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Mit diesem Gedanken schlief Rantan ein, und die Vorstellung, daß ein Schiff zu der Insel kommen müßte, beherrschte ihn dauernd. Jeden Tag ging er mehrmals zu der flachen Stelle auf das Korallenriff hinaus und sah auf das Meer, ob sich nicht ein Segel zeigte.
Eines Morgens entdeckte er etwas Dunkles am Ufer in der Nähe des Ausflusses der Lagune. Es war das Kanu. Die Ebbe hatte es nur ein kleines Stück in das Meer hinausgeführt; es war voll Wasser gelaufen, dann hatte es die Flut wieder ans Ufer getrieben. Er zog es höher herauf, nur um etwas zu tun zu haben, und fand den Riß, der das Leck verursacht hatte. Das Loch war nicht sehr groß, und er hätte es zustopfen können. Aber er konnte das Boot ja nicht mehr benützen, weil ihm ein Ruder fehlte. Er wartete auf das Schiff, das sicher kommen würde.
Wie fast alle Seeleute war er mit den Händen sehr geschickt und hätte sich zu gern beschäftigt. Aber da er keine Werkzeuge hatte, war er zur Untätigkeit verurteilt. Eines Tages entdeckte er jedoch in der Nähe der Bäume grobes Gras und faßte den Plan, etwas daraus zu machen.
In Chile war er einmal mit Hilfe eines Grasseils, das er sich gedreht hatte, aus dem Gefängnis entkommen. Und die Erinnerung daran brachte ihn darauf, wieder ein Tau zu verfertigen. Alles andere war besser, als nutzlos und träge herumzusitzen. Und damals war er nicht nur aus dem Gefängnis in Chile entflohen, sondern im Anschluß daran hatte er auch eine ganze Zeitlang Glück im Leben gehabt. Er sammelte also Gras, setzte sich ans Ufer und machte sich an die Arbeit.
Und die Beschäftigung war wirklich sehr heilsam für ihn. Er beschränkte die Arbeitszeit auf ein paar Stunden am Tag, so daß sie länger vorhielt, und erwartete schon immer sehnsüchtig diese Stunden, ähnlich wie sich andere Leute auf den Genuß einer Zigarre oder Zigarette freuen.
All seine Wünsche, seine Träume, seine ehrgeizigen Pläne und seine bösen Gedanken webte er in dieses Seil. Auch seinen Haß gegen die Kanakas und seine Abneigung gegen Taori, den Mann mit den rotblonden Haaren, der auf ihn zugekommen war und auf ihn niedergeschaut hatte.
Da nur wenig Gras vorhanden war, unterbrach er die Arbeit manchmal auf ein paar Tage. Aus den Tagen wurden Wochen. Als das Gras beinahe aufgebraucht und ein Strick entstanden war, an dem sich ein Mann hätte aufhängen können, ging Rantan eines Morgens wieder an die Küste, um Ausschau zu halten – und sah ein Schiff.
Im Norden zeigte es sich, aber es war so weit entfernt, daß er nicht sagen konnte, ob es auf die Insel zuhielt oder von ihr fortsteuerte. Aber nach einer halben Stunde wurden die Segel und Masten größer – es hatte Kurs auf die Insel! Er hatte also doch recht gehabt. Das Schiff, auf das er gewartet hatte, kam endlich!
Rantan tanzte und sang auf dem Riff und rief den Möwen seine Freude zu. Er eilte zum Ufer der Lagune, lief dort umher wie ein freudig erregter Hund und schimpfte das Kanu aus. Dann stürzte er zurück, um zu sehen, ob die Segel größer wurden. Und wieder rannte er zum Ufer und schoß Purzelbäume.
Und das Schiff wuchs vor ihm.
Als er zum viertenmal zu seiner Warte zurückkehrte, schien es plötzlich wie durch einen Zauber ganz groß geworden zu sein, so daß er es deutlich sehen konnte. Er erkannte die Bauart und die Größe. Im Vordersegel hatte es eine ausgebesserte Stelle. Er hielt den Atem an – um Himmels willen, es war die Kermadec! Oder ein Schwesterschiff, das ihr wie ein Zwilling glich. Sein geübtes Auge hatte sofort den Flicken auf dem Vordersegel erkannt – er selbst hatte bei der Ausbesserung geholfen.
Er wandte sich und lief zum Ufer der Lagune zurück. Weiße Männer mußten nach Karolin gekommen sein und sich mit den Kanakas angefreundet haben. Sie hatten die erschlagenen Frauen am Südufer gefunden und herausbekommen, daß das Kanu fehlte. Es war ihm alles klar.
Und sie wußten, daß bei dem damals herrschenden Wind das Kanu nur in dieser Richtung fortgefahren sein konnte! Man suchte nach ihm. Entweder wollten ihn die Kanakas mit der Keule erschlagen, oder die weißen Leute wollten ihn aufhängen. Und hier lag das Kanu am Ufer, und seine Fußspuren waren deutlich im Sand zu sehen.
Er schaute sich um. Spuren eines Feuers konnten ihn nicht verraten, nur das Kanu, die Abdrücke seiner Füße, die Fruchtschalen und die Überbleibsel der Kokosnüsse, die am Ufer herumlagen – und das Tau!
Eifrig machte er sich daran, alle Spuren zu verwischen. Er sammelte die Schalen und warf sie tief in die Büsche, dann versteckte er sich in den Sträuchern und wartete, während kalter Angstschweiß auf seine Stirn trat. Das Grasseil lag neben ihm am Boden.