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Doktor Allenstein und Frau Susanne, geborene Bredenhofer, wohnten Kanonierstraße, in einem der dort noch seltenen eleganten Häuser. Ringsherum, gegenüber, rechts und links mehr oder weniger recht provinzialstädtisch aussehende, langweilige Bauten; die Straße etwas düster, dazu ewiges Geklingel der vorüberfahrenden Bahnen. Aber die Lage war gut, überall leicht hinzukommen, die Theater und Konzerte bequem zu erreichen; nebenbei ist es für einen Arzt erwünscht, in der Mitte der Stadt zu wohnen.
»Spezialist für Nasen- und Ohrenkrankheiten« stand auf dem Schild unten am Haus. Allenstein hatte eine große Praxis. In den vor- und nachmittäglichen Sprechstunden wurden die teppichbelegten Treppen ordentlich abgelaufen; die elektrische Klingel an der Entreetür vibrierte in einem fort, bis sich's Frau Susanne energisch verbeten hatte. »Ich werde bald zu deinen Patienten gehören,« klagte sie ihrem Mann, »meine Nerven sind zum Reißen angespannt. Ach, schrecklich –« sie hielt sich die Ohren zu – »schon wieder! Ich glaube, mein Trommelfell springt!«
Seit der Zeit stand der Diener hinter der halb offenen Entreetür und komplimentierte die Leute hinein und hinaus; geklingelt wurde nicht mehr. Und waren die Patienten alle fort, dann machte man einen Höllendurchzug und sprengte mit wohlriechenden Essenzen. Die gnädige Frau war so überaus empfindlich, der Geruch von Krankheit und Medikamenten machte sie krank. Sie roch schon etwas, wo ein andrer Mensch noch gar nichts ahnte; dann zitterten ihre feinen Nasenflügel, sie nahm eine Eau de Cologne-Douche und verkroch sich in ihr Schlafzimmer, ganz an's Ende der großen Wohnung. Dort lag sie auf dem Ruhebett, den angegriffenen Kopf in das seidene Kissen gedrückt.
Susanne Allenstein war als Fräulein Bredenhofer ein hübsches Mädchen gewesen. Einen nervösen Zug in dem blassen, interessanten Gesicht hatte sie immer gehabt; jetzt trat der sehr stark hervor. Sie hatte die gleiche Angewohnheit wie ihr Bruder Richard, mit der Hand über die Stirn zu scheuchen.
Doktor Allenstein nahm viel Geld ein; man brauchte es aber auch. Gesellschaften geben, in Gesellschaften gehen, Toiletten, die Theaterpremieren, Konzerte – Frau Susanne hatte das entschiedene Bedürfnis, sich zu zerstreuen, einen Heißhunger nach bunter Abwechslung; und er, der Doktor, wünschte, daß ein besonders guter Tisch geführt würde. Dazu im Frühjahr eine Kur in Franzensbad für sie; später im Sommer, wenn es dem Doktor gelang, sich loszumachen, ein gemeinschaftlicher Aufenthalt in Pontresina oder Sylt.
Frau Susanne dachte gerade daran, wieviel Einladungen sie in diesem Winter schon wieder mehr erhalten, wie im vorigen, als sie auf der Chaiselongue im Schlafzimmer lag. Die dichten Stores waren zugezogen; beschäftigen konnte man sich in dem halbdunklen Zimmer nicht, nur das Feuer im Kamin warf lange Lichter über den Teppich.
Der große Tannenbaum war zerhackt worden; jeden Vormittag, wenn Frau Doktor ruhte, kam das Stubenmädchen herein und warf einen ganzen Arm voll dürrer Zweige in den Kamin. Das prasselte und knackte so hübsch und roch nach lauter Wald und Poesie; dabei ließ sich gut träumen.
Die schlanken, nahezu mageren Glieder lang gestreckt, die Arme zu beiden Seiten des Ruhebetts schlaff herunterhängend, lag Susanne. Um die Augen hatte sie viele kleine Fältchen und einen scharfen Zug unter der Nase. Sie war heute besonders angegriffen; erst in der Morgenfrühe von einem Ball nach Haus gekommen, um neun war Karl schon herausgepoltert – wie rücksichtslos!
