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VIII.

Es ist notwendig, Robert Robertsons Bericht, der ebenso ausführlich wiedergegeben wurde, wie er ihn dem Herausgeber dieses Buches mitgeteilt hat, hier einen Augenblick zu unterbrechen. Der Leser wird bemerkt haben, daß aus Robertsons Darstellung häufig ein selbstbewußter Ton klingt. Er spricht von sich selbst als »Raubtier« oder ähnlich. Das stimmt mit seinem Charakter überein, wie der Herausgeber ihn beobachtet hat. Er war eine ungewöhnlich kalte und grausam berechnende Natur, die gleichzeitig sehr viel Eitelkeit besaß – er konnte es nicht vertragen, auf die Dauer in der Verborgenheit zu leben, sondern mußte sich Menschen mitteilen, um sich in der Angst oder dem Abscheu, den man unwillkürlich vor ihm empfand, zu sonnen.

Wie gesagt, es ist notwendig, seinen Bericht einen Augenblick hier zu unterbrechen, um auf einige Polizeirapporte, die in dieser Sache vorliegen, überzugehen. Diese Rapporte befinden sich im Archiv der Kopenhagener Polizei und handeln von Dr. Gravenhags aufsehenerregendem Verschwinden und Tod, kurz nach der Episode, die soeben geschildert wurde. Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, wird hier nur der Deutlichkeit wegen erwähnt, daß die Polizei von dieser Episode keine Ahnung hatte, was auch aus den Rapporten hervorgeht. Ueberhaupt war es unmöglich, Dr. Gravenhags Tod auf irgendwelche Weise mit Frau Merete in Verbindung zu bringen. Die Nachforschungen der Polizei gingen in eine ganz andere Richtung.

Unter Dr. Gravenhags Freunden und in dem Krankenhaus, wo er Oberarzt war, hatte es großes Erstaunen hervorgerufen, als Dr. Gravenhag von ungefähr Anfang Juni einen Mangel an Selbstbeherrschung an den Tag legte, der mit seinem früheren ordentlichen Lebenswandel schlecht übereinstimmte. Gravenhag hatte stets den Ruf eines außerordentlich zuverlässigen Arztes genossen und war in den besten Kreisen Kopenhagens als ein Mann mit guten und soliden Manieren bekannt. Eine plötzliche und allem Anschein nach ganz unmotivierte Veränderung war mit ihm vorgegangen.

Es fing damit an, daß er jeden Abend in den großen und modernen Restaurants in einer Gesellschaft zu sehen war, die keineswegs dem Geschmack seiner alten Freunde und Kollegen entsprach; es war zu jener Zeit, als gerade die neuen Reichen ihre lärmende Lebensfreude entfalteten, die die alte Bourgeoisie peinlich berührte und von der sie sich zurückzogen. Doch gerade in dieser Gesellschaft zeigte Dr. Gravenhag sich, er war nicht sonderlich aufgeräumt, eher schien er gezwungenermaßen an ihren Tischen zu sitzen, wo die Champagnerflaschen nie leer wurden – auf seinem Gesicht lag beständig ein fast unmerkliches skeptisches Lächeln. Einige meinten, er suche diese lärmende Gesellschaft, um den Trennungsschmerz von Frau Merete zu übertäuben, wer die Verhältnisse aber besser kannte, wußte, daß dies unmöglich der Fall sein konnte, da sie in gegenseitiger Abneigung auseinander gegangen waren.

Das Auffallendste und Peinlichste aber war, daß dieser sonst so korrekte Mann seine Arbeit versäumte. Im Krankenhaus überließ er zum großen Teil seine Verpflichtungen anderen, und auch seine gute Praxis ließ er im Stich. Kurz gesagt, er bot das Bild eines Mannes, der an einem großen Kummer trägt oder seine niedergebrochenen Nerven durch Zerstreuung aufpeitschen will. Da war es, daß einer seiner ältesten und besten Freunde Mut faßte und ihn zur Rede stellte. Was ihn drücke? Nichts. Ob er Hilfe nötig habe? Nein. Seine Freunde seien bereit, ihn zu unterstützen. Sei nicht nötig. Warum er seine Arbeit versäume, die er doch stets so hoch geschätzt habe? Darauf antwortete er nur mit einem Achselzucken. Niemand konnte so eiskalt abweisend, so verletzend zurückhaltend sein wie Dr. Gravenhag. Da ließen seine Freunde ihn gehen – und es führte auch bald zur Katastrophe.

Ebenso plötzlich wie Dr. Gravenhag in der bunten und lärmenden Gesellschaft aufgetaucht war, ebenso plötzlich verschwand er wieder daraus. In der letzten Nacht gegen vier Uhr morgens hatte er sein Glas ausgetrunken und das Lokal verlassen. Seitdem hatte er sich weder in Restaurants noch anderwärts, wo die muntere Gesellschaft zu pokulieren pflegte, gezeigt. Weder im Krankenhaus noch in seiner Wohnung war er gewesen. Zeitungen und ungeöffnete Briefe häuften sich vor seiner Tür, wie vor derjenigen eines Menschen, der abgereist ist, ohne seine Adresse anzugeben.

Schließlich eines Morgens fand man seine Leiche. Die Polizei mischte sich gleich hinein, denn es lagen Umstände vor, die auf einen Mord schließen ließen.


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