Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

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Zweites Kapitel.

Der Recensent und das Gespenst.

Es war zwanzig Minuten vor Mitternacht.

Der Doktor Viktor Habicht saß auf seinem Zimmer an dem Schreibtische, bis an die Knie in Blut watend.

Dreie hatte er bereits abgeschlachtet und, da dieses ihm erhöhtes Vergnügen bereitete, mit einem stumpfen Messer.

Er suchte bei jedem seiner Opfer nach einem Rückgrat und wenn er es nicht fand, zerfleischte er es vollständig.

Die Fetzen flogen nur so.

An der Decke saß Blut, an den Wänden zuckendes Mark, auf dem Lehnstuhl ein krampfhaft athmendes Herz. In der Ecke neben dem Ofen thürmten sich die Leichen. Ihm war es Wollust, seine Blicke daran zu weiden. An dem Kronleuchter des Zimmers hing als Fliegenquast eine Kindermumie, von ihm eigenhändig erdrosselt.

Alle fürchteten ihn.

Man nannte ihn nur Viktor den Würger!

Ohne ihn wäre die Gräfin Szmoltopska née Siebenklietsch nicht von dem grausigen Schicksal ereilt worden, dessen Zeuge der Leser im ersten Kapitel gewesen ist. Er war es, der die vernichtenden Zeilen geschrieben hatte – mit bluteingetauchter Feder – die das unglückliche, schöne, edle Geschöpf zwangen, sich einen anderen Dienst zu suchen und das dabei in die heimtückisch gestellte Falle gerieth.

Er war wieder beim Schlachten.

Wohl hatte ihm die berühmte Kartenlegerin Friederike Boomhammel in der Koblankstraße prophezeit, daß einst ein Gespenst seine Schand- und Greuelthaten rächen werde, allein er lachte spöttisch.

Er glaubte nicht an Gespenster.

Die Uhr schlug dumpf und klagend Zwölf.

»Ha! Ha!« lachte er gellend. »Jetzt ist es Mitternacht. Wo seid Ihr, Gespenster? Ihr seid Märchen beschäftigungsloser Ammen. Kommt heraus, wenn Ihr Muth habt. Ihr Feiglinge fürchtet mein kritisches Messer. Ha – ha – ha!«

Leise und schauerlich antwortete das Echo: Ha – ha!

Jedes zartempfindende Gemüth hätte dieser Warnung Gehör gegeben, jedoch Habicht, der grausame, nicht. Er ergriff die Papierscheere, schlitzte sein Opfer auf und wählte mit tastenden Händen nach dem Rückgrat.

»Wieder keins!« schrie er und fletschte die Zähne. »Dir will ich es besorgen!!«

»Hu – hu!« hallte es unheimlich.

Doktor Habicht wandte sich um. Seine Augen traten aus den Höhlen, seine Kniee schlotterten, wie gebannt haftete er auf seinem Schreibtischsessel.

Die Thür des Kleiderspindes öffnete sich geräuschlos und heraus kam langsam ein Gespenst in weißen flatternden Laken mit einem Drillbohrer in der linken Geisterhand.

Kalter Angstschweiß rieselte aus Doktor Habicht's Poren. Ihm ward klar, daß die Geisterstunde jetzt erst angebrochen war. Die Gespenster richteten sich nicht nach der mitteleuropäischen Zeit.

Sie folgten den Stunden der Weltenuhr.

Das Gespenst schritt langsam näher.

Es streckte die rechte Hand aus und bewegte sie in magnetischen Strichen auf und nieder.

Doktor Habicht rührte sich nicht. Das Gespenst hatte ihn hypnotisirt.

Rasch nahm das Gespenst nun den Drillbohrer und setzte ihn in des Doktors Ohr und bohrte so lange, bis das Gehirn auslief. Zuletzt kam grünlichgelbe Galle.

Da hielt das Gespenst inne.

Dann stopfte es ihm ein leeres Portemonnaie in den hohlen Schädel und verschloß die Oeffnung, die unter dem Einfluß des Lebensmagnetismus sofort wieder ganz wurde.

Hierauf murmelte es ihm zu: »Von nun an hast Du nur ein einziges Bestreben, nämlich Theaterdirektor zu werden. So sollst Du Alles erdulden, was Du jemals Anderen zugefügt hast, Dich winden, ohne Dich wehren zu können. Durst nach Geld soll Dich erfüllen und wenn Du glaubst, ein Geschäft zu machen, sollen die es Dir abmorden, denen Du mit bösem Beispiel vorangegangen bist. Denke an die Blutthaten, du Mörder. Denke an Emma!«

Das Gespenst hauchte den Doktor dreimal an und verschwand mit bläulichem Lichte.

Der Leser wird längst errathen haben, daß das Gespenst kein Anderer war, als Gottfried Nordhäuser, der Jugendgespiele der eben so bildschönen wie engelsreinen Emma Siebenklietsch, der jetzigen Gräfin Szmoltopska.

Er liebte sie mit dem ganzen Edelmuth eines deutschen Jünglings vom Koppenplatze, wo seine Eltern eine sittenreine Destille hatten. Wohl blutete sein Herz, als Emma dem Grafen folgte, aber seine Liebe erlosch nicht. Treu bewachte er alle ihre Wege, wie ein ungesehener Schutzgeist.Nach einer Momentphotographie.

Er war es, der die schmählich Hintergangene so furchtbar an dem Doktor Habicht rächte, denn unseren Lesern zuzumuthen, an Gespenster und andere Unwahrscheinlichkeiten zu glauben, das wagen wir nicht.

Wir leben in dem leuchtenden Zeitalter der Aufklärung und der Wissenschaft.


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