Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

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Einunddreißigstes Kapitel.

Die Amazonen.

Ebenso bewunderungswürdig schnell wie die Husarenuniformen der Odalisken angefertigt wurden, ebenso rasch ließen die Weiber des Harems, von der jüngsten Odaliske bis zur reifsten Matrone, sich einexerciren, denn sie fürchteten für ihr Leben. Und ihnen allen hatte Leutnant Fritz Erlösung aus dem tyrannischen Joche des Sultans verheißen, wenn sie fleißig übten, Griffe machten, und namentlich Ordre parirten.

Täglich wurde exercirt. Leutnant Fritz hatte nicht die längsten und größten Odalisken als Flügelmänner auserwählt, sondern die kugeligsten und üppigsten, denen er mit persönlicher Herablassung auf die vollen Rückformen klopfte oder auch wohl anfeuernd die schwellenden Rundungen zwickte, wenn sie nicht Schritt hielten. – Diese Kniffe waren seine Kasernenhofblüthen.

Abends sangen sie im Vorgefühl besserer Zeiten das Lied:

»Freiheit, die ich meine« u. s. w.

das Leutnant Fritz ihnen neben anderen patriotischen Gesängen beigebracht hatte, wie »Das Wirthshaus an der Lahn« mit unzähligen Versen und das neueste Lied:

Rutsche mir den Puckel rauf,
Rutsch' ihn wieder runter.
Halt Dich nicht zu lange auf
Oder ich werd' munter.

das die Mädchen, wenn sie es auf den Sultan bezogen, mit wahrer Begeisterung anstimmten.

Die ehrsame alte Menub-bel hatte Fritz zum Feldwebel ernannt, Augenlieb und Herzensdieb jedoch zu seinen Leibadjutanten.

Sie sahen aber auch zu süß in ihrer knappen blauen Husarenuniform aus, viel besser als in den bauschigen Seidenhosen der Orientalinnen, und da Leutnant Fritz ihnen Privatinstruktionsstunden gab, konnten sie nicht nur bald avanciren, sondern waren auch die kecksten und verwegensten aller Amazonen.

Aber auch der Andern nahm Leutnant Fritz sich mit Hingebung an, so daß sie ihre Vorurtheile ablegten und für völlige Freiheit schwärmten. Mit einem Worte: Leutnant Fritz ruinirte dem Sultan den Harem gründlichst.

Hiervon hatte Emma in ihrem Palast-Gefängniß keine Ahnung.

Wohl folgte sie der ihr zugegangenen Warnung und aß nur Eier in der Schale, selbstgemolkene Ziegenmilch und eigenhändig geerntete Früchte, aber selbst nach diesen Speisen fühlte sie eine seltsame Abspannung, die in Ruhebedürfniß und Liebestraumversenkung überging. Sie merkte, daß ihr heimlich Mittel beigebracht wurden, die sie nicht allein willenlos, sondern auch liebessehnsüchtig machten, daß sie, unfähig sich zu wehren, dem Sultan verfallen würde, dessen Geheul sie bereits mit einem eigenthümlichen wollüstigen Reiz prickelte, sobald sie es im Halbschlummer vernahm, in jenem Dämmerzustande, der ihre Sinne traumhaft verwirrte und mit erhitzenden Bildern erfüllte, zu denen der begehrlich erregte Sultan ihrer Phantasie Modell stand.

Allerdings erfrischte das türkische BadDas Kapitel »Emma im Bade« wird am Schlusse des ganzen Werkes nachgeliefert, jedoch nur Abonnenten über vierzehn Jahren in verklebtem Zustande. sie stets wieder und brachte sie zu der klaren Einsicht, daß schreckliche, unerklärliche Einflüsse auf sie einwirkten, denen jedoch ihr Scharfsinn, so sehr sie ihn anstrengte, nicht auf die Spur kam.

Andererseits überhäufte der Sultan sie mit Aufmerksamkeiten. Statt mit Milch war der goldene Milchguß bisweilen mit den köstlichsten Perlen gefüllt, statt des Zuckers lagen große Diamanten auf dem Schälchen, statt der Erdbeeren nußgroße Rubinen.

Emma hob die Juwelen sorgsam auf; sie hatte bereits einen halben Strumpf voll Perlen, Brillanten, Rubinen, es fehlten nur noch Saphire und Smaragden, die jedoch nicht ausbleiben konnten.

Ein wahnsinnig verliebter Sultan scheut keine Kosten, den Gegenstand seiner Neigung mit den auserwähltesten Geschenken zu überhäufen und da in der Schatzkammer Juwelen und Geschmeide faßweise umherstanden, fehlte es ihm nicht an Mitteln, sich der gefangenen Emma angenehm zu machen.

