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III.

Das Schloß Kabelwitz liegt inmitten der großen, sich meilenweit erstreckenden Sortauer Heide; nur einige hundert Morgen sandiger Acker gehören zu dem Rittergut Kabelwitz, dafür aber gegen 3000 Morgen meist trefflich bestandener Kiefernwald.

Das Schloß ist ein großes, unschönes Gebäude. Sein Erbauer, Oberst Friedrich von Streit, der Großvater des Majors von Streit, hatte den Aufenthalt in Kabelwitz nie so angenehm gefunden, daß er daran gedacht hätte, hier einen bleibenden Wohnsitz aufzuschlagen. Er lebte in der Residenz am Hofe und nur im Herbst, beim Beginn der Jagdzeit und hier und da im Winter kam er auf sein Besitzthum, dessen Verwaltung er einem Inspector überließ. Er hatte daher, da das alte Schloß schon eine halbe Ruine war, deren Ausbau sehr kostspielig gewesen wäre, ein einfaches Jagdhaus errichten lassen, in welchem einige Zimmer ihm vorbehalten blieben, während die übrigen dem Inspector zur Wohnung dienten. Er hatte zum Bauplatz einen luftigen Hügel erwählt, so daß man aus den Fenstern des neuen Hauses weithin die ganze Gegend überblicken konnte, während das alte Schloß, welches er völlig verfallen ließ, tief im Grunde, umgeben von dem Schloßgarten, stand. Die alten Wirthschaftsgebäude, welche ohnehin baufällig waren, wurden abgerissen und neue bei dem Gartenhause erbaut, auf welches fortan der Name Schloß Kabelwitz überging.

Als der Oberst von Streit plötzlich den Abschied erhielt – aus welcher Veranlassung ist nicht bekannt geworden – zog er sich mißmuthig vom Hofe zurück und schlug nun in Kabelwitz seinen bleibenden Wohnsitz auf. Das Jagdhaus wurde durch zwei angebaute lange Flügel vergrößert und für den Inspector ein neues Wohnhaus errichtet. An Schönheit gewann das Schloß Kabelwitz dadurch nicht, wohl aber an Bequemlichkeit und darauf allein kam es dem Obersten an. Ihm war es gleichgültig, daß das alte Schloß, ein prächtiger alter Bau, völlig zur Ruine wurde, daß der Schloßgarten verwilderte und bald ein fast undurchdringliches Dickicht um das zerfallende Gemäuer bildete.

Nach dem Tode des Obersten blieb Schloß Kabelwitz viele Jahre ganz unbewohnt; der einzige Sohn des Obersten dachte mit Schaudern zurück an die traurige Jugend, welche er dort verlebt hatte. Nicht einmal der Reiz der Jagd konnte ihn nach Kabelwitz ziehen, denn er war kein Jäger. Nur für die Freuden der Residenz hatte er Sinn und auch als er, früher noch als sein Vater, den Abschied erhielt – er brachte es in der militärischen Laufbahn nur bis zum Hauptmann – blieb er doch in der Stadt. Hier verschleuderte er die reichen Einnahmen, welche seine Güter ihm brachten, in wüsten Gelagen; er würde das ganze väterliche Vermögen vergeudet haben, wenn ihn daran nicht die Majoratsgesetze gehindert hätten. Als er hochbetagt starb, hinterließ er seinem einzigen Sohne, dem Major Fritz von Streit nichts, als die Majoratsgüter, die er nicht hatte verkaufen können, die aber so schlecht bewirthschaftet worden waren, daß sie fast keinen Ertrag mehr lieferten.

Der Major Fritz von Streit war, als er das Majoratserbe antrat, ein Mann in den besten Jahren. Eine glänzende militärische Laufbahn stand in sicherer Aussicht, denn er hatte sich in den Befreiungskriegen als junger Offizier ausgezeichnet und war deshalb schnell befördert worden. Obgleich mit Leib und Seele Soldat, sah er sich doch nach dem Tode des Vaters gezwungen, den Abschied zu nehmen, um den Anforderungen, welche zu erfüllen er sich verpflichtet fühlte, genügen zu können.

