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Neunundzwanzigstes Kapitel.
Es war eine Hitze in Südafrika, daß die Chausseesteine rauchten und dabei die Witterung von einer solchen Beständigkeit, daß das Barometer nichts zu thun hatte.
Tief unter der Erde aber, in den niederen Schachten der Gruben zu Kimberley mußten die Menschen sich regen und arbeiten. Nur die Bergmannslämpchen leuchteten ihnen, bei deren trübem Flackern sie die glänzenden Steine brechen mußten, die als Diamanten in den Salons der Großen und Reichen, dagegen als Simili's in den Dachstuben der Minderbegüterten strahlen.
Dunkelhäutige Kaffern schlugen, auf dem Rücken liegend, das Gestein mit dem Spitzmeißel ab. Sie sangen verruchte Lieder dabei und stießen gräßliche Flüche auf die Compagnie de Beers aus, für die sie hier in der Tiefe sich quälen mußten.
Nur einer sang und fluchte nicht mit. Dies war ein Weißer mit einem bleichen Dulderangesicht und stark abgemagerten Gliedern.
Der Leser wird längst errathen haben, daß es kein anderer war, als Gottfried Nordhäuser, der Sohn einer deutschen sittenreinen Destille vom Koppelplatz.
Wie aber war unser Nordhäuser, den wir alle schätzen und lieben, von seinem Herrscherthrone zu Assessoria in die Knechtschaft der Compagnie de Beers gerathen?
Auch er war ein Opfer des südafrikanischen Kriegs.
Er glaubte ja nicht, daß es so schlimm werden würde, weil er von den Zeitungen immer nur den Anzeigentheil las, da ihm einmal ein Redakteur gesagt hatte: Annoncen wären die Seele der Presse.
So kam es, daß er nicht vorbereitet war, als die Engländer sein Land verheerten, weil sie, seiner Unschuld und Güte wegen, Nordhäuser für einen Bauern hielten.
Von Allen verlassen, ohne Mittel und ohne Verwandte – denn er stammte aus einer Familie mit erblichem Selbstmord – sah er sich gezwungen, die weißen Sklavendienste bei der Compagnie de Beers anzunehmen und in Gemeinschaft mit greulichen, dem Vieh nahe stehenden Kaffern, Diamanten in den unterirdischen Schächten zu graben, wo heimliche Verbrechen begangen wurden.Von Maeterlink dramatisirt.
Die Kaffern nämlich verschluckten Diamanten, um die Compagnie zu bestehlen und sich einen Fond für späteres Wohlleben zu sammeln.
Nordhäuser wies darauf hin, daß dies Sünde sei gegen das siebente Gebot.
Die Kaffern höhnten und verschlangen nun erst recht von der werthvollen Beute.
Nordhäuser warnte abermals, indem er sprach: »Das Strafgericht wird nicht ausbleiben.«
Wie immer hatte Nordhäuser recht. Die Compagnie merkte gar bald an der Abnahme der Erträge, daß Unterschleife stattfänden, doch sie besaß ein einfaches Mittel, sich Gewißheit zu verschaffen.
Dieses bestand in Ricinusöl, das den Verdächtigen eingeflößt wurde.
Als Nordhäuser auch seinen Prüfungslöffel voll Oel nehmen sollte, sprach er: »Bei mir habt Ihr solches nicht nöthig, denn ich bin ehrlich.«
Da lachten die großen Diebe von der Compagnie, weil ihnen Ehrlichkeit die größte Thorheit war, sie, die den blutigen Transvaalkrieg heraufbeschworen hatten, damit ihr Geschäft blühen sollte.
»Ha ha!« lachten sie, »es giebt nur Geschäft, rücksichtsloses Geschäft!« Und zu diesem Zwecke wurde dem wehrlosen Nordhäuser ebensowohl Offenbarungs-Honig eingezwungen – so nannten sie scherzend das Oel – wie den Kaffern, deren Diamantverschluckung dadurch glatt zum Vorschein kam.
Bei Nordhäuser verlief das Mittel jedoch resultatlos, daß selbst die eifrigsten Spürnasen der Compagnie nicht das kleinste Splitterchen erstöberten, obgleich die Kaffern mit Findern auf ihn wiesen und schworen, er nasche den ausgereckten Tag Diamanten und zwar von den ganz großen.
Dies war eine gemeine infame Lüge!!!
Nordhäuser bekam die doppelte Portion Oel.
Die dreifache.
Allein jeder Erwischungsversuch war vergebens, nichts wurde erwiesen als Nordhäusers reine Unschuld, der diese Behandlung nicht vertragen konnte.
Er nahm ab; täglich mehr und mehr, wie ein Asra.
Zuletzt war er so mager, daß er selbst in der scharfen, afrikanischen Sonne nur noch Schatten warf, wenn er seinen Winterüberzieher anzog.
Und das deutsche Reich sah dieser Scheußlichkeit zu, ohne eine Armee mobil zu machen; es duldete, daß unser so sehr beliebter Nordhäuser bis zur Unkenntlichkeit mißhandelt wurde.
Zwar wurden Stimmen in der Presse laut, aber sie nützten nichts, da Nordhäuser nur die Annoncen las.
Schon wollte er sich verzweifelnd dem freiwilligen Tod in die Arme werfen, als ihm im »Kimberley Advertiser« eine Anzeige auffiel:
Gesucht ein Ueber-Skelettmensch von Iwan Schulz bei der Ww. Wimmelmayr.
Berlin N., Kalkscheunenstraße links.
Nordhäuser meldete sich und sandte seine Photographie ein (siehe die Abbildung).
Hätte er jedoch geahnt, welchem verbrecherischen Plane der Skelettmensch dienen sollte, er wäre lieber in den fürchterlichen Diamantengruben zu Grunde gegangen.
Doch harre voll und ganz aus, Nordhäuser, und Dir wird großartiger Sieg über alle Leiden der Vorsehung beschieden sein.