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5. Kapitel.

Ueber den verschiedenen Werth verschiedener Freunde. (Gespräch mit Antisthenes.) Antisthenes aus Athen, ein Schüler des Sokrates, war Stifter der Kynischen Schule, welche die höchste Tugend in die Unabhängigkeit von allen äußeren Bedürfnissen setzte.

1. Ich habe aber auch noch eine andere Unterredung von ihm gehört, welche, wie mir schien, alle, die sie hörten, antrieb, sich selbst zu prüfen, wie viel sie wohl ihren Freunden werth sein möchten. Als er nämlich einmal sah, daß einer von seinen Schülern um einen von Armuth gedrückten Freund sich nicht kümmerte, richtete er an Antisthenes in Gegenwart des Unbekümmerten und noch vieler anderer folgende Frage:

2. Haben nicht die Freunde, wie die Sklaven, einen gewissen Werth, Antisthenes? Denn von den Sklaven ist ja wohl der eine zwei Minen S. Anm. 10 zum ersten Buche. werth, ein anderer nicht einmal eine halbe, ein anderer fünf, ein anderer sogar zehn; ja Nikias, Nikias, bekannt durch den nach ihm benannten Frieden, besaß in den Silberbergwerken von Laurion große Reichthümer. Dort soll er tausend Arbeiter beschäftigt haben. des Nikeratos Sohn, soll für einen Aufseher in seinen Silbergruben sogar ein Talent Ein Talent ist gleich 60 Minen, ungefähr 4000 Mark. bezahlt haben. Ich frage deshalb, ob wohl, wie die Sklaven, so auch die Freunde ihren Werth haben. –

3. Mir wenigstens, beim Zeus, sagte Antisthenes, wäre der eine, wenn er mein Freund wäre, lieber als zwei Minen, die Freundschaft eines andern wäre mir kaum eine halbe werth; wieder ein anderer wäre mir sogar lieber als zehn Minen, und bei manchem wäre mir gar kein Geld und keine Mühe zu viel, um ihn mir zum Freunde zu erwerben. –

4. Dürfte es also nicht, antwortete Sokrates, wenn dem so ist, wohl gut sein, sich genau zu prüfen, wie viel er für seine Freunde werth sei und sich Mühe gäbe, für sie recht viel werth zu sein, damit er von seinen Freunden nicht gar zu billig preisgegeben wird? Denn ich höre oft von einem erzählen, daß ihn ein Freund preisgegeben habe, von einem andern, daß er von einem Menschen, den er für seinen Freund gehalten, für eine Mine hingegeben sei.

5. Wenn ich dies alles erwäge, wird in mir die Besorgnis erweckt, daß man es mit den Freunden wie mit den Sklaven halte. Denn wenn einer einen schlechten Sklaven feilbietet und um jeden Preis verkauft, so möchte es wohl auch verlockend sein, einen schlechten Freund preiszugeben, wenn man mehr, als er werth ist, bekommen kann. Wackere Männer dagegen werden, wie ich sehe, weder, wenn es Sklaven sind, verkauft, noch, wenn man sie zu Freunden hat, hingegeben.


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