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Fünfzehntes Kapitel.
Die Verbannten

Drei Robinsone Besitzer einer Festung, einer Stadt und einer Insel! Welcher Stolz mag sie beseelt haben! Aber er wird sich in keinem Falle haben messen können mit der grenzenlosen Überraschung, als schon nach wenigen Monaten (im Dezember 1814) eine Korvette in der Cumberlandbucht Anker warf, aus der sich Männer jeden Alters von 80 bis zum Jüngling von 20 in langem, düsteren Zuge ergossen. Und auch jeden Standes. Soldaten, Priester, Staatsmänner. Es waren hohe, aufrechte Gestalten mit intelligenten Gesichtern; mit einem Worte, es war die Blüte der chilenischen Aristokratie, die, beinahe verwahrlost gekleidet, mit wirrem Haar sich an Land schleppte.

Nur ein Weib unter den fast unzähligen Männern; ein junges Blut, ein wunderhübsches Mädchen, fast Kind noch, das einen kranken Greis stützte, damit er nicht über das rauhe Gestein strauchele. Rosario nannte sich dieses liebliche Geschöpf, welches gegen hundert Widerstände die entsetzliche Reise von Santiago nach Juan Fernandez erzwungen hatte, um ihrem Vater in die Verbannung zu folgen.

Die Freiheit war wie ein kurzer Sonnentag über Chile hingegangen. Ein Aufraffen der Realisten, eine unglückliche Schlacht der Revolutionäre, und die alte Herrschaft war wieder da. Nun verwandelte sie sich in Tyrannei, und der Statthalter seiner Katholischen Majestät befolgte die alte Taktik, die Spitzen der freiheitlichen Bewegung zu fällen, ohne Märtyrer zu schaffen. Da blieb als Bestes Juan Fernandez. Die junge Verbrecherkolonie füllte sich mit den edelsten Namen.

Sie kann niemals besiedelter gewesen sein, als in jenen Jahren (1814-1817), denn zum wenigsten noch sechs Schiffe brachten, was sich von Patrioten in Chile und Peru überantworten ließ, aber hinfort nicht immer rein politischer Qualität, sondern mit gemeinen Verbrechern gemischt. Trotzdem sind die 27 Monate bis zur Erlösung, die das abermals befreite Chile am 24. März 1817 durch den »Adler« brachte, ohne Hader und Blutvergießen verflossen, ja, etliche der Verbannten entdeckten ihre dichterische Ader und haben ihre Geschicke an Ort und Stelle in Epen besungen. Auch verstanden sie ihr Leben so gut, wie es ging zu gestalten und folgten mit viel Virtuosität dem Beispiele des schottischen Matrosen.

Freilich diente der Mehrzahl der Deportierten die leere Stadt zum willkommenen Unterschlupf; aber es gab von Anfang an Sonderlinge, welche sich in abgelegenen Teilen des Eilandes niederließen und ihre Wohnung selbst schufen.

Treten wir ein in ein solches Anwesen, das sich der Sprößling einer altadeligen Familie hergerichtet hatte!

Die einzige Pforte führte in eine Strohhütte, welche in Schlaf- und Wohngemach zerfiel und als Anhängsel eine Küche besaß. Ein gut geschützter Garten umfing sie, in dem hauptsächlich Kürbisse gezogen wurden, noch heute in jedem chilenischen Haushalte bei gekochtem Rindfleisch die notwendigste Zuspeise. Sie werden aber nicht eingemacht, süß oder sauersüß gegessen, sondern einfach gekocht. Dieses alltägliche Gericht führt den Namen Puchero. – Nahe dem Zaune aber blinkte das dunkle Grün von Zitronen- und Orangenbäumen, und in einem geschützten Winkel befand sich ein Hühnerstall mit wohlgepflegten Insassen. All diese guten Dinge stammten zweifelsohne aus der verlassenen Stadt San Juan Bautista und von den drei Soldaten, die ihr Erbe angetreten. – Für Wachsen und Vermehren gibt es kaum ein gesegneteres Klima als das der Insel.

Das größte Unglück, welches die Ausgestoßenen heimsuchte, war ein Brand der Stadt, dem gerade die besten Häuser zum Opfer fielen. Aber sie konnten von Glück sagen, daß er die Pulverkammer verschonte. – Der »Adler« hatte nicht alle fassen können. Namenlose und gemeine Verbrecher blieben zurück und zu ihrer Aufsicht ein Trupp Soldaten, ein Hauptmann und ein Mönch, jener als Gouverneur, dieser als Kaplan.

Kaum waren die Segel der Heimkehrenden verschwunden, als sich Schwert und Kreuz um die Vorherrschaft stritten. Der Offizier wollte den ungehorsamen Pater nach Masafuera verbannen, aber dieser ließ sich nicht einschüchtern, sondern überwältigte mit kräftigen Armen seinen weltlichen Widerpart und band ihn mit dem Stricke, der sein graues Kleid um die Hüften gürtete. Dann mietete der energische Gottesmann einen Walfischfänger und setzte mit dem so kläglich depossedierten Kommandanten, seinen Soldaten und dem Reste der Verbannten nach der Küste über. – Aber wiederum entzogen sich drei Mann dem abermaligen Exodus, welche in der Folge fast viereinhalb Jahre im ungestörten Besitz der Insel blieben. Nur fremdländische Fischer waren häufiger ihre Gäste.


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