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Zweiunddreißigstes Kapitel

Am nächsten Tage hatte sich der Himmel wieder aufgeklärt. Die Morgensonne war in dichten Nebel verhüllt gewesen, aber einige Stunden später zerriß sie den grauen Schleier und goß ihr goldenes Licht verschwenderisch auf die regengetränkte Erde. In dem Schloßgarten war es so paradiesisch frisch und duftig wie am ersten Schöpfungstage. Die Blumen hoben die Köpfe wieder, und wenn noch hier und da Tropfen an den bunten Kelchen hingen, so glichen sie jetzt in dem funkelnden Sonnenschein hellen Freudentränen; die Vögel jubilierten in den dichten Laubkronen der Bäume, und das kleine Gewürm, das so ruhig in den Ritzen, unter den Blättern, unter den Steinen auf Sonnenschein gewartet hatte, regte sich wieder in seiner ganzen geschäftigen Emsigkeit.

Und um die grauen Mauern des Schlosses, die jetzt im rosigen Licht gebadet waren, schossen eilige Schwalben, und auf den Dächern, in den Dachrinnen, in den Stuckornamenten setzten die zanksüchtigen Spatzen die ununterbrochenen Streitigkeiten wieder fort. In dem großen Saal, wo an den Wänden die Porträts der Grenwitzer Barone und Baronessen hingen in langer Reihe von dem halb fabelhaften Sven von Grenwitz bis hinab auf die Bilder der Großtante Grenwitz, »wie sie als achtzehnjähriges Mädchen gewesen war«, und Oskars, »der mit dem Wodan stürzte«, und Haralds, »dem es besser gewesen wäre, er hätte sich am Sarge seines Vaters totgeweint« – tanzten die Staubatome, die aus den alten Prunkmöbeln mit den verblichenen Damastüberzügen aufstiegen in den schrägen Lichtsäulen, die durch die drei hohen Bogenfenster fielen.

Unten im Wohnzimmer nahmen der Baron und die Baronin ein frugales Frühstück ein. Sie sahen reisefertig aus, und Anna-Maria hatte sogar schon einen Hut mit weit vorspringenden Flügeln, wie sie in den zwanziger Jahren Mode gewesen waren, auf dem Kopfe. Denn der große Reisewagen hielt schon vor der Tür. Die vier schwerfälligen Braunen wedelten sich bedächtig mit den langen Schweifen die Fliegen ab, und der schweigsame Kutscher klatschte regelmäßig alle fünf Minuten mit der Peitsche, aus purer Gewohnheit und nicht etwa, um die Reiselustigen zur Eile zu ermahnen, was dem seiner Herrschaft schuldigen Respekt ebensosehr widersprochen hätte wie seinem phlegmatischen Naturell.

»Ich wußte es ja schon vorher«, sagte die Baronin, ihrem Gemahl ein Glas halb voll Moselwein schenkend – »trink das, lieber Grenwitz, es wird dich zu der langen Fahrt stärken – ich wußte es ja vorher. Er schlägt unsere freundschaftliche Einladung aus, weil er sich nicht ganz wohlfühle! Lächerlich!«

»Er sieht wirklich, seitdem wir in Barnewitz waren, recht angegriffen aus, liebe Anna-Maria«, sagte der alte Baron, »und dann ist es auch wohl nicht ganz in der Ordnung, daß wir ihn auffordern, mitzufahren, in dem Augenblicke, wo der Wagen schon vor der Türe steht. Wir hätten das auch wohl früher tun müssen.«

»Ich begreife dich nicht, lieber Grenwitz«, sagte die Baronin, »du tust doch gerade, als ob Herr Stein unsersgleichen wäre! Da ist es gar kein Wunder, wenn der junge Mann sich vor Hochmut nicht zu lassen weiß. Zu einer Fahrt in die Nachbarschaft ihn eine Woche vorher auffordern! Das fehlte noch! Haben wir doch selbst über die Helgoländer Reise noch nicht einmal mit ihm gesprochen!«

»Ich hätte es längst getan, wenn du nur einen bestimmten Entschluß hinsichtlich seiner fassen könntest«, sagte der alte Herr, sich hinter dem Ohr krauend.

