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XLIII.

Frau Merete läutete, und die schweigsame, dunkelhaarige Polin kam herein. Frau Merete zeigte auf die Scherben.

»Der Herr hat das Glas zerschlagen. Lieber Freund,« wandte sie sich an Dr. Gravenhag, »regen Sie sich doch wegen eines Glases nicht auf. Es war ein unglücklicher Zufall, weiter nichts. Setzen Sie sich wieder.«

Dr. Gravenhag nahm zögernd Platz. Frau Merete ordnete an, daß der Kaffee im Nebenzimmer serviert werden sollte.

Als die Polin wieder draußen war, sagte ich:

»Diese Lösung kommt mir überraschend. Ein Bekenntnis hatte ich nicht von Ihnen erwartet.«

»Sie scheinen enttäuscht,« sagte sie.

»Ja, ich bin etwas enttäuscht. Ich hatte mich auf einen längeren Kampf gefreut.«

»Für die Mitteilung meiner Frau fühle ich mich nicht verantwortlich,« sagte Dr. Gravenhag bestimmt.

Frau Merete hatte sich eine Zigarette angezündet. Sie rauchte, indem sie den Ellbogen auf den Tisch stützte – von jetzt ab richtete sie ihre Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf Dr. Gravenhag. Dieser war sehr blaß geworden und trocknete sich mehrfach den Schweiß von der Stirn. Ohne daß ich einen bestimmten Anhaltspunkt dafür hatte, ging mir ein Licht darüber auf, daß diese bewunderungswürdige Frau einen Plan gefaßt hatte und danach handelte. Während der ganzen Mahlzeit hatte sie auf das Eingreifen Gravenhags gewartet, da er aber nur eine ratlose Nervosität an den Tag legte, hatte sie die Sache selbst in die Hand genommen und mit der Entschlossenheit, die ich ihr stets zugetraut, ging sie direkt auf den Kern der Sache los.

»Wir sind hier zusammengekommen,« sagte sie zu Dr. Gravenhag gewandt, »um eine Uebereinkunft mit ihm zu treffen. Er beschuldigt uns beide, ein unheimliches Verbrechen, einen Mord begangen zu haben. In dem Augenblick, als wir uns zu einer Zusammenkunft bereit erklärten, haben wir auf gewisse Weise bereits zugegeben, daß seine Anklage berechtigt ist.«

Dr. Gravenhag schüttelte energisch den Kopf.

»Ich gebe nichts anderes zu,« sagte er, »als daß dieser Herr dort imstande ist, unser Privatleben zu stören. Um ihn daran zu hindern, bin ich bereit, eine Summe zu bezahlen. Noch aber hat er diese Summe nicht genannt. Darum wiederhole ich: Wieviel, mein Herr?«

Frau Merete ließ mich nicht zu Worte kommen.

»Wir können von diesem Herrn glauben, was wir wollen,« sagte sie, »wir können zum Beispiel annehmen, daß er zur Polizei gehört, was ich indessen nicht glaube, wir können annehmen, daß er der ist, wofür er sich ausgibt, was ich zu glauben geneigt bin, und wir können annehmen, daß er ganz einfach ein Verrückter ist, der sich bei uns eingeschmuggelt hat, was nicht ganz ausgeschlossen sein mag. Auf alle Fälle kommen wir der Lösung der Angelegenheit näher, wenn wir auf seine Ideen eingehen. Ich tue es, weil ich ihn für einen Schurken halte, der nicht locker lassen wird, bevor er seinen Willen durchgesetzt hat. Du (wandte sie sich an ihren Mann) kannst ihn ja als einen Verrückten behandeln, denn du weißt als Arzt, daß man am weitesten kommt, wenn man auf die Ideen des Verrückten eingeht. Sie sehen, meine Herren, daß ich ohne Umschweife rede.«

Dr. Gravenhag war noch immer etwas unsicher, doch schien es jetzt auch ihm klar zu werden, daß Frau Merete nach einem ganz bestimmten Plan handelte, der möglicherweise Rettung bringen konnte. Was mich betraf, so hielt ich es plötzlich für geraten, meine Umgebung etwas besser in Augenschein zu nehmen. Ich saß mit dem Rücken gegen die Balkontür, und ich wußte, daß sich niemand auf dem Balkon befand, so daß ich von dort nicht überrumpelt werden konnte. Die Zimmertür war mir gerade gegenüber. Und ich berechnete, daß ich schneller als jemand von den anderen meinen Revolver erreichen konnte, wenn es sein sollte. Das Mittagessen näherte sich seinem Ende. Zum Obst wurde ein voller, dunkler Portwein serviert, der mir vortrefflich schmeckte. Dr. Gravenhag trank noch immer nichts. Ich beugte mich zu Frau Merete hinüber, um besser zu hören, was sie zu sagen hatte. Ich nahm eine ungezwungene Stellung ein, wie man sie sich erlauben kann, wenn man sich in guter und vertraulicher Gesellschaft befindet, meine eine Hand ruhte auf dem Tisch, die andere hielt ich in der Tasche. Jetzt bemerkte ich, daß die Straße unten nicht mehr so still war wie vorher, man hörte den Lärm von Autos und anderem Fuhrwerk. Wahrscheinlich war ein Kino oder Varieté in der Nähe, und das Publikum begann sich einzufinden. Das konnte mit der Zeit übereinstimmen.

»Sie beschuldigen also den Herrn dort, Marcus Friis ermordet zu haben,« sagte sie.

»Ja, und Sie sind seine Mitschuldige. Das haben Sie selbst gestanden.«

»Wenn ich aber behaupte, daß es wirklich mein Mann, Dr. Louis Gravenhag war, der in jener Nacht in seiner Wohnung in Kopenhagen ermordet wurde, und daß es Marcus Friis ist, der dort sitzt – was sagen Sie dann?«

»Dann sage ich, daß Sie lügen.«

»Gut, ich gehe also auf Ihre fixe Idee ein. Sie kennen Marcus Friis aus Kopenhagen?«

»Ich kenne auch Ihren Mann, obgleich er keine Ahnung davon hatte.«

»Und was sollte das Motiv zu solchem Verbrechen sein?«

»Ein doppeltes Motiv,« antwortete ich, »teils eine Geldspekulation und teils etwas anderes.«

»Was meinen Sie mit diesem anderen?«

»Lassen Sie uns auf die Tage im Pensionat zurückgreifen,« sagte ich, »dann wird die Sache verständlicher. Ich erinnere mich Ihrer noch genau von damals, Frau Merete, ich habe selten einen Menschen gesehen, der so offenkundig zur Schau trug, wie gelangweilt er war. Um dieselbe Zeit traten Sie wieder mit Ihrem Manne, von dem Sie getrennt lebten, in Verbindung. Stimmt das?«

Frau Merete beugte bejahend den Kopf.


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