Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Einundzwanzigste Erzählung.

Es war einmal ein Nonnenkloster, welches wegen seiner frommen Bewohnerinnen ziemlich berühmt ist, welches ich aber, um seinem guten Leumund keinen Abbruch zu thun, nicht nennen will, und woselbst vor nicht gar langer Zeit, wie in demselben nicht mehr als acht Nonnen nebst ihrer Äbtissin, lauter junge Geschöpfe, befindlich waren, ein ehrlicher Mann als Gärtner in Diensten stand, welchem sein Lohn nicht genügte; daher er mit dem Amtmann des Klosters Abrechnung machte, und nach Lamporecchio, wo er zu Hause war, zurück ging. Hier befand sich unter mehreren, die ihn bewillkommten, ein junger, starker, rüstiger Bauer, und zugleich ein recht hübscher Bursche für einen Bauersmann, namens Masetto, welcher ihn fragte, wo er so lange gewesen wäre. Der gute Gärtner, welcher Nuto hieß, sagte es ihm, und Masetto fragte ihn darauf, was seine Verrichtung im Kloster gewesen wäre.

Nuto antwortete: »Ich hatte einen schönen, großen Garten zu bestellen, und überdies ging ich zuweilen zu Walde, um Holz zu machen, holte Wasser und verrichtete allerhand andere kleine Geschäfte; allein die Weiber bezahlten mich so schlecht, daß ich mir kaum die Schuhe konnte flicken lassen; und überdies sind's lauter junge Dinger, die, wie ich glaube, den Teufel im Leibe haben; denn man kann ihnen nichts recht machen. Wenn ich bisweilen im Garten zu thun hatte, so kam die eine und sprach: »Setzt das hier hin;« die andere: »Setzt das dort hin;« wieder eine andere nahm mir die Schaufel aus der Hand und fand bald dieses, bald jenes nicht recht gemacht; und so schoren sie mich so lange, bis ich die Arbeit liegen ließ und davon ging. Um dieser und anderer Ursachen willen wollte ich nicht bleiben, sondern nahm meinen Abschied. Der Amtmann bat mich zwar, wie ich wegging, ich möcht' ihm doch einen anderen Arbeiter wieder verschaffen, wenn es sich so treffen wollte, und ich hab' es ihm auch zugesagt; aber er kann lange warten, bis ich ihm jemand aufsuchen und schicken werde.«

Wie Masetto den Nuto so reden hörte, wandelte ihn eine große Lust an, bei den Nonnen zu dienen, weil er aus seinen Worten schloß, daß er wohl mit ihnen zurecht kommen würde; weil er aber fürchtete, sein Plan möge scheitern, wenn er sich davon gegen Nuto etwas merken ließe, so sprach er zu ihm: »Ach, Du hast wohl recht gut gethan, daß Du weggegangen; denn was hat man davon, bei Weibern zu dienen? Lieber bei Teufeln; denn sechsmal aus sieben wissen sie selbst nicht, was sie wollen.«

Sobald aber die Unterredung vorbei war, sann Masetto gleich auf ein Mittel, zu den Nonnen zu kommen. Da er sich tüchtig fühlte, alles zu verrichten, was Nuto gethan hatte, so blieb ihm nur der einzige Zweifel übrig, daß man ihn vielleicht deswegen nicht annehmen würde, weil er zu jung und zu hübsch wäre. Nach langem Hin- und Hersinnen dachte er endlich: Der Ort ist ziemlich weit von hier, und niemand kennt mich daselbst; wenn ich mich stelle, als wenn ich stumm wäre, so nimmt man mich wohl an. In dieser Hoffnung nahm er seine Axt auf die Schulter und wanderte, ohne jemand ein Wort zu sagen, in Bettlerkleidern nach dem Kloster, ging hinein und fand zufälligerweise den Amtmann im Hofe, den er nach der Art der Stummen durch Gebärden um etwas zu essen bat, und ihm zu verstehen gab, daß er dafür, wenn es verlangt würde, Holz hacken wollte. Der Amtmann gab ihm gerne zu essen und wies ihm darauf einige Klötze an, die dem Nuto zu hart gewesen waren, die aber Masetto, als ein kraftvoller Bursche, in kurzer Zeit klein machte. Der Amtmann nahm ihn darauf mit sich in den Wald, ließ ihn daselbst etwas Holz fällen und winkte ihm, einen Esel, den er ihm vorführte, damit zu beladen, und es nach dem Kloster zu schaffen. Masetto richtete alles gehörig aus, und weil im Kloster noch manches zu beschicken war, so behielt er ihn noch einige Tage bei sich im Hause, wo ihn eines Tages von ungefähr die Aebtissin gewahr ward und den Amtmann fragte, wer der Mensch wäre.

