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Ein Fuchs sah eine Gazelle, die krank war, schwach und mager. »Wenn ich sie jetzt fresse«, dacht' er sich, »so nützt sie mir wenig. Ratsam wird es vielmehr sein, daß ich sie einige Tage lang mit Futter versehe, damit sie etwas Fett ansetze.«
»Wie geht's dir, liebe Schwester?« sprach er zu der Kranken. »Zum besten nicht«, gab die Gazelle ihm zur Antwort, und bitter klagte sie darüber, daß sie seit langem schon Hunger leide.
»Dem werden wir sofort abhelfen«, sagte der Fuchs, »denn du tust mir in der Seele leid. Leiblich verwandt sind wir zwar nicht miteinander, desto mehr aber im Charakter. Man macht es mir freilich noch immer zum Vorwurf, daß ich zur Stillung meines Hungers schon viel Blut vergossen habe, längst jedoch schon hab ich mich verschworen, nur totes Geriet noch zu verspeisen, lebendiges aber niemals mehr zu töten.«
Danach ging er fort und mit Futter für die Gazelle kehrte er bald zurück.
Gierig fraß die Kranke davon, und allen Freundschaftsversicherungen des Fuchses traute sie jetzt.
Mehrere Tage lang ging das so weiter, bis die Gazelle in ihrem Fette glänzte und gleißte. Jetzt sei es genug der Verstellung, dachte der Fuchs sich nun. Unversehens überfiel er die Vertrauensselige, und ihr Fleisch ließ er sich bestens munden.
Ein Strauß, der diese Begebenheit erfahren hatte, erzählte sie einem Kamel und sagte: »Ganz ähnlich wie der törichten Gazelle erging es auch dem im Schlamm versunken gewesenen Esel.«
»Erzähle doch«, bat das Kamel, »wie das mit dem Esel sich verhielt!«
»Ein Löwe hörte ihn«, erzählte der Strauß, »wie er jämmerlich um Hilfe schrie, ging dem Geschrei nach und sah ihn tief im Morast versunken.
›Gruß dir, Freund Langohr!‹ sagte der Löwe.
›Oh, du großer Padischah!‹ flehte der Esel ihn an, ›hilf mir doch aus meiner Not! Meine Kräfte sind erschöpft, denn vergeblich bemühte ich mich, diesem Schlammboden zu entrinnen. Sollte ich dich einmal beleidigt oder gekränkt haben, so verzeihe mir es großmütig und bedenke, daß du ein großer König bist und daß es den Großen der Erde nicht wohl ansteht, Unglücklichen ihre Hilfe zu versagen !‹
›Groß handelt stets der große Mann!‹ erwiderte der Leu, ›wer meiner Hilfe sich anvertraut, der ist wohlgeborgen. Wahre Freundschaft erkennt man erst, wenn man sie in der Not erprobt hat. Dem Bedrängten beizustehen, das gefällt Allah wohl.‹
Der Löwe machte mit seinen Klauen danach eine Rinne, durch die das Wasser abfließen konnte. Als der Morast trockengelegt war, half er dem Esel heraus.
Der bediente ihn nun bei Tag und Nacht, wofür der Löwe ihn reichlich mit Futter versorgte. – ›Friß nur, Esel, friß!‹ forderte der König seinen getreuen Knappen auf Und der Esel fraß und fraß, bis er feist war und dick. Dann aber zerriß der Löwe ihn, und die Errettung des Esels aus Todesgefahr belohnte er sich selbst damit, daß er ihn verspeiste.«