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1. Daß er aber auch denen, die nach glänzenden Ehrenstellen strebten, sich nützlich machte und sie dahin brachte, um das, wonach sie strebten, sich zu bemühen, will ich jetzt erzählen.
Als er nämlich einmal hörte, daß Dionysodoros Dionysodoros aus Chios, der in Athen mit seinem Bruder zuerst die Kriegskunst lehrte. im Staate angekommen sei und angekündigt habe, Unterricht in der Feldherrnkunst zu ertheilen, sagte er zu einem seiner Schüler, von dem er bemerkt hatte, daß er die Feldherrnwürde im Staate zu erlangen wünschte:
2. Es ist doch wahrhaftig schändlich, junger Mann, daß einer, der im Staate Feldherr sein will, die beste Gelegenheit, sich dazu auszubilden, versäumt. Mit Recht verdiente ein solcher vom Staate bestraft zu werden, weit mehr, als wenn einer Bildsäulen anzufertigen übernähme, ohne die Bildhauerkunst erlernt zu haben.
3. Denn da der ganze Staat in Kriegsgefahren dem Feldherren anvertraut wird, so müssen nicht nur die Vortheile groß sein, wenn er's recht macht, sondern auch die Nachtheile, wenn er's falsch macht. Wie sollte also nicht mit vollem Rechte derjenige, welcher diese Kunst zu erlernen versäumt, dagegen alle Anstrengungen macht gewählt zu werden, bestraft werden? Durch solche Rede brachte er den jungen Mann dahin, hinzugehen und zu lernen.
4. Als er es nun gelernt hatte und wieder kam, empfing ihn Sokrates scherzend und sagte: Kommt euch nicht, Freunde, gerade wie Agamemnon von Homers Ilias III, 170 ff. der »Ehrwürdige« genannt wird, auch dieser, nachdem er die Feldherrnkunst gelernt hat, viel ehrwürdiger vor? Denn wie derjenige, der das Zitherspielen gelernt hat, auch Zitherspieler ist, auch wenn er sie nicht spielt, und wie der, welcher die Arzneiwissenschaft gelernt hat, auch wenn er nicht prakticirt, ein Arzt ist, so bleibt auch dieser hier von jetzt an ein Feldherr, auch wenn ihn niemand dazu wählt. Wem aber die Kenntnisse fehlen, der ist weder Feldherr noch Arzt, wenn er auch von der ganzen Welt dazu gewählt werden sollte.
5. Aber damit auch, wenn einer von uns etwa Hauptmann oder Zugführer unter deinem Commando werden sollte, wir uns besser auf das Kriegswesen verstehen, so theile uns mit, womit er dich die Feldherrnkunst zu lehren anfing. – Mit dem nämlichen, sagte der junge Mann, womit er auch aufhörte, denn die Taktik lehrte er mich, sonst weiter nichts. –
6. Aber das ist ja, sagte Sokrates, nur ein sehr kleiner Theil von der Feldherrnkunst. Denn auf alles, was zur Ausrüstung gehört, sowie auf die Beschaffung der Lebensmittel für seine Soldaten muß sich ja der Feldherr verstehen, er muß erfinderisch, thätig, sorgsam, ausdauernd, scharfsinnig, freundlich, rauh, offen, hinterlistig, wachsam und zur Täuschung geschickt, alles wagend und alles zu haben wünschend, freigebig und habsüchtig, vorsichtig und auflauernd sein und noch viele andere natürliche und angelernte Kenntnisse muß der besitzen, der ein Heer gut befehligen will.
7. Gut ist es aber auch, wenn er sich auf die Taktik versteht. Denn es ist ein großer Unterschied zwischen einem geordneten und ungeordneten Heer, gerade wie auch Steine und Backsteine, Holz und Kalk ohne weiteres zusammengeworfen ganz ohne Nutzen sind; wenn sie aber in Ordnung gelegt werden, unten und oben das weder Faulende noch Vergehende, nämlich Steine und Dachziegel, dagegen die Backsteine und das Holz in der Mitte ihren Platz erhalten, dann entsteht ein Besitzthum von großem Werthe, nämlich ein Haus. –
8. In der That, sagte der junge Mann, hast du da etwas ganz Richtiges gesagt, denn auch im Kriege muß man zu Vorder- und Hintermännern gerade die Besten wählen, in die Mitte aber die Schlechtesten stellen, damit sie von den Ersteren mit fortgerissen, von den Letzteren aber geschoben werden. –
9. Wenn dich nur dein Lehrer auch die Guten und Schlechten zu unterscheiden gelehrt hat! Wo aber nicht, was nützt dir dann das, was du gelernt hast? Denn auch wenn er dich geheißen hätte, Geld aufzuzählen, vorn und hinten das Beste aufzustellen, in die Mitte aber das Schlechteste, und hätte dich nicht gelehrt, das Gute und Schlechte zu unterscheiden, so würde dir das nichts nützen. – Aber beim Zeus, sagte der junge Mann, das hat er mich nicht gelehrt! so werden wir also selbst die Guten und Schlechten unterscheiden müssen. –
10. Wollen wir also nicht zusehen, fragte Sokrates, wie wir uns hierbei vor Fehlern wahren können? – Ja wohl, sagte der junge Mann. – Nun denn, wenn es darauf ankäme, Geld zu stehlen, würden wir dann nicht richtig handeln, wenn wir die Geldgierigsten voranstellten? – Natürlich, sagte der junge Mann. – Was würden wir aber mit denen machen, die etwas wagen sollten? Müßten wir da nicht die Ehrliebendsten voranstellen? – Diese wenigstens sind es, antwortete der junge Mann, die um des Lobes willen sich entschließen, Gefahren zu übernehmen, und diese wenigstens bleiben nicht im verborgenen, sondern machen sich überall bemerklich und dürften daher leicht zu finden sein. –
11. Aber, sagte Sokrates, hat dein Lehrer dich nur das Heer ordnen gelehrt, oder auch, wie und wo man sich jeder von den Stellungen bedienen muß? – Durchaus nicht. – Und doch giebt es viele Fälle, fuhr Sokrates fort, für welche man mit dem Heere auf die gleiche Weise weder sich ordnen noch marschiren darf. – Aber beim Zeus, das hat er nicht deutlich gelehrt. – So gehe denn, sagte Sokrates, noch einmal zu ihm hin und frage ihn noch einmal; denn wenn er es weiß und nicht schamlos ist, so muß er sich schämen, dir dein Geld aus der Tasche gezogen und dich so dürftig unterrichtet entlassen zu haben.