. Außerdem hatten wir das Duell und die Art des Duells verabredet. Ich habe mir also nichts vorzuwerfen. Einer von uns mußte das Feld räumen. Das hatte er auch selbst eingesehen und während seiner letzten Stunden verhehlte er nicht, daß er mich ausrotten wollte. Hin und wieder geschieht es, daß zwei Menschen sich begegnen, deren Schicksale so heftig aufeinander platzen, daß einer von ihnen verschwinden muß, damit sie nicht beide und vieles mit ihnen untergeht. Ich wiederhole, es war ein ehrlicher Kampf, doch war er viel entsetzlicher als ein Duell, weil er so viele und lange Stunden dauerte. Von dem Augenblick, als ich an jenem aufgeregten Abend die Wohnung in der Bozenerstraße verließ, fühlte ich mein Leben unausgesetzt bedroht. Und auch er hatte sicher dasselbe Gefühl. Er hatte die Chance gehabt, den ersten Stoß auf mich zu richten, indem er einen seiner Freunde von dem gegenüberliegenden Dachfenster auf mich schießen ließ. Es war nicht mehr als recht und billig, daß ich mich zur Wehr setzte. Und in der Notwehr fällte ich ihn. Später habe ich erfahren, daß er mir eine Falle gestellt hatte, die von seiner kaltblütigen Verschlagenheit zeugte, ich aber kam ihm zuvor.
Es ist gar nicht so schwer, ein Verbrechen auszuführen, ohne entdeckt zu werden. Es kommt nur darauf an, daß man es sorgfältig durchdenkt und nicht übereilt zu Werke geht. Ich hatte mir einen ausgezeichneten Plan zurechtgelegt, der ganz einfach war, wie alle guten Ideen.
Vor allen Dingen lag es mir daran, mich unsichtbar zu machen. Wenn ich das Verbrechen in einem Hotel begehen wollte, in welche Situation mußte ich mich dann begeben, um nicht identifiziert zu werden? Als ich die Aufgabe schließlich gelöst hatte, erschien sie mir so leicht und natürlich, daß ich unwillkürlich stutzte. Ich hatte eine Methode gefunden, die mit mathematischer Sicherheit wirken mußte. Worin bestanden also mein Plan und meine Vorbereitungen?
Ich maskierte mich. Ich habe bereits früher erwähnt, daß ich im Maskieren Meister bin. Aber ich maskierte mich nicht einfach ins Blaue hinein, ich kopierte Dr. Gravenhag, nicht allein sein Gesicht, sondern auch seine Art, sich zu kleiden und zu gehen.
So ausgerüstet, mit dem großen Koffer und der kleinen Handtasche versehen, begab ich mich ins Hotel Kaiserhof und schrieb mich unter dem falschen Namen Dr. Holborn aus Ribe ins Fremdenbuch ein. Dann legte ich es darauf an, soviel wie möglich vom Hotelpersonal gesehen zu werden, damit meine Erscheinung (d. h. Dr. Gravenhags) allen wohlbekannt sein sollte. Darum war ich gezwungen, mit ziemlicher Noblesse aufzutreten.