»Madonna (sprach der Amtmann), es ist ein armer Taubstummer, der hier vor einigen Tagen um Almosen bettelte; ich habe ihn verpflegt und ihn dafür allerhand notwendige Arbeit verrichten lassen. Wenn er es verstände im Garten zu arbeiten, und er wollte hier bleiben, so glaube ich, wir würden gute Dienste von ihm haben; denn wir brauchen einen Gärtner; der Bursch ist rüstig, und man könnte mit ihm machen, was man wollte, ohne zu besorgen, daß er den Nonnen etwas vorschwatzte.«

»Du hast wahrlich nicht Unrecht, (sprach die Aebtissin). Sieh' zu, ob er sich zu der Arbeit schickt, und gieb Dir Mühe, ihn hier zu behalten; gieb ihm irgend ein paar alte Schuhe und alte Kleider, muntere ihn auf und gieb ihm satt zu essen.«

Der Amtmann versprach es, und Masetto, der nicht weit von ihnen war und sich stellte, als ob er den Hof kehrte, hörte die Unterredung mit an, und dachte: »Wenn ihr mich nur in's Haus nehmt, so will ich Euch Euren Garten so bearbeiten, wie er in Eurem Leben nicht ist bearbeitet worden.« Wie ihn nun der Amtmann zu der Arbeit tüchtig fand, und durch Zeichen und Gebärden von ihm verstanden hatte, daß er bereit wäre, alles zu thun, was man von ihm verlangte, nahm er ihn an, zeigte ihm, daß er den Garten bestellen und was er dabei machen sollte, und ließ ihn darauf bei seiner Arbeit, um seine eigenen Geschäfte im Kloster zu besorgen.

Wie Masetto nun täglich im Kloster arbeitete, fingen die Nönnchen bald an, ihn bei seiner Arbeit zu necken, ihm allerhand kleine Streiche zu spielen (wie einige Stummen wohl zu thun pflegen), und ihm die leichtfertigsten Sachen von der Welt zu sagen, weil sie glaubten, er verstände sie nicht. Die Äbtissin bekümmerte sich auch wenig oder nichts darum, denn sie glaubte vielleicht, es fehlte ihm ebensosehr am Gefühl, als an der Sprache.

Wie er nun eines Tages viel gearbeitet und sich niedergelegt hatte, um auszuruhen, nahten sich ein Paar junge Nonnen und weil er sich stellte, als wenn er schliefe, fingen sie an, ihn zu betrachten, und die eine, die etwas dreister war, als die andere, sprach zu dieser: »Wenn ich mich auf Dich verlassen könnte, so wollte ich Dir einen Gedanken anvertrauen, der mir schon oft eingefallen ist, und der vielleicht Dir selbst mit zu statten kommen könnte.«

»Sage nur getrost her (sprach die andere); von mir soll gewiß niemand etwas davon erfahren.«

»Ich weiß nicht (versetzte jene), ob es Dir jemals so wie mir aufgefallen ist, wie strenge man uns hält; so daß auch niemals ein männliches Wesen zu uns herein kommen darf, außer unserem alten Klosterverwalter und diesem Stummen; und ich habe doch von manchen Frauenzimmern, die uns zu besuchen pflegen, gehört, daß alle Freuden in der Welt nichts sind gegen diejenigen, die das Weib bei dem Manne genießt. Weil ich das nun sonst nirgends erfahren kann, so ist mir schon oft eingefallen, mit diesem Stummen den Versuch zu machen, ob es wirklich wahr sei. Er ist der beste Mann von der Welt zu dieser Absicht; denn er könnte nichts davon nachsagen, wenn er auch wollte. Du siehst, er ist ein großer, einfältiger Bengel, der seinen Verstand überwachsen hat.«

»Herr Jemine, was sprichst Du!« sagte die andere. »Weißt Du denn nicht, daß wir unsere Jungfrauschaft dem lieben Herrgott gelobt haben?«

»Ei was! (versetzte jene). Wie viele Dinge werden ihm nicht alle Tage gelobt, die niemand hält? Wenn wir sie ihm gelobt haben, so mögen andere sie ihm opfern!«

»Aber wenn die Sache nun Folgen hätte?«

»Du denkst an die Folgen, ehe sie da sind (sprach die erste wieder). Kömmt Zeit, kömmt Rat, und es giebt tausende Mittel, es so zu machen, daß niemand etwas erfährt.«

Die andere, die ohnehin schon mehr, als ihre Gespielin, begierig war, zu erfahren, was der Mann für ein Tier wäre, fragte jene, wie sie denn das Ding anfangen wollte.