Die Zweige im Kamin prasselten, jetzt ein lautes Knacken – die Ruhende schreckte zusammen und fuhr hoch auf. »Ha! Habe ich mich erschreckt – ha –!« Sie strich sich die Haare aus der Stirn und hielt sich den Kopf. »Wie alles an mir zuckt – wer ist da? Herein!« Sie sagte es ziemlich scharf; sie wollte doch nicht gestört sein, die Ruhe tat ihr so not!
»Gut, Freund!« Gleich darauf schob sich Richard Bredenhofer in die verdunkelte Stube.
»Ach du – Richard!« Susannes Gesicht klärte sich auf, sie streckte dem Bruder die Arme entgegen.
Lachend setzte er sich auf den Rand des Ruhebetts und küßte ihre beiden Hände. »Nun, wie geht's, Susi, wieder sehr angegriffen? Oh!«
Sie sah ihm zärtlich ins Gesicht und streichelte ihm die Wange. Man hätte ihrem harten, spröden Organ kaum die Modulation zugetraut: »Ist es auch recht, daß du bei solchem Nordost ausgehst? Du Leichtfuß! Wenn du dir nun wieder deinen Husten holst!« Sie gab ihm einen leichten Klaps.
»Ach was!« Er haschte nach ihrer Hand. »Nur nicht am Gängelbande führen wie ein kleines Kind!« Er reckte sich. »Ich bin ja jetzt kerngesund!«
»Warum warst du denn gestern nicht bei Veltens? Ich dachte, du scheutest das Tanzen.«
»I bewahre!«
»Dann war es recht ungezogen von dir, wegzubleiben – und unklug«, setzte sie bedeutungsvoll hinzu. »Irene Reichenbach war da und umschwärmt wie keine. Du weißt, daß du Chancen hast. Das Mädchen ist reizend und so bescheiden für die Millionen! Die Reichenbachs sind in der zweiten oder dritten Generation getauft, der Vater ist hochangesehen; warum fackelst du eigentlich?«
»Ich mag nicht«, sagte er verdrossen.
»Aber Richard!« Sie wurde rot vor Schreck. »Was für Launen! Anfang Winters machtest du ihr sehr die Cour – und nun auf einmal keine Lust?! Ich war schon so froh, ich sah dich in Gedanken angenehm situiert, eine hübsche, reiche Frau, du kannst ganz deinen Liebhabereien leben! Die Reichenbach betet dich an, und der Alte würde dich gern als Schwiegersohn nehmen. Lieber Gott« – sie streichelte ihm wieder die Wange und sah ihn mit Genugtuung an – »ich bin ja auch stolz auf dich! So viel Talente wie du hast! Richard, ich werde dich nächstens mit Irene Reichenbach zusammen einladen, ganz allein, da hast du die beste Gelegenheit, das versäumte nachzuholen.«
»Tu' das nicht, ich mag sie nicht.« Er sah finster vor sich hin und kaute an seinem Schnurrbart.
»Was fällt dir ein?« Sie richtete sich in vollem Entsetzen auf und schlug die bebenden Hände zusammen. »Jetzt, nachdem ich die Sache so schön eingeleitet habe und so viel dafür getan?! Du bist ein schrecklicher Mensch, von einem kindischen Eigensinn! Sei doch nicht so töricht, du lebst und lebst in den Tag hinein und zehrst von deinem mütterlichen Erbteil –«
»Das ist bald alle«, lachte er.
