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Die Wälder blieben nicht stumm, die leuchtenden Blütenkelche öffneten sich nicht umsonst. Die Insel belebte sich mit einem bunten Tiervolk, zusammengewürfelt wie jenes der Menschen, das sie heute bewohnt. Welch seltsamer Zufall mag den Kolibri des chilenischen Festlandes nach Juan Fernandez verschlagen haben? Wie bestand der kleine Torito, ein winziger Tyranne, die weite Fahrt? Wie die Drossel der Magallanes, der Zorzal, oder der Rayadito, ein zierlicher Baumläufer?
Es umschwirren sogar zwei Kolibris – Picaflores, Blumenpicker – die auffallenden Blüten des Teufelstabak und Juan Bueno: derjenige Chiles und ein anderer, nirgends sonstwo als auf Masatierra und Masafuera in der Welt vorkommend. Da haben wir wiederum einen jener wunderbaren Fälle, welche dem modernen Naturforscher solch vorzügliche Waffe gegen den alten gegeben haben im Kampfe um die Schöpfungslehre.
Der kleinere Picaflor, der eingewanderte, ist ein grünes Vögelchen, das Männchen mit purpurnem Kopfschmuck, alles metallisch glänzend, wie es seiner Sippe eigen ist. Der größere, der anscheinend autochthone, so verschieden in beiden Geschlechtern wie ein schwarzbefrackter Herr und eine toilettenfreudige Ballschöne, nur das umgekehrt bei unserem Schwirrvogel das Männchen ein üppiges Gewand anlegte, denn es kleidete sich vollständig licht kanelfarben, überhauchte die Flügel mit purpurnem Schmelze und bedeckte das Haupt mit blitzender, rotgoldener Kappe. Das Weibchen indes kontrastiert seltsam durch das stumpfe Schwarzbraun seines Gefieders, das zarte, grüne Federchen ein wenig herausputzen und ein weißes, grüngetupftes Chemisett nebst einem amethystfarbenen Mützchen zu verschönen suchen.
Wie überraschend und befremdlich dieses ungleiche Ehepaar, das sehr spät als solches erkannt wurde! Aber viel erstaunlicher ist es, daß nichts uns der Notwendigkeit enthebt, seine Urheimat auf der Insel selbst zu suchen! Daß wir gezwungen sind, es als eine Spielart des kleinen Blumenpickers anzusehen, der aus Chiles Kordilleren verwehte. Das Weibchen bürgt uns dafür, es hat den ursprünglichen Typus ziemlich treu bewahrt, wie denn in der Natur das Weibliche ganz allgemein sehr viel beständiger, sagen wir konservativer ist, als das Männliche, welches bald dieser, bald jener Laune folgt. Die Spielart, die hellbraune Farbenvariante, an der nur die Männchen teilnahmen, befestigte und vertiefte sich im Laufe der Zeiten; sie gedieh sogar besser als ihre in beiden Geschlechtern grünen Ahnen und übertraf diese nicht unbedeutend an Größe und Länge der Flügel, so daß sie sogar einen Flug nach Masafuera wagen durfte und auch Besitz von dem Schwestereilande nahm.
Die Picaflores sind die lieblichsten Erscheinungen der kleinen Vogelwelt von Juan Fernandez. Wo etwas blüht, und sei es noch so verborgen, sie machen es ausfindig, auch im tiefsten Urwalddunkel; und dann schweben sie mit durchgedrücktem Rücken, gespreiztem Schwanz und schwirrendem Flügelschlag vor den Kelchen, und der feine, spitze Schnabel taucht in sie nieder und fährt zurück, geschwinde und nimmer müde. Dabei vergessen sie alles um sich her und beachten auch kaum den Tritt des Menschen, benommen wie im Liebesspiel.