»Du siehst (sprach jene), es ist in der Nachmittagsstunde, und ich glaube, daß außer uns schon alle Schwestern schlafen. Laß uns indessen wohl zusehen, ob auch noch jemand im Garten ist, und wenn wir niemand finden, was haben wir dann weiter zu thun, als daß wir den Burschen bei der Hand nehmen, und mit ihm in dies Hüttchen gehen, wo er sich vor dem Regen birgt? So lange die eine mit ihm drinnen ist, muß die andere Schildwach halten, und er ist so einfältig, daß wir mit ihm machen können, was wir wollen.«

Masetto hörte ihre ganze Verabredung, und mit dem besten Willen zu gehorchen, wartete er, daß ihn eine von den beiden abholte. Wie sie allenthalben genau zugesehen hatten und fanden, daß niemand sie belauschen könnte, nahte sich ihm diejenige, welche zuerst den Vorschlag gethan hatte, und weckte ihn. Er stand auf; sie nahm ihn liebkosend bei der Hand und einfältig lachend ließ er sich nach dem Hüttchen führen, wo er sich nicht lange bitten ließ, zu thun, was man von ihm begehrte. Sobald er die Wünsche der einen befriedigt hatte, machte sie als treue Schwester ihrer Gespielin Platz, und Masetto stellte auch diese zufrieden, und spielte dabei immer die Rolle des Blödsinnigen. Die Nönnchen ließen es nicht bei diesem ersten Versuche bewenden und gestanden einander im Vertrauen, man habe ihnen nicht zuviel davon gerühmt. Sie wußten sich demnach die gelegensten Stunden auch ferner zu Nutze zu machen, um sich mit dem Stummen die Zeit zu vertreiben.

Einmal begab es sich, daß eine von den anderen Nonnen aus dem Fenster ihrer Zelle den Handel gewahr ward, und noch zweien anderen zeigte, was vorging. Sie dachten zuerst daran, der Äbtissin alles zu verraten; doch besannen sie sich eines anderen, und machten mit ihren beiden Gespielinnen gemeinschaftliche Sache, und durch allerlei Zufälle wurden auch die drei übrigen Teilnehmerinnen an dem Geheimnis; so daß nur noch die Äbtissin die Einzige war, die nichts davon argwöhnte. Indem nun diese einmal, wie es schwül war, allein im Garten wandelte, fand sie den Masetto, den das Geschäft der Nacht mehr, als die Arbeit des Tages ermüdet hatte, unter einem Mandelbaume liegen. Ein schalkhafter Zephyr, der mit seinem leichten Gewande spielte, zeigte der Aebtissin einen Anblick, welcher in der Einsamkeit dieselben Begierden bei ihr erregte, die sich ihrer Nönnchen bemeistert hatten. Sie weckte den Schläfer, nahm ihn mit in ihre Zelle und ließ ihn in einigen Tagen nicht von sich, zum nicht geringen Verdruß der Nonnen, die sich sehr beklagten, daß der Gärtner nicht kam und den Garten bestellte. Die Äbtissin überließ sich indessen dem Vergnügen, welches sie vielleicht oft an anderen getadelt hatte. Endlich entließ sie den Gärtner, und er ging wieder nach seiner Hütte. Weil sie ihn jedoch oft wiederkommen ließ und mehr als ihren billigen Anteil von ihm verlangte, besorgte Masetto, dem man zuviel zumutete, sein Verstummen möchte ihm in der Länge teuer zu stehen kommen. Er fand demnach für gut, wie er an einem Abend bei der Äbtissin war, sich den Zungenriemen zu lösen, und sagte: »Madonna, man pflegt zu sagen, ein Hahn sei genug für zehn Hühner, aber zehn Männer kaum für ein Weib; wie soll ich es denn aushalten, da ich hier neunen dienen muß? Gebt dem Dinge Ziel und Maß, aber laßt mich lieber mit Gott gehen.«

Die Äbtissin erstaunte, da sie den vermeinten Taubstummen reden hörte. »Was ist das? (rief sie.) Ich dachte, Du wärest stumm?«

»Das war ich auch (sprach Masetto), aber nicht von Natur, sondern ein Zufall hatte mich der Sprache beraubt; und erst heute habe ich (dem Himmel sei Dank!) sie wieder erhalten.«

Sie glaubte ihm und fragte, was er damit sagen wollte, daß er neunen dienen müßte. Masetto erzählte ihr alles, und nun ward die Äbtissin gewahr, daß sie keine Nonne in ihrem Kloster hatte, die nicht so viel wußte, als sie selbst. Sie faßte demnach den klugen Entschluß, sich mit ihren Schäfchen und mit Masetto so abzufinden, daß dem Kloster kein Schimpf daraus erwüchse. Weil nun dieselbe Zeit ihr alter Amtmann gestorben war, so gaben sie ihm seine Stelle, nahmen gemeinschaftliche Maßregeln, den Zeitvertreib fortzusetzen, den sie bisher insgeheim getrieben hatten, und trafen dabei solche Einrichtungen, daß ihm sein Dienst nicht zu beschwerlich ward.

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