»Was dann?« Fieberisches Rot der Erregung trat ihr auf die Wangen. »Du weißt gar nicht, was zum Leben gehört! Erst haben die Eltern für dich gesorgt, und seit deinem neunzehnten Jahre, seitdem wir sie verloren haben, sorge ich für dich.« Tränen kamen ihr in die Stimme. »Ich habe, weiß Gott, alles aus größter Liebe getan, keiner wacht ängstlicher und eifersüchtiger über dein Genie, aber – aber –«
»Sei nur nicht so! Susi! Ja, du bist sehr gut, ich bin dir auch sehr dankbar!« Er küßte sie. »Aber sieh mal, ich will mich doch nicht ewig bevormunden lassen, ich will doch nun auch einmal tun, wie ich will.«
Sie sah ihn mit erstaunt aufgerissenen Augen an. »Wenn man sich sein ganzes Leben lang hat leiten lassen und immer unselbständig war – und nun auf einmal –!«
Ungeduldig sprang er auf. »Dann hat man's eben einmal satt! Ich mag nicht, ich will nicht immer euer Spielzeug sein. Ich danke! Ich nehme die Reichenbach nicht, ich mache, was ich will – und nun laß mich in Ruh!«
»Richard, nicht so laut! Richard, meine Nerven!«
»Ah so, entschuldige! Ich habe auch Nerven«, sagte er gezwungen ruhig.
»Richard, Richard, hast du dich wieder verplempert? Es ist schrecklich!« Sie zog ihr Taschentuch und fing an nervös zu weinen.
Er rührte sich nicht, er saß da wie angenagelt. Minuten vergingen. Endlich murmelte er: »Ich liebe sie nicht. Ich will nur aus Liebe heiraten.«
Sie lachte auf, mitten in ihren Tränen; es war ein recht greller Klang in dem Lachen. »Liebe – ?! Mein Schatz, Karl und ich haben uns auch aus Liebe geheiratet! So was gibt sich in der Ehe, die ewigen Emotionen halten nicht vor. Du bist wie ein Kind, Richard – Liebe?!« Sie zuckte die Achseln und knäulte ihr Taschentuch zusammen. »Natürlich, wir haben uns ja lieb, Karl und ich – selbstverständlich – aber wie du dir sie denkst, so ist die Ehe nicht. Künstlerlaunen! Unpraktische Geniegedanken! Die Hauptsache ist, daß man nachher sein gutes Auskommen hat und sich den erwünschten Komfort gewähren kann. Denke mal, was hast du, wenn du eine Frau noch so liebst und sie nachher nicht ernähren kannst?! Und dann kommen Kinder und alle möglichen Unannehmlichkeiten! Daß es dir so gehen sollte, das macht mich schaudern.«
Er war bleich geworden und senkte den Kopf auf die Brust. Jetzt hob er ihn aber wieder zuversichtlich. »Ich werde arbeiten. Mein Buch muß doch endlich fertig werden – und – und dann habe ich schon viele Skizzen verkauft, wenn ich fleißig bin, male ich im Jahr mehrere Oelgemälde. Klavierstunden à eine Mark brauche ich darum noch nicht zu geben!« Er lachte kurz und nervös und fuhr sich über die Stirn.
»Du bist ein Narr«, rief sie ärgerlich und schnellte hastig die Füße vom Ruhebett. »Hoffentlich machst du keine Dummheiten! – – Ah, Karl, bitte, mache die Tür zu. Entweder hinein oder hinaus, dein Stehen so auf dem Sprung, zwischen Tür und Angel, ist mir schrecklich. Ich bin ganz krank!«
»Ja, du scheinst sehr nervös zu sein heute!« Doktor Allenstein blieb ruhig auf der Schwelle stehen.
»Karl!« sagte sie scharf.
»Ah – entschuldige, mein Engel.« Er schloß geräuschvoll die Tür und kam näher. »Ich habe nicht lange Zeit. Morgen, guten Morgen, vielmehr Mittag, lieber Schwager! Wie geht's? Audienz gehabt?« Er lachte jovial, daß sich seine kräftige Gestalt schüttelte, und klopfte dann dem anderen, den er bedeutend überragte, auf die Schulter. »Du läßt dich ja gar nicht mehr bei uns sehen? So sehr selten! Beleidigt irgend was bei uns dein Künstlerauge? Ich etwa gar?« Er reckte sich und strich sich wohlgefällig den wundervollen blonden Bart.
»O nein,« – Bredenhofer sah vor sich nieder – »ich bin eben beschäftigt, habe meine Gedanken und – und – abends seid ihr ja nie zu Hause«, setzte er rasch hinzu, wie froh, eine Ausrede gefunden zu haben.