Sein Vater hatte eine gewaltige Schuldenlast hinterlassen, eine gesetzliche Pflicht diese zu übernehmen, lag allerdings für den Majoratserben nicht vor, wohl aber glaubte der Major es dem Andenken seines Vaters und der Ehre seines Namens schuldig zu sein, daß er die zahlreichen persönlichen Gläubiger des Verstorbenen befriedige; um dies aber zu können, mußte er für lange Zeit verzichten auf jeden Lebensgenuß, er konnte in der Residenz nicht mehr seinem Stande gemäß leben, er mußte seine ganze Thätigkeit einer besseren Bewirthschaftung der tief vernachlässigten Güter widmen. Es bedurfte vielfacher angestrengter Arbeit und harter Entbehrungen, um die Ehre des Namens Streit in voller Reinheit zu erhalten.

Ohne zu zögern brachte der Major das schwere Opfer. Er nahm seinem Abschied und zog nach Kabelwitz; den betrügerischen Inspector, der die Leichtfertigkeit seines Vaters schmählich ausgebeutet hatte, jagte er fort; er übernahm selbst die Bewirthschaftung seiner Güter und in überraschend kurzer Zeit gelang es ihm durch Fleiß, Sparsamkeit und intelligente Verwaltung seiner Ländereien und Forsten die väterlichen Schulden zu tilgen; dies glückliche Resultat seiner Mühen hatte er vorzugsweise seinem Schwager, dem Geheimrath Stern, der ihm mit Rath und That zur Seite stand, zu danken; er zollte dafür diesem, den er früher als einen bürgerlichen Eindringling in seine altadelige Familie gehaßt hatte, eine tiefe Dankbarkeit, die er nach dem Tode seines Schwagers auf dessen einzigen Sohn, den Doctor Fritz Stern, übertrug.

Der Major war im Laufe der Jahre ein reicher, sogar ein sehr reicher Mann geworden. Gewöhnt an strenge Sparsamkeit hatte er auch nach der völligen Abbezahlung der väterlichen Schulden seine jährlich mit reißender Schnelligkeit wachsenden Einkünfte niemals verbraucht, sondern Kapital zu Kapital geschlagen; er war keineswegs geizig; aber seine Bedürfnisse waren gering und so vergrößerte sich sein Vermögen von Tag zu Tag; glücklich aber war er nicht! Sein größter Wunsch, der, seine Güter einem Sohn hinterlassen zu können, war ihm unerfüllt geblieben, er war der letzte seines Stammes, mit ihm sollte das altadlige berühmte Geschlecht derer von Streit aussterben, die Majoratsgüter, da kein Lehnsvetter lebte, verfallen! – Dieser Gedanke verbitterte ihm das Leben und erst, als er bei einem Besuch in der Residenz vom Könige, bei dem er seiner frühern Verdienste und seiner patriotischen Gesinnung wegen in hoher Gnade stand, – das Versprechen erhalten hatte, – das Streit'sche Majorat solle, wenn Fräulein Elwine von Streit sich mit einem Edelmann aus untadelhafter Familie vermähle und dieser einwillige, den Namen Streit dem seinigen hinzuzufügen, von der Krone nicht beansprucht, sondern dem Gemahl Elwinens übertragen werden, – erst da schaute er wieder mit neuer Hoffnung in das Leben.

Daß Elwine vielleicht einst seine Pläne vereiteln, daß sie es jemals wagen könne, seinem Willen zu widerstreben, daran dachte der Major nicht und er wurde daher sehr unsanft aus seinen Zukunftsträumen erweckt, als das junge Mädchen bei der Werbung Heinrichs von Nordheim mit großer Bestimmtheit erklärte, sie werde zwar dem väterlichen Befehl gehorchen, aber dieser, der sie für das ganze Leben unglücklich mache, werde sie ebensowohl von dem Vater, als von dem aufgedrungenen Gatten trennen.