War aber Emma im Stande, sich durch die Generosität des Sultans bewegen zu lassen, auch nur eines Strohhalms Breite vom Pfade der Tugend abzuweichen?

Keineswegs! In Bezug auf den Harem widerstrebten ihr die Gebräuche des Orients.

»Mein, aber ohne Nebenliebe,« war schon ihr Wahlspruch, als sie noch im Operettenchor die Kunst hoch hielt und sich selber. Durch solche Charakterstärke errang sie den Grafen Szmoltopski, dem sie nicht die geringste Gunst gewährte,Kann von allen ihren Kolleginnen eidlich erhärtet werden. bevor er sie zu seiner Gattin gemacht hatte.

Dann aber – – – –

Emma gedachte in verzweifelndem Schmerze jener glückseligen Zeit, wo ihr Leben nur der Liebe geweiht war, bis grauenhafte Intriguen das Paradies der Flitterwochen zerstörten, bis sogar jener verkappte Jesuit in den Katakomben unter dem Kriminalgebäude ihr hohnlachend zuschrie: ihre Ehe mit dem Grafen sei eine falsche!

Wenn ihre Ehe ungültig war, konnte sie ja Sultanin von Damombay werden, ohne gegen die Paragraphen des so schwer handzuhabenden Deutschen Gesetzbuches zu verstoßen.

Und wenn sie Sultanin wäre, gehörten ihr die Fässer voll Diamanten, Rubinen, Smaragden, das Goldgeschmeide, die herrlichen Seidenstoffe, die Millionen gemünzten Goldes, die Paläste, die Domänen, die Unterthanen, die Abgaben.

Sie könnte sich in den Steuern wälzen.

Mit dem Harem würde sie kurzen Prozeß machen. Die Weiber würden sämmtlich durchgepeitscht und des Landes verwiesen.

»Emma! Emma! Wohin verlierst Du Dich?«

Mit diesen Worten sprang sie von dem doppeltsammtenen Divan empor, auf den sie in müder Erschlaffung hingesunken war.

»Wer giebt mir das sinnverwirrende Gift ein?« fragte sie sich und trank einen Schluck selbstgemolkener Ziegenmilch, worin keine schädlichen Stoffe sein konnten, denn nichts war reiner als Emma's Lilienhand, womit sie Unsauberes nie anfaßte. Selbst zur Zeit ihrer Ehe nähte sie dem Gatten Knöpfe nur mit Handschuhen an.

Und dennoch fühlte sie, wie diese Milch sie betäubte und willenlos machte. »Elende,« rief sie, »Ihr gebt der unschuldigen Ziege aufregende Liebestränke, damit ihre Milch mich dem Sultan in die Arme treibt.«

Emma hatte nur zu wahr gedacht. Wie mit prophetischem Blick durchschaute sie das schändliche Treiben der Aerzte des Sultans – aber zu spät.Die arabischen Aerzte kannten die Herstellung von heilenden, sowie von vergiftenden Thiersäften viel früher als die Gelehrten des Abendlandes die Serumtherapie entdeckten, wie in den Werken des Abul Welid Muhammed ben Ahmed Ibn Rosch el Maliki genannten Averroes nachgeschlagen werden kann.

»Auch das redliche Huhn ist mit Wahnsinnskörnern gefüttert,« rief sie. »Die Eier . . . es waren Eier der Wollust, die ich aß. Wehe . . . mir schwindelt!«

Und wieder träumte sie, wie stets in dem seltsamen Schlaf der vorhergehenden Tage vom Sultan. Sie sah ihn vor sich.

Er schritt auf sie zu.

War das noch Traum?

Nein, das war Wirklichkeit. Es war genau gekommen, wie die arabischen Aerzte vorhergesagt hatten: Huhn und Ziege waren dem Gifte erlegen und Emma in die brutale Gewalt des Sultans gegeben.

Genau auf Stunde und Minute.

Begleitet wurde der Sultan von seinem Leib-Eunuchen, dem obendrein, damit er die Uebelthaten seines Gebieters nicht sehen konnte, die Augäpfel vom Scharfrichter nach Innen gedreht waren. In seinen Händen trug dieser zu jedem Greuel fähige Sklave eine seidene Schnur.

Er legte auf den Befehl des Sultans die seidene Schnur auf das perlmuttereingelegte Frühstückstischchen.

Emma wollte aufschreien.

Vergebens.

Sie versuchte zu fliehen.

Ihre Glieder waren wie angenagelt.

Ja . . . sie wußte . . . die schrecklichste Stunde ihres Daseins war gekommen.


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