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8

Sru beschloß, mit Rantan zu sprechen. So lange er allein vor sich hingebrütet hatte, war er nicht weitergekommen. Erst die Anwesenheit Le Moans und ihr Wunsch, nach Karolin zurückzukommen, hatten ihm einen Weg gezeigt. Und nun schwärmten die Gedanken wie Bienen in seinem Kopf. Er wußte, daß Karolin nicht auf den Karten eingezeichnet war, diesen geheimnisvollen Papieren, die es Peterson ermöglichten, seinen Weg über das Meer zu finden. Er wußte auch, daß Rantan wenig Kenntnis von Navigation hatte. Aber der Mann konnte soundso viele Stunden und Tage das Schiff nach Süden steuern, wie sie nach Norden gesegelt waren. Dann mußte Le Moan das Steuer übernehmen, und sie würde die Kermadec zu der Insel bringen.

Man hätte ihr das Steuer sofort in die Hand geben können, aber ihre Kraft genügte nicht, um tagelang ununterbrochen die Speichen des Rades zu drehen. Nein, sie würden mit Hilfe des Kompasses nach Süden fahren, und wenn sie in der Nähe des Breitengrades von Karolin angekommen waren, mußte sie das Schiff führen.

Er ging nach hinten und hielt sich eine kleine Weile in der Nähe des Steuermanns auf. Von Rantan war nichts zu sehen, und als Peterson an Deck kam, ging Sru wieder nach vorn und legte sich in seiner Koje zum Schlafen nieder. Erst während der Morgenwache fand er Gelegenheit, mit Rantan zu sprechen, der allein mit dem Steuermann hinten an Deck war. Er trat zu ihm an die Reling.

Der Morgen dämmerte herauf.

Eine Minute lang sprachen die beiden über die Wetteraussichten, dann warf Sru einen Blick nach dem Steuermann. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß der Mann außer Hörweite war, kam er auf die Sache, die ihm am Herzen lag.

»Die Insel, die wir verlassen haben, heißt Karolin«, begann er. »Das Mädchen hat mir den Namen genannt, aber sie hat mir noch viel mehr erzählt. Der See im Innern des Korallenriffs ist eine Perlenlagune. Diese Mitteilung bleibt aber unter uns. Ich spreche mit dir darüber, weil ich es keinem anderen sagen kann und weil ich glaube, daß wir großen Gewinn davon haben.«

»Eine Perlenlagune? Spricht sie auch die Wahrheit?«

»Ja. Hinter ihrem linken Ohr trägt sie eine Doppelperle.« Er schloß die Fäuste und hielt sie aneinander, um zu zeigen, welche Form Le Moans Perle hatte. »Die hat sie in ihr Haar gesteckt. Ich habe es gesehen und sie danach gefragt. Dann hat sie mir alles erzählt. Höre, Rantan, wir beide wollen diese Perlen allein holen – ohne Peterson. Er würde nur alles für sich nehmen und uns die Schalen lassen. Aber wie wir nach der Insel kommen sollen, ist mir noch nicht klar. Das mußt du ausdenken.«

Er redete in der Eingeborenensprache. Rantan hörte ihm aufmerksam zu, klopfte an seinem Stiefelabsatz die Asche aus der Pfeife, lehnte sich dann an die Reling und schaute auf das Deck.

Das Licht hatte inzwischen zugenommen, so daß er die Vorderplanken und sogar die Holznägel sehen konnte, mit denen sie aneinandergefügt waren. Eine Weile schwieg er, tief in Gedanken versunken, aber dann hob er den Blick und sprach.

»Was du gesagt hast, stimmt. Aber Peterson ist der Klügste von uns. Wie können wir ohne ihn die Insel wiederfinden? Du weißt, daß ich fast mein ganzes Leben lang zwischen den Paumotu-Inseln hin und her gefahren bin. Ich kann dieses Schiff oder ein ähnliches oder ein Kanu steuern, aber ich kann nicht wie Peterson mittags zur Sonne hinaufschauen und sagen: ›Wir liegen jetzt hier oder hier‹. Diese Kunst ist mir nicht gegeben. Ich habe mein Leben nicht auf dem offenen Meer, sondern meistens nur in flachen Gewässern zugebracht. Außerdem ist Peterson nicht der einzige Eigentümer des Schiffes; er muß seinen Teilhaber fragen, wenn er die Reise unterbrechen will. Er kann nicht sagen: ›Ich will hierhin oder dorthin‹, ohne daß der andere seine Einwilligung gibt.«

»Das ist nur ein weiterer Grund für uns, ohne ihn zu gehen.«

»Aber ohne ihn können wir den Weg nicht finden.«

Sru erzählte ihm nun von Le Moans wunderbarem Orientierungssinn. Rantan verstand sofort; er hatte diese Begabung mehrfach bei den Eingeborenen Sornas und anderer Inseln kennengelernt. Und plötzlich erkannte er die Möglichkeiten, die sich daraus ergaben.

Aber er äußerte nicht, was er dachte. Er horchte nur Sru aus und sagte ihm schließlich, daß er zum Vorderschiff gehen und mit niemand über die Sache sprechen sollte. »Es mag etwas daran sein. Ich weiß es noch nicht, aber ich werde über die Sache nachdenken.«

Als er allein war, blickte er zu der aufgehenden Sonne, die eben am östlichen Horizont auftauchte. Er war ein schneller Denker. Die Sache war möglich, und sollte Karolin tatsächlich eine Perlenlagune sein, so bedeutete das ein großes Vermögen.

Wenn die Kermadec dorthin gesteuert wurde, konnten die Kanakas als Taucher dienen, und nach acht- bis zwölfmonatiger Arbeit hatten sie soviel verdient wie sonst kaum auf zwanzig Reisen. Aber Colin Peterson durfte diese Expedition nicht leiten, denn er würde allen Gewinn für sich und seinen Partner fordern. Er mußte ausgeschaltet werden.

Sru hatte kein Wort über Taori gesagt, und er hatte auch nicht darüber gesprochen, daß Karolin durchaus keine unbewohnte Insel war.

Das hätte die Sache nur kompliziert, und Rantan hätte dann vielleicht zu sich selbst gesagt: ›Wenn das Mädchen schon in diesem Fall gelogen hat, sollte dann nicht auch ihre Erzählung von den Perlen erfunden sein?‹ Sru wußte instinktiv, daß sie die Wahrheit sagte, und gab sich damit zufrieden. Und Rantan beobachtete den herrlichen Sonnenaufgang, während sein Plan mehr und mehr reifte. Er starrte auf die Meeresfläche, aber er sah nicht die in der Sonne glitzernden Wellen; vor seinem inneren Auge tauchte Karolin, ein verlassenes, unbewohntes Perlenriff, auf. Niemand würde sehen, was dort geschah; höchstens die Seemöwen konnten seine Zeugen sein.


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