»Ich habe jetzt meinen Entschluß gefaßt«, sagte die Baronin gereizt, »in diesem Augenblick gefaßt. Wenn er uns nicht einmal auf einer dreitägigen Fahrt in die Nachbarschaft begleiten will; wenn es ihm zu umständlich ist, bei unsern Bekannten, die ihm alle mit der größten Herablassung entgegengekommen sind, mit uns einen Abschiedsbesuch zu machen, so zeigt er ja deutlich, daß er gar nicht Abschied zu nehmen gedenkt, und so mag er denn bleiben, wo er will.«

»Aber liebe Anna-Maria«, sagte der Baron, »das ist doch am Ende nicht ganz dasselbe, und dann, wo soll er unterdessen bleiben? Und wie sollen wir mit den beiden Knaben allein fertig werden?«

»Ich sage dir ja, lieber Grenwitz«, entgegnete die Baronin, »es ist mir ganz gleich, wo er bleibt, ganz gleich. Er geht ja im allgemeinen so gern seine eigenen Wege, so mag er es auch in diesem Fall. Er kann eine Fußreise durch die Insel machen oder seinen Freund Oldenburg besuchen oder schlimmstenfalls hierbleiben, obgleich sein Hierbleiben allerdings Umstände machen würde. Uns ist er auf der Reise, die so schon kostspielig genug ist, eine ganz überflüssige Last. Er wird sich wie gewöhnlich nur um Bruno bekümmern und die Sorge um Malte gütigst uns überlassen. Bleibt er hier, so muß Bruno schon notgedrungen sich mehr an Malte anschließen, und da es sich während dieser Zeit doch nur um die Aufsicht der Knaben handelt, so übergebe ich die unserm Johann ebensogern und lieber noch als Herrn Stein. Ja, wir können auf der Rückreise, wenn wir Helene noch bei uns haben, nicht einmal alle in einem Wagen fortkommen. Nein, nein! Er bleibt hier; ich bin jetzt mit mir darüber ganz im reinen – vollkommen im reinen.«

»Ich weiß nicht –« sagte der alte Herr verdrießlich.

»Aber ich weiß es«, sagte die Baronin aufstehend, »das pflegte dir ja sonst genug zu sein, lieber Grenwitz. Komm, es ist die höchste Zeit, daß wir aufbrechen, wenn wir zu Mittag noch beim Grafen Grieben sein wollen. Da kommt Malte. Bist du auch warm angezogen, lieber Junge? Wo steckt denn der Bruno?«

»Oben beim Doktor. Er will nicht mit, wenn der Doktor zu Hause bleibt.«

»Siehst du, lieber Grenwitz, da haben wir's, eine vortreffliche Erziehung, in der Tat! Sogleich gehe hinauf, Malte! Bruno soll sich sofort fertig machen, hörst du: sofort!«

»Ich werde mich wohl hüten«, erwiderte Malte, »das magst du ihm selber sagen.«

»Das werde ich«, sagte die Baronin und zog die Schelle. »Ich lasse Herrn Doktor Stein bitten«, sagte sie zu dem eintretenden Bedienten, »auf einen Augenblick zu mir zu kommen.«

Der Bediente verschwand, die Baronin ging mit schnellen Schritten in dem Gemache auf und ab.

»Nur um Himmels willen keine Szene, liebe Anna-Maria«, sagte der alte Herr, der ebenfalls aufgestanden war, ängstlich.

Die Baronin antwortete nicht, denn in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und herein traten Oswald und Bruno, Bruno mit düsterem, trotzigem Gesicht und die Spuren eben geweinter Tränen in dem dunklen Auge, aber vollkommen reisefertig, den mit Wachsleinen überzogenen Strohhut in der Hand.

»Sie befehlen, gnädige Frau?« sagte Oswald, sich vor der Baronin verbeugend.

Die Baronin war durch diese unerwartete Lösung der schwierigen Frage ein wenig aus der Fassung gebracht.