»Natürlich – ä, alter Junge! Als wenn du abends nicht auch was vorhättest! Und am Tage – was? – da brütest du wohl über ungelegten Eiern?« Er lachte so herzlich und geräuschvoll, daß ihm das Wasser in die Augen trat.
»Ich bitte dich, Karl – diese unzeitige Fröhlichkeit! Richard hat eben mit sich zu tun«, sagte Susanne sehr gereizt. »Du hast gar kein Verständnis dafür. Wenn man so talentiert ist –«
Der Doktor trat an das Ruhebett und kniff seine Frau in die Wangen. »Sei man nicht so aigriert, alte Lotte! Ich trete doch, weiß Gott, deinem Herzensbruder nicht zu nah. Weil er so'n famoser Kerl ist und ich ihn riesig gern mag, möchte ich ihn mehr hier haben. Aber der,« – er drückte pfiffig die Augen zusammen und tat geheimnisvoll – »der ist jetzt sehr in Anspruch genommen.«
»Wieso?« Auf des jungen Mannes Wangen zirkelten sich zwei rote Flecken ab. »Daß ich nicht wüßte!«
»Na, tu' man nicht so unschuldig!« Allenstein mußte die Sache außerordentlich komisch finden. »Wer war denn das niedliche Mädchen, mit dem ich dich neulich gegen Abend in der Kurfürstenstraße sah? Ihr standet unter der Laterne und konntet euch gar nicht trennen. Ich fuhr vorbei und hielt am Nebenhaus; bei Hauptmann Kurtz haben die Kinder Ohrenkatarrh infolge von Scharlach. Was Gewöhnliches war's nicht; entschieden eine Dame!«
Susanne horchte auf. »Wer war das, Richard?«
»O – o – eine Bekannte – sehr nettes Mädchen – über jeden Zweifel erhaben – ich begreife dich nicht, Karl?« Ein wütender Seitenblick Bredenhofers streifte den Indiskreten.
»Na, na!« In diesem »Na, na« lag eine ganze Welt von Zweifel.
Der junge Mann brauste auf. »Ich verbitte mir jede Bemerkung! Fräulein Langen ist ein ganz reizendes Mädchen, ein vorzügliches Mädchen; ein starkes geistiges Band verbindet uns. Daß du immer gleich solche – solche Ideen haben mußt, Karl!«
Der Schwager antwortete nicht, sondern pfiff durch die Zähne und gab dann seiner Frau einen Kuß. »Adieu, alte Lotte, ärgere dich nicht, laß ihn nur! Sei so gut, bestelle mir zu Mittag etwas recht Leichtes, vielleicht Spargel mit Backhuhn. Adieu, Schätzchen«, er küßte sie schnalzend auf jede Wange. »Adieu, Schwager, viel Vergnügen – aber nicht verplempern!« Er drohte lachend mit dem Finger und verließ das Zimmer.
»Daß Karl immer so guter Laune ist«, seufzte Frau Susanne. »Er hat eben keine Nerven. Richard –«, sie rückte sich zurecht und nahm die Miene an, als wolle sie einen Schuljungen abstrafen – »daher also dein Widerwille gegen eine Heirat?! Wer ist das Mädchen, was hast du mit ihr vor?« fragte sie streng.
Das Blut schoß ihm zu Kopf: »Ich liebe sie«, sagte er trotzig, und dann noch einmal, weich: »Ich liebe sie!«
»Haha, hahaha!« Ihr Lachen hatte entschieden etwas Verletzendes; gleich darauf nahm sie eine gekränkte Miene an. »Es schmerzt mich tief, Richard, daß du so wenig Vertrauen zu mir hast. Ich bemühe mich für dich und mache alles für dich zurecht, und du findest es nicht einmal der Mühe wert, mir ein Wort zu sagen? Wer ist sie, was ist sie, ist sie gut situiert?«
Er sah vor sich nieder. »Sie ist Sängerin,« sagte er leise, »eine angehende, junge Künstlerin, aus guter Familie. Vermögen hat sie nicht.«
»Und du willst sie heiraten?«
»Ich will sie heiraten.«
»Bist du von Sinnen, ganz verrückt?« Sie sprang auf und faßte ihn bei beiden Schultern. Sie rüttelte ihn. »Richard – heiraten?! Auf was?«
»Du bist sehr klug«, sagte er langsam. »Ich habe mir auch alles gesagt. Aber ich heirate sie doch. Ich kann nicht leben ohne sie, sie ist reizend, entzückend« – ein schwärmerischer Ausdruck verklärte sein Gesicht.
