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Der Fuchs als Standartenträger

Es ereignete sich einst, daß der Löwe, der König alles laufenden Getiers, die Jungen des Zaunkönigs, des Herrschers über alles Fliegende, in ihrem armseligen Neste liegen sah.

»Wie?« rief der Löwe aus. »Diese kleinen, winzigen Dinger sind die Abkömmlinge vom Beherrscher alles Geflügels? Bettlerkindern sehen die ähnlicher als Königskindern!«

Als der Zaunkönig erfuhr, wie der Löwe seine Kinder verspottet hatte, ward er so zornig, daß er dem Spötter den Krieg erklärte.

Der Löwe nahm die Kriegserklärung voll Siegesbewußtsein an. All sein Volk berief er auf eine große Ebene, und alles, was vier Füße hatte, von der kleinsten Maus bis zu dem größten Elefanten hinauf, versammelte sich dort, so daß der Löwe über eine schier unzählbare Kriegerschar gebot.

Doch auch das Zaunköniglein versäumte nicht, sein Volk schnell einzuberufen zum Kampfe. Hoch in der Luft scharte sich das um ihn, und wohl nicht minder zahlreich war es als das Heer des Löwen; denn alles, was Flügel hatte, fand sich da vereint, von der winzigsten Mücke bis hinauf zum raubgierigen Adler. Alles fliegende Getier war bereit, die Beleidigung seines Königshauses zu rächen.

Um nun die Stärke des feindlichen Heeres kennenzulernen, sandte der Zaunkönig eine Mücke aus, die ihm Kundschaft darüber bringen sollte.

Als die Mücke beim feindlichen Lager ankam, sah sie den Fuchs vor dem Löwen auf den Hinterbeinen sitzen. »Ich habe eine stattliche Rute«, hörte sie ihn sagen, »die uns gut als Standarte dienen kann. Laßt mich dem Heere darum mit erhobener Rute vorangehen! So lange ich sie hoch tragen werde, ist die Luft rein, und um unsere Sache steht es gut; sollte ich sie aber sinken lassen, so laßt Euch das zur Warnung dienen, denn unsere Sache wäre dann verloren.«

»So soll es sein!« sagte der Löwe und gab danach seine Befehle.

Die Mücke flog, so schnell sie nur konnte, zu ihrem König zurück und berichtete ihm getreu, was sie gesehen und gehört hatte.

»Es ist gut!« sagte der Zaunkönig.

Und beide Heere zogen einander nun entgegen.

Als der Zaunkönig die feindliche Heerschar von ferne erblickte, schritt der Fuchs ihr mit hoch erhobener Rute voran.

»Flieg voraus«, befahl das Zaunköniglein da einer Wespe, »und versetze dem Fuchs einen Stich in seine Rute!«

Es geschah, wie der König befohlen hatte.

Der Fuchs zuckte zusammen und wedelte mit der Rute; sinken aber ließ er die Standarte trotz seines Schmerzes nicht.

»Auch gut«, sagte das Zaunköniglein. Und noch drei andere Wespen sandte es aus, dem Fuchse zu tun, wie die erste.

Das wurde dem Standartenträger denn doch zu arg. Nunmehr konnte er seinen Schmerz nicht länger beherrschen. Die Rute nahm er daher zwischen die Beine, und so schnell er nur konnte, lief er zurück.

Alle anderen Vierfüßler, die das sahen, meinten da, jede Siegesaussicht sei nun verloren. In der größten Unordnung suchten auch sie ihr Heil in der Flucht, und mit Siegesgeschrei flog das fliegende Geriet hinter ihnen drein.

 


 


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