»Ich hörte, Bruno weigere sich, uns zu begleiten«, sagte sie, »und da wollte ich –«

»Verzeihen Sie, gnädige Frau«, unterbrach sie Oswald, »von einer Weigerung Brunos, einem ausdrücklichen Wunsche Ihrerseits nachzukommen, kann wohl selbstverständlich nicht die Rede sein. Bruno hätte mir gern Gesellschaft geleistet, das ist alles. Es bedurfte natürlich nur eines Wortes, ihn daran zu erinnern, daß er meinethalben nicht die Rücksichten aus den Augen setzen dürfe, die er gegen Sie und den Herrn Baron zu nehmen hat.«

»Nun, das dachte ich mir doch gleich«, sagte die Baronin, die im Innern sehr froh war, der »Szene« mit Oswald, vor dem sie, ohne es sich selbst gestehen zu wollen, eine sie demütigende, aber unüberwindliche Scheu empfand, überhoben zu sein. »Es wird ihn nicht gereuen, sich unseren Wünschen akkommodiert zu haben. Das Wetter ist herrlich, und wir werden, denke ich, recht vergnügt sein. Wie schade ist es, lieber Herr Doktor, daß Sie nicht von der Partie sein können! Nun, wir hoffen, Sie bei unserer Rückkehr, die in zwei bis drei Tagen erfolgen wird, wieder in vollem Wohlsein zu treffen. – Ah, Mademoiselle! Ist alles bereit? Dann laß uns aufbrechen, lieber Grenwitz. Adieu, lieber Herr Doktor! Adieu, Mademoiselle, n'oubliez pas! Ah, Herr Timm! Wahrhaftig, ich hätte Sie beinahe vergessen –«

»Ebenso schmeichelhaft wie natürlich«, sagte Herr Timm, der mit der Reißfeder hinter dem Ohr und etwas stark derangierter Toilette soeben erschienen war, um sich den Herrschaften zu empfehlen, und jetzt der Baronin in den Wagen half. »Bon voyage! Grüßen Sie den alten Grafen Grieben bestens von mir! Famoser alter Herr, der einen kapitalen Rheinwein führt. All right! Hott, Brauner –« und Herr Timm versetzte dem ihm zunächst befindlichen Pferde einen derben Schlag mit der flachen Hand, und warf dann den Insassen des Wagens, der sich jetzt in Bewegung setzte, eine Kußhand zu.

»Gott sei Dank«, sagte er, als die Kutsche vor dem Tor verschwunden war, und rieb sich vergnügt die Hände. »Nun sind wir doch einmal unter uns Mädchen! Was fangen wir nun vor Entzücken an? Qu'en dites vous, Monsieur le Docteur? Qu'en dites vous, Mademoiselle?«

»Ich habe ein paar Briefe zu schreiben und werde mich deshalb auf mein Zimmer begeben«, sagte Oswald in das Haus gehend.

»So wollen wir eine französische Lektion im Garten nehmen, kleine Marguerite«, sagte Herr Timm, den Arm der jungen Dame ohne Umstände in den seinen legend.

»Ich nicht 'abe den Zeit!« sagte die hübsche Französin und versuchte ihren Arm loszumachen.

»Dummes Zeug!« sagte Albert. »Wenn du nicht jetzt hast den Zeit, wo die alte Vogelscheuche fort ist, wann wollen Sie denn Zeit haben? Kommen Sie! Venez! Komm du kleiner Zieraffe! Wir haben schon so schöne Fortschritte gemacht in der Konjugation von aimer: J'aime, tu aimes – nous aimons –«

Und Albert zog die sich nicht allzusehr sträubende Marguerite in den Garten, und wer sich für dies romantische Paar interessierte, konnte es bis zum Mittag daselbst Arm in Arm umherschweifen sehen und die Beobachtung machen, daß es den verschiedenen Bosketts und den dichteren Baumgängen entschieden den Vorzug vor den offenen Plätzen gab, was bei der großen Hitze des Tages am Ende auch ganz natürlich war.