»Du Unglücksmensch – Richard!« Frau Susanne brach in krampfhaftes Schluchzen aus und warf sich aus die Chaiselongue. »Was wird Onkel Hermann sagen? Und Tante Hannchen! Um Gotteswillen, um Gotteswillen, du verscherzt dir Onkels ganzes Wohlwollen! Er war so sehr für die Reichenbach, und du weißt, wenn er sich auf etwas kapriziert hat – ach, Richard, dieser Kummer!«
Der junge Mann verzog finster die Stirn. »Es tut mir leid, furchtbar leid, um ihn, um dich, um – ja, um mich am Ende auch. Es wäre besser, Lena und ich brauchten nicht mit pekuniären Schwierigkeiten zu kämpfen; aber« – er seufzte – »es ist doch nun einmal nicht anders! Susi«, er drückte sich neben die Schwester auf die Chaiselongue und ergriff deren Hände – »Susi, gute Schwester, du kannst viel beim Onkel durchsetzen, er hört auf dich, leg ein gutes Wort für mich ein! Er wird mich doch deswegen nicht enterben? Ha –« er lachte plötzlich auf und hielt dann inne, erschrocken über das eigene Lachen – »wegen solcher Lappalie!«
»Sei nicht zu sicher! Onkel Hermann hat einen eisernen Kopf, und in den hat er sich nun einmal die Reichenbach gesetzt. Er hat schon so viel für dich getan – Kunstreisen, der Aufenthalt im Süden – er will dich nun auch nach seiner Fasson selig machen.«
»Er dünkt sich unfehlbar wie der Papst. Weil ich Wohltaten von ihm empfing, soll ich zum Dank mein ganzes Lebensglück opfern?! Nein, nein! Ich pfeife auf seine Erbschaft, mag er sie behalten. Ich gehe.« Er sprang auf, rückte sich den Rock zurecht und näherte sich der Stubentür. Dort hielt er noch einmal inne und sah zurück.
Da lag seine Schwester auf dem Ruhebett, hielt die Hände vors Gesicht gedrückt und schluchzte, daß ihr Körper bebte. »Und nicht einmal so viel Vertrauen zu uns – kein Wort – alles hinter dem Rücken!«
Es überkam ihn wie Reue. Schon war er bei ihr und versuchte ihr die Hände vom Gesicht zu ziehen.
»Laß mich, du hast kein Vertrauen!«
»Hätte ich euch eher etwas gesagt, ihr hättet mir längst abgeredet, und wer weiß –«, mit einem betroffenen Ausdruck starrte er vor sich hin – »ich hätte mir abreden lassen. Ich habe mich gefürchtet.«
»So hast du schon mit ihr gesprochen?« Sie lockerte die Hände ein wenig und lauerte hinter ihnen nach dem Bruder.
»Nein, noch nicht!«
»Ah!« Susanne ließ die Hände vollends sinken, ein Hoffnungsstrahl glitt über ihr Gesicht.
»Aber sie liebt mich, liebt mich grenzenlos, ich bin meiner Sache sicher.«
»Und wenn sie erfährt: du hast nichts?!« Ein spöttisches Lächeln kräuselte die Lippen der Frau.
»Sie wird mich lieben«, sagte er einfach. »Wir werden uns lieben bis in alle Ewigkeit!«
Die Worte waren verklungen. Sie schwiegen. An den Fenstern rüttelte der Winterwind, im Kamin knisterten die verglühenden Zweige; es roch nach lauter Poesie.
»Susi,« bat er endlich leise, »willst du sie dir nicht wenigstens einmal ansehen? Sie singt heute abend im Konzert, das von ihrem Professor veranstaltet ist; komm mit mir, sieh sie! Du wirst, du kannst ihr nicht widerstehen! Und sie singt –!«
»Ich werde sie mir ansehen«, sagte sie hart.