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Es war die Zeit, wo Spanien und England um die Verteilung der Erde stritten. Noch ging im Reiche der Erben
Karls V. die Sonne nicht unter. Die unerschöpflichen Schätze der Neuen Welt vermochten dem Mutterlande selbst den Verlust einer Armada zu ersetzen. Aber Britannien trieb Keil auf Keil in das Staatengefüge, mit dem Spanien die Erde umschloß, und seine Kaper und Galeeren kreuzten in allen Meeren, um an den Gliedern der ehernen Kette zu rütteln, in welche die
Philippe und
Karle Millionen aller Menschenrassen geschlagen hatten. England beschloß, Spanien im Stillen Ozean anzugreifen. Die langgestreckten Küsten der erzreichen Länder Chile, Peru, Neugranada und Mexiko lagen fast schutzlos da. Es hieß die Adern unterbinden, durch welche der Gold- und Silberstrom nach der Iberischen Halbinsel pulste.
Lord Anson erhielt den Befehl, ein Geschwader auszurüsten.
Am 18. September 1739 verließen fünf Kriegsschiffe mit zusammen 228 Kanonen und von etwa 2000 Matrosen und Soldaten bemannt, nebst zwei Transportfahrzeugen die englische Küste. Aber sie steuerten nicht allein nach Westen. Spanien hatte sich beeilt, gleichfalls eine Flotte auszusenden und England sogar übertrumpft, denn sechs Galeeren mit 308 Geschützen und einer Besatzung von 2500 Köpfen – darunter ein ganzes Regiment Infanterie, während die Engländer nur über 300 geschulte Soldaten verfügten – steuerte Madeira entgegen. Beide Geschwader veranstalteten ein Wettsegeln zum Kap Horn. Anfangs waren die Hidalgos im Vorsprung, aber da sie sich in Madeira zu lange beim Laden von Vieh verweilt hatten, wurden sie von den »Gringos« überholt.
Merkwürdig friedlich muß die Stimmung zwischen beiden Flotillen gewesen sein, durfte sich doch ein Engländer ungestraft unter die feindlichen Schiffe verirren!
Beinahe zur selben Stunde langten sie am östlichsten Kap des Feuerlandes an und durchquerten fast gemeinsam bei glattem Meer und sanftem Winde die Straße von Le Maire zwischen Feuerland und Staateninsel. Es soll ein majestätischer Anblick gewesen sein. Aber es war, als ob ein Meergott sie in eine Falle gelockt habe. Denn kaum wieder in offener See, empfingen sie, als Herolde des Stillen Ozeans, Orkane von solcher Gewalt, daß beide Geschwader ohnmächtig auseinanderstoben. Kein einziger Spanier gewann zurzeit das Pazifische Meer. Einer zerschellte, die anderen flüchteten nach Montevideo, und erst drei Jahre später gelang es einem einzigen, der »Hoffnung«, das Kap Horn zu überwinden.
Anders die Engländer, welche mehr auf eigene Kraft als auf den Beistand der Heiligen zu vertrauen gewohnt waren. Drei Kanonenboote und beide Transporte überwanden Sturm und Wogen, während die übrigen nach Brasilien zurücksegelten, um sich zu reparieren. Aber der gefährliche Chonosarchipel forderte ein neues Opfer. – In die ruhigen Breiten traten nur zwei Fregatten und die Proviantschiffe ein. Aber in welcher Verfassung! Das Admiralschiff allein verlor im ersten Monat nach der Umsegelung des südlichsten Kaps 80 und im folgenden 30 Mann an Skorbut! Und so ging es fort, bis der 10. Juni 1740 ihnen das Profil des Punque zeigte. Juan Fernandez wurde ihre Erlöserinsel.
Aber erst nach etlichen Tagen vermochten sie die Landung auszuführen, gekräftigt durch die balsamischen Lüfte, welche zu ihnen von der Insel herüberwehten und besonders gestärkt durch den Anblick der rauschenden Wasserfälle, die in winterlicher Fülle den Bergen entstürzten. »Nur solche,« – schrieb einer der schwergeprüften Schiffer – »welche lange Zeit hindurch die Qualen des Durstes erlitten haben, können sich eine Vorstellung von dem Wohlgefühl machen, welches schon der bloße Gedanke an eine Quelle oder einen sprudelnden Bach in uns auslöste; sie werden auch unsere schier wahnsinnige Freude begreifen, als wir dicht vor unserem Schiffe eine Kaskade kristallener Wasser hoch von der Felswand wohl über 100 Fuß hinabschäumen sahen. Auch die Kranken und selbst die Todesschwachen krochen an Deck, um das wunderbare Schauspiel zu genießen.«
Kaum eine Steinwurfsweite von den frischen Wassern und den saftigen Kräutern entfernt gaben noch zwölf der unerschrockenen Seeleute ihren Geist auf.
Drei Monate verweilte Lord Anson mit seiner tapferen Schar auf Juan Fernandez, das auch die beiden Transportschiffe und die andere Fregatte endlich erreichten. Auf letzterer waren nur drei Arbeitsfähige übrig geblieben!
Der englische Kapitän vergalt die Wohltaten, welche ihm die Insel erwies. Er schenkte ihr die lieblichen Fruchthaine, die zum Teil noch heute das Entzücken der Jugend dort und des Wanderers sind: wie die Wäldchen saurer Kirschen und rotwangiger Pfirsiche, die im Januar und Februar ihre erfrischenden Früchte in schweren Lasten jedermann darbieten. Auch die Kerne von Pflaumen und Aprikosen pflanzte er aus; sie wuchsen und mehrten sich ebenfalls, aber in unseren Tagen sind sie fast wieder verschwunden.
Der englische Lord verlor trotz jener friedlichen Beschäftigungen, die an die Idylle Robinsons gemahnen, sein Ziel nicht aus den Augen. Den Wald durchhallte die Axt, um den Naranjillo zu fällen, mit dessen hartem und überaus wasserbeständigem Holze die Schiffe ausgebessert und wieder kriegstüchtig gemacht wurden. Die Jagd füllte ihre Proviantkammern.
Die Bewohner Chiles und Perus und die spanischen Besatzungen dort hatten keine Ahnung, daß der Feind vor ihrer Tür stand und sich auf ihre Kosten so gründlich restaurierte. Das mag ein böses Erwachen gewesen sein, als die Engländer eines Tages unversehens den Hafen von Valparaiso verschlossen, als sie die peruanische Küstenstadt Paita in Flammen steckten und von Hafen zu Hafen die Zollhäuser leerten, bis nach Mexiko hinauf! Viele Millionen wurden ihre Beute, an Seide, geprägtem Gelde, Gold- und Silberbarren.
Als Triumphator kehrte das englische Geschwader nach beinahe vier Jahren heim. Ehre der Ausdauer und dem Mute seiner Mannen – aber ihre Rettung aus der Verzweiflung, die Erde, die ihnen Kraft gab, ein Stück Weltgeschichte zu vollbringen, war Juan Fernandez!