Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Zweiundfünfzigste Erzählung.

Papst Bonifacius, bei welchem Herr Geri Spina sehr wohl gelitten war, hatte einst wegen einer dringenden Angelegenheit eine sehr edle und vornehme Gesandtschaft nach Florenz geschickt; die Gesandten waren bei Herrn Geri abgetreten und verhandelten mit ihm die Aufträge des Papstes. Zufälligerweise ging er mit ihnen fast jeden Morgen bei Santa Maria Ughi vorbei, wo der Meister Cisti seine Bäckerei hatte, und bei seiner Hantierung selbst Hand mit anlegte. Obwohl ihm nun das Schicksal eben kein ansehnliches Gewerbe beschieden hatte, so war es ihm doch bei demselben so hold gewesen, daß er sehr reich geworden war und im Überfluß leben konnte, wiewohl er sich dadurch nicht abhalten ließ, bei seinem Berufe zu bleiben. Unter anderen guten Dingen, die er sich nicht abgehen ließ, war er stets mit dem besten und feinsten weißen Weine versehen, der in ganz Florenz und in den umliegenden Gegenden zu haben war. Wie er bemerkte, daß Messer' Geri mit den päpstlichen Gesandten jeden Morgen vor seiner Thüre vorbei ging, fiel ihm ein, da es eben in der heißen Jahreszeit war, daß es ihnen vielleicht nicht unlieb sein würde, wenn er ihnen einmal seinen guten Wein zu kosten gäbe. Weil er jedoch meinte, daß der Abstand zwischen dem Herrn Geri Spina und ihm zu groß wäre, so hielt er es nicht für schicklich, ihn geradezu einzuladen, und suchte es daher lieber so einzurichten, daß Herr Geri sich selbst bei ihm zu Gast bitten müßte. Er pflegte sich deswegen in einem schneeweißen Wämschen und einer neugewaschenen Schürze, worin er mehr einem Müller als einem Bäcker ähnlich war, alle Morgen, um die Stunde, wenn Herr Geri mit den Gesandten vorüber ging, eine kleine Bologneser Flasche seines köstlichen Weines, eine schöne wohlverzinnte Kanne mit frischem Wasser und ein Paar schön geschliffene, reingeschwenkte Gläser vor seine Hausthüre bringen zu lassen, und nachdem er sich einige mal geräuspert hatte, seinen Wein mit solchem Wohlgeschmack einzuschlürfen, daß es einen Halbtoten hätte lüstern machen können. Wie Herr Geri dieses einmal und zweimal bemerkt hatte, fragte er am dritten Morgen: »Wie schmeckt's Cisti? Ist er gut?«

Cisti sprang geschwind auf und sagte: »Gut ist er, gnädiger Herr, aber wie gut, das kann ich Euch nicht sagen, wenn Ihr ihn nicht selbst kostet.«

Herr Geri, bei welchem entweder die Jahreszeit, oder der längere Spaziergang, oder die Behaglichkeit, womit er den Bäcker seinen Wein trinken sah, den Durst weckte, sprach lächelnd zu den Gesandten: »Ich denke, meine Herren, wir könnten wohl den Wein dieses guten Mannes einmal kosten vielleicht ist er so gut, daß es uns nicht gereut.«

Mit diesen Worten führte er sie zu Cisti. Dieser ließ den Augenblick eine hübsche Bank aus seinem Backhause bringen und lud die Herren ein zum Sitzen. Zu den Dienern, die sich schon fertig machten, die Gläser zu schwenken, sprach er: »Laßt's nur gut sein, Kameraden, und laßt mich selbst diesen Herren aufwarten: ich verstehe so gut einzuschenken, als einzuschieben, und für Euch fällt hier kein Tröpfchen ab.«

Er schwenkte hierauf vier schöne Gläser, ließ sich noch eine kleine Flasche von seinem guten Wein bringen und war fleißig bei der Hand, dem Herrn Geri und seinen Gästen einzuschenken. Diese fanden den Wein so gut, als sie ihn seit geraumer Zeit nicht getrunken hatten, und so lange die Gesandten blieben, wiederholte Herr Geri mit ihnen fast täglich seinen Morgenbesuch bei Cisti.

Wie ihr Geschäft geendigt war und sie wieder abreisen wollten, gab ihnen Herr Geri ein großes Abschiedsmahl, wozu er einige der angesehensten Bürger mit einladen und auch den Bäcker Cisti bitten ließ, welcher sich aber weigerte zu kommen. Herr Geri befahl demnach einem seiner Diener, zu ihm zu gehen und ihn um eine Flasche von seinem Wein zu bitten und einem jeden Gaste beim ersten Gerichte ein Spitzgläschen davon einzuschenken.

Der Diener, den es vielleicht verdroß, daß er nie ein Tröpfchen von dem Weine gekostet hatte, nahm die größte Flasche mit, die er nur finden konnte. Wie Cisti dies sah, sprach er: »Mein Sohn, Herr Geri schickt Dich gewiß nicht zu mir.«

Der Diener versicherte ihm einmal über das andere, daß ihn sein Herr wirklich zu ihm geschickt hätte; wie er aber keine andere Antwort von ihm erhalten konnte, ging er wieder zurück und sagte es seinem Herrn.

Herr Geri sprach: »Geh' wieder hin und sage, ich schickte Dich allerdings zu ihm, und wenn er Dich wieder so abfertigt, so frage ihn, zu wem ich Dich denn schicke?«

Der Diener ging wieder hin und sagte: »Cisti, mein Herr hat mich doch zu Euch geschickt.«

»Das hat er gewiß nicht gethan«, sprach Cisti.

»Zu wem glaubt Ihr denn, daß er mich schickt« fragte der Diener.

»Zum Arno«, erwiderte Cisti.

Wie der Diener seinem Herrn diese Antwort brachte, gingen ihm die Augen auf, und er verlangte, die Flasche zu sehen, die er mitgenommen hätte. »Cisti hat Recht«, sprach er, wie er sie sah, gab seinem Diener einen derben Verweis und befahl ihm, eine mäßige Flasche zu nehmen. Wie er diese dem Cisti brachte, sprach derselbe: »Nun seh' ich, daß Dein Herr Dich zu mir schickt.« Er ließ ihm auch den Augenblick die Flasche füllen und sandte dem Herrn Geri noch an demselben Tage ein ganzes Fäßchen von seinem trefflichen Weine; ging hiernach selbst zu ihm und sagte: »Gnädiger Herr, glaubt nur nicht, daß mich diesen Morgen die große Flasche abgeschreckt hätte. Es schien mir nur, daß Ihr vergessen hättet, was ich Euch in diesen Tagen mit meinem kleinen Fläschchen zeigen wollte, nämlich, daß mein Wein kein gemeiner Tischwein ist; deswegen wollte ich Euch nur dieses wieder in Erinnerung bringen. Um nicht länger Euer Kellermeister zu sein, hab' ich Euch das ganze Fäßchen gesandt, und Ihr könnt nun nach eigenem Belieben damit haushalten.«

Herrn Geri war das Geschenk sehr willkommen; er dankte dem Cisti verbindlich dafür, und dieser war ihm in der Folge stets lieb und wert.

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