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Nunmehr leistete sich der Gang der Ereignisse einen derben Scherz. Die Saat des bigotten spanischen Schiffers und des frommen Jesuitenpaters sollten zwiefach Verdammte ernten, ketzerische Seeräuber.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts belebte sich der Stille Ozean mit seltsamen Fahrzeugen, die keine der bekannten Flaggen seefahrender Nationen führten, sondern unter phantastischen Bannern segelten. Ihre Galeonen starrten von Waffen und ihre Bemannung stammte aus aller Herren Länder, doch vorzugsweise aus England.
Fürchterliche Gestalten befanden sich unter den Anführern, die nicht selten den edelsten Familien entsprossen wie der schreckliche »Exterminador«, der »Ausrotter«, der seinen adeligen Namen, Graf Ludwig von Barmont, ablegte, als er seine Piratenlaufbahn antrat. Er haßte niemand mehr als die Spanier, durch deren Verrat er einstmals in die Hände des Kardinals Richelieu gefallen war, der ihn auf der Insel St. Marguerite einkerkern ließ. Durch Flucht befreit, verfolgte er seine Angeber, um alles, was ihre Zunge sprach, gleich wilden Tieren zu vernichten. Einmal bekam er dreißig in seine Gewalt. Er fuhr mit ihnen ins Meer hinaus und stieß einem jeden selbst das Messer ins Herz. Danach hing er sie bündelweise am Kiel seines Schiffes auf und kehrte in den Hafen, wo er sie gefangen genommen hatte, zurück, um sich vor den entsetzten Bewohnern mit dem grauenhaften Schauspiele zu brüsten.
Die Antillen wurden zur zweiten Heimat der Korsaren, welche sich als » Die Brüder der Küste« zusammenschlossen. Hier rüsteten sie sich aus und scheuten nicht die weite Reise um das Kap Horn herum, um die aufblühenden Ansiedelungen der Westküste Südamerikas zu brandschatzen; denn an den atlantischen Gestaden war damals nur wenig zu holen. Aber einer der verwegensten Häuptlinge beschloß, den kürzesten Weg zu wählen. Es war Henry Morgan, welchen man den König der Seeräuber nannte, der mit seiner Schar zu Fuß den Isthmus von Panama durchquerte und in einfachen Booten (die leicht gezimmert waren) eine spanische Flotille überfiel, welche im Golf von Darien vor Anker lag. Mit Erfolg. Die Piraten töteten den Befehlshaber und kaperten drei Schiffe, die der Schrecken der pazifischen Küste von Ekuador bis Chile wurden und zu ihrem Hauptstützpunkt die Robinsoninsel wählten. Dort ruhten sie aus von ihren Strapazen, feierten ihre Triumphe mit Trunk und Würfelspiel, verteilten die Beute und schmiedeten neue Pläne. Nachdem sie monatelang von Rauchfleisch gelebt hatten, waren ihnen die Ziegen von Juan Fernandez, die nicht weichlich, sondern wie guter Wildbraten schmecken, ein hoher Genuß, und ebenso die Gemüse des Paters Rosales eine Erquickung und Arznei, wenn der Skorbut sie bereits ergriffen.
Eines der erbeuteten Schiffe befehligte Bartholomäus Sharp, welcher sich zur besonderen Geißel der chilenischen Küste ausbildete. Wegen der Assonanz nannte ihn das Volk » Charqui«, – der heimische Name für getrocknetes Fleisch. Nur mit 40 Genossen machte sich der Verwegene zum Herrn von La Serena, welches damals schon sieben Kirchen besaß und brannte die ganze Stadt unbarmherzig nieder, als ihm die Lösegelder, die er auferlegt hatte, nicht reichlich genug ausfielen. Sodann ging's nach der Robinsoninsel, um dort Weihnachten zu feiern.
Die Kunde von der unerhörten Brandschatzung einer der volkreichsten Städte Chiles war auch nach Santiago gedrungen, und der Gouverneur von Valparaiso stellte sich selbst an die Spitze eines kriegstüchtigen Schiffes, das ohne Verzug nach Juan Fernandez steuerte, um die Freibeuter zu züchtigen. Diese waren gerade beschäftigt, Ziegen zu jagen und Fisch auf Vorrat einzusalzen, als das feindliche Segel am Horizonte auftauchte, so daß sie eben Zeit fanden, sich auf ihre Bark zu retten und ihr Heil in der Flucht zu suchen. Kaum entschlüpft, versuchten sie Arica in Südperu zu stürmen, aber unter großen Verlusten zurückgeschlagen, kehrten sie nach den Antillen, um das Kap Horn herum, zurück. Sie brauchten ein ganzes Jahr zu dieser Reise.
Sehr viel mächtiger aber war der Piratenbund, welcher sich zwei Jahre später an der Küste von Virginia in Nordamerika feierlich begründete und verschwor, um allen Ländern der spanischen Krone Fehde anzukündigen. Zehn Schiffe, mit 1000 Abenteurern bemannt, vereinigten sich unter dem Oberkommando von Edward Davis, welcher das stolzeste »Die Junggesellenfreude« befehligte. Das war gewissermaßen die Devise jener zügellosen Banden, welche teils um das Kap Horn segelten, teils über den Isthmus von Panama den Pacifico gewannen und als Sammelplatz unsere schöne Insel vereinbart hatten. Sie hausten mit Feuer und Schwert an den Küsten Perus, bis sie in Blut und Asche wateten, und zwangen die Hauptstadt Lima Schutz hinter hohen Mauern zu suchen, die teilweise heute noch bestehen. Endlich ermannte sich Spanien und der Herzog von Palata suchte die Freibeuter durch ein Geschwader von zwölf Schiffen zu vernichten. Es kam bei den Perleninseln zur Schlacht, die indes unentschieden blieb. Die Korsaren lähmten Eifersüchteleien ihrer Kapitäne, und die spanischen Matrosen zeigten geringe Angriffslust, obwohl der Wind ihnen günstig war. So blieben die Seeräuber, äußerlich wenig geschwächt, die Herren des Stillen Ozeans und teilten sich in die Ausraubung der Küsten von Kalifornien bis zur Magelhaensstraße. Aber nach wie vor blieb Juan Fernandez ihr Rendezvous. Dort landeten sie in einer Bucht, welche die hohen Steilküsten durchschneidet, und die man seit Sharps Zeiten als Englischen Hafen bezeichnet.
Übrigens hatte das Seeräubertum nach der Schlacht, trotzdem sie keineswegs eine Besiegung bedeutete, an innerer Kraft verloren, und überdies ließen die fortgesetzten Angriffe die Küstenvölker wachsamer und wehrhafter werden, so daß schon um die Jahrhundertwende das Stille Meer leidlich sicher geworden war.