Es war am Nachmittage, und Oswald saß wieder an seinem Schreibtisch, den er nur, um mit Albert und Marguerite ein kurzes und von seiner Seite sehr schweigsames Mittagsmahl einzunehmen, verlassen hatte, als ihm ein Billett gebracht wurde. Oswald war, seitdem er auf Grenwitz lebte, so wenig gewohnt, dergleichen zu empfangen, daß er den Bedienten, der es ihm einhändigte, ganz erstaunt fragte: »Von wem?«

»Von Baron Oldenburg«, erwiderte dieser, »des Barons Wagen hält vor der Tür.«

Oswald erbrach das Billett und las:

»Lieber Freund! Wenn Sie die lernbegierige Brut loswerden können und sonst nichts Besseres zu tun haben, wollen Sie nicht einem einsamen Hypochonder auf ein paar Stunden Gesellschaft leisten und sich bei dieser Gelegenheit überzeugen, wie gut unserm Heideblümchen die Versetzung in das fremde Erdreich bekommt! Mein Kutscher ist der Überbringer dieses. Er hat den Auftrag, mit Ihnen oder auf Ihnen zurückzukommen. Also – wählen Sie! Ihr Oldenburg.«

Oswald schwankte, was er tun sollte. Mit dem Sonnenschein war die Sehnsucht nach Melitta mächtig in seinem Herzen erwacht. Er konnte es nicht begreifen, daß er drei volle Tage hatte vorübergehen lassen, ohne auch nur einen Versuch zu machen, sie zu sehen. Und dennoch, trotzdem er wußte, daß die Wolke, die sich in dem Ballsaal zwischen sie und ihn gelagert hatte, längst verschwunden war, trotzdem er ihr sein Unrecht tausend und tausendmal im Herzen abgebeten hatte, scheute er sich, den ersten Schritt zur Versöhnung zu tun.

Er nahm einen Briefbogen, um dem Baron zu schreiben, daß er seiner Einladung nicht Folge leisten könne, und schon im nächsten Augenblick hatte er seinen Hut ergriffen und eilte hinab. Derselbe elegante Holsteiner, in welchem er von dem Baron von Barnewitz zurückgekommen war, hielt mit den zwei feurigen Rappen bespannt vor dem Portale. Der Kutscher, ein hübscher Mann mit einem ungeheuren Bart, lächelte ihm, in Erinnerung des neulich erhaltenen schweren Trinkgeldes, freundlich zu. Als er einstieg, rief Albert über die Gartenmauer:

»Können Sie mich nicht mitnehmen, Monsieur le docteur?«

»Nicht wohl!« sagte Oswald.

»Nun, dann fahren Sie allein«, rief Albert, »zum Teufel«, setzte er hinzu, als der Wagen davonrollte. »Du hast recht, Marguerite«, sagte er zu der kleinen Französin, die jetzt aus dem Gebüsch, in dem sie sich vor Oswald versteckt hatte, hervorkam, »der Doktor ist wirklich ein fat, wie du sagst, und ich werde nächstens auch anfangen, ihn zu 'assen.«

Unterdessen rollte der Wagen durch das kleinere Tor dem Waldweg zu, der um den Wall herum in den Buchenwald führte, der sich von hier bis an den Strand zog, und den man passieren mußte, wenn man von Grenwitz nach Cona, dem Stammgut der Oldenburger, wollte. Es war eine köstliche Fahrt in den hohen, kühlen Buchenhallen, wo durch die dichten grünen Baumkronen der blaue Himmel leuchtete und links, wenn zwischen den mächtigen Stämmen das Unterholz weniger üppig wucherte, von Zeit zu Zeit das blaue Meer herüberblitzte, im Anfang selten und nur auf Augenblicke, dann, je näher sie dem Saum des Waldes kamen, öfter und länger, bis es plötzlich bei dem Ausgang des Waldes dalag, blau und unermeßlich, blitzend im prächtigen Sonnenschein.

Der Weg führte auf der Höhe des Ufers hin, manchmal sich so dem Rande nähernd, daß man das Branden der Wogen zwischen den großen Steinen des Strandes deutlich vernahm, dann wieder auf weitere Entfernungen zurückweichend. Rechts streifte das Auge über ungeheure Kornbreiten, die den Rücken des Plateaus bedeckten. Die langen kräftigen Halme bogen sich unter der Last der Ähren, und wehten hinüber und herüber vor dem lauen Wind, der von dem Meere über sie dahinfuhr. Hier und da flatterte eine Lerche, deren Nest allzudicht am Wege war, empor und stieg singend in den blauen Himmel.