Fast so beweglich, aber überdies mit süßem Gesange begabt ist der Torito, ein kleiner, grau-olivenfarbener Tyranne mit weißgelblicher Brust und einer Tolle, die er keck sträubt, alles Gezweig nach Insekten und Maden musternd. Er ist stark verheiratet, denn er trennt sich keinen Augenblick von seiner Gefährtin, und trotzdem, wenn die Septembersonne den Frühling bringt, entflammt er immer wieder zu neuem Liebeswerben; seine sonst so kurze Sangesstrophe schwillt an zu einem langen, heiß begehrenden Verse.
Noch ein Insektenjäger kommt hinzu, der Rayadito, ein neuweltlicher Baumläufer, braunrot mit schwärzlicher Stirne. Aber nur ein einziger Vogel reflektiert seit undenklichen Zeiten auf die Beeren und Samen der Insel. Das ist der Zorzal, die graubraune Drossel des chilenischen Festlandes, welche sich mit Vorliebe an den roten Früchten der Chonta gütlich tut und damit zum eifrigsten Verbreiter der Palme wird. Auch der Zorzal erfüllt die Lüfte mit Gesang, namentlich am Spätnachmittage, nachdem er seine Ernte eingeheimst.
Über jenes konzertierende, behende Gesindel haben sich in Masatierra und Masafuera zwei Falken zu Herrschern bestellt, der kleinere, braunrote Cernícalo und der blau-aschfarbene größere Aguilucho, welcher auch wohl zur See niederschießt, um fliegende Fische zu erbeuten. Die Nachtpolizei besorgt die Schleiereule, welche sich die ganze Welt erobert hat.
Kein Vierfüßler fand vor dem Menschen seinen Weg zu unserem einsamen Eiland; weder Eidechse noch Schlange rascheln im Laube, auch Frosch und Kröte haben seine Gefilde nicht erreicht. Dagegen rasten an dem Strande Masatierras und mehr noch Masafueras Herden von Seehunden, und früher landeten die gewaltigen Seeelefanten. Scharen von Humboldt-Pinguinen pflanzen sich in Reih und Glied auf den niedrigen Brandungsfelsen auf; düstere, beinahe schwarze, große Sturmvögel mit starkem Schnabel, die Fardelas, nisten an den unzugänglichen, himmelhohen, buntgestreiften Steilküsten; auf dem Meere wiegt sich der Pelikan und jagen sich in weitem Bogensprung Delphine.
Bunte Fische, goldene und violette, spielen in durchsichtigen Fluten, welche ein üppigeres und mannigfaltigeres Tierleben beherbergen, als im Angesichte des Festlandes, denn unsere Insel umspülen die warmen Strömungen Ozeaniens.
Prächtige, reich verzweigte Korallen mit großen Kelchen wurzeln in der Tiefe, geschmeidige Schlangensterne und seltsame, achtarmige Seesterne gleiten über die roten und weißen Rasen von Kalkalgen; bunte Röhrenwürmer besetzen das Gestein, auf dem die Languste, ein riesiger Panzerkrebs, weidet, und über dem der Bacaláo, ein gewaltiger Barsch, der Pampanito, ein Skorpide und der Toyo, ein Hai, ihrer Beute nachstellen.
Während die Säugetiere sich erst an die Ferse der Menschen hefteten, fand das leichte Insektenvolk allein seinen Weg. Der Distelfalter Südamerikas gaukelt winters und sommers umher, und verschiedenartige Eulen, darunter recht auffallende, beleben die Grassteppen nebst mancherlei bunten Fliegen, etlichen Hautflüglern und einer Heuschrecke, welche genau so verwaschen gelb-rot-braun gefärbt ist, wie der vulkanische Sand, auf dem sie ihrer lustigen Turnerei obliegt. Alles echte Chilenen. – Unter den Käfern gibt es einige, welche echte Juan Fernandezianer sein wollen, namentlich mehrere Glanz- und Rüsselkäfer. Außer diesen und einem Marienkäferchen nebst einem Kurzflügler gibt es noch etliche Laufkäfer, die aber meist ein recht verborgenes Dasein führen und in der Regel ihr Vaterland, die chilenische Küste, nicht verleugnen.
An die Blätter der Farne schmiegt sich eine durchsichtige, nahezu glashelle, dünne Schnecke.