Der Major liebte seine schöne Tochter von ganzem Herzen; er hatte sie erzogen als ein ächtes Soldatenkind, sie war sein Stolz und seine Freude; damals aber trat doch eine schwer zu überwindende Entzweiung zwischen Vater und Tochter ein. – Der alte Soldat konnte es gar nicht begreifen, daß ein junges Mädchen einen eigenen Willen haben wollte; hatte doch Elwine bisher alle seine Befehle mit freudigem Gehorsam erfüllt und jetzt plötzlich wagte sie, ihm zu widerstreben gerade in dem Augenblicke, wo sie seinen liebsten langjährigen Wunsch erfüllen sollte! Wie er selbst nicht gezögert hatte, sein Lebensglück dem Gebote der Pflicht zu opfern, so meinte er, dürfe auch Elwine nicht zögern, dasselbe zu thun. Ihre Weigerung, den schönen, reichen Freiherrn Heinrich von Nordenheim, mit dem sie so gern auf die Jagd ritt, mit dem sie so vertraulich scherzte und den sie, wie sie selbst sagte, wie einen Bruder liebte, – ihre Hand zu geben, war ihm durchaus unverständlich, – er hielt Elwinen's Widerstreben für eine thörichte Mädchenlaune, die gebrochen werden müsse, und er würde keinen Anstand genommen haben, sich Gehorsam zu erzwingen, wenn ihm nicht Heinrich von Nordenheim durch die Erklärung, – er werde einen Zwang nicht dulden, und trete von seiner Werbung zurück, – zuvorgekommen wäre.

Durch die Entsagung Heinrichs wurde der Friede im Hause des Majors wieder hergestellt; dieser erklärte seiner Tochter, sie solle für dieses Mal ihren Willen haben, ein zweites Mal aber werde er keine Weigerung dulden, dies versichere er auf sein Ehrenwort. – Einer Mädchenlaune wegen solle nicht das Streit'sche Majorat dem alten Stamm entfremdet werden, – wenn auch in weiblicher Linie solle es doch in dem Geschlechte forterben. Sobald ein ebenbürtiger Freier um Elwinens Hand werbe, werde er ohne weitere Rücksicht auf eine etwaige thörichte Weigerung eines albernen Mädchens die Vaterpflicht erfüllen, welche ihm obliege und einen Widerspruch nicht dulden. – Er habe nicht viele Jahre lang mit rastlosem Eifer gearbeitet und die Majoratsgüter zur höchsten Blüthe gebracht, um sie schließlich dem Streit'schen Geschlechte entfremdet zu sehen, während es doch in Elwinens Macht liege, sie sich und ihren einstigen Kindern zu erhalten.

Elwine, welche von frühster Kindheit an daran gewöhnt war, den Befehlen des Vaters zu gehorchen, hatte auf diese Drohung kein Wort erwidert; – sie wußte, daß sie durch Widerspruch nur den Zorn des alten, die strengste Subordination fordernden Soldaten erregen würde, ohne seinen Willen zu beugen. – So muthig und entschieden sie sonst war, dem Vater gegenüber wagte sie keinen Widerstand, seinem Willen fügte sie sich; – aber mit der geheimen Hoffnung, daß es ihr gelingen werde, jede ihr unangenehme Bewerbung um ihre Hand durch ihr Benehmen gegen die etwaigen Bewerber zurückzuweisen, ehe noch der Vater Gelegenheit zu einem Machtspruch erhalte.

Vergeblich änderte der Major seine frühere Lebensweise, vergeblich machte er mit seiner Tochter Besuche auf den benachbarten Rittergütern, vergeblich öffnete er sein Haus den Offizieren der nicht fernen Residenz, – vergeblich verlebte er selbst mit Elwinen einen Winter in der Hauptstadt, kein Bewerber nahte sich, – dafür sorgte Elwine.