Dann senkte sich der Weg in ein muldenförmiges Tal, durch das ein ziemlich bedeutender Bach, der Abfluß des Faschwitzer Moores, dem Meere zueilte. An dem Bach entlang und bis hart ans Meer lag ein Dorf, das von Fischern bewohnt wurde, die dem Baron Grenwitz zinspflichtig waren. Der Wagen mußte das Dorf passieren, das mit seinen kleinen sauberen Häuschen und den kleinen mit Muscheln eingefaßten Gärtchen vor den Türen einen freundlichen Eindruck machte. Vor der Tür eines der größeren Häuser, das sich durch ein Schild, auf welchem ein Schiff mit vollen Segeln durch grasgrüne schaumgekrönte Wogen fuhr, als Wirtshaus ankündigte, hielt ein Reiter auf einem wundervollen braunen Vollblutpferde. Er trug einen langen Überrock, und Oswald konnte das Gesicht nicht sehen, da der Reiter sich eben niederbeugte, ein Glas Branntwein entgegenzunehmen, das eine blauäugiger blonde Schifferdirne mit einem allerliebsten Stumpfnäschen ihm präsentierte.

»Das Pferd ist unter Brüdern seine zweihundert Louisdor wert«, sagte der Kutscher, welcher ein Kenner war.

»Wer ist der Herr?« fragte Oswald.

»Weiß nicht, ich konnte sein Gesicht nicht sehen.«

Hinter dem Fischerdorfe stieg der Weg ziemlich schnell zu einer bedeutenderen Höhe, als von der er auf jener Seite herabgesunken war. Auch nahm die Landschaft hier einen anderen Charakter an. Das Terrain war weniger eben; statt des gelben nickenden Kornes bedeckte braunes Heidekraut den Boden, der hier und da auf große Strecken eine mit kleinen und großen Steinen und graugrünem, kurzem Grase bedeckte Wüste war. Auch die Luft schien weniger warm, und man hörte, da sich der Weg näher am Rande des hohen steilen Ufers hinzog, deutlicher das Brausen des Meeres.

Ein Seeadler zog oben in der hellen Luft seine Kreise, einigemal schwebte sein schwarzer Schatten über den sonnenbeschienenen, steinigen Weg.

»Ist es noch weit bis Cona?« fragte Oswald.

»Der Hof liegt dort hinaus«, sagte der Kutscher, mit dem Peitschenstiel rechts über die Heide deutend. »Sie können ihn von hier aus nicht sehen. Ich fahre den Herrn Doktor nach dem Schweizerhäuschen.«

»Und wo liegt das?«

»Gerade vor uns in den Tannen.«

Ein Waldweg von hohen Tannen krönte den höchsten Punkt des Ufers, zu dem jetzt der Weg, der immer steiler und steiniger wurde, ziemlich rasch hinaufführte. Als Oswald sich im Wagen umwandte, um die zurückgelegte Strecke zu überschauen, erblickte er in einiger Entfernung den Reiter, der vorhin vor dem Wirtshause gehalten hatte. Er ritt mit derselben Geschwindigkeit, in welcher der Wagen fuhr, und als dieser zufällig hielt, weil eine Schnalle an dem Riemzeug aufgegangen war, hielt er ebenfalls sein Pferd an, so lange, bis das Fuhrwerk sich wieder in Bewegung setzte. Oswald, dem dies Benehmen aufgefallen war, bat den Kutscher, nach einigen Minuten abermals zu halten. Er wandte sich um; der Reiter hielt ebenfalls. Er ließ das Manöver noch ein paarmal wiederholen, stets mit demselben Erfolg.

»Das ist doch sonderbar«, sagte Oswald.

»Ja«, sagte der Kutscher, »ich weiß auch nicht, was das zu bedeuten hat.«

In diesem Augenblick verließ der Reiter den Weg und trabte quer über die Heide nach der Richtung fort, in der, wie der Kutscher sagte, hinter dem Kamm des Plateaus der Gutshof von Cona lag.

Der Wagen hatte jetzt die Tannen erreicht, die so dicht standen, daß man vom Meere nichts mehr sehen und nur noch sein Brausen hören konnte, das sich mit dem Wehen des Windes in den hohen Bäumen vermischte. Dann blitzte es bei einer Wendung des Weges wieder auf, und vor ihnen auf einem freien nach dem Meere zu offenen Platze lag ein aus Holz im Schweizerstil ausgeführtes Haus, Oldenburgs Sommerwohnung.


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