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Jack war es zumute, als ob er einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte. Er brachte kein Wort hervor, während Thalia Drummond eine Taxe anrief und davonfuhr.
»Was hat sie nur dort zu suchen?« sagte Parr.
»Eine Betrügerin – verkehrt in Hochstaplerkreisen«, wiederholte Jack mechanisch. »Um's Himmels willen! Wohin gehen Sie denn?« fragte er schnell, als der Inspektor die Straße kreuzen wollte.
»Ich will sehen, was sie in der Pfandleihe wollte.«
»Wahrscheinlich hat sie etwas versetzt, weil sie knapp an Geld war. Das ist doch kein Verbrechen!«
Jack wurde sich bewußt, daß er sie mit diesen Worten kaum verteidigen konnte. Thalia eine Diebin! Das war unglaublich – unmöglich! Und doch folgte er widerstandslos dem Detektiv in das Zimmer des Geschäftsführers.
Ein Gehilfe brachte den Gegenstand, den Miß Drummond verpfändet hatte. Es war eine kleine goldene Buddhafigur.
»Ich fand es seltsam«, erklärte der Geschäftsführer, nachdem sich Parr zu erkennen gegeben hatte. »Sie wollte nur zehn Pfund darauf geliehen haben, und das Ding ist mindestens hundert wert.«
»Was sagte sie denn?« fragte Derrick Yale, der bis jetzt nur schweigsamer Zuhörer gewesen war.
»Ihr Vater brauche Geld, und er besitze eine Anzahl solcher Kuriositäten. Aber er wollte nicht mehr darauf geliehen haben, um die Sache später wieder leichter einlösen zu können.«
»Haben Sie ihre Adresse? Welchen Namen hat sie angegeben?«
»Thalia Drummond«, erwiderte der Gehilfe. »Park Gate 29.«
»Das ist doch Froyants Adresse«, sagte Derrick Yale sofort.
Jack wußte das nur zu genau, und mit sinkendem Mut erinnerte er sich an Froyants Liebhaberei, gerade solche Antiquitäten zu sammeln.
Der Inspektor stellte eine Empfangsbescheinigung über die kleine Statue aus und steckte sie ein.
»Wir wollen zu Mr. Froyant gehen«, sagte er.
»Machen Sie doch dem Mädchen bitte keine Unannehmlichkeiten«, suchte Jack verzweifelt zu vermitteln. »Es kann eine plötzliche Versuchung gewesen sein – ich will alles in Ordnung bringen, wenn es sich durch Geld erledigen läßt.«
Derrick Yale schaute den jungen Mann ernst und verständnisvoll an.
»Sie kennen Miß Drummond also?«
Jack nickte. Er konnte nicht mehr sprechen.
»Das ist unmöglich«, erklärte Inspektor Parr entschlossen. »Ich gehe jetzt zu Froyant, um zu hören, ob der Gegenstand mit seiner Genehmigung verpfändet wurde.«
»Dann müssen Sie allein gehen«, sagte Jack zornig. Der Gedanke, Zeuge bei der Erniedrigung dieses jungen Mädchens zu sein, war ihm entsetzlich. »Es ist niederträchtig von Parr«, rief er, als er mit Yale allein war. »Thalia Drummond begeht keinen gemeinen Diebstahl! Dieser dumme, alte Esel! Hätte ich ihn doch bloß nicht auf sie aufmerksam gemacht!«
»Er sah sie schon vor Ihnen.« Yale legte die Hand auf die Schulter des jungen Mannes. »Jack, ich glaube, Sie haben die Fassung etwas verloren. Warum interessieren Sie sich so lebhaft für Miß Drummond? Sie haben sie allerdings oft gesehen, als Sie zu Hause waren. Froyants Anwesen liegt doch neben dem Ihren?«
»Ja. Wenn dieser Mensch den Roten Kreis so aufmerksam verfolgt hätte wie dieses arme Mädchen, dann wäre mein Vater jetzt noch am Leben«, erwiderte er bitter.
Der Detektiv tat sein Bestes, um ihn zu beruhigen. Er nahm ihn mit in sein Büro und versuchte, seine Gedanken abzulenken. Eine Viertelstunde nach ihrer Ankunft klingelte Parr an.
»Nun?« fragte Yale.
»Ich habe sie festgenommen. Morgen früh kommt sie vor das Polizeigericht.«
Yale legte den Hörer langsam nieder.
»Ist sie verhaftet?« fragte Jack heiser.
Der Detektiv nickte.
Jack Beardmore wurde bleich.
»Sie sind wahrscheinlich ebenso getäuscht worden wie Froyant«, sagte Yale sanft. »Sie ist eine Diebin.«
»Und wenn sie eine Mörderin wäre«, erwiderte Jack heftig, »ich liebe sie!«