Zwar kamen, angezogen von dem Rufe der Schönheit und des Reichthums des Fräuleins von Streit, viele junge Herren aus der Residenz nach dem gastlichen Schloß Kabelwitz, keiner aber wagte es, der stolzen, unnahbaren Schönheit ein Liebeswort zuzuflüstern. – Elwine zeigte sich so kalt und rücksichtslos abstoßend, daß sie von jeder Bewerbung verschont blieb. – ›Die reizende Amazone von Kabelwitz besitze alle Vorzüge des Körpers und des Geistes, nur ein Herz habe die schöne Männerfeindin nicht!‹ so pflegten die Offiziere der Residenz und die jungen Edelleute der Provinz sich zu erzählen; versuchte es wohl noch hier und da einer von ihnen, im Vertrauen auf die eigene unwiderstehliche Liebenswürdigkeit, sich der Amazone zu nahen, so stand er doch immer bald von dem Versuche ab, dies steinerne Herz zu erweichen.

Nur Einer ließ sich durch Elwinens beleidigende Kälte und Schroffheit nicht zurückweisen, der Graf Sarentin. – Er war im letzten Winter auf einem Ball in der Residenz dem Major und seiner Tochter vorgestellt worden. – Der Major, der den Oheim des Grafen kannte und wußte, daß dieser das Majorat erben würde, zeigte sich gegen den jungen Mann sehr freundlich, er lud ihn zum Besuch nach Schloß Kabelwitz ein, und als Sarentin dieser Einladung folgte, wurde er von dem alten Soldaten mit der herzlichsten Gastfreiheit empfangen. Der Graf war seitdem ein vom Major stets gern gesehener, von Elwinen verabscheuter häufiger Gast im Schloß.

Schon in der Residenz hatte er es versucht, sich der schönen Amazone zu nähern; er war herb und beleidigend zurückgewiesen worden, dies hielt ihn aber nicht ab, nach Schloß Kabelwitz zu kommen und seine Besuche zu wiederholen, obgleich ihm Elwine mit rücksichtsloser Offenheit zeigte, daß sie ihn verabscheue.

Sarentin hatte von dem Major in einem vertraulichen Gespräch erfahren, daß dieser sehnlichst wünsche, seine Tochter mit einem Edelmann aus alter untadelhafter Familie zu vermählen und daß in diesem Falle das Streit'sche Majorat auf Elwinens Gatten übertragen werden würde; der Major hatte sich sogar offen dahin ausgesprochen, daß er entschlossen sei, Elwinens Männerfeindschaft zu brechen, und daß er, wenn ein geeigneter Bewerber um ihre Hand auftrete, seine ganze väterliche Autorität aufbieten werde.

Nach dieser Mittheilung hatte der Graf sich noch eifriger, als vorher um Elwinens Gunst beworben, aber mit dem traurigsten Erfolg. Vergeblich begleitete er die schöne Amazone auf ihren wilden Spazierritten, er erntete dafür nur herben Spott, als er einst ein widerspenstiges Pferd nicht zwingen konnte, über einen breiten Graben zu setzen; er wurde verlacht, wenn er es versuchen wollte, seine Kunst als Pistolenschütze zu zeigen und er mußte sich beschämt gestehen, daß er nicht daran denken könne, in solchen ritterlichen Künsten die reizende Amazone zu besiegen, denn Elwine war ihm in denselben weit überlegen – sie erkannte überhaupt nur einen Meister an, der noch kühner ritt als sie, der noch sicherer schoß, ihren Vetter, den jungen Doctor Stern.

