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XIII.

Acht Wochen waren seit der Ermordung des Baron von Nordenheim vergangen, noch immer aber schwebte über der Frevelthat ein geheimnißvolles Dunkel, welches auch durch die eifrigsten Bemühungen des Polizeirath Richter nicht gelichtet werden konnte.

Die Untersuchung wurde von dem Kreisgericht in P***, vor dessen Forum sie gehörte, geführt; da aber der König sich für dieselbe besonders interessirte, hatte der Polizeirath Richter auf Antrag des Polizei-Präsidenten den Spezial-Befehl erhalten, auch ferner die Nachforschungen nach dem Mörder zu überwachen. Er hatte zum großen Mißvergnügen des Kreisgerichts-Directors in P***, der eine solche Einmischung in die Thätigkeit der dortigen Justizbeamten keineswegs gern sah, mehrfach den Wildmichel verhört, aber auch ihm war es ebenso wenig als dem Untersuchungsrichter in P*** gelungen, den Gefangenen zu einem Geständniß zu bewegen. Weder die freundlichen Worte, mit denen der Polizeirath in Wildmichel drang, er möge zum Beweise seiner Unschuld genau angeben, wie er zu der Uhr, den Ringen, dem Schlüssel gekommen sei; wenn er sie gefunden habe, möge er sagen, wo? damit weitere Nachforschungen gehalten werden könnten, – noch die Drohungen des Untersuchungsrichters in P*** übten auf den verstockten Verbrecher den geringsten Einfluß. Wildmichel blieb dabei, er habe die Sachen im Walde gefunden, – wo? – dies wisse er nicht mehr genau; er habe gewußt, daß der Baron viel Geld in seinem eisernen Geldschranke aufbewahre, deshalb hatte er den Einbruch versucht. Von dem Morde wisse er nichts. – Es wurde ihm die Aussage des Fräulein Elwine von Streit über sein höchst verdächtiges Benehmen vor und bei Auffindung der Leiche vorgehalten. – Davon aber wollte er nichts wissen. Fräulein Elwine, so erklärte er, habe sich getäuscht. Er sei allerdings aufgeregt gewesen, weil ihm der Plan, in Nordenheim einzubrechen, durch den Kopf gegangen sei, und weil er gefürchtet habe, des Wilddiebstahls wegen verhaftet und bestraft zu werden. Vor dem Schloß von Kabelwitz habe er sich heimlich entfernt, um die Uhr und die andern Werthsachen, die er noch bei sich getragen, zu verstecken, damit sie, falls er verhaftet werde, nicht bei ihm gefunden würden, – bei dieser Aussage blieb er, – jedem weiteren Drängen setzte er ein beharrliches Schweigen entgegen und weitere Belastungsmomente als die bekannten, konnten gegen ihn nicht aufgefunden werden. Von der Brieftasche und der Börse des Barons erklärte er gar keine Kenntniß zu haben.

Auch Grete wurde verhört, aber ihre einfachen und klaren Aussagen überzeugten sowohl den Polizeirath als den Untersuchungsrichter in P***, daß sie gar nichts von der Schuld ihres Mannes, worin dieselbe auch bestehen mochte, wisse. Hatte Wildmichel wirklich das Geld aus der Brieftasche und Börse des Barons geraubt, dann war es von ihm bei Seite geschafft und nichts seiner Frau übergeben worden, denn diese lebte in großer Noth. Sie war wieder krank und arbeitsunfähig geworden, sie würde verhungert sein, hätte sie nicht von verschiedenen Seiten her, namentlich durch Elwine von Streit und im Geheimen auch durch den Polizeirath Richter Unterstützung erhalten.

Die Obduction der Leiche des Ermordeten hatte ergeben, daß der Tod augenblicklich erfolgt sein mußte. Eine in nächster Nähe abgefeuerte Büchsenkugel hatte das Herz durchbohrt und einen Rückenwirbel, in dem sie sitzen geblieben war, zerschmettert. Die ursprüngliche Form der aufgefundenen Kugel war nicht mehr mit Sicherheit festzustellen gewesen.

