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Es scheint, daß
Juan Fernandez, der Seefahrer, an seinem Lebensabend jedes Interesse für die Insel, einst die Hoffnung seines Alters, verloren hat, denn er zedierte sie, wie eine lästige Sache, seinem Kriegskameraden und Namensvetter
Juan Fernandez Rebolledo, welcher sich im Araukanerlande Lorbeeren im Kampfe gegen die Indianer erworben hatte. Indes dieser würdigte das Eiland nicht eines einzigen Besuches, sondern überließ es den Jesuiten, in deren Orden er sein Sterbestündlein zu erwarten gedachte. Aber für die Gesellschaft Jesu war schon damals
alles wertvoll, wie ein Chronist ironisch bemerkte: »Die Felder, die Städte und selbst das weite, unbekannte Meer.«
Welche Viehtrift, welcher Wald, welcher See, welches Bergwerk, welches Landgut oder welcher Palast oder selbst welches Haus in Südamerika, das die Jahrhunderte überdauerte, hat wohl nicht einmal der Jesubrüderschaft gehört oder zu ihr in Beziehung gestanden? Waren doch ganze Staaten Reiche der Jesuiten! Was Wunder, daß diese Männer, die mit dem Priester alle Berufsarten verknüpften, sich durch den schlechten Ruf, den Chile, der letzte Winkel der Welt, als Hungerland genoß, nicht abschrecken ließen, sondern bereits nach fünfzig Jahren den Konquistadoren folgten. Freilich nicht wie erobernde Kaufleute mit goldgespicktem Beutel, sondern als arme, vom Notwendigsten entblößte Diener des Herrn, die nicht so viel mit sich führten, um Nachtlager und Imbiß zahlen zu können! Acht solcher Allerärmste durchwanderten 1593 die Straßen Santiagos, und bald war das Mitleid mit ihnen größer als ihre Armut. Alles schenkte mit Freuden, mit Fanatismus. Und jene sammelten die Kupfer und Silberlinge wie eine kostbare Sämerei, die sich verhundertfacht, wenn man sie dem richtigen Boden anvertraut. – Sechzig Jahre später zählte man in Chile 300 Jesuiten, welche 59 eigene Güter mit 2000 Sklaven bewirtschafteten. Manche der Latifundien waren umfangreicher als deutsche Fürstentümer. Aber daneben betrieben sie Handel und Industrie und alle gelehrten Professionen und Zweige der Wissenschaft. Ihre dem Schoße der Erde entrissenen Erze verwerteten sie in eigenen Werkstätten, Eisen-, Silber- und Goldschmieden; die Wolle ihrer Schafe verspannen und verwebten eigene Tuchfabriken; ihre Rinderhäute richteten eigene Gerbereien zu. Sie verfrachteten ihre Produkte und Waren auf eigenen Schiffen; sie beherrschten Land und Meer. Arzt und Apotheker vereinigte sich im Beichtvater, ebenso wie der Lehrer und Berater in allen weltlichen Dingen. Dabei waren sie volksfreundlich und volkstümlich. Die Prozessionen und Feste der Jesuiten mit Most und Tanz waren die glänzendsten und üppigsten. Leutselig zu jedermann, verschmähten sie auch nicht, mit dem Leibeigenen zu plaudern. – In einer mondhellen Nacht ritt einmal ein Jesuitenpater mit seinem Diener der entfernten Hazienda zu. Der würdige Vater wies auf den Mond und erklärte seinem einfältigen Begleiter, daß er eine Erde wie die unsere sei. Der aber schüttelte den Kopf und meinte, das lasse er sich nicht vorreden. »Und warum nicht, mein Sohn?« »Ja, wenn das eine Erde wäre, dann hätten die Väterchen dort ohne Zweifel auch schon ein kleines Gütchen.«
Man wird begreifen, daß solche Leute, denen so viele und verschiedenartige Dinge zum Besten dienten, auch die Robinsoninsel nicht verschmähten und ihr Interesse kein platonisches blieb.
Nachdem die Insel beinahe 100 Jahre nur wenige Male eines Menschen Fuß flüchtig betreten hatte, landete 1664 der Provinzvorsteher des Jesuitenordens, der berühmte Geschichtsschreiber Pater Rosales, welcher, wie er selbst berichtet, sie zu bevölkern trachtete, »damit die Religion ihrer Vorteile teilhaftig werden möchte«. Zunächst aber streute er in die Schluchten und Ebenen die Samen von allerhand Fruchtbäumen und Gemüsen, welche aufgingen und mit der Gunst des Klimas sich mehrten.
Auf der Insel wimmelte es von Ziegen, die sich so vervielfältigt hatten, daß die Weiden und selbst die Wälder ihnen nur knappe Nahrung gaben; schon entrindeten sie überhungrig die Bäume und fraßen ihr Blattwerk, soweit sie langen konnten. Überdies sollen ihnen noch verwilderte Schweine eine heftige Konkurrenz gemacht haben.
So hatte sich das Erbe des Juan Fernandez über die Maßen mit Wildbret bevölkert; aber auch ein Obstbaum erzeugte bereits dichte Wäldchen, die Quitte, welche die saftigsten und aromatischsten Früchte zeitigte. Eine Saat, welche den andalusischen Schiffer bis heute überdauert.
Offenbar konnte der enthusiastische Bericht, welchen Pater Rosales von seiner Entdeckungsfahrt heimbrachte, die nüchterne, geschäftsmännisch erwägende Mehrheit seines Ordens nicht davon überzeugen, daß der »Religion« wesentliche Hilfsquellen aus der Insel zufließen möchten, denn die Jesuiten überließen nunmehr das phantastische Eiland seinem Schicksal.
Wie recht die klugen Patres gehabt haben!