Der Graf war ein feiner Menschenkenner; als er das erste Mal den Doctor Stern in Gesellschaft Elwinens gesehen hatte, war er nicht mehr in Zweifel über die Ursache, aus der die Männerfeindschaft der schönen Amazone stamme. Er beobachtete mit scharfen, argwöhnischen Blicken die beiden Verwandten, er sah, wie Elwinens schwarzes Auge hell aufleuchtete, als Fritz Stern ihr nahte und sie liebevoll begrüßte; Elwine liebte ihren schönen Vetter, dies erkannte der Graf; aber darüber, ob diese Liebe erwidert werde, konnte er nicht ins Klare kommen.

Dieser Doctor war ihm ein unlösbares Räthsel. Daß Fritz Stern ein unübertroffener Meister in allen ritterlichen Künsten sei, davon hatte sich der Graf auf einem Jagdritt und auf dem Pistolenschießstand überzeugt, um so wunderbarer erschien es ihm, als er von dem Major die größte Lobeserhebung über die frühzeitige Gelehrsamkeit seines Neffen hörte, als jener mit freudigem Stolz ihm die überaus anerkennende Recension einer weitverbreiteten Zeitung über eine medicinische Schrift des jungen Gelehrten zeigte. Der Oheim vergötterte, Elwine liebte den bildschönen, jungen Mann, dieser aber schien davon gar nichts zu ahnen. Gegen den Oheim war er der bescheidene, anspruchslose Neffe, gegen die schöne Cousine der ruhige, freundliche Vetter. Sein klares dunkelblaues Auge blickte nicht feuriger, wenn er Elwinens liebevollen Gruß empfing, wenn sie an seinem Arm hing und mit gespanntester Aufmerksamkeit seinen Worten lauschte. Er blieb stets gleichmäßig ruhig‚ leidenschaftslos, verständig.

Der Graf, der entschlossen war, sich die Hand der reichen Erbin zu erringen, fühlte gegen Fritz Stern vom ersten Tage, an welchem er ihn beobachtete, einen tiefen Wiederwillen, der sich bald zum glühenden Haß steigerte. Fand er doch überall den jungen Mann störend in seinem Wege, mußte er sich doch eingestehen, daß dieser ihm an körperlicher Schönheit, an Geschicklichkeit und an Geist weit überlegen sei. Graf Sarentin war in der Gesellschaft der Residenz seines geistreichen Witzes wegen berühmt, er versuchte denselben auf Kosten des verhaßten Nebenbuhlers spielen zu lassen, aber er wurde so treffend zurückgeschlagen, daß er es nicht wieder wagte; nur zu vereinzelten bitteren Bemerkungen wurde er mitunter durch seine Abneigung unwillkürlich veranlaßt, aber auch damit hatte er kein Glück, denn Fritz Stern wies sie, ohne je seine kalte Ruhe zu verlieren, verächtlich zurück. So entwickelte sich sehr zum Nachtheil des Grafen zwischen den beiden jungen Männern ein sehr gespanntes Verhältniß. Beide zeigten offen ihre gegenseitige Abneigung, sie vermieden sich, wo es irgend ging, und wenn sie zusammen kamen, fehlte es niemals an einem Austausch spitzer Worte, bei dem Fritz Stern stets Sieger blieb.

Fanden derartige Streitigkeiten in Gegenwart Elwinens statt, dann zeigte diese bei jeder Niederlage des Grafen offen ihre Freude, sie verspottete unbarmherzig den Bewerber um ihre Hand, oft war sie so scharf und bitter, daß jeder Andere sich beleidigt zurückgezogen haben würde, dies aber lag keineswegs in der Absicht des Grafen, der im Gegentheil dadurch nur veranlaßt wurde, sich an den Major zu wenden und förmlich um Elwinens Hand anzuhalten. Er erhielt, wie er gehofft hatte, das Jawort des Vaters – war er doch der letzte Stammhalter einer der edelsten Familien des Landes, der Erbe eines Majorats und eines nie durch eine Mißheirath befleckten Stammbaumes. Der Major erbot sich sogar, sofort seine Tochter zu rufen, damit die Verlobung proklamirt werde. Das aber wollte der Graf selbst nicht; er verhehlte dem Major nicht, daß es ihm bis jetzt nicht gelungen sei, sich die Liebe Elwinens zu erwerben, weil diese, wie er überzeugt sei, eine andere Liebe und zwar zu ihrem Vetter im Herzen trage.