Auch in der Beobachtung des Grafen Sarentin war der Polizeirath nicht glücklich gewesen, – er hatte sich deshalb auch wohl gehütet, dem Gericht in P*** Mittheilung von dem Verdacht zu machen, den Fritz Stern gegen den Grafen ausgesprochen.

Es war nicht einmal gewesen, ob der Graf aus der Büchse, welche er sich von dem Jäger Franz hatte geben lassen, einen Schuß gethan habe oder nicht, – Franz, bei dem der Sergeant beiläufig Erkundigungen einzog, hatte nicht darauf geachtet. Er hatte selbst die Büchse an dem Tage gebraucht, sie war noch nicht wieder gereinigt worden und es ließ sich daher gar nicht sagen, ob sie später noch einmal abgeschossen worden sei. Eine Vergleichung der Pulverkörner, welche der Polizeirath im Walde gefunden hatte, mit dem Pulvervorrath des Majors zeigte zwar eine vollständige Gleichheit, aber auch hieraus ließ sich kein ungünstiger Schluß gegen den Grafen ziehen, denn Wildmichels Pulver war dasselbe, wie das des Majors, Beide bezogen es aus der gleichen Quelle von einem Krämer im Dorfe Kabelwitz.

Der Polizeirath war trotzdem, so erklärte er seinem jungen Freunde Fritz Stern, von der Unschuld des Grafen ebenso wenig überzeugt, wie von seiner Schuld; er verabsäumte deshalb auch nicht, jeden Schritt Sarentins im Geheimen überwachen zu lassen, und dabei leistete ihm der Sergeant Weihrauch, der selbst an die Schuld des Grafen glaubte, die eifrigsten Dienste, ohne aber den geringsten Erfolg zu erzielen.

Der Graf zeigte nach dem Tode des Barons durchaus keine Veränderung in seiner Lebensweise. Er hatte dem Leichenbegängniß seines ermordeten Freundes beigewohnt und dabei eine schmerzliche Aufregung gezeigt, welche wohl durch den Verlust, den er erlitten, gerechtfertigt war; er erzählte selbst überall, daß er dem verstorbenen Baron den tiefsten Dank schuldig, daß ihm in demselben ein aufopferungsfreudiger Freund entrissen worden sei.

Nach dem Leichenbegängniß war der Graf in die Residenz zurückgekehrt; hier besuchte er wie früher die gewohnten Gesellschaftskreise. – Nur Eins war dem Polizeirath auffällig gewesen, – Sarentin hatte etwa vierzehn Tage nach der Ermordung Heinrichs von Nordenheim einen Wechsel von 1000 Thalern bezahlt, um dessen Prolongirung er früher eifrig bemüht gewesen war und den er jetzt doch decken konnte. Hieraus würde der Polizeirath vielleicht neuen Verdacht geschöpft haben, wenn er nicht erfahren hätte, daß der Graf in neuster Zeit beim Spiel durch das Glück begünstigt werde, da war es denn freilich nicht auffällig, daß seine Kasse gefüllt war. – Trotzdem ließ der Polizeirath seine Wachsamkeit nicht einschläfern, er mahnte namentlich Fritz Stern zu den eifrigsten Nachforschungen über den Inhalt der Brieftasche des Ermordeten, – denselben festzustellen war aber keineswegs leicht.

Im Nachlaß Heinrichs von Nordenheim hatte sich ein rechtsgültiges Testament gefunden; – Heinrich hatte seinen Bruder Fritz zum Universalerben eingesetzt, nur die Majoratsgüter, über welche er nicht verfügen durfte, gingen an einen entfernten Vetter über.