Der alte Herr lachte bei dieser Mittheilung hell auf. »Wenn Sie keine andere Sorge, als diese haben, lieber Graf,« sagte er heiter, »dann beruhigen Sie sich. Die Kinder sind zusammen aufgezogen, sie lieben sich gegenseitig wie Geschwister und das sollen sie auch thun ihr Leben lang, denn auch ich liebe den Fritz wie meinen Sohn und er verdient es, er ist ein Prachtjunge!«

»Sie täuschen sich, verehrter Herr Major,« erwiderte der Graf bedenklich, »von Schwesterliebe spreche ich nicht, sondern – –«

»Eifersucht, thörichte Eifersucht, von der ich nichts wissen will,« fuhr der Major fort, »auf meinen Fritz lasse ich nichts kommen. – Sehen Sie ihn nur an, wie er dort unten im Garten mit Elwinen spazieren geht. Sieht er etwa aus wie ein Verliebter? Der denkt nur an seine Bücher, aber nicht an Liebe.«

Mit diesem Bescheid mußte der Graf sich zufrieden geben, obgleich er keineswegs von seiner Richtigkeit überzeugt war; er hatte bisher immer noch gehofft, daß es ihm gelingen werde, sich in das Herz des jungen und unerfahrenen Landmädchens einzuschmeicheln, deshalb hatte er nicht gewünscht, daß der Major die Verlobung gegen Elwinens Willen proklamire; bald aber sollte er einsehen, daß für ihn jede Hoffnung verloren sei, die Liebe seiner Braut – als solche sah er Elwinen bereits an – zu gewinnen.

Als er einige Tage nach seiner Unterredung mit dem Major wieder nach Kabelwitz kam, empfing ihn Elwine noch unfreundlicher als gewöhnlich, ja sie benutzte einen Augenblick des ungestörten Zwiegesprächs, um ihm mit dürren Worten zu sagen, daß sie nichts Verächtlicheres kenne, als das Bestreben eines Mannes, die Hand eines Mädchens, welches ihn verabscheue, zu gewinnen.

Der Graf befand sich nach dieser Erklärung in nicht geringer Verlegenheit. Er ersah aus Elwinens Worten ebensowohl, daß der Major seiner Tochter Mittheilung von der Werbung gemacht habe, als daß Elwine sich niemals bewegen lassen werde, freiwillig seine Gattin zu werden. Er mußte entweder auf die Hand der reichen Erbin verzichten, oder den väterlichen Zwang in Anspruch nehmen.

Die Wahl war für ihn nicht schwer. Zwar fühlte er sich tief gedemüthigt durch den Gedanken, daß es ihm, dem eleganten, geistreichen, liebenswürdigen Mann, nicht gelungen sei und nie gelingen werde, sich Elwinens Liebe zu erwerben, daß er ihre Hand nur der väterlichen Gewalt verdanken solle, auch die Aussicht auf die Ehe mit einer Frau, die ihm offen ihren Abscheu zeigte, war nicht verlockend; aber alle diese Bedenken wurden überwunden durch die Nothwendigkeit, in welcher er sich befand, seine völlig zerrütteten Vermögensverhältnisse durch eine reiche Heirath zu ordnen. Es war zwecklos, jetzt noch länger zu warten, er beschloß, bei seinem nächsten Besuch den Major zur Erfüllung seines gegebenen Wortes aufzufordern.

Mit diesem Entschluß verließ er Kabelwitz und mit demselben kehrte er an jenem Nachmittage, an welchem er sich so unliebsam von dem Baron von Nordenheim verabschiedet hatte, nach dem Schloß zurück.


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