Als der Erbe seines Bruders war Fritz berechtigt, dessen Papiere und Bücher einer genauen Prüfung zu unterwerfen, diese aber verursachte ihm große Arbeit, denn die Bücher waren sehr unordentlich geführt. Heinrich hatte sich niemals viel um das Rechnungswesen gekümmert; da bei seinem großen Reichthum seine Einnahmen die Ausgaben stets überstiegen, hatte er es nicht für nothwendig gehalten, gar zu peinlich Buch zu führen, sondern sich dies ziemlich leicht gemacht. In ein Buch, welches den Titel: »Privat-Conto« führte, hatte er die Einnahmen, die für seinen Privatgebrauch bestimmt waren, mit Angabe der Quelle notirt, ebenso die Ausgaben, diese aber so ungenau, daß bei dem Abschluß, den er jährlich zu machen pflegte, immer eine nicht unbeträchtliche Summe unter der Bezeichnung Diverses zum Schluß der Ausgabe eingetragen war, um die Rechnung stimmen zu machen. Eine gerichtliche Beweiskraft konnte natürlich ein so leichtfertig geführtes Buch nicht haben.

In diesem Privat-Conto fand Fritz Stern im Monat Mai unter »Ausgabe« notirt, »200 Friedrichsd'or Darlehn an den Grafen Sarentin gegen Ehrenwortschein,« eine Rückzahlung war unter der Einnahme nirgends zu finden, dagegen zeigte diese einen Posten von 2000 Thalern, den Heinrich drei Tage vor seinem Tode von seinem Banquier in P*** empfangen hatte. Bei der genauen Kassenberechnung fehlte ein Betrag von 2560 Thalern, es ließ sich daher voraussetzen, daß ungefähr diese Summe nach Abzug von einigen Hundert Thalern, die Heinrich vielleicht vergessen haben mochte, aufzuschreiben, in Brieftasche und Börse enthalten gewesen sei; dies entsprach auch den Gewohnheiten Heinrichs, der stets mindestens eine solche Summe bei sich zu tragen pflegte.

Weitere Nachforschungen bei dem Banquier ergaben, daß dieser die Zahlung von 2000 Thalern an Heinrich in zwei 500 Thalerscheinen, deren Nummern er notirt hatte, den Rest in Gold und kleineren Scheinen gemacht hatte. Die beiden 500 Thalerscheine fanden sich im Nachlaß nicht vor, eine größere Ausgabe hatte Heinrich in den letzten zwei Tagen nicht gemacht, es ließ sich daher voraussetzen, daß die beiden Scheine zu dem geraubten Gelde gehörten.

Als Fritz das Resultat seiner mühsamen Nachforschungen mit den Nummern der beiden 500 Thalerscheine dem Polizeirath mittheilte, sagte dieser, recht behäbig die Hände über den Bauch zusammenfaltend, vergnügt: »Vortrefflich. Bedeutender Schritt vorwärts. Graf hat Wechsel von 1000 Thalern bezahlt, werden sehen, ob Scheine dabei.«

Aber die Scheine waren nicht dabei. Der Graf hatte die Zahlung in Gold geleistet und so blieb denn nur der frühere Verdachtsgrund des nicht eingelösten, zerrissen im Walde gefundenen Ehrenwortsscheines gegen ihn übrig; auf diesen Grund hin aber weigerte sich der Polizeirath mit unbesiegbarer Entschiedenheit gegen Sarentin einzuschreiten.

»Geht nicht,« sagte er, »kann zurückgezahlt haben. Leichtfertige Buchführung. Nicht notirt. – Vorschnelles Einschreiten würde außerdem Alles verderben. Müssen ihn sicher machen, wenn wirklich der Mörder. – Glaub's noch nicht. Strengste Bewachung. Aber warten, lieber Doctor, Geduld!«

Aber die Geduld wurde Fritz Stern sehr schwer, denn er sah von Neuem ein drohendes Unwetter gegen Elwine sich aufthürmen, ein Unwetter, welches ihm um so fürchterlicher erschien, da er die feste Ueberzeugung von Sarentin's Schuld hatte.


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